Erntehelfer erleichtert!
Montag, 30. Juni 2014
Am Freitagnachmittag meldeten allerlei Gazetten via Reuters, dass die Regierungskoalition beim Mindestlohn eine »Erleichterung für Erntehelfer« beabsichtige. »Oh«, mag sich da mancher gedacht haben, »nicht schlecht, dass man es diesen schwer schuftenden Menschen nochmal leichter machen will.« Später kam dann heraus, was man mit »Erleichterung« meinte: Man will es Spargelbauer und Co. leichter machen, denn sie dürfen nach dem neuesten Gesetzesentwurf die Kosten für Wohnung und Verpflegung in den Mindestlohn einrechnen.
Kurz gesagt, die euphemistische Ankündigung war ganz anders zu verstehen. Nicht der Schwerstarbeiter braucht Erleichterung, sondern der, der ihn beschäftigt und der jetzt auch noch einen angemesseneren Lohn bezahlen soll. Leute wie Bauer Lipp, der neulich erst in der »Frankfurter Allgemeinen« von seiner Angst vor dem Mindestlohn sprach. Denn faktisch würden seine Spargelstecher heute schon 7,20 Euro in der Stunde erhalten. Was er verschweigt: Das ist kein Stunden- sondern Akkordlohn. Und die Zahl, die er nennt, mag vielleicht ein Durchschnittswert oder aber ein Spitzenwert sein. Das müsste man ihn mal selbst fragen. Jedenfalls haben sich »seine Rumänen« noch nie beschwert.
Sein Engagement für »vernünftige Preise«, die Kampagne der Unternehmer gegen den Mindestlohn, ist also teilweise berücksichtigt worden. Nun dürfen Unterkunft und Logis angerechnet werden. Das heißt dann, dass Bauer Lipps Rumänen keine 8,50 Euro erhalten. Aber natürlich ist der Mindestlohn dennoch flächendeckend, denn diese Leute bekommen einen Teil des Geldes in Naturalien angerechnet. Erleichterung eben, ganz wie man bei Reuters lesen konnte: Man erleichtert Erntehelfer um ihren Mindestlohnanspruch.
Kürzlich erst hat mein Kind mit seiner Schulklasse einen Spargelbauern besucht. Nicht den Lipp, denn in unserer Gegend hat ein anderer dieser agrarischen »Sparlords« seine Ländereien. Dort erzählte man den Kindern, dass man den Leuten, die vornehmlich aus Rumänien, Bulgarien und Polen kämen, die Unterkunft in Feldnähe ermögliche. Man deutete auf einige Baracken oder Container, in denen sie pennen können. Außerdem würde man sie mit Spargelsuppe versorgen. Fleisch bekommen sie eher selten, sagte die Chefin. Was aber auch daran liege, dass diese Leute keinen hohen Fleischbedarf hätten.
Am Ende erhalten Erntehelfer aus Osteuropa vielleicht sogar noch weniger. Schließlich kostet so eine Unterkunft viel. Quadratmeterpreise sind hoch. Selbst in Containern. Und der Spargel wird ja teurer durch den Mindestlohn, also auch die Suppe aus Bruchspargel für diese landwirtschaftlichen Schwerstarbeiter.
Nein, man muss es ganz drastisch sagen: Es gibt in diesem Lande einen Konsens darüber, dass billigste Arbeitskraft vertretbar ist. Sie muss nur nicht unbedingt von Leuten geleistet werden, die aus unserem Gemeinwesen stammen. Bei Fremden aus Osteuropa sieht das dann schon wieder ganz anders aus. Die können doch schließlich auch mit einem geschmälerten Mindestlohn noch richtig doll verdienen. Und obendrein gibt es Suppe. Das ist der von der Kanzlerin so oft genannten deutsche »Stabilitätsanker in Europa«: Die Hungerlöhne bleiben stabil.
Und Leute wie Bauer Lipp können sich dann weiter hinstellen und warnen, dass der billige Spargel aus Peru von Helfern gestochen wird, die »vielleicht umgerechnet einen Euro am Tag verdienen«. Er und seine Kollegen sind dagegen wahre Gönner, die den europäischen Osten über die Runden helfen. Diese geplante Ausnahmeregelung wird diesen Spargel-Paternalismus weiterhin am Leben halten. Und ich gurke also weiterhin von Mitte April bis Mitte Juni zornig durch Südhessen, nur weil ich auf den vorbeiziehenden Feldern sehe, auf wessen Rücken der Wohlstand dieser Gutsherrn ausgetragen wird.
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Kurz gesagt, die euphemistische Ankündigung war ganz anders zu verstehen. Nicht der Schwerstarbeiter braucht Erleichterung, sondern der, der ihn beschäftigt und der jetzt auch noch einen angemesseneren Lohn bezahlen soll. Leute wie Bauer Lipp, der neulich erst in der »Frankfurter Allgemeinen« von seiner Angst vor dem Mindestlohn sprach. Denn faktisch würden seine Spargelstecher heute schon 7,20 Euro in der Stunde erhalten. Was er verschweigt: Das ist kein Stunden- sondern Akkordlohn. Und die Zahl, die er nennt, mag vielleicht ein Durchschnittswert oder aber ein Spitzenwert sein. Das müsste man ihn mal selbst fragen. Jedenfalls haben sich »seine Rumänen« noch nie beschwert.
Sein Engagement für »vernünftige Preise«, die Kampagne der Unternehmer gegen den Mindestlohn, ist also teilweise berücksichtigt worden. Nun dürfen Unterkunft und Logis angerechnet werden. Das heißt dann, dass Bauer Lipps Rumänen keine 8,50 Euro erhalten. Aber natürlich ist der Mindestlohn dennoch flächendeckend, denn diese Leute bekommen einen Teil des Geldes in Naturalien angerechnet. Erleichterung eben, ganz wie man bei Reuters lesen konnte: Man erleichtert Erntehelfer um ihren Mindestlohnanspruch.
Kürzlich erst hat mein Kind mit seiner Schulklasse einen Spargelbauern besucht. Nicht den Lipp, denn in unserer Gegend hat ein anderer dieser agrarischen »Sparlords« seine Ländereien. Dort erzählte man den Kindern, dass man den Leuten, die vornehmlich aus Rumänien, Bulgarien und Polen kämen, die Unterkunft in Feldnähe ermögliche. Man deutete auf einige Baracken oder Container, in denen sie pennen können. Außerdem würde man sie mit Spargelsuppe versorgen. Fleisch bekommen sie eher selten, sagte die Chefin. Was aber auch daran liege, dass diese Leute keinen hohen Fleischbedarf hätten.
Am Ende erhalten Erntehelfer aus Osteuropa vielleicht sogar noch weniger. Schließlich kostet so eine Unterkunft viel. Quadratmeterpreise sind hoch. Selbst in Containern. Und der Spargel wird ja teurer durch den Mindestlohn, also auch die Suppe aus Bruchspargel für diese landwirtschaftlichen Schwerstarbeiter.
Nein, man muss es ganz drastisch sagen: Es gibt in diesem Lande einen Konsens darüber, dass billigste Arbeitskraft vertretbar ist. Sie muss nur nicht unbedingt von Leuten geleistet werden, die aus unserem Gemeinwesen stammen. Bei Fremden aus Osteuropa sieht das dann schon wieder ganz anders aus. Die können doch schließlich auch mit einem geschmälerten Mindestlohn noch richtig doll verdienen. Und obendrein gibt es Suppe. Das ist der von der Kanzlerin so oft genannten deutsche »Stabilitätsanker in Europa«: Die Hungerlöhne bleiben stabil.
Und Leute wie Bauer Lipp können sich dann weiter hinstellen und warnen, dass der billige Spargel aus Peru von Helfern gestochen wird, die »vielleicht umgerechnet einen Euro am Tag verdienen«. Er und seine Kollegen sind dagegen wahre Gönner, die den europäischen Osten über die Runden helfen. Diese geplante Ausnahmeregelung wird diesen Spargel-Paternalismus weiterhin am Leben halten. Und ich gurke also weiterhin von Mitte April bis Mitte Juni zornig durch Südhessen, nur weil ich auf den vorbeiziehenden Feldern sehe, auf wessen Rücken der Wohlstand dieser Gutsherrn ausgetragen wird.