Sit venia verbo

Samstag, 30. Mai 2009

„Das Gesetz ist nicht Gesetz, sondern die Macht; dieser Spruch steht über den Tälern geschrieben, in denen wir zugrunde gehen. Nichts ist sich selber in dieser Welt, alles ist Lüge. Wenn wir Gesetz sagen, meinen wir Macht; sprechen wir das Wort Macht aus, denken wir an Reichtum, und kommt das Wort Reichtum über die Lippen, so hoffen wir, die Laster der Welt zu genießen. Das Gesetz ist das Laster, das Gesetz ist der Reichtum, das Gesetz sind die Kanonen, die Trusts, die Parteien; was wir auch sagen, nie ist es unlogisch, es sei denn der Satz, das Gesetz sei das Gesetz, der allein die Lüge ist.“
- Friedrich Dürrenmatt, "Der Verdacht" -

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Ich verabschiede mich...

Freitag, 29. Mai 2009

Mach’ es gut, Leser! Vielleicht denkst du mal an mich zurück, an die Zeit, in der ich offen schreiben, offen meine Meinung verkünden durfte. An die gute alte Zeit, die aber auch schon ganz schön beschissen war. Mach’ es gut! Wenn es am schönsten ist, muß man aufhören – wenn es am schönsten ist, dann wird man aufgehört. Ich verabschiede mich präventiv, quasi testamentarisch, irgendwie so, wie bei einer Patientenverfügung, damit man im Fall der Fälle abgesichert ist, damit ich im Fall der Fälle nicht noch einige banale Abschiedsworte in die Tastatur hämmern muß. Abschiedsworte, für die man dann keinen freien Kopf mehr hat.

Vielleicht schaffe ich es ja nicht einmal mehr, diese Sätze zu beenden, womöglich klingelt es gleich an der Türe.
Sind Sie Roberto De Lapuente?
Ja, immer gewesen!
Sie sind verhaftet!
Es klicken Handschellen, ich frage nach dem Grund, doch den wird man mir erst auf dem Revier erläutern. Ich habe Kinder hier, werde ich betteln, nehmen Sie mir wenigstens die Handschellen ab, ich folge ihnen ja auch so. Es wird nichts helfen, das wird man nicht tun, denn ich bin schwerkriminell, ein potenzieller Polizistenmörder. Warum man sie mir nicht abnimmt, warum man mich nicht ehrenvoll abführt, das werde ich dann erst später erfahren, wenn ich in einem kargen Büro sitze, vor mir ein Beamter im schlecht sitzendem Hemd, Kaffeedunst aus seinem Rachen verströmend, in Mundart seltsame Fragen stellend. Fragen, auf die man sich nur schwer konzentrieren kann, weil man noch immer die salzige Würze der tränenüberströmten Wangen der Ehefrau auf den Lippen hat, noch immer ihr leidendes Antlitz vor sich sieht, ihr Wehgeschrei hört, dahinter die ratlos und verstört wirkenden Kinder.

Wer weiß, vielleicht geschieht dies in einigen Minuten, vielleicht auch erst in einigen Wochen oder Monaten. Man wird mir dann erklären, dass der Besuch von Terrorlagern strafbar sei, worauf ich fragen werde, wie man nur auf die bizarre Idee kommen kann, dass ich ein solches Lager je besucht hätte. Ich kenne mich, ich weiß, dass mir der Humor nicht schwinden wird; ich werde zynisch erklären, dass ich nicht wußte, dass jener CSU-Werbestand in der Fußgängerzone, an dem ich einst ratlos umherblickend, auf meine Gattin wartend, die sich währenddessen Schuhe oder dergleichen Schnickschnack erwerben wollte, dass ich eben nicht wußte, dass dieser ominöse Werbestand ein faschistischer Außenposten einer Terrororganisation gewesen sei. So glauben Sie mir doch, Herr Kommissar!

Und wenn es auch noch ein Erahnen des Zukünftigen bleibt, so weiß ich doch bereits heute, was man mir antworten wird. Man müßte kein Lager besuchen, es reiche aus, wenn man bereits eine Gesinnung hege, die zu einer solchen Tat führen könne - bereits dies sei ausreichend um strafrechtlich verfolgt zu werden. So wollte es die Politik, die Große Koalition, so wollten es die Gedankenleser des Bundestages. Ja, aber... ich habe doch nie Terror gepredigt! Skepsis ja, Gerechtigkeit ja, Mißstände anprangern ja – über solche Dinge habe ich viel und sehr häufig geschrieben und berichtet. Im Grunde bin ich ja Moralist! Ja eben, wird der Kommissar beiläufig in seine Kaffeetasse säuseln, ja eben, Sie sind Moralist. Darum geht es ja, Sie stehen doch gerade deswegen dem Terrorcamp so nahe. Ich werde einwerfen, nutzlos einwerfen - dies wird mir dann bereits schon bewusst sein, dass es nichts mehr nützt -, dass das doch nicht Terror sei, sondern die strikte Überzeugung, dass es die Rettung des Menschlichen sei, wenn man sich auf moralische Grundsätze besinnt und sie klar verteidigt. Er wird abwinken, nichts mehr sagen, mir einen Anwalt empfehlen. Sein Abwinken wird mir alles an den Kopf werfen, was ich mir als Anklage vorstellen kann: Ein Moralist in unmoralischen Tagen ist ein Terrorist!

So könnte es kommen, so könnte es vielen meiner Kollegen gehen, die im Auftrag ihres Gewissens gegen den Wahnsinn der Zeit anschreiben. Ihr alle, geschätzte Freunde, steht dem Terror näher, als es euch bewusst ist! Mir ist es bis heute auch nicht bewusst, auch jetzt nicht, da ich in eine zukünftige Zeitlinie geblickt habe. Eine Zeitlinie, die indes hoffentlich niemals in dieser Form reale Zeitlinie werden wird; ich weiß immer noch nicht, weshalb ich dem Terror nahestehen soll, aber ich erahne, dass ich es dennoch tue. Man spürt, wenn man in eine Ecke gedrängt wird, auch wenn es dunkel ist und die Konturen der Wand nicht sichtbar sind, man merkt, wenn eine Mauer nurmehr ein Paar Zentimeter hinter einem lauert, auch wenn noch kein Kontakt mit derselbigen entstanden ist.

Wir wissen aus der Geschichte dieses Landes, dass linke Opposition immer als terroristisch beschimpft wurde. Wir wissen, dass es im Grunde heute immer noch so ist, dass es nie anders war. Protestiert man gegen die Pläne der G8, so gehört man laut öffentlicher Meinung einer Gruppe von Irren an; geht man gegen Sozialabbau auf die Straße, mokieren sich Meinungsmacher darüber, wie fleißig Arbeitslose demonstrieren könnten, während sie weniger Fleiß bei der Suche eines Arbeitsplatzes an den Tag legen. Geistige Brandstifter, die ihre Flausen aus den Kopf geradewegs aufs Papier bringen, diese Auswürfe auch noch einer Leserschaft vorsetzen – was müssen denn das für terroristische Naturen sein? Wer nach der Gesinnung riecht, die ich hege, der ist kriminalisiert, der wird entweder in die Ecke des Tagträumers oder des gefährlichen Zündlers gestellt.

Wundert es da noch, wenn ich mich von euch verabschiede? Rein vorsorglich, versteht sich, rein aus der Angst heraus, vielleicht nicht mehr zum Zuge kommen zu können. Wenn ich erst am Tisch des verbeamteten Pflichterfüllers sitze, der in seinem Bericht die Vermutung äußern wird, bei mir handle es sich um einen pathologischen Moralisten, der eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle, wenn ich erst einmal dort sitze, dann werde ich kaum mehr daran denken, noch einige Abschiedsworte an meine Leserschaft zu richten, ich werde das Schreiben sowieso ganz schnell verwerfen müssen, weil man mir keinen Raum mehr belassen wird, meine geistigen Brandsätze unters Volk zu bringen. Nicht mal unter dieses kleine Völkchen meiner Leserschaft!

Nein, man sollte sich nicht wundern, wenn man sich als Mensch, der heute in der Opposition steht, schon mal auf den Fall der Fälle vorbereitet. Was da auf uns zurollt, was Schritt für Schritt umgesetzt wird, was an Homogenisierung der Massen und Ausmerzung der Individualisten in die Wege geleitet wird, muß uns das Blut in den Adern gefrieren lassen. Eine Gesinnung, die zu einer solchen Tat – zum Terror - führen kann, so meint der Bundestag, soll die Strafverfolgung ermöglichen. Meine Güte, ich beziehe mich so oft auf Marcuse, so wie einst die Gruppe um Baader. Macht mich das bereits zum Terroristen? Oder dass ich Ulrike Meinhof für eine Koryphäe des deutschen Journalismus halte? Blüht mir nun Gefängnis? Oder dass ich glaube, dieses System muß abgelöst werden? Soll ich mich geistig schon mal auf fünf Jahre einstellen? Und was, wenn ich nun wirklich denke, dass ein Staat, der solche Gesinnungsschnüffelei betreibt, auch Bomben verdient hätte? Nicht weil ich abgerissene Körperteile besonders erquickend finde, sondern weil sie einfach logische Folge einer Diktatur sind. Bin ich nun ein Terrorist? Das wirft die Frage auf: Darf ich in meinem Kopf alle terroristischen Methoden anwenden, solange ich sie nicht ins wirkliche, ins physische Leben werfe? Ist im Kopf nicht sogar der Mord legitim, weil im Kopf das eigene grenzenlose Reich der Phantasie eine gänzlich oppositionsfreie Diktatur ausübt? Sind die Gedanken nicht frei?

Wie ein an den Tod denkender Mensch, der im Falle seiner geistigen Abwesenheit per Patientenverfügung auch seine physischen Restbestände gestorben wissen will, so sollte der Oppositionelle dieser Gesellschaft ebenso eine Verfügung erlassen. Eine Oppositionellenverfügung. In diesem Sinne verabschiede ich mich schon einmal, viele von euch treffe ich wieder, hinter Gittern, miteinander den Hass auf eine Gesellschaft aufkochend, die uns dann zu dem gemacht hat, was wir dann sein werden, die uns bereits zu dem gemacht hat, was wir heute sind – obskure Gestalten, die den Ablauf dieses Landes hemmen, weil sie ständig dazwischenquatschen und einen Fetisch von Grund- und Menschenrechten frönen und damit alle Wirtschaftlichkeit des Systems vor arge Probleme stellen. Macht es also gut! Denkt an mich, denkt an uns Dazwischenquatscher. Und laßt euch nicht erwischen, wie ihr unsere Webpräsenzen besucht, sonst klingelt es bald auch an eurer Haustür!

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De dicto

Donnerstag, 28. Mai 2009

"Mögen die Schwachstellen der Stopp-Schilder gegen Kinderpornographie noch so groß sein, mögen die Selbstheilungskräfte des Internets noch so ausgeprägt sein – es ist nicht zu bestreiten, dass immer häufiger im Internet zu sehen ist, wie Säuglinge und Kinder vergewaltigt werden. [...] Deren Netzideologie hält viel von Freizügigkeit, aber wenig von Verantwortung."
- Frankfurter Allgemeine, Jasper von Altenbockum am 27. Mai 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Wie übel es um den Journalismus hierzulande bestellt ist, läßt sich an dem Haufen Sätze ablesen, den von Altenbockum zum Thema Internetsperren hingeworfen hat. In der Kommentar-Rubrik, in der sein Elaborat erschienenen ist, müßte er nicht unbedingt stichhaltig berichten, aber stichhaltig argumentieren dürfte er schon, zum unkritischen Organ der Familienministerin jedenfalls müßte er sich nicht selbst erniedrigen. Doch er, wie das deutsche Feuilleton in fast allen Fällen, ist nurmehr eine Bastion der Unterstreichung vordiktierter Maßnahmen und Vorschläge - erlassen von den Zentralen der Machtausübung, verkündet durch die freien und unabhängigen Medien!

Mit welchen Mittel ein solches Verlautbarungsorgan arbeitet, läßt sich anhand des zitierten Textes erkennen. Kritiker werden ihres Status als zweifelnde Bürger enthoben, man nimmt ihnen ihre berechtigte kritische Kultur, die jede demokratische Landschaft nur bereichern kann, und degradiert sie dafür zu Ideologen, zu verantwortungslosen Gesellen, die gierig auf den eigenen Vorteilen sitzen bleiben wollen, obwohl die einzig vernünftige Handlung wäre, heftig bejahend mit dem Kopf zu nicken, wenn ein neuer freiheitsberaubender Erlass aus den Druckern diverser Ministerien herausrattert. Zudem ersinnt man Argumentationskonstrukte, die man den Kritikern in die Schuhe schiebt. Diese würden demnach vermehrt von den "Selbstheilungskräften des Internets" sprechen und damit jegliche staatliche Intervention im Keime ersticken wollen. Doch jede bodenständige Kritik am Plan von der Leyens hat nie auch nur im Ansatz einen solchen Terminus verwendet, jeder ernsthafte Kritiker würde niemals annehmen wollen, dass sich dortige Mißstände, die ja durchaus vorhanden sind - auch das leugnet das Heer der Kritiker nicht -, von alleine regeln. Damit das ganze Meer von Mundtotmachung noch unterstrichen wird, erfindet sich von Altenbockum ein anarchistisches Internet, in dem angeblich keinerlei Rechte gelten, in dem die Wildheit und das Recht des Hinterhältigen herrscht. Letztere Beschreibung trifft eher auf den vielgelobten freien Markt zu, nicht jedoch auf die Internetkultur, wie sie sich uns wirklich zeigt.

Damit soll ausgedrückt werden, dass der gemeine Kritiker ein antidemokratischer, verantwortungsloser, eigennütziger Kollege ist, mit dem es sich gar nicht zu diskutieren lohnt. Er ist demnach Handlanger der Kinderpornographen, von denen von Altenbockum behauptet, sie würden stetig mehr, ohne aber diese Behauptung zu untermauern. Der Kritiker ist daher nicht mehr Bestandteil eines demokratischen Diskurses, er ist ebenso Feind, wie der Pädophilie, nein, er ist schlimmer als der Pädophilie, weil letzterer seine Handlungen auf eine genetische Willkür schieben kann, oder auf eine fehlentwickelte Konditionierung in der Kindheit - je nach Wissenschaftler, die sich immer und überall darum streiten, ob etwas genetisch bedingt ist oder angelernt. Aber der Kritiker ist einfach nur uneinsichtig, unvernünftig, nimmt mit Gleichgültigkeit den zu bekämpfenden Mißstand hin, damit seine eigenen Interessen gewahrt bleiben. Dass der Verbreiter von Kinderpornographie kriminell handelt, liegt auf der Hand, dass aber der Kritiker am rigiden Abbau von Freiheitsrechten kriminell sein soll, dass muß erstmal herbeigeschrieben werden. Dazu bedarf es solch dümmlicher Kurzkommentare, wie den oben genannten.

Natürlich handelt es sich nur um einen Kommentar, nicht um ein journalistisches Stück, welches den Bürger objektiv aufklären soll. Dennoch muß man sich fragen, warum jemand, der im Namen der FAZ kommentieren darf, annimmt, er könne mit drei kurzen Absätzen, mit Verleumdungen und Verdrehungen Stimmung machen. Wenn er schon Verlautbarungsorgan der Familienministerin sein will, würde es zumindest eines gewieften journalistischen Sophismus bedürfen, der wenigstens vorgaukelt, man meine es objektiv. Von Altenbockums Murks zeigt deutlich auf, dass man Verdummung nicht mal mehr aufwendig betreiben will, dass dieses Geschäft des platten Duktus, ein schnelles Geschäft sein soll - wie beim schnell dazwischengeschobenen Urinieren, soll dem Leser schnell Dummheit ans Bein gepinkelt werden. Und noch etwas kann man erkennen: Man kann für große deutsche Tageszeitungen arbeiten, muß aber deshalb noch lange kein großer Journalist sein oder überhaupt Journalist sein - Zeiten der Volksverdummung sind auch immer Zeiten des sozialen Aufstiegs vom Mitläufern und von Mittelmäßigen und Unterdurchschnittlichen. In diesem Kontext muß man Einwürfe, wie jenen des Herrn von Altenbockum, begreifen lernen.

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Das Paradies läge so nah

Mittwoch, 27. Mai 2009

Wenngleich zur Enttäuschung feierlauniger Bundesrepublikaner, der Mann, der Rudi Dutschke anschoss - Josef Bachmann mit Namen -, wohl doch kein IM der Staatssicherheit war, gibt man sich nun neuer Hoffnung hin. Marianne Birthler wird persönlich die kilometerlangen Regale abschreiten, dabei forschend den Staub aufwirbelnd, hier und da einige Ordner aus den Ablagen wuchten und damit bislang unbekannte Sensationen präsentieren, die die Geschichte dieses Landes im neuen Licht erstrahlen lassen werden. Endlich, endlich ist die Zeit gekommen, da die Bundesrepublik so umgeschrieben werden kann, dass aus ihrem sündigen Leben eine Hagiographie erblühe.

Während der Mörder Kurras, damals vom Mordvorwurf freigesprochen, nun seiner gerechten Strafe für ein viel schlimmeres Verbrechen überstellt werden soll, nämlich der Mitgliedschaft in der SED, soll nun langsam aber sicher deutlich werden, dass alles, was das Jahr 1968 ausmachte - (der folgenreichste Sündenfall dieses Landes) -, eine Verschwörung der Stasi war. Die Studentenschaft, geängstigt von der Unfähigkeit ihrer Eltern und Großeltern, sich mit dem braunen Geschehen von einst auseinanderzusetzen, furchtsam vor den ehemaligen NSDAP-Mitgliedern Kiesinger und Lübke, besorgt ob des Wiedererstarkens der damaligen NPD, könnte so als von Ost-Berlin aufgehetzter Mob in die erneuerte Geschichtsschreibung eingehen. Man stelle sich vor, die suchende Marianne birthlert (das Verb stammt vom englischen birth, der Geburt ab, denn die strebsame Frau gebiert Legenden) eine Akte hervor, in der abgeheftete Papiere beweisen, dass der NPD-Vorsitzende jener Tage, Adolf von Thadden, ein Stasi-Mann war – auf einen Schlag wäre der Geist des Revisionismus als Unart der DDR abgetan.

Vielleicht könnte sie auch dafür sorgen, dass jene Unterlagen das Licht der westlichen Welt erblicken, in denen festgehalten ist, dass die Väter und Mütter der Notstandsgesetze ferngesteuert waren. Oder dass der Vietnamkrieg ein Produkt ostdeutscher agents provocateurs war. Wie peinlich müßte dies dem letzten wimmernden Geist der 68er sein, wenn herauskäme, dass ihr Ho-Ho-Ho-Chi-Minh eine Hymne auf Erich Mielke war! Und wenn wir schon dabei sind: Brandt stolperte nicht nur über einen Stasi-Mann, sondern war selbst einer. Seine Ost-Politik, der Kniefall in Warschau, vorallem aber der Verzicht auf ehemals deutsches Gebiet in Polen, könnten damit als Treiben der Staatssicherheit entlarvt werden. Welche Freude wäre das für Erika Steinbach und ihren biederen Heimatverein! Da wäre der Geist des Revisionismus wiederbelebt! Damit es den Konservativen wieder wohliger wird in ihrem Deutschland, welches derzeit ja so fürchterlich Richtung Kommunismus abgleitet, sollte sich die emsige Marianne sputen, sexuelle Revolution, Antibabypille und, wenn wir schon dabei sind, den HI-Virus auch dem Ost-Berliner Regime in die Schuhe schieben.

Ja dann, dann wäre die BRD ein Paradies – und das schon immer gewesen! Und verarmen dann innerhalb der herrschenden Krise immer mehr Menschen, die im Osten des Landes schneller als die im Westen, dann führt man Zwangsumsiedlungen durch, schafft die Verelendeten in die neuen Bundesländer und gibt der flinken Marianne einen Wink. Die zieht dann ein Dokument unter ihrem Rock hervor, in dem zu lesen ist, dass die Wiedervereinigung ein Produkt von Stasi-Leuten war, demnach als hinfällig zu betrachten ist. Eine Wiedervereinigung, die so ins Leben kam, will man dann freilich nicht mehr haben. Dies ist übrigens keine Geschichtsklitterung, sondern die übliche Kosmetik derer, die sich als Sieger begreifen, aber noch gar nicht gemerkt haben, dass sie nur die Übriggebliebenen sind.

Während Abgeordnete und ehemalige Staatsmänner die Sicherheit genießen, dass Marianne Birthler deren Stasi-Akten sicher unter ihrem Kopfkissen von der Welt versteckt hält, müssen alle anderen Angst haben, bald Opfer der absoluten und einzigen Wahrheit zu werden. Wallraff hat es schon erleben dürfen, für ihn galt der Schutz, zumal die Aktenlage höchst spekulativ war, nicht. Er wurde „entlarvt“. Springer, eine alte Rechnung begleichend, nannte ihn immer wieder einen IM, worauf Wallraff mehrfach klagte und mehrfach Recht erhielt. Wallraffs Akte muß irgendwie aus Birthlers Bett gefallen sein. Er ist ja auch kein Staatsmann - ganz im Gegenteil.

Ihr Meisterstück soll die Birthler-Behörde aber noch machen. Wenn es nur irgendwie gelänge, den österreichischen Postkartenmaler als IM zu entblößen - hach, Paradies, Du längst schwarz-rot-gülden im Herzen Europas...

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Ich, Zensor und Schwächling

Dienstag, 26. Mai 2009

Zum Thema notwendiger Intoleranz, ein kurzer Einwurf in eigener Sache. Wenn Toleranz zum stillschweigenden Absegnen auch menschenverachtender Meinungen wird, einem Absegnen unmoralischer Geisteselaborate, dann wird sie - die Toleranz - zum repressiven Mittel. Daher sprach ich mich kürzlich dafür aus, die Intoleranz immer dann walten zu lassen, wenn die Menschenverachtung über den toleranten Umweg Einzug in die Diskussion findet. Dies bedeutet nicht, dass man eine Form politischer Korrektheit einfordern muß, in der Unerfreuliches nicht mehr gesagt werden darf - es darf gesagt werden, nur muß es korrekt kommentiert sein, darf nicht unkritisch als Meinung inter pares eingestuft werden. Denn was wir beispielsweise in Form von Sarrazins verstecktem Sterilisationsanstoss vor uns haben, ist keine Meinung, sondern gelinde ausgedrückt, eine Frechheit für jeden halbwegs gebildeten Menschen.

Diese Frechheit soll durchaus ihren Raum finden, soll dort verbreitet werden, wo der Frechheit Heimstatt ist. Das erleichtert den Kritikern an den Zuständen ja auch die Arbeit, macht es ihnen möglich, mittels eines Blicks in diverse Tageszeitungen, gleich erkennen zu können, wohin das Schiff abzudriften droht. Müßte man die Menschenverachtung immer hinter humanistischen Floskeln suchen, wäre der Kritiker in arger Not, müßte lange Zeit darauf verwenden, den vermeintlichen Humanist zu entlarven. Die Heimstatt der verbalen Menschenverachtung, die Einstieg in aktives Handeln sein kann oder eher sein wird, so müssen wir annehmen, ist bei den großen Massenmedien zu finden, bei BILD, Stern, Spiegel, aber auch in der Tagesschau und bei Anne Will. Dort wird absolute Toleranz zwischen Blätter geschrieben oder in Drehbüchern vorgegeben. Und dort, sofern man eben Büttel konservativer und/oder menschenverachtender Denkart ist, ist die als Meinung euphemisierte Frechheit womöglich zuhause.

Wo sie kein Obdach findet, jedenfalls nicht auf plumpe Weise, ohne die dazugehörige Kommentierung, das ist ad sinistram. Immer wieder soll ich Kommentare freischalten, die auf infamste Weise die Schweinereien als Wahrheiten aufgreifen, Schweinereien, die uns Herrschaften wie Sarrazin oder Organisationen wie der Ärzteverband vor die Füße werfen. Als ich vor einiger Zeit über den Kampfbegriff des Gutmenschen schrieb, bekam ich den Kommentar einer Dame zu lesen, die sich über den vermeintlichen Gutmenschen entrüstete. Sie habe in der Nachbarschaft Menschen zu ertragen, die ohne einen Arbeitsplatz innezuhaben, dennoch fünf Kinder hätten. Solche Mißstände würden Gutmenschen aber tolerieren und unterstützen. Da darf Intoleranz also ein Plätzchen haben; beim Schoß der Nachbarin beginnt die Intoleranz, bei der geistigen Umnachtung eines Ex-Senators hält man tolerant still. Die Dame, so war offensichtlich, hat meine bescheidenen Zeilen zum Gutmenschen gar nicht gelesen - ich habe ihren Kommentar aber durchaus gelesen und - darauf will ich eigentlich mit diesen kurzen Sätzen hinaus - verworfen.

Ähnlich war es vor kurzem, als ich mich zur Intoleranz ausließ. Da bekam ich böse Kommentare, richtiggehend aggressiv, man würde solche Menschen wie Sarrazin, die die Wahrheit aussprechen, als "alte Nazis" diffamieren, andere meinten ganz unverblümt, dass Sarrazin endlich mal einer sei, der Tacheles redet. Solche cerebralen Aussetzer passieren nicht täglich, ad sinistram, vielmehr meine Person, muß nicht täglich zensieren. Aber ich tue es, gelegentlich und ohne schlechtem Gewissen. Zensur ist keine Lösung, das ist wohl wahr, sie ist repressiv und autoritär - aber manchmal ist sie der einzig gangbare Weg des Widerstandes. Ich will diese Ansichtsweisen ja gar nicht generell verbieten, aber bei ad sinistram haben solch illustren Gestalten ihre Frechheiten nicht auszuteilen. Dazu gibt es diverse Foren und Blogs, dazu kann man sich auf den Onlinepräsenzen der großen deutschen Printmedien auskotzen. Dort findet man Seinesgleichen, dort können sich solche Menschenverächter und Apologeten der Lüge heimisch fühlen - aber hier nicht!

Ja, ich weiß, dies bringt mir Ärger ein, macht mich angreifbar. Aber mir lag daran, dass meine Leserschaft davon erfährt. Ad sinistram wird trotz einiger dummer Kommentare wohl nie Treffpunkt menschenverachtender Kreise werden, aber ich kann im Grunde keine dieser Dummheiten dulden, weil sie meine Ethik beleidigen, weil sie den Antrieb meines Schreibens - das ist nämlich mein sowieso schon verletztes ethisches Gewissen - beflecken. In diesen Zeiten muß man in den Medien genug der Schmach erfahren, es gibt genügend Blogs und Foren, die die von den Medien gerissenen Wunden weiter aufreißen und mit Bakterien verschmutzen - ich, aber natürlich auch ein Großteil meiner regelmäßigen Leser, wollen das nicht auch noch hier haben. Man braucht auch einen Rückzug, ich brauche einen Rückzug! Das hat nichts damit zu tun, dass ich hier quasi der Chef bin, denn an Titel liegt mir wenig - im Gegenteil, ich bin zu schwach, die von allen Richtungen kommende Dummheit und Menschenverachtung, auch noch in meinen eigenen virtuellen Räumlichkeiten verteidigen zu müssen. Da fehlt es an Kraft, an Einsatzbereitschaft, an gutem Willen - kurz, ich bin in dieser Frage ein Schwächling, daher zensiere ich.

Das mag der Antrieb aller Zensoren sein. Sie sind nicht stark, sie tun aber so. Sie sind schwache Kreaturen, die sich nicht der differenten Weltsicht stellen wollen. Diese Schwäche gibt sich aber den Habitus des Starken. Vielleicht ist es diese Verlogenheit, der sich der Zensor hingibt, die Heine dazu ermunterten, in allen Zensoren Dummköpfe zu sehen. Was mich möglicherweise von diesen legitimierten Zensoren unterscheidet: Ich lasse den Menschen an anderer Stelle ihre Pseudo-Meinung, nur an dieser Stelle hier, bei ad sinistram, wird sie keine Geltung finden. Ich will nicht, so wie das totalitäre Zensieren, das heute angeblich nicht mehr praktiziert wird, nur anders heißt, nicht überall andere Sichtweisen ausgemerzt, will keine omnipräsente Inquisition ins Leben gerufen wissen - ich zensiere nicht für eine Ideologie, ich zensiere für mich, für mein Gemüt, das sich nicht mehr abkühlen kann, weil es ständig auf das verbale Verbrechen stößt und dann auch noch hier, bei ad sinistram, solchen Ergüssen begegnen müßte.

Selbst wurde ich in Foren ebenso schon zensiert, weil meine Sichtweisen nicht für den Allgemeingeschmack der dortigen Klientel gedacht waren - heute suche ich solche Plattformen erst gar nicht mehr auf. Warum muß ich mich denn auf nationalistischen und/oder neoliberalen Seiten tummeln? Dort habe ich nichts verloren, zumal ich kein Missionar meiner eigenen Ansichten bin. Außerdem sei schlussendlich erwähnt, dass wir seit einigen Tagen, dank der NachDenkSeiten wissen, dass es gezielte Meinungsmache in Foren und auf anderen Plattformen gibt, die sich mit Geld erkaufen läßt. Solchen kommerziellen Menschenverblödern soll sowieso kein Raum geboten sein. Da es nicht ausgeschlossen ist, dass auch kleinere Blogs von solchen Gesellen besucht werden, ist doppelte Vorsicht geboten.

Nehmt also zur Kenntnis: Nicht alles kommt durch, was an Kommentaren hier verbreitet würde, nicht alles wird tolerant in Buchstaben feilgeboten. Schwäche - sicherlich! Aber Leitbild ad sinistrams, denn letztlich ist nicht alles Denkbare Meinung, letztlich kann das, was man heute vorschnell als Meinung gelten läßt, nichts anderes sein, wie menschenverachtende Gemeinheit. Dafür bietet auch das Internet mehr als genug Plätze - hier ist aber keiner dafür.

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Ein greises Nervenbündel

Sonntag, 24. Mai 2009

Pünktlich zum Geburtstag dieses Landes, nun da die Republik einen Stock benötigt, um die Tonnenlast eines langen Lebens noch abstützen zu können, waschen die überschwänglichen Gratulanten den Lebensinhalt des Jubilaren rein. Damals, im jugendlichen Alter, die BRD hatte gerade die Volljährigkeit überschritten, die heutige Volljährigkeit, denn die damalige wurde erst ab der Vollendung des 21. Lebensjahres zugestanden, damals ließ man sich im jugendlichen Eifer zu Gewalt und Engstirnigkeit hinreißen, machte das Geburtstagskind Fehler, wie sie jeder zuweilen in jungen Jahren macht. Doch wie es so ist, wenn man alt wird, sentimental zurückblickt, Revue passieren lassen will, schämt man sich seiner frühen Schandtaten, will das später so würdevoll begangene Leben nicht durch Schmutzpunkte der einstigen Sturm- und Drangzeit, der einstigen Lotterzeit verunreinigt sehen.

Und siehe da, an der Geburtstagstafel sitzen liebevolle Freunde, Menschen die der BRD nahestehen und nur das Beste für den Jubilaren wollen, deswegen frühere Schattenseiten des einstigen Jünglings kaschieren, wenn man sie schon nicht ganz beseitigen kann. So wie viele Menschen dazu neigen, einen erbarmungslosen Streit mit Eltern, Freunden oder der damaligen Freundin umzudeuten, alle Schuld bei dem Kontrahenten zu platzieren, damit das damalige Schreien, Kratzen, Schlagen, dieser peinliche Akt im Jugendalter, wenigstens ein wenig erträglich auf den gealterten, nun souverän gewordenen Menschen wirkt, die damalige Schuld des jungen Naiven keinen Anstoß zur Diskussion mehr erregt, die Scham über kopflose Äußerungen oder ungestüme Ohrfeigen in eine berechtigte Handlung umschlägt, so wie sich zuweilen Menschen ihre Vergangenheit zurechtlügen, so baut sich die BRD eine neue Vergangenheit, für die sie sich nicht mehr zu genieren braucht.

Seitdem man lesen mußte, dass der Ohnesorg-Mörder Kurras ein Mitarbeiter der Staatssicherheit war, so las man es jedenfalls zwischen den Zeilen, ist der Mord und alles was an Verschärfung des damaligen Gesellschaftskonflikts folgte, kein Fehlverhalten des Geburtstagskindes mehr, sondern eine Intrige des schon verstorbenen Bruders. Zwischen den Zeilen - wie gesagt. Aber ganz frei von der Seele weg, äußert sich Springers Widerling Tiedje dazu, ganz ungeniert schreibt er, was andere unsichtbar zwischen ihre Sätze klemmen: "Massendemos, Unruhen und brennende Barrikaden, ja selbst der Tod von Rudi Dutschke haben ihren Ursprung direkt im Einfluss- und Auftragsbereich von Erich Mielke, dem Stasi-Minister der SED (heute Linkspartei). [...] Auch mit Kampagnen wie „Enteignet Springer!“ lagen sie falsch." Hier soll gar nicht erst daran gezweifelt werden, ob die Birthler-Behörde wirklich stichhaltige Beweise hat, dass Kurras wirklich Stasi-IM war. Die hatte Birthler schon im Falle Wallraffs, was aber kein Gericht dieses Landes je anerkannte.

Der Bruder hat das eigene Leben versaut, selbst war man immer ein feiner Kerl, hat sich immer vollkommen moralisch verhalten. Den Radikalenerlass haben wir Honecker zu verdanken, die Abhöraktionen in Stammheim, als man Gespräche zwischen Mandanten und Anwälte abhörte, sind ein Produkt Mielkes und, was der BILD besonders stinkt, die verbrannten BILD-Ausgaben, die umgeworfenen, in Brand gesetzten Auslieferungsfahrzeuge, sind allesamt von Ost-Berlin aus ausgegangen. Ja, das Geburtstagskind hat ein schweres Leben hinter sich, war immer versucht, auch wirklich ein moralisches Leben zu führen, ein christliches Leben, in dem fromm gehandelt, das aber vom exzessiven Bruder immer gestört und auf die Bahnen des Teufels gelenkt wurde. Der setzte einem zu, machte das eigene Dasein zu einer unmoralischen Hölle, so sehr, dass man noch heute an psychischen Spätschäden leidet, dass man noch immer seelisch zerrüttet und zerfressen ist, immer noch im Hass auf das verstorbene Familienmitglied zurückblickt, immer noch Beißreflexe zeigt, wenn man den Namen des Bruders auch nur erwähnt. Die in die Jahre gekommene Republik ist nervenkrank, gezeichnet von einem langen Leben, in dem man immer unschuldig schuldig gesprochen wurde, obwohl es der Bruder mit geröteten Pausbäckchen war, der die Untaten vollbrachte. Diese zur Schuld gewordene Unschuld muß einem Gemüt einfach Schäden zufügen.

Wir sollten Rücksicht auf den alten Mann nehmen, sollten nicht zu arg mit dem greisen (es wird gemunkelt, das Geburtstagskind sei viel älter, nicht erst sechs Jahrzehnte alt, sondern mindestens Jahrgang 1933) Jubilaren umspringen, ihm nicht frech den Stock wegziehen. Das Leben hat ihm schwer zugesetzt, seine Nerven angegriffen, so sehr, dass eine Art geistige Verwirrtheit herauskam. Man muß nur ins Land hineinschauen, Selektionsdebatten von Ärzten in einer demokratischen Republik, Sterilisationsvorschläge innerhalb eines Sozial- und Rechtsstaates, ein bestätigter Sparkassendirektor als Bundespräsident und soziales Gewissen des Landes, obwohl der mitverantwortlich für den Sozialabbau war, Rentenkassen ausbluten ließ! Wer könnte da noch leugnen, dass die BRD schwer krank ist, ein Nervenbündel mit schizophrenen Anwandlungen? Wer wundert sich da, dass um die Festtafel nur Bekannte aus der Irrenanstalt sitzen? Bekannte, die Lobreden halten, den bösen Bruder verteufeln, und ihre Republik, diese Republik, die so gut zu ihnen war, weil sie darin verdienen, ausbeuten und verhetzen durften, ohne dass man sie bestraft hat, als Paradies auf Erden darstellen; Bekannte, die täglich an die gummierten Wände ihres Obdachs stoßen und Mißstände als Zustände, Betrügereien als Vernunft, Rückschritt als Fortschritt verkaufen. Der Jubilar und seine elitären Gäste, in Feierlaune, sich auf die Schulter klopfend, fressend, saufend, Musik hörend, während die gefeierten Zustände immer mehr schwinden, aus der res publica eine Sache der Eliten, während aus dem Grundgesetz mehr und mehr ein Stück Exponat für ein Museum wird.

Ein langes Leben hinterläßt nun mal seine Spuren, der Senior scheint immer mehr in Phantasiewelten abzugleiten...

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Die Selektionsrampe ist wieder Alternative

Freitag, 22. Mai 2009

Wieder einmal ist die deutsche Ärzteschaft in der Zwickmühle; wieder einmal, nach langen Jahren, in denen ihr Schaffen wertneutral über die Bühne gehen konnte, hat sie sich zwischen wertvollen und wertlosen, zwischen behandlungswürdigen und -unwürdigen Kranken zu entscheiden; wieder einmal wählt man im vorauseilendem Gehorsam die Selektionsrampe. Der deutsche Arzt soll aber dabei nicht selbst entscheiden müssen, dies hat er auch seinerzeit nicht, schon bevor er gut organisiert in braunen Reichsverbänden Forderungen an die Mächtigen der Politik richtete, Forderungen bezüglich Neustrukturierung der Krankenkassen und Auslesedoktrin, als er demokratisch legitim für eine neue Art des Gesundheitswesen plädieren durfte, in der bestimmte Gesellschaftsschichten entweder ganz ausgeschlossen oder sterilisierend betreut werden sollten. Er entscheidet nicht selbst, aber er will, dass für ihn vorentschieden wird, dass man ihm vorgibt, wen er zukünftig als Patienten stillschweigend ignorieren darf. Eine Prioritätenliste der behandlungswerten Krankheiten soll die Reformen im Gesundheitswesen genesen, soll die Geldbeutel der Ärzteschaft heilen lassen. All das geschieht aber im Namen des Patienten, der dann vielleicht gar kein Patient mehr sein wird, weil seine Krankheit nicht wichtig genug ist, ganz unten in der Prioritätenliste eingetragen ist; im Namen des Ex-Patienten engagiert sich das organisierte Ärztetum, jener Ex-Patienten, die nun vielleicht von einer unheilbaren Krankheit heimgesucht werden und daher sowieso abgeschrieben werden sollen.

Die Ärzteschaft dieses Landes steht damit, unkritisch wie sie ist, in bester Tradition. Nicht anders hat sie einst Herr über Leben und Tod sein wollen – und sein dürfen, nachdem man lange genug jene Politik penetriert hat, die sich als Mittler zwischen Nutzen und Kosten verstand, die den Menschen zum Kostenfaktor und Produktionsmittel degradierte, zum Menschenmaterial für Industrie und den Führern des Landes herabwürdigte. Wer innerhalb dieses materialistischen Wertekanons keinen Platz fand, weil er krank war, falscher Herkunft, falsche Weltanschauung pflegte, dem wurden Spezialbehandlungen zuteil. Die sich vernünftig gebende Ärzteschaft heutiger Tage empfindet ähnlich, wenn auch etwas zurückhaltender. Ihre Spezialbehandlung ist die Unterlassung, die Ignoranz, die Gleichgültigkeit gegen Krankheiten, die sie für nicht behandlungswürdig hält. Sie tut das nicht aus rassischer Überzeugung, nicht aus nationalistischem Pathos, sondern weil in deren Weltbild der Mensch ein Kostenfaktor ist, eine Maschine aus Fleisch und Blut, deren Wiederherstellung oberstes Gebot ist - und weil die eigene Wirtschaftlichkeit das einzig anzustrebende Ziel der Ärzteschaft zu sein hat. Hier schlägt die fromme und frohe Botschaft vom Wettbewerb im Gesundheitswesen voll durch. Wenn beim täglichen Haushalten der Praxis eine erfolgreiche Behandlung von Patienten zustandekommt, dann ist es natürlich erfreulich, wenn nicht, dann eben nicht. Das Wohl des Hilfesuchenden hat sich der eigenen finanziellen Gesundheit unterzuordnen. Indessen versteht sich der Arzt lediglich als Monteur kaputtgegangener Menschenmaschinen, und ist als solcher ebenso eine Maschine. Und da man als gefühlssterile Maschine auch nur Maschinen repariert, die auch wirklich wirtschaftlich sind, die noch Profit versprechen, noch nicht gänzlich vom Rost zerfressen sind, setzt man auch nur solche Maschinen instand, die Wertschöpfung versprechen. Diese Denkweise ist zwischen den Zeilen der vernünftelnden Prioritätenliste in aller Deutlichkeit herauszulesen.

Wenn dies schon alles wäre: es wäre schon genug, schon ausreichend beleidigend gegenüber den Patienten. Einen wesentlichen Punkt der Reformitis sprechen die Ärzte gar nicht an, er ist nicht relevant für sie, weil er den Status des Maschinenheilers angreift, weil er das Verhältnis zwischen Arzt und Patient beleuchtet und wieder ins richtige Licht rückt, nämlich in das Licht eines Verhältnisses zwischen Menschen, in ein Vertrauensverhältnis. Der Arzt wird heute als rein verwissenschaftlichte Heilsgestalt begriffen, eine die Chemie reicht, die den Makel beheben, die wieder einsatzbereit machen soll. Bevor man vom Arzt sprach, der etymologisch vom griechischen arch-iatros entsprungen ist, bemühte man im mitteleuropäischen Raum den lachi, den Besprecher. Obzwar Heilkundiger, der mittels Pflanzen und Kräutern zu lindern, manchmal auch zu heilen vermochte, sprach man vornehmlich von einer Person, mit der man sich besprechen könne. Das Verhältnis zwischen Kranken und Heiler war ein besprechendes, ein sich von der Seele sprechendes Verhältnis. Man erkennt daran, wie man einen solchen damaligen Heiler benannte, dass den Menschen einst der Arzt mehr als Reparateur war, nämlich eine Person, bei der man sich aussprechen konnte, mit der man sprach, die mit einem sprach, die sprechend ans Seelische herantastete, um so auch das körperliche Gebrechen zu lindern.

Dass im Verhältnis zwischen Arzt und Patienten immer auch eine psychologische Komponente hineinwirkt, verspüren wir selbst noch häufig, wenn wir beispielsweise nach einer Nacht, die wir uns übergebend auf der Toilette verbracht haben, morgens darauf in einem Wartezimmer lungernd, trotz fehlenden Schlafes, bitterem Geschmack auf der Zunge und stechendem Mundgeruch eine Art der Besserung verspüren, weil wir uns dem Heiler näher fühlen, der Linderung angenähert haben. Wir geben unser Leid in die Hände eines Helfenden, wir entlasten die eigene körperliche Not, indem wir einen Nächsten, einen Besprecher daran teilhaben lassen. Wir sind fortan, zumindest für den Moment in der Praxis, während der Vorfreude, gleich ärztliche Heilkunst erfahren zu dürfen, nicht mehr alleine, wir teilen unsere Not, entlasten uns selbst, damit wir es ertragen in unserer Pein. Was die katholische Kirche, bei aller Kritik am repressiven Charakter dieser Organisation, schon vor Jahrhunderten in Form der Beichte erkannte, spielt in viele Bereiche unseres Lebens immer noch hinein: Wenn man sich verbal entlasten, wenn man es sich buchstäblich von der Seele reden kann, dann erfährt man Linderung, zumindest spürt man, dass Besserung eintritt, auch wenn dieser Zustand vielleicht schulmedizinisch überhaupt nicht nachzuweisen sein mag.

Was der Reformwahn im Gesundheitswesen angerichtet hat und weiterhin anzurichten droht, ist natürlich, wie oben dargelegt, eine neue, im demokratischen und vernünftelnden Antlitz daherkommende Selektion. Es ist die weitere Reduzierung des Menschen zu einer Apparatur der Wertschöpfung. Die Ärzteschaft wehrt sich dagegen nicht, sondern springt auf den Zug mit auf, macht sich gar zum kriechenden Helfershelfer dieser Praxis. In dieselbe Kerbe schlagend, doch bereits trister Praxenalltag, ist das Aufheben des Vertrauensverhältnisses. Der Arzt erhält eine Pauschale pro zu behandelnden Patienten, diese gilt für ein ganzes Quartal. Ob der jeweilige Patient nur einmal in diesen drei Monaten vorstellig wird, oder ob er jede Woche mindestens einmal im Behandlungszimmer über seinen Zustand klagt, ändert nichts an der Vergütung des Arztes. Die Ärzteschaft, gebunden an die Wirtschaftlichkeit ihrer Praxen, kann natürlich einem regelmäßigen Besucher kaum noch Zeit widmen, fertigt im Schnellverfahren ab, muß zusehen, möglichst viele Pauschalen pro Quartal einzustreichen. Dabei leidet das Vertrauensverhältnis, weil es, erstens, an notwendiger Zeit mangelt, und zweitens, kein Interesse mehr am Besprechen und Auseinandersetzen mit dem Patienten besteht, nicht mehr bestehen kann, sofern die nun unwirtschaftlich werdende Praxis am Laufen gehalten werden will.

Das Aufheben des Vertrauensverhältnisses ist keine Novität. Schon vor Jahren ging man dazu über, den Patienten zum reinen Kostenfaktor herabzusetzen, zum zu reparierenden Gesellschaftsbestandteil, der möglichst effektiv und kostengünstig justiert werden soll, damit er wieder zurück ins Glied rücken kann. Individuelle Betreuung findet so gut wie nicht mehr statt. Doch dieser Mißstand war für die deutsche Ärzteschaft nur selten ein Anstoss des Widerstandes. Erst jetzt, da neue Gebührenregelungen den Lebensstandard herabdrücken sollen (unberechtigt für viele Einzelne, keine Frage), erst jetzt wird sich über die Politik ereifert. Man zieht den Patienten heran, für dessen Wohl man sich einzusetzen vorgibt, läßt ihn aber im Stich, indem man Prioritätsselektion zum Lösungsweg aus der Misere proklamiert. Dass Patienten schon vormals immer mehr das Gefühl hatten, sie seien ein reiner Abrechnungsgegenstand im üblichen Praxisalltag, weil der jeweilige Arzt sich keine Zeit mehr nahm für seine Kranken, war relativ belanglos für Hartmannbund und Konsorten. Aber dieses Verhalten liegt in der Tradition des Hartmannbundes, der sich schon vor 1933 relativ fanatisch für die Sterilisationen von "Schwachsinnigen" (nachzulesen bei Scharsach) aussprach. Wer über die Geschichte der deutsche Ärzteverbände informiert ist, wer ihr heutiges Ringen um die eigenen Privilegien beobachtet, Tendenzen zur Vorzugsbehandlung bestimmter Kranker erkennt und dabei salonfähig gewordene „Meinungen“, wie die von Sarrazin in Relation stellt, dem könnte es die Nackenhaare aufstellen. Der Schoß ist fruchtbar... wieder oder noch?

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Sit venia verbo

Donnerstag, 21. Mai 2009

"Wenn man nach Erklärungen sucht, warum die muslimische Welt heute von Gewaltausbrüchen erschüttert wird, muss man folglich nicht auf jene Spekulationen zurückgreifen, dass den Islam eine gewaltfördernde Geisteshaltung auszeichne. Die islamische Welt hat die Orientierung verloren, weil sie unter dem Schock der geistigen Revolution steht, die mit der fortschreitenden Alphabetisierung und der allgemeinen Verbreitung der Geburtenkontrolle einhergeht. In einigen nicht muslimischen Ländern, die eine solche Revolution hinter sich haben, brauchen gewaltsame politische Unruhen aus, die alles bislang auf islamischen Boden Beobachtete in den Schatten stellten.
In Ruanda wurde die Mehrheit der jungen Männer bis 1961 und die der Frauen bis 1980 alphabetisiert. Der Geburtenrückgang setzte um 1990 ein. Die rassistischen Zusammenstöße zwischen Tutsis und Hutus gipfelte 1994 in einem Völkermord, der in seinen Ausmaßen an die schrecklichen Massaker in Europa erinnert. Dabei ist Ruanda fast ausschließlich christlich geprägt, ohne dass jemand auf den Gedanken käme, die dortigen Gräuel auf eine gewaltfördernde Geisteshaltung des Christentums zurückzuführen.
In Nepal wurde die mehrheitliche Alphabetisierung der jungen Männer um 1973 und der jungen Frauen um 1997 erreicht. Der Geburtenrückgang setzte 1995 ein. Dass die maoistische Guerilla dort weiterhin Zulauf fand, obwohl die kommunistische Ideologie auf internationaler Ebene zusammengebrochen war, stellt einen Anachronismus dar, passt aber zeitlich perfekt ins Schema der geistigen Modernisierung des Landes. Aber kann man den Hinduismus und den Buddhismus für die Gewalt, die dieses Land erschütterte, mit verantwortlich machen?
Der Grundirrtum besteht freilich darin, dass man die ideologischen oder religiösen Krisen in den muslimischen Ländern, in Ruanda oder in Nepal als Erscheinungen des Rückschritts betrachtet. Dabei handelt es sich im Gegenteil um die Krisen einer Modernisierung, welche die jeweilige Bevölkerung ihrer Orientierung beraubt und das politische Regime destabilisiert. Diese Fehldeutung wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich systematisch auf alle afrikanischen Länder - die muslimischen wie die christlichen oder animistischen - übertragen werden, denn sie folgen in kurzem Abstand der arabischen Welt auf dem Weg in die Modernisierung. Dann wird man - was schon heute geschieht - die noch immer herrschende Stammesgesellschaft oder andere archaische Phänomene für Konflikte verantwortlich machen, die in Wahrheit Krisen der Modernisierung sind. In den am weitesten entwickelten Küstenzonen des Golfs von Guinea dominieren Katholizismus oder Protestantismus. Bei kommenden Ausschreitungen werden dort folglich überwiegend Christen beteiligt sein, wie es bereits an der Elfenbeinküste und in Nigeria der Fall war, wo die ideologischen Unruhen vor allem an den Küsten aufflammten, die stärker alphabetisiert und christlich geprägt sind. Obwohl Häme völlig unangebracht ist, können solche Unruhen den Europäern und Amerikanern vor Augen führen, wie töricht es ist, den moralischen Zeigefinger auf den Islam zu richten.
Auch die Gewaltausbrüche, die Europa von der Reformation bis zum Zweiten Weltkrieg erschütterten, fanden über einen größeren Zeitraum verteilt vor dem Hintergrund einer mentalen Modernisierung statt. Wenn die Welle über sie hinweggerollt ist, kommen die Länder wieder zur Ruhe. Dann blicken sie gerne erstaunt, ja herablassend auf die ihnen nachfolgenden Staaten, in denen die Fluten noch toben. Diese Fehlsichtigkeit offenbart das spärlich ausgebildete historische Bewusstsein, das Europa und die Vereinigten Staaten kennzeichnet. Unser Zeitalter feiert das kollektive Gedächtnis, kultiviert aber zugleich das Vergessen."
- Youssef Courbage, Emmanuel Todd, "Die unaufhaltsame Revolution - Wie die Werte der Moderne die islamische Welt verändern" -

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Gelehrte Ohnmacht

Mittwoch, 20. Mai 2009

Es ärgerte mich. Nein, es entrüstete, verletzte mich in meinem Rechtsempfinden zutiefst. Mein damals elf- oder zwölfjähriges vages Empfinden bezüglich Gerechtigkeit war erschüttert. Es handelte sich indes nur um eine Banalität, aber um eine, die mich alle Ohnmacht spüren ließ, von der ich bis dato noch wenig, zu wenig wußte. Da wir, die Schulklasse, mit einem Hefteintrag nicht fertig wurden, erregte sich die Klassenleiterin, eine notorische Schreckschraube mit Hang zur Melodramatik, in heftiger und quietschender Xanthippe-Manier. Die Pause solle nun dienen, das nachzuholen, was wir in der Stunde nicht vollbringen konnten oder wollten. Das war ihr Urteil, und wie Kafkas Bendemann warfen wir uns zwar nicht von der Brücke, aber direkt hinein in eine arbeitsame Pause.

Ich saß mit hungrigem Bauch da - hungrig war ich schon damals leidenschaftlich oft. Ich blickte durch das Klassenzimmer, auf meine Mitschüler, erkannte ebenso entrüstete Gesichter, vernahm ein leises Raunen, es rumorte zwischen den Bankreihen, es war deutlich spürbar. Unzufriedenheit, Entrüstung, da fühlten sich andere, nicht nur ich, ungerecht behandelt, wollten den despotischen Anflug der Pädagogenfurie nicht folgsam dulden. Jetzt muß es gleich losgehen, dachte ich mir, wenn einer aufsteht und revoltiert, dann stehe ich auch auf und gehe voran. Aber es stand keiner auf, alle blieben sitzen, alle taten das, was ungerechterweise von ihnen verlangt wurde. Ich auch. Dabei wäre es ein Selbstläufer, sinnierte ich, wenn nun einer die Initiative ergreift, stehe ich mit auf, sicher auch andere mit mir. Nur, so kam es mir später, am Nachmittag, als ich über den Hausaufgaben brütete, wenn ich zuerst aufgestanden wäre, wer wäre mir gefolgt? Wäre ich als ungehorsamer Einzelner mit einer Strafe belohnt worden, nur weil man mich im Stich gelassen hat? Womöglich dachten alle so.

Aber warum steht keiner auf, fragte ich mich, noch in der Schulstunde, das heißt, noch in dieser Pause. Verdammt, hier liegt doch ein Notfall vor, eine außerordentliche Frechheit, bei der jeder Ungehorsam entschuldbar sei. Wenn nun alle aufstünden, wenn alle zusammenstünden, dann schöben wir diese hysterische Kuh vor uns her, aber aufhalten könnte sie uns nicht. Vielleicht noch ein Weilchen, gleich würde jemand auf die Barrikaden gehen, da war ich mir sicher. Bestimmt jemand aus den elitäreren Kreisen unserer Klasse, die eloquenten Wortführer – mir mangelte es damals an Wortgewalt, so wie es den einstigen Wortgewaltigen heute an Eloquenz mangelt. Bestimmt würde sich gleich der Sohn oder die Tochter eines elterlichen Snobs erheben, Leute die sonst auch immer vorne dabei sind, wenn es um „verantwortungsvolle“ Pöstchen innerhalb der Klasse ging.

Doch ich irrte. Keiner stand auf, auch kein Elitesoldat. Gerade jene Leistungsträger waren es, die stur auf ihr Blatt Papier starrten, so taten, als hätten sie von der Frechheit der Lehrerin nichts mitgekriegt. Ignoranz als Grundlage unschuldigen Mitlaufens. Keiner stand auf, nicht in jenem Moment, auch kein Weilchen danach. Man tat, was verlangt wurde. Die Revolte war nicht einmal aufgeschoben, sie war überhaupt keine Option, nichts, was auch nur im Ansatz vorstellbar gewesen wäre - und schon gar nicht von denen, die sich sonst immer in die erste Reihe drängten. Ja, ich saß auch in dieser gelähmten Masse, habe mich ebensowenig hervorgetan, wie meine schweigenden Klassengesellen. Zur Entschuldigung ist bestenfalls vorzubringen, dass ich aber auch sonst ein schweigsamer, ja schüchterner Junge war, kein Rädelsführer, der, sobald die Lehrerin aus der Türe war, wort- und tatkräftig auf die Klassenschwächsten eingeschlagen hat.

Da wurde mir die Ohnmacht wahrscheinlich das erste Mal in meinem Leben bewusst. Mir wurde offenbar, dass eine große Masse Macht hätte, wenn sie nur wollte – mir wurde begreiflich, dass eine große Masse, die diese Macht aber nicht in Anspruch nimmt, eine schmerzhafte Erfahrung ist. Der Heranwachsende macht ja viele schmerzhafte Erfahrungen, man lernt nach und nach, dass die Welt kein Ort der Glückseligkeit ist. Diese Erfahrung, die Erfahrung der Ohnmacht, war eine der schmerzhaftesten, die mir widerfahren ist. Diese Ohnmacht schmerzt noch heute, sowohl wenn ich auf erlebte Ohnmachten zurückblicke, als auch aktuelle Ohnmachten, wenn die Lehrer an der Spitze der Politik und der Wirtschaft in die Pause hineinarbeiten lassen, obwohl es ihre eigene Unfähigkeit war, die zu diesem radikalen Schritt erst geführt hat.

Noch immer, obwohl lange Jahre vergangen sind, da ich aus dem Schulalltag ausschied, sitze ich als kleiner Junge in einem Klassenzimmer. Immer dann, wenn ich eine Ansammlung von Menschen wahrnehme, die von einer Lehrergestalt an der Nase herumgeführt wird, dann sehe ich mich in einer Schulbank sitzen, ohnmächtig und erschlagen von den hohen Wänden des Klassenzimmers. Viele meiner nächtlichen Träume, auch wenn sie nichts mit Schule zu tun haben, spielen in den Räumlichkeiten meiner ehemaligen Schule. Psychoanalytisch laienhaft könnte man interpretieren, dass meine Träume immer etwas mit Ohnmacht, immer mit etwas Kafkaesken, immer etwas mit der erdrückenden Allmacht meiner Schulkarriere zu tun haben könnte.

Gelernt habe ich zweierlei in der Schule. Lehrstoff und die Einsicht, dass die Ohnmacht allpräsent ist. Aber auch, dass man lernen kann, sich gegen diese Ohnmacht zu stellen. Die Revolte, die Fähigkeit des Neinsagens, die Courage einfach aufzustehen, sie schlummerte schon damals in mir. Mag das die doppelte Sturhaftigkeit eines Menschen sein, der aus zwei Bergvölkern hervorging, die ihrerseits für ihren sturen Kopf berühmt sind; mag das eben bayerisch-baskische Aversion vom Mitläufertum sein, uriges Ihr-könnt-mich-mal. Egal, warum, sie - die Revolte - schlummerte in mir, so wie sie auch schlummerte, als man uns den Toilettengang während der Schulstunde verboten hatte. Auch da entrüstete ich mich innerlich, war zerrissen zwischen Erwartungshaltung der Autorität und dem, was ich als natürliches Recht in mir verspürte. Aber ich schwieg, noch hatte die Autorität das Ruder in der Hand.

Heute würde ein solches Szenario anders verlaufen, noch einmal die Situationen erleben, denen man als Kind ausgesetzt war, noch einmal den kleinen und großen Ungerechtigkeiten dieser institutionalisierten Erwachsenenwelt ausgeliefert sein, als Kind ausgeliefert sein! Kind sein und wissen, was man heute weiß – das wäre mir ein provozierendes Vergnügen.

Meinen Kindern lehre ich, dass persönliche Courage einen Grundwert darstellt, den auch eine künstliche Autorität nichts entgegenzusetzen hat. Aber sie tun sich schwer, in einem Meer von Mitläufern, die den Freigeist wie einen verworrenen Spinner aussehen lassen. Stünde eines meiner Kinder auf, wenn die Klassenleiterin ein anderes Kind schlecht behandelte, würde laut verlangen, dass dieses Vorgehen sofort zu unterbleiben hat, ich wäre stolz, ich würde meinen Kind zur gezeigten Reife gratulieren. Dies hätte mehr Wert als hundert gute Zensuren, dies wäre ein Einser im nichtexistenten Schulfach „Mündigkeit und Zivilcourage“ - doch um solche "Fächer" geht es dieser Gesellschaft nicht, sie stellen einfach keinen Mehrwert her.

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Nomen non est omen

Heute: "Leistungsträger"

"Der Parteichef kündigte an, die FDP werde sich im Fall von Regierungsbeteiligungen stärker um die Leistungsträger in der Gesellschaft kümmern."
- Abendblatt vom 7. Januar 2009 -

"Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie – muss sich Politik kümmern."
- Peer Steinbrück, Zeit vom 13. November 2003 -
Der "Leistungsträger" wird heute als quasi anzustrebendes Idealbild eines Menschen präsentiert und beschworen. Ein solches Individuum zeichnet sich vor allem durch seinen sozialen Status und sein Eigentum aus, häufig sind es sogenannte "Eliten". Arbeitsplätze zu schaffen, Vermögen anzuhäufen und in der sozialen Gesellschaftsskala zu den oberen Reihen zu gehören, wird in der politischen und ökonomischen Debatte als "Leistung" angesehen.

Zwar gibt es öffentliche Bewunderungsfloskeln (z.B. in politischen Talkshows), wenn sich z.B. eine Putzfrau dazu bekennt, dass sie lieber arbeitet, statt von ALG II zu leben (im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams) – doch die Gesetzgebung der letzten Jahre hat vor allem die Vermögenden und Reichen unserer Gesellschaft genutzt. In diesem Sinne wird "Leistung" mit Vermögen, sozialem Status und Eigentum gleich gesetzt und nicht mit "harter Arbeit".

Dabei verwerten die sogenannten "Leistungsträger" häufig die Arbeit, die andere für sie erbringen: ihre Buchhaltung, ihre Arbeitskräfte, ihre Steuerberater und so weiter. Auch besteht die "Leistung" der Eliten häufig nur im Verwalten des Vermögens – wenn überhaupt. Misserfolge werden mit Abfindungen und Aktienoptionen belohnt, Fehlverhalten mit kaum vorhandenen Konsequenzen geadelt und kriminelle Machenschaften mit Freisprüchen vor Gericht vergütet. Somit taugen diese Individuen selten als gesellschaftliche Vorbilder – sie werden bisweilen um ihr Vermögen und ihre Einflussnahme beneidet. Vermögen zu haben ist heutzutage selten eine Leistung, sondern eher eine Kette krimineller, egoistischer und unmoralischer Entscheidungen.

Dies ist ein Gastbeitrag von
Markus Vollack aka Epikur.

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Rückkehr der Patronage

Dienstag, 19. Mai 2009

Gemunkelt wird schon seit Wochen und Monaten. Offiziell ist es noch nicht, wird es auch nicht werden, solange die Bundestagswahl aussteht, doch wohin die Reise geht, kann man nach und nach erkennen. Die Armenverwaltung, das Arbeitslosengeld II, Hartz IV im Volksmund genannt, wird verschärft. Wohlfahrtsverbände beklagen seit Jahren, dass der Regelsatz unzureichend ist, doch das wird diejenigen, die eine weitere Kürzung der Sozialleistungen einfordern, nicht kümmern.

Bezeichnend für diese Entwicklung ist die heutige Onlinevariante des Spiegel, der in einem Artikel die neuen Milliardenkosten für den Staat thematisiert. Weil durch die Rezession die Langzeitarbeitslosigkeit steige, würden immense Kosten entstehen. Zwar äußert der Artikel nichts darüber, ob und wie man durch Sparmaßnahmen dieser Mehrbelastung Herr werden könne, aber man darf beruhigten Gewissens davon ausgehen, dass eine drastische Steuererhöhung für Millionäre und Konzerne nicht auf dem Plan steht. Wenn schon, dann wird da gespart, wo keine Legion von Fachanwälten lauert, um gegen Verteilungspolitik juristisch vorzugehen, eben bei den Ärmsten der Armen.

Ganz geschickt ordnet Spiegel Online einen weiteren Artikel an, gleich unter dem vorherigen, der über Milliardenmehrbelastungen klagt. Darin geht es um die soziale Stadt München, in der es zwar viel Armut gäbe, die aber von den Wohlhabenden stichprobenartig behoben würde. Eine soziale Erfolgsgeschichte nennt das der Spiegel. Willkürakte, willkürliche Hilfsmomente, die nicht einklagbar sind, nicht gesetzlich fixiert, sondern auf den guten Willen des Helfers beruhen - für das Magazin, freilich auch für andere Verlautbarungsorgane der herrschenden Meinung, sind solche Konzepte zukunftsfähig. Denn nur solches Handeln belastet nicht den Staat, sondern nimmt das bessergestellte Individuum in die Verantwortung, so es denn will. Alles ist natürlich freiwillig, niemand muß helfen, niemand muß Hilfe in Anspruch nehmen. Es ist eben, getreu den Worten Frances, beiden verboten, den Armen wie den Reichen, unter Brücken zu schlafen.

Wohin die Fahrt geht, läßt sich dieser Tage ablesen. Zumindest läßt sich ablesen, wohin die Fahrt derzeit gehen soll. Das ehrenamtliche Einstehen für den Nächsten wird zur wackeligen Konstanten eines Sozialsystems, das kalkuliert heruntergewirtschaftet wurde. Der Sozialstaat wird zum Staat des willkürlichen Helfers, der heute einige Groschen gibt, weil er es sich leisten kann, aber morgen ausgebrannt ist und letztlich ausgeholfen hat. Wenn die Firma des wohlhabenden Helfers Pleite geht, wenn der Konkurs ansteht, vielleicht sogar die Privatinsolvenz, dann bräuchte er selbst einen freiwilligen Helfer, wie er einst einer war - für ihn kann man dann nur hoffen, er findet einen solchen Patron, der lange genug finanziell gesegnet ist, um die tägliche Suppe für die Zurückgelassenen zu garantieren.

Das Ehrenamt, nicht mehr Ergänzung des Sozialstaates, sondern Komponente, die nicht gesetzlich vereinbart ist, bürgerschaftliches Engagement auf freiwilliger Basis darstellt, ist keine einzigartige Erfindung dieser Tage. In Gesellschaften, die wenig für soziale Umverteilung seitens des Staates übrig hatten, im faschistischen Deutschland oder Italien etwa, wurde an das Herz der Reichen appelliert, sie sollten sich der Armen annehmen, sollten freiwillige Spenden abdrücken, dem Volksgenossen Mildtätigkeit zuteilen. So definierten die Faschismen ihren Sozialismus, ihr Umverteilungsprogramm. Es war in weiten Feldern eine freiwillige Abgabe, die natürlich durch das metaphorisch vorgehaltene Maschinengewehr besonders freundlich freiwillig war. Selbst in der Antike, im alten Rom, fand sich ein ähnliches System, wie es sich womöglich herauskristallisieren wird, wenn das Ehrenamt erst Säule - eine belastbare Säule wird es nie sein - der Armenverwaltung geworden ist. Patrone scharten Menschen um sich, die bedürftig waren, denen sie dann Getreide schenkten, manchen sogar ein kleines Salär - am Ende waren die Hilfsbedürftigen so abhängig von dem Herrn, dass sie ihm als Privatarmee dienten, ihre Wählerstimmen - die höhergestellten Hilfebedürftigen hatten in bestimmten Versammlungen Wahlbefugnis - an ihn zurückschenkten, seine Machtposition also auch noch festigten.

Das was der Spiegel stellvertretend für den elitären Geist dieser Republik als Fortschritt kürt, ist ein phänomenaler historischer Rückschritt. Hilfsbedürftige werden in den nächsten Jahren mehr und mehr in die Arme privater Gönner getrieben, vielleicht auch in die Fangarme hilfsbereiter Privatkonzerne. Inwiefern diese Hilfe auf ein christliches und nächstenliebendes Herz zurückzuführen sein wird, bleibt abzuwarten. Aber man sollte nicht so naiv sein zu glauben, dass ein Weltkonzern, der plötzlich den Altruismus für sich entdeckt hat, nicht auch Gegenleistung will. Anders ausgedrückt: Wer die Versorgung Notleidender in die Hände von fadenscheinigen Privatpersonen oder -unternehmen gibt, der gibt gleich in einem Schwung Wahlstimmen mit aus den Händen. Eine solche Entwicklung zertrümmert die Demokratie, sie beraubt die Hilfsbedürftigen ihrer demokratischen Wahlfreiheit, weil sie von ihrem Gönner abhängig sind, weil der ihnen vielleicht vorgibt, wie zukünftig zu wählen ist.

Wer dann noch essen will, der muß vielleicht nicht mehr arbeiten, aber das tun, was man von ihm verlangt, ohne zu murren, das muß er schon. Dann werden die Eliten gerne gönnerhaft sein, dann werden sie großherzig Hungerportionen austeilen - jedenfalls so lange, wie die magenknurrende Anhängerschaft nicht satt genug ist, um sich dieser Abhängigkeit zu erwehren; jedenfalls so lange, wie dieses Lumpenproletariat tut oder unterläßt, wie man es gerade von ihm verlangt.

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Platzierungswahn

Montag, 18. Mai 2009

Alle Jahre wieder die gleiche deutsche Ernüchterung. Man schickt mittelmäßige bis schlechte Musikstücke zum Eurovision Song Contest, oftmals von Trällerbarden vortragen, die wenig bis gar nicht singen können, nur um sich am Ende von ganz Europa mißverstanden zu fühlen. Das Prozedere ist alljährlich ähnlich, nach der Veranstaltung wird gejammert und lamentiert, wird sich gefragt, ob man überhaupt noch Gelder in diesen Wettbewerb stecken sollte.

Man kann den Eurovision Song Contest mögen oder nicht, man kann einen gesamteuropäischen Gesangeswettbewerb als charmante Idee verstehen oder nicht - das steht hier nicht zur Debatte. Was man aber am Drumherum um diesen Wettbewerb hierzulande feststellen kann, ist ein Hang zum Ergebnis, der sich wenig um Qualität schert. Schon vor Beginn der Veranstaltung wird regelmäßig beschworen, dass man dem eigenen Land die Daumen halte, dass man natürlich Patriot sei. Prominente und solche, die es gerne wären, werden befragt, ob sie denn mit dem Herzen beim Interpreten Soundso seien, der ja die unbeschreibliche Ehre hätte, Deutschland in Helsinki, Kiew oder Athen zu vertreten. Und natürlich seien sie für Deutschland, heißt es dann unisono im Chor. Dabei ist es ganz belanglos, ob man das jeweilige Stück als annehmbar empfindet oder nicht. Man feuert Deutschland an, auch wenn das Lied viertklassiger Natur, eine Beleidigung für jeden Gehörgang ist, auch wenn die Bühnenshow wie eine Probe einer Geisterbahnbelegschaft aussieht, auch wenn der Interpret wie ein quietschendes Gartentor klingt.

Schon hier zählt Qualität nicht, schon hier geht es nur um das Ergebnis. Da unterscheidet sich der Eurovision Song Contest nicht von der Fußball-Nationalmannschaft, der man ebenso zujubelt, selbst wenn der Fußball mit ihnen spielt, anstatt sie mit dem Fußball. Man kann noch so schlecht sein, noch so fade Spiele abliefern, wenn am Ende das Finale winkt, ist für den deutschen Betrachter alles in bester Ordnung. Zahlen und Statistiken machen jedes verkorkste Aufbauspiel erst erträglich. Das gilt hierzulande in vielen Sparten. Man baut den Sozialstaat ab, züchtet sich eine Ellenbogengesellschaft heran, aber es wird über den allgemeinen Wohlstand gejubelt, den wir der Exportweltmeisterschaft zu verdanken haben. Wenn das Ergebnis stimmt, dann ist man in Deutschland selig, dann wird der Weg dorthin, das Wie zur ausblendbaren Randerscheinung - Hauptsache Weltmeister, Hauptsache Erfolg, Hauptsache Sieger!

Die Krone dieses Denkens offenbart sich momentan wieder, nachdem man ein weiteres Mal beim Eurovision Song Contest gescheitert ist. Stefan Raab soll die deutsche Schmach beenden, soll der Retter der deutschen Eurovision-Sache werden. Jener Mann also, der mit "Wadde hadde dudde da" und "Guildo hat euch lieb" das Niveau des deutschen Vorentscheids beträchtlich nach unten gefahren hat. Aber wen kümmert es, denn letztlich war er ja der Mann, der mit solchen intellektuellen Offenbarungseiden Erfolge zeitigte. Bescheidener Erfolg, aber immerhin Erfolg, immerhin jeweils unter den Top Ten des Starterfeldes. Man hätte auch fragen können, warum man nicht wirkliche musikalische Qualität ins Rennen schickt, warum man sich nicht herantraut, ein Stück wie jenes der Patricia Kaas demnächst nach Oslo zu schicken. Die hat zwar nicht gewonnen, gemessen am Niveau des Liedes wohl sogar eher enttäuscht - aber sie hat mit Stil enttäuscht, ist der Sache treu geblieben, hat keinen bunten und aufgebrezelten Showzirkus geliefert, sondern große musikalische Unterhaltung. Nein, hier wird über den schlechten Platz gesprochen, den man in Moskau belegt hat. Aber der eigentliche Skandal ist nicht die Platzierung, sondern der peinliche Auftritt, das nichtssagende Liedchen, das wie einem Kinderreim entsprungen klang, dazu die seltsame Choreographie, die wahrscheinlich direkt aus einem Bahnhofsbordell entnommen war.

Davon will man aber hierzulande nichts wissen, man will nur das gute Resultat. Erreicht man das mit einer Ulknummer, die als peinliche Kriegserklärung an den halbwegs guten Geschmack verstanden werden kann, so ist man sich nicht zu schade, diesen Ulk zum Gewinnertypen zu erklären. Andersrum gilt dieses Prinzip auch. Als vor zwei Jahren Roger Cicero ein durchaus annehmbares Stück für den Eurovision Song Contest schrieb, hervorragend swingte, Klasse als Musiker und Sänger zeigte (immerhin kommt er aus einer Musikerfamilie), am Ende aber weit hinter den Erwartungen zurückblieb, da wurde wieder gewettert und der Mangel der schlechten Platzierung, zum Mangel für den Musiker Cicero erklärt. Man hat die Qualität des Cicero gar nicht erkannt, weil er nicht mit der Siegertrophäe zurück nach Deutschland kam. Alles wird nur nach Resultaten bemessen, das Gute ist schlecht, wenn es schlecht positioniert ist, so wie eben das Schlechte gut ist, wenn es zufällig an höherer Stelle angesiedelt wird.

In diesem Land geht es schon lange nicht mehr um Qualität, es geht nurmehr um Zahlen und Statistiken, um Resultate, um Positionierungen und Ratings. Nicht nur beim Eurovision Song Contest - der ist nur Spiegelbild für die Gesamtheit dieses kategorisierenden Denkens. Eines Denkens, das Erfolg mit Nutzen verbindet und nutzlose Erscheinungen als erfolglose Nebensächlichkeiten abtut. So ein Klima ist kunstfeindlich, weil es Kunst nur dann gelten läßt, wenn sie - die Kunst, aber auch die Philosophie, die Theologie, die Geisteswissenschaften an sich - erfolgreich ist. Erfolgreich aber nicht in dem Sinne, Menschen zu erreichen, zu inspirieren, ihnen die Augen zu öffnen, sie träumen zu lassen, nein, damit ist der finanzielle Erfolg gemeint.

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Ein Hoch auf die Intoleranz

Samstag, 16. Mai 2009

Einige Tage sind vergangen, doch die Zeitungswelt hat sich kaum kritisch gegenüber den Äußerungen Sarrazins verhalten. Kaum ein Einwurf, der Sarrazin gerecht bewertet und tituliert, kaum ein Kommentar, der die um sich geworfenen Verächtlichkeiten dieses Herrn als historischen Rückgriff entlarvt, kaum eine Polemik, die das verquere Weltbild dieses Mannes wenigstens ins Lächerliche zieht, wenn man schon nicht ernsthaft an die Sache herantreten will. Nichts, gar nichts ist passiert, der Aufschrei der Anständigen blieb aus – die Anständigen haben den Exodus angetreten, haben ihre Schreibtische geräumt und schreiben nicht mehr für die Presse.

Was stattdessen herrscht, oder besser: wer stattdessen herrscht, das sind die Toleranten, hemmungslose, grenzenlose Jünger der Toleranz. Er habe zwar nicht diplomatisch gehandelt, war vielleicht auch einen Tick zu grob in seiner Wortwahl, das müsse man schon zugeben, aber generell und genau betrachtet habe er ja nicht ganz unrecht, spreche er ja nur ungeschickt aus, was an Wahren in der Gesellschaft gärt. Seine Meinung wird toleriert, lediglich sein Stil, seine Platzhirschmentalität wurde zum Gegenstand dezenter Kritik. Man toleriert, man ist tolerant, übt sich in Toleranz. Meinungsfreiheit sei eben eine Toleranzfrage. Die Toleranz, so wie wir sie heute (wieder) erleben, ist aber der Totengräber jeglicher Moral, erstickt die Gesellschaftspolitik in einem Sumpf der Morallosigkeit, in dem das Gute, Schöne, Wahre gleichberechtigt neben dem Schlechten, Hässlichen, Verlogenen steht.

In Klaus Manns „Mephisto“ findet sich eine Passage, die die bürgerliche Toleranz in der Zeit vor 1933 kritisiert, zumindest aber kritisch hinterfragt. Hendrik Höfgen, noch nicht kollaborierend mit den Nationalsozialisten, weil die noch keinen Machtfaktor darstellen in der moribunden Republik, stattdessen der sozialistischen Sache nahestehend, dieser Höfgen also maßregelt seine Frau, eine biedere Bürgerstochter, die mit einem Mitarbeiter, einem Nebendarsteller seines Theaterensembles, Diskussionen führte. Dieser Mitarbeiter ist bekennender Nationalsozialist, glühender Hitlerianer, träumt von einem Paradies, in dem der Herrgott Schnauzbärtchen und Seitenscheitel trägt. Später, wenn dieser Traum Wirklichkeit geworden sein wird, wird der Darsteller enttäuscht sein, resignieren, weil die Revolution für ihn fruchtlos verlief, weil sich eine neue Bonzokratie herausgeschält hat – aber das tut hier nichts zur Sache. Frau Höfgen wollte ihn verstehen, redete ihm gut zu, sah in ihm eine gescheiterte Seele, verstand seine Vorstellungen nun auch, obwohl sie sich weiterhin vor dieser ominösen Revolution unter dem Zeichen des Hakenkreuzes fürchtete. Ihr Bürgerlichen mit eurer ewigen Toleranz, immer nur diskutierend, sogar mit Nazis, meint daraufhin Hendrik Höfgen. Mit denen gäbe es gar nichts zu diskutieren. Er trifft in gewisser Weise den Nagel auf den Kopf. Die Toleranz ist fehl am Platz, wenn sie an der Seite des offensichtlich Falschen positioniert wird. Verstehenwollen ist eine Sache, aber deswegen muß man nicht zur Toleranz gezwungen sein. Man kann das Motiv eines Mordes verstehen, kann sich menschlich in den Täter hineindenken, vollkommen begreifen, warum er in dieser Situation so handeln mußte - aber man muß den Mord als Mittel der Problemlösung nicht tolerieren.

Gerhard Polt, bayerischer Kabarettist meinte einmal in einem seiner Bühnenprogramme, dass man nicht immer tolerant sein könne, denn man müsse doch Standpunkte haben, man müsse doch auch mal Nein sagen können. Nur ein Rindvieh sei immer tolerant. Außerdem, so legt Polt dar, käme der Begriff der Toleranz aus dem Lateinischen, bedeute so viel wie "ertragen, erdulden". Wenn jemand im Mittelalter gefoltert wurde, wenn er auf die Streckbank gelegt wurde und diesen schmerzhaften Prozess überlebt, wenn er diese Schmerzen ertragen habe, dann habe man auf den Geläuterten gedeutet und gesagt: Schau hin, der war tolerant! Dieses kabarettistische Verdrehen des Wortsinns, diese humoristische Metapher, verdeutlicht besonders eindringlich, was es bedeutet, immer Toleranz walten zu lassen – es ist, als wie wenn man auf einer Streckbank liegt. Es ist, als ob man etwas erduldet, was man eigentlich nicht erdulden will, eben in diesem Falle die Schmerzen langgezogener Sehnen und Muskeln.

Ein kurzer, aber fundamental wichtiger Einwurf ist natürlich notwendig. Sich der Toleranz zu verweigern bedeutet nicht, gegen alles und jeden zu sein, bedeutet nicht, um das berühmte Beispiel heranzuziehen, das Kopftuch einer Muslima nicht mehr erdulden zu wollen, sofern sie es freiwillig trägt, aus Überzeugung trägt. Denn Intoleranz in unserer Gesellschaft wird nur dort angewandt, wo es um Privatheiten geht, um Persönlichkeitsrechte. Man läßt zu, dass ein Hanswurst über asoziale Elemente spricht und versteht sich als ach so tolerante Gesellschaft, obwohl mit solchen Worten ein ganzes Gesellschaftsgefüge brüchig werden kann und auch wird, sofern man diese Auswürfe geistigen Stumpfsinns nicht eingrenzt; aber trägt eine Muslima Kopftuch, dann gehen die Schmähungen los, dann wird gedeutet und mit den Armen gefuchtelt und vom Untergang des Abendlandes phantasiert, da ist man bekennend intolerant, weil man ja Positionen beziehen müßte. Ob wir an Sterilisationsdebatten oder am Kopftuch zugrundegehen werden, wird uns die Geschichte weisen - mit etwas Weitsicht läßt sich eine Tendenz aber heute schon erkennen.

Es ist dringend notwendig, dass wir am richtigen Ende intolerant werden, es ist notwendig, dass wir die Intoleranz dort abschaffen, wo sie uns nicht schaden kann. Kopftuch, Homosexualität, alternative Lebens- und Wohnmodelle, Ehen zwischen jungen Männern und älteren Frauen, Glatze oder Punkerlook – solche und andere Motive der Intoleranz sind belanglos, weil sie keinem wehtun, weil sie reines Privatvergnügen sind. Man mag nicht davon überzeugt sein, dass das Kopftuch eine großartige menschliche Errungenschaft sei, aber das ist, auch wenn es uns nicht gefallen mag, durchaus etwas, was sich ertragen, erdulden, tolerieren läßt. Aber wo gegen Mitmenschen gehetzt wird, wo Arme verächtlich, wo Alte nutzlos geredet werden, da kann keine Toleranz mehr walten. Denn das geht uns alle an, das tut uns allen weh, das zerdeppert eine im Keim noch humanistisch gesittete Gesellschaft, die an sich sowieso schon verkrüppelt ist, es daher nicht gebrauchen kann, von irgendwelchen marodierenden Sterilisationsbefürwortern vollkommen ruiniert zu werden.

Laßt uns intolerant sein, vollkommen intolerant gegen solche Einfaltspinsel, die meinen, sie könnten mit ihrem Hass eine Gesellschaft herbeireden, in der der Mensch eine Randnotiz der Wirtschaft zu sein hat. Eine Wirtschaft freilich, die dem Übermenschen dient, der davon lebt, dass andere für ihn arbeiten oder für ihn sterben, wenn sie nicht nutzvoll in den Produktionskreislauf eingebunden werden können. Was diese Gesellschaft braucht ist eine vollkommene Umwertung aller Werte, nicht im Sinne Nietzsches freilich, aber im Sinne dessen, was wir täglich ertragen müssen. Wir brauchen mehr Toleranz auf der einen Seite, mehr Verständnis und daraus resultierend mehr Akzeptanz, wenn es darum geht, ausländische Mitmenschen, Asylbewerber, sozial Unterdrückte, in Alternativmodellen lebende Menschen zu begreifen. Wir brauchen dringend mehr Intoleranz, wenn es darum geht, menschenverachtende Ideen und Vorschläge, faschistoide Denkansätze zu verwerfen.

Wir brauchen politische Intoleranz gegen das organisierte Übermenschentum, wir müssen das Neinsagen lernen, wir müssen aufstehen und offen aussprechen, dass für uns die Meinungsfreiheit eines Menschenschinders, und sei er auch bis dato nur verbal als solcher in Erscheinung getreten, keinerlei Wert besitzt. In diesem Land wurde eine Kultur der allmächtigen Toleranz gepflegt, die sich aber nur im Bereich eines bestimmten Rahmens bewegen durfte – innerhalb der etablierten Parteien, innerhalb der Wirtschaft. Dort wurde es zur Kulturleistung, jegliche Meinung gelten zu lassen, ohne große Gegenwehr. Entrüstete sich die Öffentlichkeit doch einmal, inszenierte man einen Schauprozess von kurzer Dauer. Aber wirkliche Konsequenzen mußten die Faschisten in der Maske des Demokraten nie befürchten. Es wird höchste Zeit, dass die Intoleranz wieder salonfähig wird in diesen hehren Kreisen, aber zunächst muß sie auf der Straße wachsen – nicht gegen Wehrlose, sondern gegen diejenigen, die uns wirklich angehen, gegen die lauten und stillen Machthaber. Es wurde lange genug tolerant geschwiegen. Eine tolerante Gesellschaft, die sich Sarrazins leistet und sich dabei auf die Schulter schlägt ob der eigenen Toleranz gegenüber solchen Kerlen, ist im Verfall bereits zu weit fortgeschritten, als dass man noch hoffen könnte, die Intoleranz würde noch einmal als Retter gegen den Wahnsinn in Erscheinung treten.

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Facie prima

Heute: Der Kompromisslose, Thilo Sarrazin


Er ist bekannt für seine provozierenden, sozialdarwinistischen, immer mehr ins faschistische Lager gehenden Äußerungen. Dafür wird er, so berichten es uns die Medien, eigentlich vom Volk geliebt - von einem bestimmten Teil des Volkes mag diese Behauptung stimmen. Das kompromisslose Auftreten, diese naive Ehrlichkeit, das Sehen der Welt wie sie ist, nicht wie sie politisch gefärbt umgedeutet wird: all das hält man ihm zugute. Endlich sei da einer, der sich nicht durch Parteidisziplin und politische Korrektheit stoppen ließe, endlich mal eine ehrliche Haut, die ohne Rücksicht auf Verluste die Wahrheit ausspricht. Flankiert wird diese Mär vom geliebten Kompromisslosen durch das Bild. Wir sehen einen philosophierenden, gleichwohl mit dem Finger mahnenden Mann, der sein ganzes Wissen, seinen ganzen Wahrheitsdurst in einen Monolog wirft, der uns, der den Bürgern dieses Landes, die Augen öffnen soll. Da fabuliert nicht irgendein abgehalfteter Haßprediger von seiner Kanzel herab, sondern ein Denker, ein Sinnierender, ein Visionär.

Der visualisierte Liebling, dieses offene Buch seiner eigenen Gedanken, dieser Mann, der sein Herz auf der Zunge trägt, ist aber mehr als kühler Analytiker. Er ist humorvoll, er ist spaßig im Ernst, er lächelt verschmitzt. Seine ganze Größe wird offenbar, denn die wahre Geistesgröße zeigt sich nicht bierernst, sondern immer mit einer Portion Listigkeit, Bauernschläue, Verschmitztheit. Hier zeigt sich der Sarrazin, der angeblich so sehr geschätzt wird, hier nimmt sich einer nicht zu ernst, hier spricht einer bittere Wahrheiten aus, ohne mit einer Leichenbittermiene herumlaufen zu müssen. Das schafft Sympathie, das nähert ihn den Leuten an, die mit ihm der Meinung sein sollten, dass Rentner Ballast und Erwerbslose asozial seien. Ernste Themen - fürwahr. Aber nicht so ernst, als dass man dabei Trauerfalten ins Gesicht graben sollte. Der zynisch und gleichzeitig verschmitzt lächelnde Sarrazin wirkt beruhigend auf den Betrachter, denn er verdeutlicht schwere Themen, die ihm so ernst sind, dass er bereits die Sterilisation als Mittel der Geburtenkontrolle heranzieht, kann aber dabei immer noch das süffisante Faschistenlächeln aufsetzen, welches bittere Wahrheiten erst erträglich macht für solche, die sich in gleicher Weise "sorgen" wie er.

Sarrazin ist ein reine Medienkreatur. Er ist das medial hochgehobene Mittelmaß, bar jeglicher ethischer Denkweise, bar jeglicher Bescheidenheit, frei von Intellekt, frei von Zurückhaltung. Er ist der gröhlende und polemisierende Aggressor am Stammtisch, der seine Saufbrüder aufstachelt, sie mit ins Boot holt, um dann gemeinsam gegen Wehrlose zu wettern. Was ihn auszeichnet ist seine Banalität, er ist ein schrecklich banaler Hanswurst, ein Irgendwer, der qua seiner Skrupellosigkeit und fehlenden Moral in Position gekommen ist. Der visualisierte Sarrazin macht deutlich, dass es sich bei ihm um einen kompromisslosen Wahrheitsfanatiker handelt, der nicht humorlos ist, sondern mit bravem Lächeln anspricht, was viele denken und was vielen wehtut, weil sie Opfer seiner Eskapaden werden. Dank der Fotographie, dank der Begabung des Fotografen, wird aus einem mittelmäßigen Gecken, ein regelrechter Denker und Sympathieträger - die Banalität ins rechte Licht gesetzt, kann Führerschaften begründen.

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Ein reines Gedankenspiel

Donnerstag, 14. Mai 2009

Nehmen wir doch mal an, ein Politiker oder jemand, der bis vor kurzem in der Politik war, würde sich dieser Tage öffentlich hinstellen und darüber sinnieren, dass es notwendig sei, dafür zu sorgen, dass zukünftig nur solche Menschen Kinder kriegen können, die es sich finanziell auch leisten können. Nehmen wir das einfach nur mal an, auch wenn man sich das heutzutage nur schwer vorstellen kann, dass sich ein halbwegs gebildeter Mensch in diese Richtung äußern würde; nehmen wir es nur mal an, auch wenn heute sicherlich niemand mehr Interesse an jener Diskussion hat, die schon einmal geführt wurde, die dann in Zwangssterilisationsgesetzen und später auch in Euthanasie endete. Man braucht schon eine große, vielleicht sogar eine kindliche naive Phantasie, sich etwas derart Abwegiges vorstellen zu können und zu wollen.

Da stellt sich in unserer Phantasie so ein elitärer Zeitgenosse hin und will dafür gesorgt wissen, dass künftig Kinder nurmehr einer bessergestellten Gesellschaftsgruppe möglich gemacht werden. Kinder zu bekommen dürfe keine finanziellen Vorteile mehr bieten, Kinder zu bekommen dürfe den Lebensstandard der Unterschicht nicht steigern, so könnte so ein Kerl argumentieren, malt man sich geradezu bildlich aus. Logisch ist das freilich nicht, denn ein Kind kostet mehr, als Kindergeld und Elterngeld bieten können, doch um Logik geht es auch nicht, wir zeichnen nur ein phantasievolles Bild von einem Menschen, der sich elitär in Verachtung der Unterschichten übt. Dass solche Menschen gemeinhin nicht sonderlich logisch denken, verknüpfen wir an dieser Stelle mit dem Vorzustellenden.

Stellen wir uns einen solchen Schnösel vor, wie er arrogante Worthülsen drescht, wie er überheblich seinen gesättigten Hintern kratzt, während er eloquent den Stammtisch nährt, kurzum: stellen wir uns das Paradebeispiel des elitären Snobs vor, mit all seinen Allüren und Lächerlichkeiten. Jetzt stellt sich uns die Frage: Kann man einem solchen Kerl, der ganz ungeniert aufgreift, was hierzulande schon mal im Wahnsinn endete, kann man so jemanden begegnen, ohne straffällig zu werden? Ist es machbar, so eine Menschenverachtung stillschweigend zu ertragen, ohne eine Beleidigung, eine Unterstellung, eine grobe Äußerung fallenzulassen? Liegt da nicht das „Faschist“, „Nazi“, „Arschloch“ automatisch auf der Zunge?

Ich kann nicht von uns allen sprechen, nur von mir. Daher lege ich dar, wie es für mich ist, das heißt, wie es für mich wäre, gäbe es da einen solchen Kotzbrocken, der seinen geistigen Offenbarungseid in dieser Weise öffentlich ausbreiten würde. Mir würde das Stillhalten schwerfallen und ich glaube fast, in ethischer Hinsicht, ja auch im Hinblick auf die Gesellschaftspolitik, die im Dritten Reich praktiziert wurde, die ihren Keim aber schon davor im gesellschaftlichen Konsens fand, dass die Beleidigung kein Stilbruch mehr ist, sondern eine logische moralische Reaktion. Denken wir doch zurück, machen wir uns bewußt, dass die Politik vor Hitler schon in gleicher Weise fühlte, in gleicher Weise bestimmten Unterschichten keine Kinder zugestehen wollte. Das Ende ist uns bitter bekannt. Angesichts dieses historischen Wissens, würde eine solche Äußerung jeglichen verbalen Amoklauf rechtfertigen. Denn das ist die Beleidigung letztlich: sie ist ein unkontrollierbarer Amoklauf. Aber sie ist eben auch menschlich, denn wenn die Ohnmacht Einzug hält, schießt man hilflos wild um sich. Das ist bei den Tragödien, in denen Amokläufer hemmungslos um sich schießen nicht anders, als bei jemanden, den solche menschenverachtenden Äußerungen mit braunen Anstrich, zum Durchdrehen nötigen.

Ist es denn juristisch antastbar, wenn man einen solchen Brandstifter als Verbrecher bezeichnet? Nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz offen, ganz ungeniert, so ungeniert wie ein solcher Brandstifter zuweilen selbst ist, wenn er sich darzustellen versucht. Juristisch antastbar vielleicht. Oder anders gefragt: Darf man das? Darf man jemanden als Verbrecher oder Kriminellen titulieren, wenn er ärmeren Gesellschaftsschichten das Kinderkriegen verunmöglichen will? Nein, man darf es nicht: man muß! Mag die Justiz davon halten was sie will, mag sie sich noch so sehr an Gesetze halten, die ehrabschneidende Phrasen verbieten – eine zielgerichtete Ethik verlangt es von jedem denkenden Menschen, dass er einen solchen Zeitgenossen nicht euphemistisch umschreibt, sondern beim Namen nennt. Ja, für mich wäre ein solcher Widerling ein Verbrecher, ein Arschloch sowieso, jemand um den ich sicherlich nicht trauern würde. Meine Güte, wie tief bin ich gesunken, wie tief wäre ich gesunken! Wie gerne wäre ich doch abgebrüht gegenüber solchen Dingen, doch ich fiele in tiefe Niveaulosigkeit. Was die Umwelt doch alles aus jemanden machen kann und könnte, aus jemanden, der eigentlich mit den besten Absichten durchs Leben zu gehen versucht.

Endet hier die moralische Denke? Beim Nicht-trauern? Könnte man es tolerieren, wenn erneut eine terroristische Gruppierung auf den Plan träte, um solchen Grobianen das Fürchten zu lehren? Ich spreche nur für mich, ohne Anspruch auf Objektivität: Nein, tolerierbar ist das nicht, man bombt Probleme nicht aus der Welt, weil die Bombe ein Problem dieser Welt ist – die Aufhebung des Problems mit einem anderen Problem führt lediglich zum Austausch der Problematiken. Nein, es ist nicht tolerierbar, aber erklärbar, aus der Situation heraus verständlich, begründbar - ja, das ist es allemal. Ich spreche mich da im Stile des Göttinger Mescaleros aus, wenn ich schreibe, das heißt, wenn ich schriebe, denn noch ist unser Scheißkerl ein Phantasieprodukt und wird es hoffentlich immer bleiben: „Meine unmittelbare Reaktion, meine "Betroffenheit" nach dem Abschuß des Scheißkerls ist schnell geschildert: ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören, ich weiß, daß er bei der Verfolgung, Kriminalisierung, Stigmatisierung von Erwerbslosen eine herausragende Rolle spielte.“

Ja, das ist gewagt, das ist harter Tobak, ich gebe es zu. Klingt so gar nicht humanistisch. Aber was kann ich dafür, dass es mir an Mitleid fehlen würde? Mir fiele Mitleid mit einem solchen Hetzer schwer, um nicht zu sagen, ich hätte partout keines. Da fehlt es mir an Einfühlungsvermögen, da könnte ich mich in meinen politischen Gegner auch nicht hineindenken, würde mich gar nicht hineindenken wollen. Bevor man aus der Forderung, asoziale Elemente den Nachwuchs zu verwehren, konkrete Gesetze machte, wurde ganz höflich, ganz sachlich, ganz freigeistig darüber sinniert, dass es am Ende immer die falschen Gesellschaftsschichten seien, die Kinder in die Welt setzten. Wohin man kommt, wenn man solche Diskussionen auch nur im Keim toleriert, hat man letztlich gesehen. Da könnte ich mich nicht zurücknehmen, da würde es aus mir herausplatzen, da müßte ich einen solchen Geck als Verbrecher bezeichnen, ganz öffentlich, ganz gleich, was die Justiz davon hielte. Wenn man eine solche Äußerung seitens eines Selekteurs durchgehen ließe, während man denjenigen, der sich mit beleidigenden Worten der Ohnmacht (aus einem Angstgefühl heraus, in die Ecke gedrängt) wehrt, sanktioniert, dann wäre einmal mehr die Klassenjustiz bestätigt.

Ach, was soll der Quatsch? Ungelegte Eier! Wir leben in zivilisierten Zeiten, niemanden fiele es heute ein, solchen Schwachsinn von sich zu geben. Gäbe es einen solchen Fall, würden die demokratisch gesitteten Medien dieses Landes über ihn herfallen, würden einen solchen Geisteszwerg auf den Boden ringen, auf ihn eindreschen, seiner Karriere ein Ende setzen. Ich bin froh, in zivilisierten Zeiten leben zu dürfen, denn damit bleibt mir erspart, einen solchen Fatzke zu arschlochisieren, muß ihn nicht als Verbrecher bezeichnen und mir nebenbei die Justiz an den Hals hängen. Aber spannend, mal ein bisschen phantasiert zu haben – muß auch mal sein.

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Marktorientiertes Betteln

Mittwoch, 13. Mai 2009

Wenn er wenigstens zu einem Liedchen aufspielen würde. Irgendetwas, was den Passanten erheitert oder berührt, was dazu anregt stehenzubleiben, zuzuhören, den Geldbeutel zu lockern, zu öffnen, zu entleeren. Wenn er nur wenigstens mit einer kleinen Melodei auf sich aufmerksam machen würde, ein Angebot unterbreiten würde, das den Passanten zur Nachfrage verleitet, was dessen Interesse wecken würde. Doch er sitzt nur auf dem Asphalt, zwischen seinem Hintern und dem Boden eine Decke gezwängt, vor ihm ein alter Hut, gekleidet in einem Flickenteppich, der als Mantel durchgehen soll, döst vor sich hin, blickt gelegentlich um sich, nickt manchen Passanten zu, hofft auf eine milde Gabe.

Solche Vertreter seiner Zunft gibt es zuhauf; aber es gibt auch ausgesprochene Branchenexperten, die sich eben nicht nur hinhocken und warten, sondern ein wenig Gegenleistung anbieten. Sie erfüllen die Fußgängerzonen mit Musik, präsentieren einen kleinen Veitstanz, sagen Gedichte auf oder bieten das Streicheln eines Tieres an. Sie haben erkannt, dass in der Leistungsgesellschaft selbst der Bettler etwas zu leisten hat. Es reicht doch schon, dass der Bettler an sich sowieso schon Leistungsverweigerer ist. Wenn er aber nur herumkauert und wartet, bis ihm der heilige Geist den Hut mit Geld füllt, dann verweigert er sich geradewegs ein zweites Mal dieser Gesellschaft.

Spiel doch etwas, möchte man ihm zurufen, sing etwas, tanz doch! Aber er sitzt nur stur auf seinem Fleckchen Erde. Sofern sich doch jemand erbarmt, ihm einige Groschen zu spendieren, stellt sich das unmittelbar nach dem Geklimper als gefühlsduseliger Fehler heraus, denn das kauernde Menschenbündel hebt nur unmerklich den Kopf, bedankt sich so gut wie nicht, nimmt die Spende beinahe als selbstverständlich hin. Nicht einmal jetzt erbringt er Leistung, leistet keinen Dank – einen solchen Kerl ist die Armut nicht gut bekommen, denn eigentlich sollte seine Situation dazu führen, dass er devoter würde, umgänglicher, anpassungsfähiger, leistungsbewußter.

Stattdessen ist er undankbar, unfreundlich, bietet den Passanten kein Kunststück an, versucht überhaupt nicht, aus den Passanten Verbraucher seiner Straßenkleinkunst zu machen. Wenn er sich doch wenigstens beide Beine abschlagen ließe oder einen Arm; wenn er nur versehrt wäre, dann könnte man das Mitleid als seine Ware gelten lassen. Dann würde der Passant auch zum Verbraucher, zum Kunden, dem man das schlechte Gewissen ins Gedächtnis ruft, weil er selbst gesund und leistungsstark ist, während dieser verstümmelte Mitmensch nicht nur am Ende der sozialen Leiter steht, sondern irgendwo ins Erdreich eingedrückt, dort wo die Leiter ihre Pfosten in den Boden presst. Zwei Beinstummel machen mitleidig, lassen daran erinnern, dass es auch tragische Lebensentwürfe gibt, machen den Alltag besinnlicher, lehren für einige Sekunden Demut, erzeugen Dankbarkeit gegenüber der eigenen Stärke.

Auch das wäre etwas, was man verkaufen könnte, was man den Vorbeikommenden in aller Stille zurufen könnte. Seht her, würde der Bettler dann ohne Lippenbewegungen den Menschen vor die Füße schleudern, seht her, so hättet ihr auch enden können, ganz am Ende, krank, ohne Gliedmaßen, verunfallt und alleingelassen! Aber nun, würde er mit generösen Lächeln fortfahren zu schweigen, aber nun habe ich diese Rolle in der Gesellschaft eingenommen, damit ihr sie nicht einnehmen müßt. Eigentlich solltet ihr mir dankbar sein, aber ich wäre dennoch euch dankbar, wenn ihr mir einige Münzen überlassen könntet. Würde der Amputierte dann auch noch ein herzergreifendes Vergeltsgott säuseln, dabei freundlich die Mundwinkel nach oben ziehend, dann wäre das am Ende ein Geschäft, von dem jeder etwas hätte. Betteln als Dienstleistung! Aber so, so ganz ohne Leistung in der Gegend hocken, alle Gliedmaßen an der richtigen Stelle sitzend, überhaupt noch alle Gliedmaßen habend, so macht das dem Passanten keinen Spaß. Er muß sich doch selbst fragen, was er davon hat, einem solchen Zeitgenossen sein hartverdientes Geld zu schenken.

Aber über kurz oder lang wird so ein faules Bettlerexemplar verschwinden. Nicht, weil er an seiner Armut stirbt, denn solche Kreaturen leben erfahrungsgemäß lang, sind robuste Naturen, die so schnell nicht aus der Bahn zu werfen sind. Nein, weil er im Wettbewerb steht mit Seinesgleichen, weil er sich mit denen messen lassen muß, die ihr Geschäft mit Engagement und Gegenleistung betreiben. Tanzte einige Meter weiter, einige Meter vom kauernden Bettler entfernt, ein anderer Bettler einen schmissigen Flamenco, so müßte der Passant entscheiden, wem er sein Geld gäbe: dem Faulen oder dem Tanzenden. Da sich am Markt immer Leistung durchsetzt, wäre es letztlich der Tanzbär, der sich seine Groschen redlich verdient hätte. Und wenn er dann auch noch brav Männchen macht, wenn man ihn belohnt, dann hat der Kunde am Ende das Gefühl, genau richtig gehandelt zu haben. Der Hockende aber wäre seiner sowieso schon fehlenden Geschäftsgrundlage damit gänzlich beraubt. Dieser Typus Bettler wird bald Geschichte sein, der Wettbewerb wird ihn ausmerzen...

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Der gute Mensch

Dienstag, 12. Mai 2009

Das Ehrenamt ist in aller Munde, strömt aus allen tippenden Fingern. Die Medienwelt hat ein neues, sicherlich temporär befristetes, Themengebiet gefunden. Ehrenamt sei bürgerschaftliches Engagement, Ausdruck einer Gesellschaft, die demokratisch gesinnt ist, erklärte Ursula von der Leyen in der sonntäglichen Quatschbude, und der Chor der Anwesenden stritt sich darüber, ob es überhaupt Bedürftige in Deutschland gäbe. Einig war man sich nur darüber, dass ehrenamtliche Einrichtungen wie die Tafeln lobenswert seien. Dass diese aber womöglich nicht demokratischer Ausdruck sind, sondern ganz konträr, Ausgeburt voranschreitender Entdemokratisierung, auf diesen Gedanken kam man nicht. Man hätte schon mal fragen können, warum Tafeln überhaupt notwendig geworden sind, warum der Sozialstaat nicht umsetzen kann, dass Tafeln eine Rarität werden, die wirklich nur in äußersten Notfällen bemüht werden müssen.

Was aber in der Diskussion um das Ehrenamt auffällt: der Gutmensch ist wieder ein Begriff öffentlicher Debatte. Während in der Nachschau der Will-Sendung über die Schlechtigkeit guter Menschen schwadroniert wird, schiebt die ARD eine Dokumentation mit dem bezeichnenden Titel "Gut sein auf Probe" nach. Und damit das Bild des Gutmenschen abgerundet wird, legt auch Springers Hausphilosoph Wagner nach, fragt danach, warum er kein Gutmensch sei, obwohl er doch immer Steuern bezahlt hätte und damit sicherlich zwei Panzer finanziert habe.

Er ist wieder in die Debatte geworfen, der Gutmensch, der naiv und idealistisch die Welt verbessern will, kleine Schritte tut, um dieses hehre Ziel zu erreichen. Das Ehrenamt scheidet zwischen Gut und Böse, zumindest zwischen Gutsein und Neutralität. Man kann sich nicht helfen, aber diese öffentliche Berichterstattung, die das Gute dieser Menschen so hervorhebt, kommt ein wenig arrogant und überheblich daher. Wie oft mußte man sich als jemand, der linksgerichtete Politik für notwendig hielt, anhören, dass man ein unverbesserlicher Gutmensch sei? Der Gutmensch ist ein konservatives Schmähwort, ein Begriff, der den Andersdenkenden und -handelnden zum Träumer degradieren soll, denn letztlich ist ja der Mensch schlecht und wer sich als guten Menschen betrachtet, der macht sich nur selbst etwas vor. Es wirkt schon ziemlich zynisch, wenn die Medien nun das Gutmenschentum als Formel ihrer Berichterstattung benutzen; als Auszeichnung wertvoller Arbeit am Nächsten, sollte man es nicht verstehen wollen. Ziemlich unverblümt unterstellt man den Ehrenamtlichen damit ja auch, sie täten nur ihren Dienst, weil sie gut sein wollten - aus egoistischen Motiven letztlich. Die Geltungssucht als Antrieb der Hilfe, die Sucht danach, gut sein zu wollen, als spöttisch abzuwertendes Verhalten. Als sorge es denjenigen, der mehrmals wöchentlich seinen unentgeltlichen Dienst tut, nur darum, ja möglichst als guter Mensch betrachtet zu werden - da schwingt schon ein ordentliches Stück Verächtlichmachung mit.

Ehrlicher ist da letztlich der Titel der letzten Will-Sendung, der ganz ungeniert danach fragte, ob denn Suppenküchen nicht nur satt, sondern eben auch bequem machten. Dahin geht die Diskussion letztlich, wenn man heute den belächelnswerten Gutmenschen - der die Schwachen nicht ihres Niedergangs überläßt, sondern dem natürliche Fortlauf des Verfalls dazwischenpfuscht - als Exot der Ellenbogengesellschaft vorführt. Den Ehrenamtlichen, der sich um Sterbende kümmert, kranke Senioren begleitet, den empfindet man als Stütze der Gesellschaft, aber jemand, der Suppenküchen mit seiner Arbeitskraft unterstützt, weil die Entdemokratisierung und der Sozialabbau eine solche Küche notwendig machte, der macht Arme nur bequem, der füttert solche durch, die eigentlich dem natürlichen Untergang ihrer Existenz überlassen sind. Alt werden ja alle, sterben müssen alle, da kann man der Natur kein Schnippchen schlagen, aber arm wird man nur, wenn man selbst in eine solche Misere schlittert - und wer sich selbst ins Abseits manövriert, der sollte auch keine Hilfe erwarten dürfen. Wer solchen aber doch hilft, der ist ein Gutmensch, jemand der nicht kapiert hat, dass das Schwache dem Verfall überlassen werden muß, damit die Gesellschaft daran genesen kann.

Was die zynischen Zündeleien um den Gutmenschen abgeht, ist eine bodenständige Ehrlichkeit. Sie ist verlogen, muß sie sein, wenn sie nicht auf offene Ablehnung stoßen will. Ehrlicher sind schon solche Formulierungen, wie sie Anne Will gebrauchte. Da wird offen damit umgegangen, dass das Ehrenamt in vielen Bereichen der Gesellschaft, nicht bei Alten und Sterbenden, mit Abstrichen auch nicht bei Kranken, aber doch bei Armen, eine seltsame und dem Gesellschaftswesen entfremdete Form der Hilfe ist. Man belohnt nämlich solche, die sich selbst nicht mehr helfen können und mit einschleichender Bequemlichkeit, auch nicht mehr selbst helfen wollen. Und wer dies fördert, der ist nicht ganz bei Trost, der will einfach nur ein guter Mensch sein, damit er abends besser schlafen, damit er sich seinen Platz im jeweiligen Himmelreich seiner Religionsgemeinschaft sichern kann. Solche muß man geradewegs belächeln, weil sie Gutes tun wollen, aber der Gesellschaft damit nur Schlechtes sichern, nämlich die Erhaltung derer, die eigentlich dem Untergang überstellt sind.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann man den Gutmenschen nicht mehr belächelt, sondern als Gefahr für diese Gesellschaft sieht. Zersetzte Demokratie, aufgelöster Rechtsstaat, schwindender Sozialstaat sind nicht das Problem, wird man dann geflissentlich verschweigen, problematisch sind solche, die die Zeichen der Zeit immer noch nicht begriffen haben, problematisch sind die Ewiggestrigen.

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