Es fällt schwer zu glauben, dass alleine eine kleine Rentenerhöhung genügt, um die Reformer auf die Barrikaden gehen zu lassen. Wie tief
muß deren Angst sitzen, wenn sie glauben, wegen ein Paar Euro mehr würde sich das Vertrauen der Bürger zur gesetzlichen Rentenversicherung wieder festigen? Denn an dieser "
Vertrauensfrage" stößt sich die aktuelle Kampagne der
Springer-Presse, die den Generationenvertrag zum Generationenkonflikt verwandelt. Wenn also nur eine geringfügige Erhöhung der Renten ins Land steht, dann könnte dadurch das bereits geschädigte Ansehen der
umlagefinanzierten Rente wieder etwas aufpoliert werden und die Reformer hätten Monate
medialer Indoktrinierung umsonst betrieben, geradezu wertvolle Energien im Kampf für die Privatrente und gegen die staatliche Rente verschenkt.
Eigentlich ist man es ja gewohnt, man kennt die Mittel, mit denen die
BILD-Zeitung versucht, die gesellschaftliche Stimmung kippen zu lassen.
Grundvorraussetzung ist der
Totalitarismus, d.h. die Gleichschaltung sämtlicher relevanter Ressorts. Da äußert sich jeder Kolumnist einzeln -
greifen wir unser Beispiel doch auf - zur staatlichen Rente, die politische Berichterstattung (sofern sie in der
BILD überhaupt diesen Namen verdient) ist sowieso darauf getrimmt, das Feuilleton bzw. alle Zeilen
feuilletonistischen Stils schlagen in die gleiche Kerbe, der Wirtschaftsteil berichtet von der
"Gesellschaft der Greise" und dem
"nicht mehr funktionierenden Rentensystem", wirbt im Nebensatz für Privatrente und - oft großformatige - Werbeanzeigen bieten "supergünstige" Volksrenten oder dergleichen mehr an. Dem Leser soll suggeriert werden, dass nur ein einziges Thema die Republik beschäftigt; ihm soll in sein Denken eingepflanzt werden, dass dieses Land kurz vor dem Ende steht, wenn man sich der Problematik nicht "schonungslos und mit aller notwendigen Härte" widmet.
Mit diesem journalistischen
Totalitarismus, dieser
Einheitsfront der
BILD-Ressorts, hat die öffentliche Meinung derzeit zu kämpfen.
"Öffentliche Meinung" klingt in Ohren der
BILD-Macher gefährlich, geradezu freidenkerisch, weshalb eine pausenlose Agitation vonnöten ist, um den
"kleinen Mann von der Straße" zu den hohen Weisheiten der Reformer zu führen.
Nachdem man bereits im Vorfeld gegen eine damals noch "mögliche" Rentenerhöhung wetterte, die entstehenden Unkosten als Staatsuntergang darstellte,
reicherte man nach der Entscheidung, die Renten also um sagenhafte 1,1 Prozent zu erhöhen, die Diskussion um ein notwendiges Schlagwort an. Aus der
"Rentenerhöhung" wurde nun der
"Rentenbetrug", damit die zu beanstandende Veränderung auch nicht zu positiv klingt; damit sie mit etwas Verruchtem, geradezu Kriminellem in Konnotation tritt. Angereichert wird die "Berichterstattung" vom Rentenbetrug mit Worten jener Menschen, die selbst Rente beziehen und demnach die Profiteure der Erhöhung sind - wenn man bei 1,1 Prozent überhaupt vom Profitieren reden kann. Zwar finden sich einige erfreute Stimmen unter den Befragten, aber der Grundtenor der
verrenteten Mehrheit ist klar: Die Erhöhung bringe ja doch nichts und die Jungen hätten es
auszubaden. O-Ton:
"Wenn jetzt auf Kosten meiner Kinder und Enkel zu viel erhöht wird, dann verzichte ich lieber. Ich will meine Kinder nicht belasten." Oder:
"Diese Erhöhung ist doch Betrug an der Jugend."BILD-Kommentator
Oliver Santen setzt noch einen drauf: Er würde
"belogen und betrogen". Egal wie plump, egal wie
läppisch die Argumentation (im Falle
Santens gibt es gar keine) - Hauptsache das Vertrauen in die Staatsrente wird weiter ausgehöhlt. Im Falle
Santens ist das besonders dreist, denn als objektiver Betrachter kann der ehemalige
Pressesprecher der Allianz nicht gerade gelten. Verstärkung erhält
Santen von
Thomas Straubhaar, den man wie immer als unabhängigen
Wirtschaftsfachmann vorstellt. Der
INSM-Mann verkündet
unheilschwanger, dass zum ersten Mal die ältere Generation den Jüngeren gezeigt hat, wer im Land künftig das Sagen habe. Dies sei die "
neue Macht der Alten". Nebenbei fordert dieser lupenreine Demokrat, dass man das Wahlrecht ändern müsse, um den Senioren nicht
zu viel Macht zu überlassen. Das ist Demokratie, wie sie in der Zentrale der
INSM begriffen wird. Man soll zwar wählen dürfen, aber der Wähler hat so zu wählen, dass es den Herrschenden genehm ist. Und dann phantasieren die Arbeitgeberknechte der
INSM davon, dass in diesem Lande mittlerweile
zu viel DDR herrsche - manchmal finden eben auch blinde Hühner ein Korn und Lügenbarone ein Fünkchen Wahrheit.
"Gekonnt analysiert" die
BILD den greisenhaften Zustand der Bundesrepublik. So erkennt sie, dass z.B. auch die Parteien immer älter werden. Knapp die Hälfte aller CDU-Mitglieder sei mittlerweile über 60 Jahre. Das klingt so, als haben einst nur junge Menschen Politik gemacht. Adenauer, der bei seinem Amtsantritt 73 Jahre alt war, kann wohl nicht ernsthaft für diese These herhalten.
Erhard und
Kiesinger wohl auch nicht,
Lübke war auch nicht gerade ein
Jundspund. Und wenn heute weniger junge Menschen zu einer Parteimitgliedschaft finden, könnte das durchaus an einer Politik liegen
(betrieben von relativ "jungen" Menschen wie Pofalla, Kauder und Merkel - wenn wir bei der CDU verharren, bei der SPD wäre es nicht besser -), die den Jungen kaum Perspektiven bietet. Wenn man betriebliche Probezeiten und damit die Möglichkeit einer
begründungslosen Entlassung verlängert, Kündigungsschutz lösen will, Zeitverträge zum Standard erhebt, Leiharbeit
hofiert und als wichtiges Werkzeug in der Arbeitsmarktpolitik vorstellt, dann darf man sich nicht wundern, wenn junge Menschen keinen Bezug zur Politik und damit zu einer Partei aufbauen können. Davon schreibt die
BILD in ihrer "Analyse" nichts. Aber dafür warnt sie eindringlich:
"Die neue Macht der Rentner - wird aus dem GenerationenVERTRAG nun ein GenerationenKONFLIKT?" - Eine berechtigte Frage, wenn man die
Hetzpropaganda der
BILD so betrachtet. Aber schuld ist natürlich der Rentner Gier, nicht die einseitige Berichterstattung der
BILD.
Und wenn man glaubt, es könne nicht schlimmer kommen, dann kommt von irgendwo der "
tägliche Wagner" daher. Selbstverständlich hat auch er einen Auftrag erhalten, der
Einheitsfront innerhalb der
BILD-Zeitung beizutreten. Und in gewohnt schmierigem Stil macht er sich daran, der Großeltern Liebe zum Enkelkind zu proklamieren:
"Opas und Omas wollen, dass es ihren Kindern besser geht." Und:
"Omas und Opas haben das Recht, dass man sie über die Straße begleitet und ihnen den Weg zeigt." - Sind wir nicht
generös gegenüber den Senioren? Über die Straße geführt zu werden, das sei ihr Recht; eine winzige Rentenerhöhung zu gestatten, das übersteigt das Maß des
Generösen aber um ein Vielfaches. Er beschließt seinen geistigen Auswurf damit, dass Großeltern sich nicht für Rentenerhöhungen interessieren, solange ein Enkel da sei, der sie nach Hause bringt. Oder anders: Ältere Menschen leben von der Liebe zu ihren Nachkommen, sie brauchen keine materielle Sicherung, denn sie sättigen sich am Stirnkuss, den sie ihrem Enkel aufdrücken. Angesichts dieses Gedankenguts, ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Empfehlung, um seiner Enkel willen möglichst früh
sozialabzuleben.
Divide et impera! - Indem die
BILD teilt, die
Gesellschaftsgruppen spaltet, zwischen Jungen und Alten einen Stacheldraht zieht, ermöglicht sie sich selbst ein herrschendes
Meinungsmonopol, dass nur selten hinterfragt wird. Die
BILD zeigt in plumper Manier auf, wie Herrschaft konzipiert ist, wenn sie um ihrer Selbstwillen geschieht. Man
verunmöglicht eine Gesellschaft, die in Einheit zueinandersteht, die sich selbst als Grundlage der Macht begreift; man beschäftigt sie mit
gesellschaftsinternen Grabenkämpfen.