Schweig still, bleib mir sympathisch
Freitag, 29. November 2013
Ich habe da jemanden kennengelernt. Am Fußballplatz. Haben uns oft unterhalten. Ein lustiger Mensch. Haben viel gelacht. Ne coole Socke irgendwie. Flapsig. Da stehe ich drauf. Das Leben ist bitter genug. Es war Sympathie auf den ersten Blick. Getroffen haben wir uns seither öfter. Immer am Fußballplatz. Beim Warten auf unsere Kinder. Bei Training oder Punktspiel. Haben miteinander geraucht. Das Spiel bewertet. Gewusst, dass wir es besser könnten als unsere Kinder, wenn nur der Bauch nicht wäre und die ganzen Zipperlein. Aber im Geiste waren wir beide fit.
Na ja, stimmt nicht ganz. Ich mochte an ihm, dass er den ganzen Spaß nicht so ernst nahm. Nicht so, wie der Vater eines anderen Kindes, der seine Brut als verkanntes Talent und alle anderen Kinder entweder für Bälger aus der Gosse oder für zu fett hielt. Mit dem sozialdarwinistischen Penner aus gutem Elternhause, was er uns natürlich gleich steckte, war bald Funkstille. Mein Kumpel aber blieb da ganz Mensch und das mochte ich. Und mag ich noch immer. Das macht alles viel entspannter. Und plötzlich kam uns der Bratwurstfabrikant von der Säbener Straße in die Quere.
Er hätte auch Steuern hinterzogen, wenn er so viel Geld hätte, wie der Hoeneß, sagte er. Ich weiß nicht, wie es ist, mehrfacher Millionär zu sein. Aber ich vermute, mich würde es wenig stören, von den vielen Millionen etliche entbehren zu müssen. Mir wäre das alles auch zu aufwändig. Ich würde zahlen und wollte meine Ruhe haben. Ich vermute, so bequeme Menschen wie ich kommen aber auch nicht zu Geld. Und überhaupt ist diese Entschuldigung mit der eigenen Niedertracht billig. So kann man alles entschuldigen. Selbst Konzentrationslager. Wer so argumentiert, der erlaubt keinerlei moralisches Urteil mehr, rottet die Ethik aus allen Kategorien menschlicher Wahrnehmung aus.
Jedenfalls, er sagte das und ich widersprach. Dann sagte ich, dass Hoeneß der richtige Mann für diesen Verein sei. Ich zitierte mich selbst mit einer Passage aus einem Text der letzten Woche: "Ein anständiger Mann an der Spitze dieses Vereins wäre ungefähr so, als würden sich die katholischen Kardinäle im Konklave für einen homosexuellen Stricher aussprechen." Worauf er nur lapidar antwortete: Haben sie doch. Wie? Was meinst du?, fragte ich. Na, das sind doch alles Kinderficker und Prasser. Was für ein Niveau! Hätte er doch nur geschwiegen ...
So geht es mir ja oft. Man lernt jemanden kennen, findet den gut, hat Freude an seinem Dasein. Und dann lernt man ihn besser kennen und ist irritiert. Mensch, der hat aber seltsame Anwandlungen. Kuriose Meinungen. Oder einfach nur Bildzeitung im Kopf. Und dann ist man irgendwie abgestoßen und froh, wenn die nächsten Gespräche nur noch am Lack kratzen.
Ich erinnere mich, dass ich zum Tode Peter Alexanders einen Text schrieb. Meine Güte, was trieb mich damals dazu? Es war eigentlich ein ganz beschissener Text, in dem ich ausdrücken wollte, dass ich seine unpolitische Haltung durchaus schätzte. Dafür erntete ich Ärger. Denn der Mann habe mit seiner guten Laune das System gestützt, legte man mir nahe. Sieh das doch ein Genosse, überdenke nochmal deine Positionen. Indirekt stimmt das vielleicht sogar. Nur weiß ich nichts davon, dass er für das System geworben hätte. Er blieb unpolitisch und erlaubte keine Einblicke in die Abgründe seiner Weltsicht. Das habe ich an ihm geschätzt. Er hat einfach mal sein Maul gehalten, wo andere es blöderweise aufmachten. Ich denke da an den BAP-Onkel, der sich immer gerne politisiert und dann auch schon mal im Dunstfeld zweifelhafter Kampagneros landete.
Heute höre ich gerne Max Raabe. Ich mag die Texte im Stile der Dreißigerjahre. Diese freche Art, die es da im zeitgenössischen Schlager gab. Diese Couplets haben mehr sprachliche Reife als vieles, was man von heute so kennt. Raabe macht Musik und sonst weiß man wenig von ihm und von seinen Ansichten. Ich hoffe stark, das bleibt so, sonst vergeht er mir auch noch. Er soll trällern und seine Berühmtheit nicht verpolitisieren. Dann macht er nichts falsch.
Ich finde, wenn man sich so auf Anhieb auf einem oberflächlichen Level sympathisch ist, dann sollte man das eine Weile halten. Und vielleicht sogar immer so einhalten. Dann ist Zusammenleben eindeutig leichter. Je näher man sich kommt, je offener man spricht, desto größer die Gefahr der Entzauberung. Schweig still, bleib mir sympathisch!, wollte ich schon oft jemanden zurufen. Nur war es da schon zu spät. Ich gebe ja zu, diese Haltung, gar nicht so tief gehen zu wollen, ist ein wenig biedermeierisch. Ich ziehe mich halt nicht in Zierkissen zurück aufs Sofa, um eine Tasse Kaffee zu schlürfen, sondern weile in der zwischenmenschlichen Oberflächlichkeit. Jede Zeit hat ihre Selbstschutzautomatismen und Biedermeieresken.
Klar doch, kommende Woche stehe ich wieder mit ihm am Rand des Fußballfeldes. Sicherlich werden wir witzeln. So bin ich nicht mehr, wie ich vor vielen Jahren noch war, als ich glaubte, ich müsse Leute mit dummen Ansichten irgendwie mit arroganter Verachtung strafen. Sicher, da tat sich ein Abgrund auf und ich weiß, zu mehr als zum Spielfeldrand wird es kaum je reichen. Aber warum soll ich mir und ihm das Leben schwer machen. Soll er denken, was er denken will. Und sei es noch so ein Unfug. Meinungsfreiheit und so. Nicht immer leicht tolerant zu sein. Aber noch viel schwerer, die Intoleranz gegenüber offenbar idiotischer Meinung durchzuziehen.
Heute bin ich dazu locker genug. Man wird ruhiger. Cooler. Resignierter und fauler. Falls er demnächst aber damit beginnen sollte, den Türken ein genetisches Armutszeugnis auszustellen, dann ist der Rubikon überschritten. Tut er aber nicht. So schätze ich ihn nicht ein. Bitte, schweig still, nicht noch ein Abgrund! Ab und zu zusammen eine Zigarette rauchen und sich umdrehen und gehen. Komm gut heim. Bis nächsten Donnerstag.
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Na ja, stimmt nicht ganz. Ich mochte an ihm, dass er den ganzen Spaß nicht so ernst nahm. Nicht so, wie der Vater eines anderen Kindes, der seine Brut als verkanntes Talent und alle anderen Kinder entweder für Bälger aus der Gosse oder für zu fett hielt. Mit dem sozialdarwinistischen Penner aus gutem Elternhause, was er uns natürlich gleich steckte, war bald Funkstille. Mein Kumpel aber blieb da ganz Mensch und das mochte ich. Und mag ich noch immer. Das macht alles viel entspannter. Und plötzlich kam uns der Bratwurstfabrikant von der Säbener Straße in die Quere.
Er hätte auch Steuern hinterzogen, wenn er so viel Geld hätte, wie der Hoeneß, sagte er. Ich weiß nicht, wie es ist, mehrfacher Millionär zu sein. Aber ich vermute, mich würde es wenig stören, von den vielen Millionen etliche entbehren zu müssen. Mir wäre das alles auch zu aufwändig. Ich würde zahlen und wollte meine Ruhe haben. Ich vermute, so bequeme Menschen wie ich kommen aber auch nicht zu Geld. Und überhaupt ist diese Entschuldigung mit der eigenen Niedertracht billig. So kann man alles entschuldigen. Selbst Konzentrationslager. Wer so argumentiert, der erlaubt keinerlei moralisches Urteil mehr, rottet die Ethik aus allen Kategorien menschlicher Wahrnehmung aus.
Jedenfalls, er sagte das und ich widersprach. Dann sagte ich, dass Hoeneß der richtige Mann für diesen Verein sei. Ich zitierte mich selbst mit einer Passage aus einem Text der letzten Woche: "Ein anständiger Mann an der Spitze dieses Vereins wäre ungefähr so, als würden sich die katholischen Kardinäle im Konklave für einen homosexuellen Stricher aussprechen." Worauf er nur lapidar antwortete: Haben sie doch. Wie? Was meinst du?, fragte ich. Na, das sind doch alles Kinderficker und Prasser. Was für ein Niveau! Hätte er doch nur geschwiegen ...
So geht es mir ja oft. Man lernt jemanden kennen, findet den gut, hat Freude an seinem Dasein. Und dann lernt man ihn besser kennen und ist irritiert. Mensch, der hat aber seltsame Anwandlungen. Kuriose Meinungen. Oder einfach nur Bildzeitung im Kopf. Und dann ist man irgendwie abgestoßen und froh, wenn die nächsten Gespräche nur noch am Lack kratzen.
Ich erinnere mich, dass ich zum Tode Peter Alexanders einen Text schrieb. Meine Güte, was trieb mich damals dazu? Es war eigentlich ein ganz beschissener Text, in dem ich ausdrücken wollte, dass ich seine unpolitische Haltung durchaus schätzte. Dafür erntete ich Ärger. Denn der Mann habe mit seiner guten Laune das System gestützt, legte man mir nahe. Sieh das doch ein Genosse, überdenke nochmal deine Positionen. Indirekt stimmt das vielleicht sogar. Nur weiß ich nichts davon, dass er für das System geworben hätte. Er blieb unpolitisch und erlaubte keine Einblicke in die Abgründe seiner Weltsicht. Das habe ich an ihm geschätzt. Er hat einfach mal sein Maul gehalten, wo andere es blöderweise aufmachten. Ich denke da an den BAP-Onkel, der sich immer gerne politisiert und dann auch schon mal im Dunstfeld zweifelhafter Kampagneros landete.
Heute höre ich gerne Max Raabe. Ich mag die Texte im Stile der Dreißigerjahre. Diese freche Art, die es da im zeitgenössischen Schlager gab. Diese Couplets haben mehr sprachliche Reife als vieles, was man von heute so kennt. Raabe macht Musik und sonst weiß man wenig von ihm und von seinen Ansichten. Ich hoffe stark, das bleibt so, sonst vergeht er mir auch noch. Er soll trällern und seine Berühmtheit nicht verpolitisieren. Dann macht er nichts falsch.
Ich finde, wenn man sich so auf Anhieb auf einem oberflächlichen Level sympathisch ist, dann sollte man das eine Weile halten. Und vielleicht sogar immer so einhalten. Dann ist Zusammenleben eindeutig leichter. Je näher man sich kommt, je offener man spricht, desto größer die Gefahr der Entzauberung. Schweig still, bleib mir sympathisch!, wollte ich schon oft jemanden zurufen. Nur war es da schon zu spät. Ich gebe ja zu, diese Haltung, gar nicht so tief gehen zu wollen, ist ein wenig biedermeierisch. Ich ziehe mich halt nicht in Zierkissen zurück aufs Sofa, um eine Tasse Kaffee zu schlürfen, sondern weile in der zwischenmenschlichen Oberflächlichkeit. Jede Zeit hat ihre Selbstschutzautomatismen und Biedermeieresken.
Klar doch, kommende Woche stehe ich wieder mit ihm am Rand des Fußballfeldes. Sicherlich werden wir witzeln. So bin ich nicht mehr, wie ich vor vielen Jahren noch war, als ich glaubte, ich müsse Leute mit dummen Ansichten irgendwie mit arroganter Verachtung strafen. Sicher, da tat sich ein Abgrund auf und ich weiß, zu mehr als zum Spielfeldrand wird es kaum je reichen. Aber warum soll ich mir und ihm das Leben schwer machen. Soll er denken, was er denken will. Und sei es noch so ein Unfug. Meinungsfreiheit und so. Nicht immer leicht tolerant zu sein. Aber noch viel schwerer, die Intoleranz gegenüber offenbar idiotischer Meinung durchzuziehen.
Heute bin ich dazu locker genug. Man wird ruhiger. Cooler. Resignierter und fauler. Falls er demnächst aber damit beginnen sollte, den Türken ein genetisches Armutszeugnis auszustellen, dann ist der Rubikon überschritten. Tut er aber nicht. So schätze ich ihn nicht ein. Bitte, schweig still, nicht noch ein Abgrund! Ab und zu zusammen eine Zigarette rauchen und sich umdrehen und gehen. Komm gut heim. Bis nächsten Donnerstag.