Ist es nicht gemütlich?

Samstag, 30. Juli 2011

Die Tage des Lagers auf dem Ettersberg, Buchenwald genannt, waren nun passé. Mehrere Tage, manchmal Wochen, verblieben die ehemaligen Insassen noch im oder am Lager, selbst dann, wenn sie gesundheitlich noch relativ einwandfrei waren. Auch Gérard verweilte dort nach seiner Befreiung durch die Amerikaner noch einige Tage, desillusioniert und noch erfüllt von den Schrecken, der ihm widerfuhren. Tage später machte er sich mit einigen ehemaligen Mithäftlingen auf den Weg in ein nahegelegenes Dorf, um sich am dortigen Brunnen zu laben. Dort angekommen erblickte Gérard ein Haus, dessen Fenster exakt in Richtung Lager ausgerichtet waren. Er teilte eilig seinen Kollegen mit, dass er es betreten möchte. Die winken desinteressiert ab und lassen ihn ziehen. Zielstrebig klopfte er an die Türe. Nach einer Weile öffnete ihm eine alte Frau.

Er betrat das Haus, begutachtete die Zimmer, eilte daraufhin die Treppe nach oben und landete im Wohnzimmer. Noch im Türstock verharrend sah er, dass sich im Fenster der Schlot des Lagerkrematoriums abzeichnete. Näherte man sich diesem Fenster, so konnte man beinahe das gesamte Lager überblicken. Die Frau erklärte ihm, dass dies ihr Wohnzimmer sei. Und Ist es nicht gemütlich?, fragte sie ihn. Gérard rang mit den Worten, wahrscheinlich weniger in diesem Augenblick selbst, als später, da er sein Erlebnis zu Papier brachte. Fragte ihn die Alte doch tatsächlich, um es hier nicht gemütlich sei! Und im Fenster war der Schlot zu erkennen.
Er, der Schlot, war in den Fensterrahmen geklemmt, fast wie in einen Bilderrahmen. Bewunderte man vom Türstock aus das Zimmer, so glaubte man, es hänge ein Bild an der Wand, ein Gemälde von einem Krematoriumsschlot, eine grausam-romantische Zeichnung als Schmuck dieser gemütlichen Stube. Im Gemälde, das keines war, da verbrannten Leiber; ein Blick aus dem Fenster zeigte den Ort, an dem die Marter zum täglichen Ritus wurde. Ist es nicht gemütlich hier?
Saß die Alte etwa jeden Abend da, häkelte bei Kerzenschein, lungerte in ihrem bequemen Sessel, trank Tee, fraß Gebäck, während sich dort drüben, auf der Fensterbank, der Tod ausbreitete? Das heißt, nicht auf der Fensterbank selbst, aber sie war der Beobachtungsposten ins Totenreich hinüber, dort geriet das Verrecken ins Blickfeld. Diese Fensterbank, sie war der Vorposten, eine Landzunge zur Hölle, die in diese Gemütlichkeit schwappte.

Gérard geisterte dieses Ist es nicht gemütlich? noch Jahrzehnte später im Kopf herum. Diese Alte ging ihm nicht aus dem Sinn. Auch, dass sie ebenfalls erzählte, ihre beiden Söhne seien gestorben, gefallen an irgendeiner der vielen Fronten, die sich um das Reich schlängelten. Haderte die Alte etwa, wenn sie abends in ihrem Sessel saß? Haderte sie mit ihrem Leben? Mit dem Führer? Oder doch eher mit diesen feindlichen Subjekten, die man leider nicht alle per Zug an ihre Fensterbank fahren, zu ihrer Aussicht machen konnte? Wähnte sie sich leidend, wie niemand sonst, während vor ihrem Fenster eine kaltblütige Regentschaft Menschen zerrieb? Sah sie vor lauter Tod, den Tod nicht mehr? Hungerte sie mäßig, sodass sie den auszehrenden, erlahmenden Hunger vor ihrem Haus nicht erkannte? War die Gemütlichkeit, auf die sie stolz schien, der Rückzugsort? Schottete sie sich dort vom Gang der Welt ab, von Buchenwald und Söhnen, die ins Feld zogen und in Felder zurückblieben?

Gérard: so rief man Jorge Semprún damals. Und die kleine Parabel auf eine Welt, die scheinbar von Menschen verschieden wahrgenommen wird, und das selbst dann, wenn beide Welten unmittelbar aufeinandertreffen, nur durch eine Fensterbank geschieden sind, findet sich in seiner "großen Reise" wieder, die er 1944 antrat - die er angetreten gemacht wurde. Diese Fensterbank scheint vergänglich. In unseren Breitengraden wohnt niemand mehr am Rande eines Arbeitslagers, hat niemand mehr Ausblick auf Schornsteine, aus denen menschliche Leiber geblasen werden. Die Menschheit ist fortgeschritten, hat sich von archaischen Gemütlichkeiten losgelöst. Fortschritt! In diesem treuen Glauben an das Hier und Jetzt, wird gerne übersehen, dass es dieselben Gemütlichkeiten noch gibt. Fortschritt ist, wenn man eine Fensterbank nicht mehr braucht, wenn man sich nicht mehr gemütlich auf ihr abstützen muß, um ein Schauinsland, ein Schauinslager halten zu können - Fortschritt ist, nicht mehr direkt an Lagern hausen, in einem Zimmer mit Ausblick aufs Meer der Tränen leben zu müssen - Fortschritt ist, die Entbehrungen an Körper und Seele, die Gewalt, Unterdrückung und Unrecht aus dem bequemen Sessel heraus zu bestaunen, mit Fernbedienung, ohne Mühe, seine Ellenbogen auf das harte Holz einer Fensterbank zu pressen.

Unsere Fensterbank hat zuerst die Form eines schwerfälligen Kastens angenommen, später nahm sie die Gestalt einer relativ flachen Scheibe an. Bilderfluten vom Elend erreichen uns. Ausgehungerte Gestalten aber, die diesem Elend lebend entflohen, klopfen fürwahr nicht mehr an unsere Türen. Wir, die wir unsere Fensterbänke mit schönerer Aussicht belohnen, die wir unsere Welt für die Habenichts abriegeln, haben die Jammergestalten ausgesperrt. Das ging damals zu Weimar noch nicht, was die Alte, die Gérard Einlass gewährte, sicherlich bedauerte. Wenn wir demnächst fragen, ob es nicht wieder mal gemütlich sei, so denke man an dieses Fenster, in dem sich der Schlot Buchenwalds abbildete, man denke an das Wohnzimmer, das nur wenige Meter Luftlinie zu den Gebirgen von Leichen, seine Gemütlichkeit verströmte. Man erinnere sich daran, dass wir die wenigen Meter Luftlinie durch lange Reisen mit Luftfahrtunternehmen ersetzt haben und dass unser Fensterbrett, diese gemütliche Ablage für Blumentöpfe wie Ellen, erst in neuerer Zeit ein unschuldiges Dasein fristet - es gab Zeiten, da war es der Einblick in das Totenreich. Der ist heute im Sessel vorm dem Kasten, dort bluten, verhungern, verrecken Menschen. Ist es nicht gemütlich?


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Der hat nichts mit uns gemein!

Freitag, 29. Juli 2011

Selbstverständlich ist die bürgerliche Mitte hierzulande, die sich größtenteils für christlich oder christlicher Herkunft erklärt, wegen der Ereignisse in Norwegen schockiert. Behauptete doch der Terrorist, er sei bekennender Christ, womit er seinen Massenmord zu begründen trachtete. So einer ist kein Christ, hört man jedoch nun. Wenn man dessen Herkunft aus der bürgerliche Mitte schon nicht aberkennen kann, so doch wenigstens den religiösen Tand, den er in die Waagschale wirft. So einer ist kein Christ, denn wer so etwas tut, der hat etwas falsch verstanden. Dem wäre gar nichts hinzuzufügen, wenn es nicht dieselben Leute wären, die Terroristen islamischer Herkunft nachsagten, diese seien besonders gläubig, besonders koranfest. Wie sonst, wenn nicht im tiefen Glauben an Allah, hätten sie so eine Bluttat begehen können?

Diese Selbstgerechtigkeit passt wie ein geschnitzter Jesus aufs Holzkreuz. Der Terrorist, der sich als christlicher Kreuzritter sieht, den erkennt man seinen Glauben, sei es auch nur sein Irrglaube, besonders christlich zu sein, ab. Leitet der Terrorist sein Handeln aber irrigerweise aus dem Koran ab, so zweifelt man nicht an dessen muslimischer Standfestigkeit - nein, man sieht sie bestätigt. Der christliche Mörder ist ein Irrgänger, der die Bibel nicht verstanden hat - der muslimische Mörder ist nur konsequent, weil er den Koran eins zu eins umsetzt. Der Mordschrist gehört nicht zu uns, unken sie - aber der Mordsmuslim, das ist einer von denen, ein ganz typischer Vertreter von denen. Der Terrorist, der den Koran heranzieht, um zu töten, gilt als strukturelles Problem des Islam. Der Terrorist, der Bibelweisheiten rezitiert, um der Gerechtigkeit willen zu morden, der ist ein Irrgänger, ein Ketzer. Keiner aus unserer Mitte, wissen Christen dann zu entschuldigen - aber der Muselmann, der war fest im Islam verankert, war fromm, war korannah. Wer stets in einem Buch liest, in dem nur Mord und Totschlag steht, der ist doch nur konsequent, wenn er das Gelesene wahr macht. Wer brav Bibel liest, dem kann das nicht widerfahren. Und was ist mit denen, die Bücher und Texte lesen, die Abneigung und Hass predigen? Die das lesen, was Broder und Sarrazin aus dem Füller kleckste? Wären die nicht auch konsequent, wenn sie wahr machten, was da in und zwischen den Zeilen zu deuten ist?

Schemenhaft erinnert man sich noch an Muslime, die nach dem 11. September, und später auch immer wieder, darauf hinwiesen, dass die Terroristen, die im Namen Allahs meucheln, nichts mit ihnen gemein hätten. Das seien keine Muslime, das seien Mörder, die den Koran vergewaltigen, erklärten sie betroffen. Die Mörder würden den Islam instrumentalisieren. Sie ernteten aber nicht Verständnis, sondern Skepsis. Statt die Mörderbrigaden aus dem Islam zu subtrahieren, las man das Feuilleton rauf runter, sollten sich Moslems hinstellen und bekennen, sich dafür entschuldigen, dass da einige Brüder mordeten. Sie sollten sich entschuldigen, weil der Islam an sich eine Blut- und Bodenreligion ist und man als Muslim damit zu einer anrüchigen Gemeinde gehört. Diese westliche, diese christliche Arroganz leistete man sich, weil man der Ansicht war (und ist), dass der Islam schon im Keime gewalttätig und blutrünstig ist - schon der gemäßigte Islam, so wissen "Islamkritiker", sei eigentlich ein Generalangriff auf den Frieden. Es wäre unvorstellbar, dass man jetzt die Christen Europas dazu aufforderte, sich für diesen terroristischen Christen nach Selbstverständnis zu entschuldigen. Es wäre überdies auch gar nicht nötig, denn die Sippenhaftung gilt nicht für Familien, nicht für (Religions-)Gemeinschaften. Und sie müssen es nicht, weil es tatsächlich nicht von großem Glauben zeugt, Menschen zu ermorden - dies gälte dann allerdings religionsübergreifend.

Wenn der terroristische Anschlag in Norwegen überhaupt etwas bewirkt hat, dann nur die Sichtbarmachung westlicher, abendländischer Selbstgerechtigkeit. Er hat eklatant aufgedeckt, dass Terror nicht Terror und Terrorist nicht Terrorist ist. Das war immer bekannt, denn wer Terrorist ist, ist immer eine Definitionssache der Machthaber. Wer früher Terrorist war, der kann später Held werden - man denke nur an die Geschwister Scholl. Dass aber ein Terrorschlag dieser Größenordnung systematisch nicht als Terrorismus bezeichnet wird, damit weiterhin der Terrorist muslimischer Herkunft ein Monopol auf diese Bezeichnung hat, sagt alles aus. Und dass man der Terrorismus eines selbstbekennenden Christen als christliches Produkt leugnet, während der Terror selbsterklärter Muslime als unleugbar muslimisch gilt, sagt noch mehr aus.



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Ridendo dicere verum

Donnerstag, 28. Juli 2011

"Zwischenstaatlich organisiert sind in Europa nur das Verbrechen und der Kapitalismus."
- Kurt Tucholsky, "Schnipsel" -

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Traurigkeit, nicht Trauer

Mittwoch, 27. Juli 2011

Was wir dieser Tage verstärkt erleben, ist die übliche Massentrauerkultur, wie sie bereits seit Jahren modern ist. Momentan herrscht Rückblick auf Duisburg und man trauert mit Norwegen. Da sind gigantische Menschentrauben auf Straßen, weinen, gedenken, erinnern sich an Menschen, die sie nie kannten und die sie vermutlich nie kennengelernt hätten.

Trauer ist massiv ins Gedächtnis einbrechende Erinnerung an einen entschwundenen, beziehungsweise verstorbenen Menschen, der Schwall an gemeinsamen Augenblicken, die man mit ihm hatte, die einen mit ihm verbinden. Trauer ist das persönliche oder fast-persönliche Band (man kann auch um einen Künstler trauern, dessen Werk man genoss und von dem man sich einbildete, ihn deshalb gut zu kennen - obgleich: diese Trauer ist kaum die intensive Trauer naher Angehöriger) das zwischen auseinandergerissenen Menschen gespannt wurde und nun durchschnitten ist. Trauer ist deshalb nur persönlich möglich. Sie kann nur von Menschen geleistet werden, die dem Verstorbenen nahe standen, die dessen Denkweise, dessen Interessen, dessen Leidenschaften und Schwächen kannten. Um einen Menschen zu trauern, den man nicht kannte, ist daher nicht möglich. Der Tod eines Unbekannten, zumal aus der Ferne betrachtet, nicht leibhaftig beiwohnend, als der Tod anstelle des Lebens trat, kann betrüben, macht sicherlich traurig - das ist nur menschlich. Dann kann man ein Weilchen traurig sein, landet deswegen aber nicht im tiefen Tal der Trauer, aus dem man üblicherweise erst nach Monaten oder gar Jahren wieder heraussteigt.

Was wir derzeit und regelmäßig immer wieder beobachten, hat mit Trauer nichts zu tun, auch wenn die Redenschwinger dieser medial gelenkten Massentrauergemeinden, gerne davon sprechen, dass sie "mit den Hinterbliebenen trauern" - das würde aber bedeuten, sie nehmen an einem längeren Prozess des Erinnerns und Verarbeitens teil, versuchen der Flut an Bilder im Kopf Herr zu werden, die ein Trauernder zu verdauen hat. Daran kann man aber nicht teilnehmen, wenn man den Verstorbenen gar nicht kannte. Wo kein persönliches Band, da keine Trauer, da ist nur bestenfalls temporäre Traurigkeit, die man nach einigen Augenblicken abstreifen kann wie eine Schlangenhaut. Wie sollte man sich denn unbekannterweise auch einfühlen, wie Erinnerungen an einen Menschen wachhalten, dem man nie begegnet ist?

Was praktiziert wird ist eine kurze Weile der Solidarität, die man optimistisch (oder pessimistisch?) Trauer nennt. Die massenkonforme Trauer ist zum Event geworden, zum lenkbaren Massenspektakel, um einen Augenblick lang eine Welle der Wärme und Zuneigung zu schaffen, die traurige Ereignisse zumutbarer erscheinen läßt. Und natürlich ist es Betroffenheit. Betroffenheit, weil man sich vorstellt, man hätte selbst betroffen sein können. Wenn man überhaupt trauert, dann weniger mit den unmittelbaren Hinterbliebenen der Toten, als mit sich selbst, der man ja auch Hinterbliebener ist, wenn auch nur am Bildschirm - hinterblieben mit der Gewissheit, dass man selbst hätte tot sein können. Die verständliche, aber kurzlebige Traurigkeit vieler Menschen, aufgebauscht zur inbrünstigen Trauer, das ist es, was medial publiziertes Anteilnehmen so unerträglich, ja so peinlich werden läßt. Wie Zeitungen und Fernsehen übertreiben, die Trauer regelrecht beschwören und den Begriff an sich aushöhlen, das ist schon aller Unehren wert. Und mit journalistischem Benehmen hat das auch nichts zu tun.

Es ist nicht Aufgabe des Journalismus, die Trauer zu beflügeln, sie anzufachen, um Bilder verheulter Gestalten oder hysterischer Menschenmassen, die Blumen und Teddybären an öffentlichen Plätzen niederlegen, zu knipsen. Auch Ereignisse wie jene in Duisburg oder in Norwegen, sollten mit Abstand, mit kühlem Kopf und Sachverstand abgehandelt werden. Der Journalist ist kein Trauerbeauftragter und die Trauer soll er denen überlassen, die wirklich trauern können: denen nämlich, die direkten Kontakt zu den Getöteten hatten. Die Trauer den Seelsorgern! Kollagen, in denen das Leben getöteter Personen mit Bildern, Erzählungen und Beschreibungen nachzeichnet wird, macht die wirkliche Trauer ebenfalls nicht gangbar - Traurigkeit kann sich freilich einstellen, aber man rutscht nicht ab, verkriecht sich deshalb nichts ins Bett, ißt weniger oder gar nichts, weint fortan, sieht kein Licht mehr. Kurz, man trauert auch dann nicht wahrhaft, wenn der Journalismus arg auf die Tränendrüse drückt.

Das was Trauer üblicherweise bedeutet, das kann der Journalismus nicht herbeiberichten. Er kann nur die Traurigkeit, die ein mitmenschlich fühlendes Wesen empfindet, zur Trauer umdeuten, um damit ein Publikum zu bedienen, dass so süchtig nach trauernden Menschenaufläufen ist, wie nach emotionalen Augenblicken im Sport. Kurzum, wer behauptet, er trauere nun, weil dies oder das irgendwo in der Welt geschehen ist, fernab seiner eigenen Wirklichkeit, der schwindelt entweder, oder er hat keinen Begriff davon, was Trauer eigentlich bedeutet...



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Und die spiritual leader?

Dienstag, 26. Juli 2011

Wäre er Moslem gewesen, so hätte der deutsche Qualitätsjournalismus von den ideologisch verbohrten Untaten des Islamisten berichtet. Man hätte sein krankes islamistisch durchspültes Gehirn durchleuchtet, hätte die Denkfehler, die es bei solchen Gestalten zuhauf gibt, freigelegt und entrüstet obduziert. Und am Ende hätte es wieder einmal geheißen, dass der Islam selbst vielleicht nicht gerade mörderisch sei, wohl aber doch ein ertragreicher Nährboden für Gewalt, für unfassbar blutige Taten und Meere von Kadavern.

Der Wahnsinn kam aber von einem Norweger. Einer, der so ist wie viele. Er galt als rassistisch, islamophob und rechtsradikal. Der deutsche Journalismus, geschlossen von B wie BILD bis Z wie Zeit, schreibt nicht vom Islamophoben, von Islamophobisten, um beim üblichen Duktus zu bleiben, schreibt auch nicht vom Rechtsradikalen. Er nennt ihn, sofern er ein wenig seriös bleibt und nicht gleich zu dessen Psychopathie mäandert, Killer oder Attentäter. Selbst das Wort Terrorist findet weniger Anklang als üblicherweise, wenn der Killer oder Attentäter einen muslimischen Hintergrund hatte. Durchleuchtet jemand ausgiebig und ehrlich das Weltbild dieses Menschenfeindes? Seziert man seine Denke? Stellt daraufhin klar, dass seine Weltsicht, dieser klumpige Brei aus Hass und Abneigung gegenüber Fremden, aus Islam-Aversion und rassistischen Affekten, nicht unbedingt mörderisch sei, sehr wohl jedoch ein ersprießlicher Acker für Unerbitterlichkeit?

Es ist offenbar, dass es in diesem Lande Terroristen zweierlei Klasse gibt. Da gibt es Islamisten, die Terror betreiben, die Gesellschaft gefährden, unsere Lebensweise in Grund und Boden stampfen wollen. Und das sind ideologische Verbrecher, durch Allah Getriebene, einem blutigen Gott Unterstellte, sich schlicht und ergreifend aus dem Reich des Todes heranpirschende Verbrecher gegen die Menschlichkeit. Und es gibt psychopathische Spinner, die Attentate begehen, die zwar schrecklich traurig sind, aber scheinbar diese Gesellschaft kaum gefährden, vielleicht weil sie Teil dieser Gesellschaft sind. Die Ideologie wird ausgeblendet, auch begrifflich. Es sind Killer ohne geistige Schule, man kehrt unter den Teppich, dass sie ihrem Gott auf ihre Weise folgen, diesem Gott der Herrenmenschen, der rassistischen Unterteilung der Welt. Rassenhygienische Schriften sind kein Koran, Koryphäen der neuen Rechten sind keine grausamen Göttergestalten - wer mit solchen Leitmotiven zum Abschlachten übergeht, der ist nicht Jünger einer bestialischen Ideologie, der ist lediglich psychisch krank, verrückt, der ist Killer, nicht Islamophobist, als eine Art sprichwörtlicher Gegenspieler des Islamisten.

Der eine mordet, ist dafür aber nur bedingt persönlich haftbar, weil er als Instrument einer Ideologie tötet. Der islamistische Terrorist ist nur ausführende Hand des Islamismus, dem man wiederum unterstellt, dass er sich aus dem Islam, dem Koran nähre. Der Islamist ist somit Ausgeburt eines strukturellen Elends, nach westlicher Lesart. Eigentlich gibt es nach westlicher Interpretation gar keine Terroristen aus der muslimischen Welt: es gibt aber den entpersonalisierten muslimischen Terrorismus, es gibt diese Religion, die Gewalt heranmästet. Der andere, der im rassistischen Eifer tötet, der ist persönlich und nur persönlich haftbar, kein Instrument. Jene Ideologie, die ihn aushöhlte, ist nicht Sujet. Sie findet kaum Erwähnung, ist nur Makulatur, Ausschmückung für Journalisten, kein Nährboden. Der rassistische Fanatiker ist nicht Auswurf ideologischer Strukturen, er ist Fehlgänger, psychisch deformiert, damit Alleinschuldiger, ein trauriger und freilich auch verurteilenswerter Einzelfall. Vereinfacht, durch die westliche Brille gesagt: der Moslem, der terrorisiert, er ist der Normalfall, weil Allah auf Tod programmiert ist. Der Europäer, geschliffen durch eine rassistische Schule, er ist irgendwie ein Ausrutscher, unerklärlich, weil sein Gott (man verpasse ihm beliebige Namen aus der rassenhygienischen Historie - Haeckel, Ploetz oder Forel) eigentlich nicht a priori militant ist.

Dabei drängt sich nun eine Frage auf. Zunächst die Prämisse, zur Einleitung: Osama bin Ladin, der von seinen Zeltlagern aus aufwiegelte und Hassbotschaften aussandte, um in der Welt auf willige Ohren zu stoßen, die dann die Gewalt ausführten, die er nur verbal forderte - dieser Osama bin Ladin galt als Terrorpapst oder Terrorpate. Doch seine organisatorische Verwicklung in terroristische Anschläge galt immer als ungesichert und mehrmals las man, er sei nicht mehr als eine Art spiritual leader, der weder mittelbar noch unmittelbar ins Tagesgeschäft eingebunden sei. Trifft dies zu, so nötigt sich diese Frage auf: Sind die heutigen spiritual leader, die man schwerlich beim Namen nennen kann, um sich juristisch nicht angreifbar zu machen, solche die vielleicht über ein sich abschaffendes Deutschland fabulieren, sind diese Gestalten nicht vergleichbar mit jenem geistigen Führer aus der Wüste? Treiben sie nicht an, wie einst er? Schüren sie nicht den Hass, wie damals der Vollbebartete?

Die Abendländler, die Europa seit Jahren vergiften und vom Islam berichten, als wolle dieser die Welt im Schnelldurchlauf erobern, haben eine moralische Mitschuld an den Geschehnissen in Norwegen. Sie machten es erst möglich, sie holten den Rassenwahn zurück in die Welt. Der rassistische Terrorist, der nun beinahe hundert Menschen tötete, er mag die hiesigen Theoretiker, die uns seit Jahren in diesem Lande beschäftigen, nicht gelesen haben. Andere jedoch, solche aus seinen Gefilden, bestimmt. Der Rassenwahn und die Islamophobie haben letztlich eine europäisch-angelsächsische Internationale begründet, in der sich auch deutsche Theoretiker versammeln. Wenn nicht körperlich, so doch geistig. Vereint im herrenmenschlichen Geiste. Wo ist der Beschluss der Vereinten Nationen, die rassistischen Hassprediger und islamophoben Fanatiker, die auch in unseren Straßen, im Fernsehen und aus Büchern heraus Hysterie säen, dingfest zu machen? Aber dann, wir bleiben trotz allem an unsere Werte verhaftet, bitte keine Hinrichtung wie damals, als man den islamistischen spiritual leader erschoss, ihm nicht mal ein Gerichtsverfahren erteilte. Man überführe diese rassistische Gestalten körperlich unversehrt den Rechtsstaat und beweise ihnen somit, wie leistungsfähig Gesellschaften sein können, in denen Menschen verschiedener Herkunft rechtsstaatlich vereint leben.



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Es war gottseidank nur ein Psychopath...

Montag, 25. Juli 2011

Das Donnern der Sprengsätze war noch nicht verhallt, die Ereignisse in Utøya noch nicht bekannt, da rief schon die Gewerkschaft der Polizei alle Deutschen zur erhöhten Wachsamkeit auf. Sofern der Anschlag auf das Konto eines Islamisten gehe, wusste sie zu warnen, könnten auch deutsche Städte bald Ziel sein. Gerade jetzt bräuchten die deutschen Behörden Hilfe und Hinweise aus der Bevölkerung.

Nun war es aber kein Islamist, es war ein Norweger, ein rechtsradikaler, rassistischer und islamfeindlicher Norweger, um etwas genauer zu sein; kein Orientale, wie befürchtet, sondern ein blonder, blauäugiger Herrenmenschtypus. Und die Gewerkschaft der Polizei? Ruft sie nun die deutsche Bevölkerung dazu auf, verstärkt das Treiben rechter und radikaler und rechtsradikaler Typen zu beobachten? Wird sie nun fordern, nicht mehr Moslems beim Freitagsgebet, sondern endlich verstärkt Neonazis beim Sonntagsbesäufnis zu belästigen? Fassungslosigkeit und Trauer übermannt die GdP nun, da der Täter bekannt ist - so kulant ist sie dann schon. Die ideologische Herkunft des Täters ist aber kein Kriterium - das ist sie nur, wenn die Ideologie islamistisch ist. Und ist sie es nicht, dann handelt es sich eben um einen Verrückten, eine verirrte Seele, die nicht nur bestraft, sondern eben auch medizinisch behandelt werden muß.

Kaum wurden da Menschen aus ihren Leben gerissen, wussten etwaige Medien und die Polizeigewerkschaft (die sich neuerdings im Wochentakt mit seltsamen und diktatorischen Forderungen zur Sprache meldet) schon, wer quasi sicher dafür verantwortlich ist. Das unterstreicht, wer mindestens genauso gefährlich ist, wie es islamistische Eiferer sind: Islamfeinde nämlich! Unkritische und undifferenzierte Gemüter, denen der Speichel rinnt, wenn sie Menschen dieser Weltanschauung sehen. Islamfeinde zweierlei Art sind gefährlich: Solche, die ungeprüft dem Islam die Verantwortung für einen Gewaltakt in die Schuhe schieben - und solche, die Menschen morden und nebenher (oder deswegen?) islamfeindlich und rassistisch sind. Was die Geschehnisse in Norwegen hervorheben: Terror ist keine kulturelle, keine religiöse Attitüde, sie ist das Werk von fanatischen und gewalttätigen Menschen - Punkt! Das ist die ganze Wahrheit, die man in unseren Breitengrade jedoch mehr und mehr verdrängt, weil man erhöhte Gewaltbereitschaft einer Kultur, einer Religion alleine ins Gebetbuch schreibt.

Wer allerdings voreilig Islamisten verdächtigt und Warnungen ausstößt, der sollte auch warnen, wenn es eben nicht der Islamist, sondern der Neonazi war, der Menschen zur Schlachtbank führte. Auch deshalb, weil in diesem Lande, in dem die GdP mit diktatorischen Stich vor sich hingärt, gemeinhin mehr Nazis, Rechtsradikale, Rassisten und Islamfeinde leben, als Islamisten. Wer unbesehen vor islamistischen Terror warnt, der sollte nun umgehend dazu übergehen, Reden und Provokationen einiger Herrschaften zu unterbinden, die prädestiniert dafür sind, diesen norwegischen Funken auch auf Deutschland überspringen zu lassen. Diese ganze abgehalfterte Bande, die sich um den Erlöser der Eckkneipen (übrigens ein Parteikollege des Bundesvorsitzenden der GdP) hortet und ihn als Stimme der schweigenden Mehrheit feiert, die müsste man aufhalten, damit der Funke verglimmt. Man stelle sich nur mal vor, irgendein verblödeter Hodscha hätte nach Oslo über die Verbreitung des Dar al-islam mittels Gewalt geschwärmt - das christlich-abendländische Deutschland hätte sich in eine Rüstung gezwängt und darauf ein Ordenskreuz der Deutschherren nieten lassen. Wenn nun aber Islamophobe ihre ehrabschneidenden Episteln verlesen, dann nennt man das Meinungsfreiheit und niemand sieht sich dazu aufgefordert, einem solchen Treiben Einhalt zu gebieten, denn soviel Freiheit müsse es in einer liberalen Gesellschaft freilich schon geben dürfen.

Auf Verdacht den Islam diskreditieren darf man. Die Polizeigewerkschaft ist da schnell und unbürokratisch. Stellt sich dann heraus, dass es ein blonder Skandinavier war, der etwas sehr konservativ und etwas sehr islamkritisch ist (man ist ja heutzutage nicht islamfeindlich, wenn man Moslems beleidigt, man ist nur islamkritisch!), dann ruft man nicht mal Kommando zurück!, man tut so, als habe man nie vorverurteilt. Und der rechte Täter, er gilt schnell als Psychopath, womit man seine geistige Grundlage ausblendet. Dies in einem Land, das proppenvoll ist von solchen braunen Eiferern! Gerade gegenüber solchen bräuchten wir aufmerksame Bürger - wäre es ein Islamist gewesen, wäre das alles traurig und unverzeihlich gewesen, aber Angst, wirkliche Angst, sollte man in Deutschland erst jetzt haben, da es kein Islamist, sondern ein Neonazi mit besagten Qualifikationen war. Denn solche kennt jeder von uns, und deren geistige Vorstände dürfen ungestraft die Öffentlichkeit vergiften - Islamisten kennt kaum jemand. Oder ganz einfach, zynisch frei nach Volker Pispers: "Da muß ein Islamist aber lange daran stricken", bis er so viele Menschen ins Jenseits befördert hat.



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Sit venia verbo

Freitag, 22. Juli 2011

"Erst im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, in der Entstehungsphase der modernen industriellen und kommerziellen Bourgeoisie, breitete sich der Hass gegen die Feiertage aus... Der biblische Fluch, dass, wer nicht arbeitet, auch nicht essen solle, hat sich immer nur auf die unterdrückten und ausgebeuteten Klassen ausgewirkt. Eine ganze Menge Leute, die nicht gearbeitet haben, hat zu allen Zeiten sehr gut gegessen. Dass der Mensch von Natur aus faul sei, ist die Grundauffassung einer politischen Anthropologie, von der alle Herrschaft zehrt."
- Oskar Negt, "Arbeit und menschliche Würde" -

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Als Deutscher in Deutschland...

Donnerstag, 21. Juli 2011

Was ist eigentlich in diese Türken gefahren? Kann man als Deutscher in Deutschland denn gar nichts mehr sagen? Da wird man vertrieben wie ein Hund, nur weil man als Hausherr die Hausordnung las! Darf man als Deutscher in Deutschland nicht mal mehr Fremde beleidigen, ohne gleich Platzverbot erteilt zu bekommen? Wo kommen wir denn da hin, wenn man als Deutscher in Deutschland nicht mal mehr sagen darf, was man sich denkt? Das ist also die gerühmte Integration, wenn man als Deutscher, als Deutscher in Deutschland wohlgemerkt, abgestraft wird wie ein unartiges Kind!

So oder ähnlich toben sie nun durch Foren, Gästebücher und Kommentarfunktionen, die ganz besonders deutschen Deutschen in Deutschland, denen Sarrazins Rausschmiss mächtig stinkt. Denn man hat ihren Erlöser verscheucht, diesen grotesken Messias der Eckkneipen, den hat man aus Kreuzberg gejagt. Das füllt all die einschlägigen Seiten im Internet, all die rechten Tummelplätze, schwängert die Kommentarfelder unter Zeitungsartikeln und bestätigt der Kommentatoren engstirnige Gewissheit, die da lautet: Türken sind irgendwie verschlagene, hinterfotzige Primaten, mit denen kein Zusammen, kein Gemeinsam zu machen sei.

Ja, wo simma denn eigentlich? Darf man als Deutscher in Deutschland nicht mal mehr unbehelligt deutsche Straßen benutzen und in von Deutschen geduldete türkische Restaurants in deutschen Häusern einkehren? Und das nur, weil man sich südländisch-verweichlicht auf den Schlips getreten fühlt? Als Deutscher in Deutschland, so wissen wir seit einigen Jahrzehnten, leidet man immer unter Besatzung: erst unter den Amis, jetzt unter den Mohammedanern. Heute Kreuzberg, morgen Deutschland und übermorgen die ganze Welt: der Islam ist auf dem Vormarsch, wenn man als Chef des Hauses, als Deutscher in Deutschland, nicht mal mehr deutsche Tugenden wie Wissenschaftlichkeit und Ehrlichkeit walten lassen darf. Muß man sich das gefallen lassen, als Deutscher in Deutschland? Sind wir schon so weit? Gute Nacht, Deutschland!

Dies liest, dies hört man nun allerorten. Da wandert Sarrazin, der eitle Pfau, der sich selbst einen "verdienten Senator" nennt und zeit seines Lebens von "Staatsknete" lebte, durch Stadtteile, in denen prozentual mehr Türken leben, stolziert wie ein Zoobesucher an Gehegen vorbei, vorbei am Käfig, hinter denen Vertreter der Gattung homo sapiens turkensis Dönerfleisch reißen, vorbei an Netzen, hinter denen diese Primaten Obst und Gemüse feilbieten, vorbei an Gehegen, auf deren anderer Seite Türkenmännchen und Türkenweibchen ihrem exotischen Tun nach Türkenart nachgehen... in dieserlei Weise stolziert der "verdiente Senator" als Vorsteher und Inhaber, als Deutscher in Deutschland halt, durch Berlin Kreuzberg und wundert sich, dass er Ablehnung und Hass erntet. Und mit ihm wundern sich die Hohlköpfe, die ganz außerordentlich deutschen Deutschen in Deutschland.

Das hat es doch früher nicht gegeben! Damals konnte man noch auf Ali rumhacken, er hat es erduldet. Was sind denn das für Verhältnisse, wenn man als Inländer das Maul halten soll, um Ausländern nicht ins Gehege zu kommen? Früher war man noch Deutscher in Deutschland, da war man noch Chef, Kapo und Aufseher, da durfte man sich noch wie zu Hause fühlen. Da war man noch wer! Multikulti-Romantik! Wie kann man denn mit Leuten diskutieren, die uns Deutsche, uns Deutsche in Deutschland, nochmal: in Deutschland!, vor die Türe setzen? Mit denen soll man reden? Ausgeredet hat es sich! Wer einen Deutschen in Deutschland auf deutsche Straßen bugsiert, den sollte man über deutsche Grenzen verjagen!

Sie werden nicht blöde, solche und ähnliche Empörungen um sich zu schleudern. Nicht mehr heimisch seien sie, hört man von solchen ja oft. Sich als Deutscher in eigenen Land heimisch fühlen, das heißt für sie: so zu sein, wie in den eigenen vier Wänden, kleine Könige, kleine Tyrannen nur, aber große Arschlöcher! Wenn Deutschlandsdeutsche so auch im "Wohnzimmer Deutschland" agieren darf, dann ist er, der seinen Messias liebt, auch glücklich. Dann fühlt er sich wohlig, dann geht es ihm gut. Die Verhältnisse wieder klarstellen heißt: ich deutsch, ich Chef - du Ausland, du nix! Heißt: als Deutscher darf man alles sagen - als Ausländer kann man das Land verlassen, wenn es einem hier nicht paßt. Deshalb darf man auch beleidigen und für genetisch minderwertig erklären, den ganzen Sud für wissenschaftlich heißen und sich trotzdem Anerkennung erbeten. Denn wenn man wissenschaftlich arbeitet, und heißt das auch nur: wissenschaftlich schmähen, beleidigen, quacksalbern auf Kosten einer Minderheit, dann darf man sich wohl Respekt erwünschen, nicht wahr? Und einen Besuch beim Türken um die Ecke, mit einem netten Türkensimpel, der angenehm lächelt und Bittesehr und Dankeschön sagt und artig den "verdienten Senator" herzt, dergleichen darf man als Deutscher, gerade in Deutschland, auch erwarten, oder nicht?

Den einen Messias trieb man auf den Kalvarienberg - und er wurde unsterblich. Den anderen, die Karikatur einer Messiaskarikatur nämlich, den trieb man aus Kreuzberg - und das macht ihn, wenn schon nicht unsterblich, so doch zum Märtyrer derer, die arm sind im Geiste. Unsterblich wurden mit dieser Vertreibung aus dem Kiez jedoch die Vorurteile und seine kruden Thesen.



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Der Advokat des Biologismus'

Mittwoch, 20. Juli 2011

Klaus von Dohnanyi, Grandseigneur einer verlotterten Sozialdemokratie, die Thilo Sarrazin als einen ehrlichen Makler einstuft, saß kürzlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Gespräch. Die Sozialdemokratie, so muß man Dohnanyis Bekenntnissen jedenfalls entnehmen, ist nurmehr eine Gemengenlage aus Revisionismus, Rassismus und laienhafter Wahrnehmung für bestimmte wissenschaftliche Felder.

Des schiefschnäuzige Stammlers Aussage bezüglich Judengenen, so weiß Dohnanyi, sei richtig gewesen. Studien, die er natürlich nicht benennt, besagen, dass Juden durch gemeinsame Gene bestimmt werden, weil sie eng und ausgiebig untereinander heiraten, weil sie also endogam sind, wie man das etwas wissenschaftlicher ausdrücken würde. Allerhand sticht dabei ins Auge:
  • Dohnanyi outet sich als tiefgläubiger Jünger der Genetik, wenn er zu Protokoll gibt, dass "Juden durch gemeinsame Gene bestimmt werden". Bestimmt durch gemeinsame Gene? Juden oder Basken (Sarrazin sprach damals auch vom Baskengen) oder welche Völker auch immer, als von Genen bestimmte Gruppen? Verschweißt durch Gene, durch Blut gar, wenn man es etwas poetischer formulieren möchte? Ist das gar die Renaissance des Volkskörpers, der vereint ist in der genetischen Konstellation? Und überhaupt, lassen sich Menschen so sehr von Genen bestimmen, dass sie quasi willenlos sind im Angesicht ihrer Erbanlagen? Wer Genetik für ein so unkomplexes und übersichtliches Gebiet hält, der hat offenbar keinen Schimmer vom Fach.
  • Der jüdische Kulturkreis war nie ein vollkommen abgeschotteter. Die Diaspora war international und von einer endogamen Ausrichtung über Jahrhunderte hinweg ist nicht auszugehen, wie deutsche Juden des letzten und vorletzten Jahrhunderts bewiesen, die durchaus mit Gojim verehelicht waren. Außerdem, als kurzer Einwurf nur der Gedanke, dass in einer endogamen Gesellschaft Kinder nicht nur in Ehen gezeugt werden - die "Vermischung" kulturell verschiedener Partner findet dort zuweilen außerehelich statt. Und einige weitere Fragen drängen sich auf: Sind der christliche und der muslimische Kulturkreis nicht Kinder des Judentums? Wurzeln Christen und Moslems damit nicht auch teilweise genetisch im Jüdischen? Eine genetische Isolation ist in Eurasien kaum umsetzbar - dergleichen mag für die Tasmanier gegolten haben, die über Jahrtausende von der übrigen Welt abgeschnitten waren, nicht aber für Juden, die unter Menschen aller Religionen, aller Kulturen lebten.
  • Wer so redet, wie Dohnanyi es tut, der kann rassistische Thesen verbreiten, ohne im eigentlichen Sinne als Rassist durchgewinkt zu werden. Wer die Genetik als Variable zwischen Völkern, Nationen und Kulturen missbraucht, der ist Naturalist oder Biologist. Der nutzt nur "natürliche Vorgänge", um das Gegeneinander der Menschen und Völker zu rechtfertigen. Das ist kein Erklärungsansatz, es ist tatsächlich Rechtfertigung, denn wenn Völker "genetisch vorgefertigt" sind, dann sind sie willenlose Organismen innerhalb der Historie, dann können Völker und deren Führer nichts für ihre Affekte, die dann nicht kalkuliert und gewollt sind, sondern lediglich eine genetische Geschwulst.
  • In diesem Sinne läßt sich die eigene Geschichte relativieren. Dohnanyi ist sich auch dazu nicht zu fein, attestiert zwar, dass die Deutschen mit dem Holocaust ein Verbrechen begangen haben, relativiert aber den Rassismus als "Errungenschaft aller Nationen". Wenn es Juden- und Baskengene gibt, so auch Briten- und Russengene beispielsweise. Wenn es nationale Gene gibt, so sind dessen Folge, der Chauvinismus und als gröbste aller Varianten, der Rassismus, dadurch bedingt. Wer nationalen Gen-Hokuspokus betreibt, der zerrt den Rassismus ins Licht der Natürlichkeit, der macht ihn zum natürlichen, biologischen und somit legitimen Produkt etwaiger Genprogramme. Und der kann den eigenen Rassismus, der in Geschichtsbüchern steht, als Fall unter Fällen bewerten, ihn abschwächen und relativieren. Fehlte nur noch, dass Dohnanyi von den ermordeten Indianern erzählte, um kühn zu folgern, dass jede Nation ihren Völkermord hätte - wofür aber freilich keine Nation etwas kann, denn wenn das Deutschen- oder Britengen einem diktiert (Dohnanyi würde sagen: "Wenn Deutsche durch gemeinsame Gene bestimmt werden..."), andere Völker mit anderen Genmodulationen zu dezimieren, dann ist das keine freie Entscheidung, sondern die "Vernunft der Genetik".
  • Glaubt man an diese dohnanyisch-sarrzinistische Erblehre, die überdies schon zu den Zeiten der Weimarer Republik veraltet und überholt war, so ist der Brückenschlag zum Sozialdarwinismus nur logische Konsequenz. Vertritt man die simple Einsicht, dass Vererbung stets die Summe der Dummheit oder des Erfolgs der Eltern ist (was komplett falsch ist), so installiert man ein starres Kastensystem, das genetisch fixiert ist. Kinder weniger kluger Eltern sind demnach dumm; Kinder erfolgreicher Eltern werden erfolgreich. Familien werden, ganz im Sinne von Dohnanyis Satz, "durch gemeinsame Gene bestimmt". Äußere Einflüsse, wie beispielsweise Bildung, prägen nur marginal und sind deshalb eher unnütze, und leider auch kostenintensive Liebesmüh. Es wird tunlichst verschwiegen, dass a) die Humangenetik immer noch mehr im Trüben als im Klaren fischt, dass also immer noch die größte Zahl der Vererbungsprozesse unbekannt sind und b) selbst bekannte Vererbungsmechanismen immer wieder "außerhalb der Norm" ablaufen, womit c) augenscheinlich wird, dass die Humangenetik niemals zur exakten Wissenschaft erhoben werden wird. Mit Precht gesprochen: unser Wirbeltiergehirn kann solche komplexen Vorgänge womöglich niemals in Gänze erfassen.
Dohnanyis Plädoyer auf Sarrazin ist nicht nur peinlich und unwissenschaftlicher, der Genetik vollkommen fremder und unlogischer Quark, nicht nur ein Abgesang auf die Sozialdemokratie, dessen runzeliges Aushängeschild Dohnanyi sein mag, es zeigt ihn als unreflektierten Anhänger des Biologismus. Wer solchen biologistischen Stuss anführt, um einen Diskurs warmzuhalten, der entkräftet damit auch die Politik, denn Politik ist Willensbildung und der Wille kommt in einem biologistischen Weltbild eher kurz. Wenn jemand, wie es der alte Herr schnodderig tut, behauptet, "gemeinsame Gene würden bestimmen", dann bleibt völlig offen, was Politik noch bestimmen kann. Wo der Totalitarismus der Genetik wütet, da ist kein Platz für freien Willen, kein Platz für demokratische Entscheidungsfindung - und wer Dohnanyis Positionen kennt, der weiß: genau das macht seine falsch verstandene Genetik für ihn so spannend!



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Überwachung (fast) verboten

Dienstag, 19. Juli 2011

Überwachende und damit überwachte Gesellschaften sind Gesellschaften, die einen akuten Hang zur Doppelmoral bergen. Natürlich ist es untragbar, wenn ein wöchentlich erscheinende Boulevardjournaille Telefonate prominenter Gestalten abhören läßt, um so zu einer lukrativen Schlagzeile zu gelangen. Natürlich gehören solche Methoden verurteilt und deren Initiatoren gleich mit. Natürlich kann man die Entscheidung, ein solches Medium von jetzt auf gleich einzustellen, auch begrüßen. Aber gleichwohl natürlich regt sich dieselbe Gesellschaft nicht auf, wenn die Regierung tut, was die Journaille tat, mit dem Unterschied, nicht nur Prominente belauscht, sondern alle bespitzelt, gefilmt und observiert zu haben - und das nach der Maßgabe, wonach alle gleich seien; bis auf eine kleine Bonzokratie aus Politik und Wirtschaft, die immer noch ein wenig gleicher ist.

Das zeitgenössische Vereinte Königreich wurde vom traurigen Geist des New Labour (jenem Geist, der macht, dass man konservativer als die Konservativen sein wollte und auch war und ist), zu einem gut bewachten Königreich umgebaut, zu einem Vereinten Königreich der Observierten. Nirgends sonst in Europa sind so viele Kameras auf öffentlichen Raum ausgerichtet wie in Britannia. Heribert Prantl berichtet hierzu in seinem Buch "Der Terrorist als Gesetzgeber", dass in Großbritannien neben dem allsehenden Auge auch die sonore Stimme des Großen Bruders erschallt, die beispielsweise das Wegwerfen von Bonbonpapier in bereitgestellte Abfalleimer propagiert - bei Zuwiderhandlung existiert somit freilich ausreichend Beweismaterial in Form digitaler Filmchen. Orwellsches Denken, verarbeitet zur Wirklichkeit! Ein blitzeblankes Britannien mit mahnendem Stimmengewirr, man möge Sauberheit walten lassen - und dies alles auf Grundlage einer Gesetzgebung, die eigentlich dazu dienen sollte, dem Terrorismus Einhalt zu gebieten. Der Ordnungsfanatiker könnte nun feierlich verlautbaren, wie gut es doch sei, dass es Terroristen gibt, denn sie sind die Grundlage sauberer Bahnsteige, sauberer Plätze.

Die News of the World mag sich da gedacht haben, dass es dem Zeitgeist entspricht, einfach mal zu lauschen. Die Privatsphäre ist ja seit der Regierung Blair nicht mehr very british. Sicherheit zu Lasten der Freiheit: das wurde fortan zur feinen englischen Art. Für eine freiheitliche Ordnung zog man, an der Seite der ehemaligen Kolonie aus Übersee, in den Krieg - eine freiheitliche Ordnung, die im Inlande immer mehr zur Farce wurde, zum Insiderwitz in britischen Eliten. Was müssen die gelacht haben, konnte man dem britischen Tölpel doch seelenruhig erzählen, seine Söhne würden auf der gegenüberliegenden Seite des Globus' für Freiheit und Demokratie bluten, merkt dabei aber nicht, dass es diese Freiheit und diese Demokratie zuhause schon gar nicht mehr gibt. Abgeschafft zur Sicherheit aller - abgeschafft für saubere Bahnsteige und Marktplätze!

Und dennoch tapste die News of the World in eine Sackgasse. Obwohl Privatsphäre nicht mehr zeitgemäß war und noch nicht ist, stolpert sie darüber, prominenten Zeitgenossen telefonisch die Privatsphäre gestohlen zu haben. Denn eines hat man vergessen, im Eifer des Gelausches: eine Gesellschaft die juristisch abgesegnet horcht und beäugt, die erklärt das Horchen und Beäugen nicht zum Allgemeingut. Diese Methode ist einzig der Regierung vorbehalten. News of the World war anmaßend genug, geglaubt zu haben, der Markt der Observation sei einer, wie es der freie Markt vorhersieht. Einer, der viele Anbieter kennt und in dem jeder Kunde sein darf. Wahr ist allerdings, dass Überwachung immer Monopol ist, staatliches Monopol nämlich. Und Kunde ist nicht jeder, sondern nur jene, die so nichtig und alltäglich sind, dass sie sich gegen solche Praktiken nicht wehren können. Prominente, wie bei News of the World, sind keine Kunden - die nennt man Opfer.

Da liegt nicht die Privatsphäre als solche auf dem Tisch, wenn nun über die Praktiken der News of the World befunden wird. Die ist nicht das Problem, das heißt: die ist nicht der Gegenstand der Diskussion. Es geht darum, dass man einem bestimmten Personenkreis zu nahe kam - und es geht darum, dass eine zerstörte Privatsphäre Aufgabe des Staates, nicht einer Zeitung ist. Dass man nun so tut, als sei da ein ganz infamer Eingriff getan worden, ist entweder Heuchelei oder Scheingefecht, um das eigene, das staatliche Vorgehen zu übertünchen, das sich gegenüber der Stümperei der News of the World hochgradig professionell ausnimmt.

Irrtümlicherweise ist Privatheit in einer Gesellschaft, die selbige aufgegeben hat, ein wertvolles öffentliches Gut. Nämlich immer dann, wenn sich jemand an ihr vergeht, der nicht vom Wähler beglaubigt ist. Dann müssen die beglaubigten Ins-Private-Schnüffler, die Großen Brüder und Sicherheitsfetischisten laut und deutlich Skandal! plärren, damit sie aussehen wie vernünftige Zerstörer der Privatheit - damit sie sich gegenüber den privaten Schnüffelnasen, die ja gänzlich unvernünftig sind, abgrenzen - damit man ihnen abnimmt, sie nähmen es sehr genau und sehr sensibel mit dem Eingreifen ins Privatleben der Bürger. So genau und so sensibel, dass sie es für kriminell halten, wenn jemand anderes als sie Telefone abhört. In einer Gesellschaft, die überwacht wird, ruft man wahrscheinlich besonders ungestüm, dass Mitlauschen eine Sünde sei. Damit halten die Überwacher ihr kriminelles Handeln moralisch rein - damit grenzen sie sich von den Kriminellen ab, die privatwirtschaftlich in der gleichen Branche tätig sind - damit versuchen sie sich zu entkriminalisieren.


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De dicto

Montag, 18. Juli 2011

"Ich fordere ein generelles Bettelverbot auf öffentlichen Plätzen [...]
Die traditionelle „Kultur des Bettelns“ in unserer abendländischen Gesellschaft hat in einem Sozialstaat keine Berechtigung mehr. Diese Bettelei ist Belästigung und Nötigung.
"
- Peter Hahne, BILD-Zeitung vom 16. Juli 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Ahnungslos predigen - das ist das Metier des oben zitierten Theologen, der als Zierde der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und der Witwe Springer fungiert. Bei denen verkündet er sein Halbwissen regelmäßig so, als sei es tiefgründiges, christlich-karitatives, ja göttliches Wissen. Für Obdachlose nämlich, und das unterschlägt Hahne, der sein Verbot ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit durchsetzen möchte... für Obdachlose nämlich, gibt es keinen Sozialstaat. Ohne Bleibe keine Sozialleistung - und umgekehrt: ohne Sozialleistung keine Bleibe. Der Obdachlose ist somit dazu verdonnert, bei kirchlichen Einrichtungen einzukehren - oder sich dort abweisen zu lassen, wenn Mangel an Schlafplätzen oder mitfühlendem Personal herrscht. Und er ist auch deshalb dazu verurteilt, sein Leben mit Bettel aufrechtzuerhalten.

Natürlich, spätestens seitdem Brecht eine organisierte Bettlerbande zum Gegenstand eines Stückes machte, nämlich Peachums Unternehmen Bettlers Freund ("Die Dreigroschenoper"), wissen wir, dass Hahnes Szenario tatsächlich existiert. Aber deshalb allen das Betteln verbieten? Nur weil es organisiertes Betteln gibt? Nur deshalb sollen auch die vom Freund und Helfer abgeführt werden, die keinen Sozialstaat kennen, weil sie kein Dach über ihrem Kopf ihr Eigen nennen können? Mit derselben hanebüchenen Urteilskraft könnte man übrigens behaupten, rezitiert frei nach Hahne: Die traditionelle Theologie in unserer abendländischen Gesellschaft hat in einer Gesellschaft, in der Konsum und Kommerz, 9 Live und Teleshopping Trost und Erbauung liefern, keine Berechtigung mehr. Die Theologie ist Belästigung und Nötigung. Hahne würde nun behaupten, dass 9 Live und Teleshopping Götzen wären, etwas, das nicht wirklichen Zuspruch liefert. Menschen, die sich dergestalt trösteten, würde er behaupten, seien vom wahren Trost abgeschnitten. So wie Obdachlose, die ja zeitgleich Bettler sind, vom Sozialstaat geschieden sind.

Theologie und Bettelei, so könnte nun ein seriöser Einwand lauten, sei doch etwas ganz verschiedenes. Das stimmt tatsächlich, denn der Theologe hat sich für diesen Zweig entschieden. Der Bettler nicht. Wallraff, der eine Weile als Obdachloser durch die Lande tingelte, berichtigte die überhebliche Ansicht, Obdachlosigkeit sei eine Erscheinung, eine Schuld persönlicher Mangelhaftigkeit. Jeden kann es erwischen und erstaunlicherweise trifft Wallraff auf viele Bettler, die einst ein Studium hinter sich brachten, sogar relativ erfolgreich im Beruf waren - bis das Schicksal in seiner Vielfalt zuschlug, Familie raubte, Karriere ruinierte oder beides zugleich. Bettler können nichts dafür, dass sie sind, was sie wurden - der Theologe aber schon, er hat sich frei entschieden. Ja, also es stimmt: Bettler und Theologe, das sind zwei ganz unterschiedliche Jammertäler.

Und wenn man so begutachtet, was der öffentlich-rechtliche Mustertheologe so gedanklich von sich wirft, diese calvinistische Dummdreistigkeit, die er da absondert und mit seinem schönfärberischen Pastorenduktus einkleidet, diese Anbiederung an den gefühlskalten Zeitgeist, die er mit der Physiognomie des christlichen Hirten betreibt - wenn man das alles so betrachtet, dann müsste man zu dem Schluss kommen: so wie es organisierte Bettelbanden gibt, so gibt es theologische Banden (Gauck, Huber?), die die Herrenmoral in ihre Gemeinden tragen. Daher, mit Hahne gesagt: Ich fordere ein generelles Theologenverbot auf öffentlichen Plätzen!



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Eine Kultur der Unkultur?

Freitag, 15. Juli 2011

Und dann war Afrikafest in dieser kleinen bayerischen Provinzstadt. Da war es eng, denn man kesselte das Spektakel in den schmalen Betonstreifen zwischen Häuserfassaden ein; einen Betonstreifen, den man hierzustadte Fußgängerzone nennt. Ein ganzer Stadtpark lag währenddessen, schätzungsweise anderthalb Kilometer Luftlinie entfernt, brach. Der hätte dieses Fest, das dem bayerischen Bürger die Kultur und Lebensfreude Afrikas näherbringen sollte (jedenfalls laut Plakaten, die allerorten hingen), mit reichlich Raum gesegnet. So aber wallende Hitze in der Enge der Häuserschlucht, so aber Hitze aufgrund sich reibender und aneinander vorbeischiebender schwitzender Körper.

Kultur der Hilflosigkeit

Das war enttäuschend genug, aber absehbar. Man wusste als Kind dieser Stadt ja, wohin man die Afrikaner verfrachtete, man kennt die Fußgängerzone ja bestens. Besonders zornig ums Herz wurde es einem allerdings, als man erkannte, was die Veranstalter offenbar als afrikanische Kultur verkaufen wollten. (Man schiebe beiseite, dass es die afrikanische Kultur nicht gibt, wohl aber afrikanische Kulturen, so wie Marillenknödel zwar eine europäische Speise sind, dabei aber eher selten in Spanien verzehrt werden.) Da waren Stände von Hilfsorganisationen aufgeschlagen, von christlichen Weibern und gläubigen Brüdern, die gute Werke in Afrika leisten. Das ist ehrenwert, natürlich! Aber ist das gleichfalls afrikanische Kultur?

Ist es afrikanische Kultur, wenn in die Wechseljahre gekommene Europäerinnen, ihren Dienst am Schwarzen öffentlichkeitswirksam feilbieten und ihn sich mit Lob und Münzen vergelten lassen? Oder ist es Ausgeburt des kulturellen Afrika, Projekte der Unicef zu präsentiert? Kulturleistung "christlicher Missionar", der unter der Sonne Afrikas seine Kutte gegen fransige Shorts und ausgewaschenes Polohemd austauscht, um ganz in Zivil seinen mildtätigen Dienst am Heil unmündiger Neger zu tun? Nochmal, alles irgendwie ehrenwert und vornehm und sicherlich mehr oder minder segensreich für die Abnehmer solcher Leistungen. Aber afrikanische Kultur? Oder ist es diese eigenartige Symbiose aus weißer Schirmherrschaft und schwarzen Rhythmen, die in dieser Fußgängerzone verschmolzen, die man als afrikanische Kultur ansieht? Weißes Sendungsbewusstsein und gesellige Mohren? Ernst dreinblickende Europäer und drollig grinsende Afrikaner? Der Weiße erwachsen seriös mit helfender Hand und der Schwarze kindlich tanzend und singend und dankbar nach helfenden Händen grapschend? Ist es das, was man hierzustadte oder aber gar hierzulande unter afrikanischer Kultur versteht? Eine Kultur der Hilflosigkeit? Eine Kultur des "Wir-bekommen-ohne-euch-nichts-auf-die-Reihe"? Eine Kultur, die nur gilt, wenn sie im Verbund mit europäischen oder christlichen Liebesdienst vereint ist? Eine Kultur dummer schwarzer Erwachsenenkinder, denen man die Feierlaune nur gestattet, wenn sie an der Hand weißer Autoritätspersonen gehen?

Warum in die Ferne schweifen?

Da nimmt es nicht Wunder, dass die Kanzlerin über den schwarzen Kontinent hastet, wie weiland Haile Gebrselassie durch Berlin. Was gäbe auch dort zu sehen, zu besprechen? Nichts, was man nicht auch hier regeln könnte. Bei den christlichen Schwestern zum Beispiel! Oder bei den Missionaren von Sankt Nimmerlein oder wessen Heiligkeit auch immer! Afrika, so die amtierende Wahrheit in hiesigen Gefilden, wird ohnehin von Europa aus gesteuert. Was auf Afrikafesten so offenbar ist, strahlt bis in die Politik aus - oder eventuell andersherum.

Die Kanzlerin kümmert sich wenig um Afrika, sie fliegt fast ausschließlich nur auf diesen "Kontinent des Elends", wenn "ihre" Nationalmannschaft am Kap auf gute Hoffnungen späht. Das schlägt sich freilich auch beim Sparsamkeitsfimmel in der Entwicklungshilfe nieder. Afrika ist, kurz gesagt, nicht nur auf multikulturellen Festen ein großes Nichts, das auszufüllen nur höhergestellte Kulturen imstande sind. Afrika findet auch politisch nur marginal statt. Der Kontinent unterliegt nicht dem Primat der Politik, er befindet sich im Schoß der internationalen Wirtschaft, ist Opfer des new colonialism, der dem traditionellen Kolonialismus stante pede folgte. Nicht verwunderlich also, dass Afrika nur ein randständiges Phänomen auf dem politischen Bildschirm ist. Was soll sich die Politik auch um etwas kümmern, das sie sowieso nicht in beeinflussen kann?

Plätze und Straßenzüge in der deutschen Provinz, die kosmopolitisch sein wollen, dabei aber nur herrschende Ressentiments unterstreichen, kommen dabei der Hast der Politik, über Afrika hinwegzuspurten, zupass. Oder wie kann ein Land Interesse an der Wiege der Menschheit entwickeln, wenn dessen Bevölkerung glaubt, afrikanische Kultur bedeute, den nichtsnutzigen Afrikanern in die Schuhe zu helfen



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Die wirtschaftliche Vernunft der Panzer-Knacker

Donnerstag, 14. Juli 2011

Fast muß man darauf hoffen, dass das Erdöl noch lange genug vorhält. Jedenfalls so lange, bis die Dienstdauer arabischer Panzer, die früher mal deutsch waren, die also lediglich eingebürgerte Panzer sind, abgelaufen ist. Denn solange es Erdöl gibt, werden wir niemals in die Bredouille geraten, mit den saudischen Diktatoren im Clinch zu liegen. Das geschieht erst dann, wenn die letzten Ressourcen Arabiens auf den Plan stehen, wenn ein Sprecher des saudischen Tyrannengeschlechts duckmäuserisch erklären muß, dass man die Welt (bei gleichbleibenden Förderungsmengen pro Jahr, versteht sich), noch etwa fünf oder sechs Jahre mit schwarzem Stoff versorgen könne. Danach helfe uns alle Allah! Selbst Personen, die die Energiewende wollen und vehement fordern, sind jetzt in der Zwickmühle, denn sie müssen ja fast bangen, dass dieser Tag so schnell nicht kommt.

Kritiker des Panzer-Deals halten es für ein Unding, dass deutsche Panzer, die dann natürlich arabischgrün angepinselt sind, gegen die zarten Pflänzchen arabischer Demokratiesierungsversuche in Stellung gebracht werden. Mit deutschem Wesen soll die Tyrannei genesen! Diese Sorge ist berechtigt und die Aussicht darauf ist eine Schweinerei vor der Welt - weniger aber vor dem westlichen Teil der Welt, der viel von Demokratie spricht, allerdings relativ wenig dafür tut, wenn es sich buchhalterisch nicht vereinbaren läßt. Gleichwohl, lassen wir das Erdöl mal gedanklich zur Neige gehen. Erst gedanklich, denn wirklich geschieht das wahrscheinlich noch früh genug. Und was geschieht dann? Was werden die Amerikaner tun? Den Bündnisfall einfordern? Dieser Satz mit Frage- oder Ausrufezeichen? Und Europa stramm an der Seite der US-Streitkräfte? Das dürfte nur logische Konsequenz sein, denn wenn der Schmierstoff auch in good old europe zur Neige geht, will man sein eigenes System solange schmieren, wie nur irgendwie möglich. Es scheint ohnehin billiger zu sein, die letzten Ölfelder mit militärischer Hilfe zu erobern und hernach mit militärischem Schutz auszubeuten, als die eigene Wirtschaft energetisch rundzuerneuern. Dieser Einsatz kostete mehr, als ein Barrel Erdöl jemals kosten wird - aber das macht nichts, das zahlt der Steuerzahler im Westen gerne; der ist dafür dankbar, dass er die letzten Tropfen dieser raren Zähflüssigkeit in seine Volkswirtschaft gepumpt bekommt.

Einerlei sind bis dorthin die Panzer von deutschen Gnaden und deutschem Profitinteresse. Jedenfalls im Bezug auf junge Frauen und Männer, die von Europa aus ausgesandt würden, wenn arabische Ölreserven langsam aber sicher versickern. Bis dorthin leiden nur oppositionelle Araber und unliebsame Nachbarn der Saudis unter den Kettenfahrzeugen made in germany; bis dorthin schlagen die sich ja nur selber die Köpfe ein und wir verdienen an diesen eingedrückten Schädeldecken ordentlich. Von irgendwas muß man doch leben! Deutschland füllt nur jene Nische aus, die andere füllen würden, wenn dort nicht ebendieses Deutschland, als einer der größten Kriegsspielzeuglieferanten der Welt, schon hocken würde. Deutschland tut nichts Schlimmes, es tut nur, was ohnehin geschehen würde, wenn nicht von Deutschland, dann eben von den Vereinigten Staaten, Frankreich oder China. Lieber verdienen wir an Krieg und der Niederschlagung zivilen Widerstands, als die anderen Wettbewerber. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, deckt die Welt eilig mit Kriegsutensilien ein. Die ollen Knacker, die an ihren Mordsunternehmen ein Mordskonto verdienen, diese ollen Panzer-Knacker, sie schaffen für deutsche Arbeitnehmer doch immerhin Arbeitsplätze - ist das denn plötzlich nicht mehr lobenswert?

Makaber wird es dann, wenn Saudi-Arabien kein Handelspartner mehr ist. Wenn es zum Kontrahenten wird, zum unerquicklichen Bewahrer letzter Bodenschätze. Zum ehemaligen Geschäftsfreund und nachgeraden Widersacher, den man nun an die Kandare nehmen will. Denn dann ist Bündnisfall und dann rattern deutsche Panzer auch gegen deutsche Soldaten. Die Bundeswehr darf nun hoffen, dass das Erdöl noch lange satt aus den Fässern strömt. Aber wer sagt denn, dass Saudi-Arabien nicht deshalb Kriegsmaterial geordert hat, um sich vor diesem baldigen Überfall zu schützen?

Überfall! Ja, Überfall! So ein böses Wort für den Nordatlantikpakt! So ein böses, aber letztlich zutreffendes Wort. Damals war es doch ähnlich, als man den Irak überfiel. Aus fürsorglichen Gründen natürlich. Man wollte die Iraker von ihrem Schlächter befreien, jene Iraker befreien, denen die NATO vorher schwer zusetzte, als man sie einem tötenden, kindermordenden, aushungernden Embargo unterwarf. Der mesopotamische Tyrann, der war ja auch mal ein nutzvoller Freund, bis er es nicht mehr war. Dummerweise hatte er keine Atomwaffen im Repertoire, hätte er sie gehabt, man hätte das Land nie überfallen. Noch dümmer: man hat nicht mal deutsche Panzer bestellt. Sind die Saudis da heute durchtriebener?

Sterben dann Soldaten aus Deutschland, Britannien, Frankreich oder den Vereinigten Staaten durch deutsche Panzerqualität, so müssen sie sich aber nicht grämen - wenn man sich jenseitig überhaupt noch ärgern kann. Zwar sind sie dann tot, aber immerhin ernten sie nur das, was deutschen Arbeitnehmern den Arbeitsplatz sicherte und den Panzer-Knackern eine schöne Villa ausstaffierte. Gut, es ist doch ärgerlich - aber eben auch wirtschaftlich vernünftig. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Beides geht vortrefflich zusammen. Panzerprofite und abgemurkste Uniformen und niedergewalzte Zivilisten auch: das ist die Symbiose des Kapitalismus, eine Symbiose, die zum Gackern komisch wäre, wenn sie uns nicht so ernste Folgen aufdrängte. Eine Symbiose, die den Strick darstellt, den Kapitalisten teuer und fristgerecht an diejenigen verkaufen, die diesen Strick zum Hängen von Kapitalisten verwenden. Nun gut, das ist zu hoffnungsvoll - die, die Stricke verkaufen, die hängen nie und nimmer. Es sind die Kinder ihrer unmittelbaren Mitbürger, die man hängen wird an solchen Stricken.



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Sprachverschiebungen

Mittwoch, 13. Juli 2011

An ganz unscheinbaren und unpolitischen Beispielen, erkennt man zuweilen die Umdeutung von Worten und Definitionen. So auch kürzlich, seitdem Bertelsmann-Verlautbarungsorgan RTL Mietnomaden aufspürt. Was dem Zuschauer dort gezeigt wird, ist an Ekelhaftigkeit kaum zu überbieten: Maden, Tierscheiße, animalische Kadaver, Schimmel und sich türmender Unrat. Nur keine Mieter mehr, denn die sind getürmt, nachderm sie vormals getürmt haben: nämlich Mietschulden und Dreck. Die Moderatorin der ganzen Chose, Bertelsmanns Faktotum für jede noch so geschmacklose Geschmacklosigkeit, Vera Int-Veen, ist mit ihrer Schlussfolgerung dann stets schnell zur Hand: hier handelt es sich wohl eindeutig um Mietnomaden!

Die Sendung jagt laut Titel eigentlich Mietpreller - das sind per definitionem Leute, die Mietschulden hinterlassen, also die Miete prellen. Aber wenn sie die gemietete Wohnung als Saustall bei Nacht und Nebel verlassen, dann handelt es sich nach Lesart der Produzenten nicht mehr um Preller, dann sind es Nomaden. Das sind gemeinhin Menschen oder Gesellschaften, die aus etwaigen Gründen nicht sesshaft leben, die von Ort zu Ort ziehen, keine feste Anschrift aufweisen. Dreckschweine, die in versifften Verhältnissen leben, sind Nomaden aber nicht. Nicht sesshaft zu sein, bedeutet nicht, man habe an Sauberkeit kein Interesse. Dennoch wird der Nomadismus in den Schmutz gezogen, denn der Mietnomade an sich, wird mittlerweile mit Lebensverhältnissen assoziiert, in denen sich kein lebend Wesen wohlfühlen würde. Die althergebrachte Verächtlichkeit sesshafter Gesellschaften gegenüber dem Nomadentum: hier schlägt begrifflich durch!

Wie geschrieben, das Beispiel ist banal und eigentlich kaum der Rede wert. Aber doch läßt sich daran messen, wie nicht die Sprache das Denken beeinflusst, sondern das Denken die Sprache neu modelliert. Es ist durchaus nicht immer so, dass uns Sprachmanipulateure unter ihre Fittiche nehmen - in meinem Essay "Worte" umriss ich diesen Umstand bereits ausführlich. Sicher entwirft die politische und wirtschaftliche Agenda Schlagworte, die sie in den Diskurs wirft und die wir als Sprechende dann viel zu oft unwidersprochen übernehmen. Als man vor einigen Jahren landauf landab von Reformen sprach, da führte scheinbar die gesamte Gesellschaft dieses Wort im Munde - alles musste reformiert werden, jeder glaubte an die Macht der Reformen. Dass die politische und wirtschaftliche Deutung von Reform aber lautete, den Staat zu verschlanken, das heißt, das Sozial- und Gesundheitswesen stark abzutragen, war überhaupt kein Gegenstand öffentlicher Diskussionen mehr. Diese "sprachliche Reformitis" war nicht nur ein von oben eingeleiteter Prozess: die Bürger waren dankbare Nachplapperer und taten das Ihre, um den Begriff einer neuen Bedeutung zu überführen.

Das Beispiel mit den Nomaden ist besonders einleuchtend, weil hierbei die Diskrepanz zwischen Sein und Sollen immens ist. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes schwindet und damit geht auch das, was man darunter versteht, die Wirklichkeit, die das Wort abbilden soll, peu a peu flöten. Nicht ausgeschlossen, dass mancher irgendwann davon überzeugt ist, nomadische Völker wie die Tuareg, Alanen oder Kawesqar, seien ausgesprochen schlampige, unreinliche und verwahrloste Schmarotzer. Dass der Mietnomade eine unzutreffende Komposition ist, auf die Idee kommt man dann schon gar nicht mehr. Die Bedeutungsverschiebung geschieht im gesprochenen Alltag. Sprechend wandelt sich der (Hinter-)Sinn und die Bedeutung. Die Verschiebung ist meist kein bewusster Akt, kein von langer Hand geplantes Unterfangen - sie schleicht sich ein, wird oftmals gar nicht wahrgenommen. Das ist nicht die Schuld einiger Sprachpanscher, es ist die Schuld aller, die die Sprache unbeseelt sprechen, die nicht hinterfragen, sondern auf ein vorgefertigtes Vokabular zurückgreifen.

Nun ist freilich das Nomadentum nicht der erklärte Feind der Familie Mohn, die die (Miss-)Geschicke von RTL leitet. Dieses Hausierengehen mit dem Begriff Mietnomade unterstreicht einfach nur, dass man mit der Zielgruppe, die man erreichen will, auf einem gemeinsamen Niveau ruht. Es ist keine gezielte Implantierung in den Sprachschatz. Anders ist es da schon beim "Hartz IV-Empfänger" - er empfängt, er bekommt. Damit verschwindet die Gewissheit, dass ein solcher Mensch, der auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist, kein Empfänger ist, der wie ein Bittsteller in eine Behörde marschiert, sondern ein Leistungsberechtigter. Nämlich jemand, dem es rechtlich zusteht, Lohnersatzleistung zu erhalten - der berechtigt ist, Hartz IV zu beantragen und zu erhalten. Empfänger klingt wie jemand, der entgegennimmt, klingt stark nach Bettler. Dieser Begriff ist kein Zufall und ganz bestimmt gezielt im Wortschatz verankert worden. Gleichwohl sind beide sprachlichen Verirrungen, die eine gezielt, die andere nicht, das Produkt einer Sprachgemeinde, die unwidersprochen papageit.



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Ridendo dicere verum

Dienstag, 12. Juli 2011

"König Christian der Siebente heiratete eine Haushälterin. Wenn er mit ihr in die Provinz reiste, benahm sich selbst der niedrige Adel ablehnend zu ihr. Sie hatte deshalb ein schweres Leben. Beinahe das schlimmste aber war es für sie, daß Christian sich beim Essen und auch sonst wie ein Bauer benahm."
- Bertolt Brecht, "Mesalliance" -

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Von Entwicklungsländern in die Pfanne gehauen

Montag, 11. Juli 2011

Klaus Ernst findet den UN-Bericht, der Deutschland arge soziale Schieflage attestiert, beschämend. Beschämend ist allerdings ebenfalls, wie sich manches deutsche Blatt dazu äußert und versucht, den sozialen Standort Deutschland aufzupolieren.

Geschenkt, dass der Stern den Experten des UN-Ausschusses, die aus Entwicklungsländern stammen, unterstellt, sie hätten diebische Freude daran, die Industrienationen in die Pfanne zu hauen. Denn erfahrungsgemäß genießen Experten in deutschen Leitmedien nur dann ordentliche Reputation, wenn sie aus dem rechtslastigen oder konservativen Lager stammen. Erschreckender ist da schon eher, mit welchen Ausreden der UN-Bericht abgebügelt wird. Dieser sei veraltet, aus der Mottenkiste gar, weil er bestimmte Entwicklungen der letzten Jahre nicht berücksichtigt hat. Und man fragt sich unwillkürlich: Was hat sich für Hilfebedürftige denn in der letzten Zeit so dramatisch verändert?

Die Antwort ist denkbar einfach: Bildungspaket und Hartz IV-Erhöhung! Das sind ganz ernsthaft die beiden Indikatoren, die den UN-Bericht und die Schelte am deutschen Sozialwesen enthebeln sollen? Eine finanzielle "Besserstellung" um fünf Euro und ein Konzept, dass Kinder von Leistungsberechtigten, vor Schulen und Vereinen bloßstellt und sie vor der Gesellschaft brandmarkt? Eine lachhafte Anpassung der Bezüge wider aller Einwände diverser Sozialverbände und ein diskriminierender Ansatz zur kindlichen Teilhabe? Beides hat nichts verbessert, eher verschlechtert. Die Regelsätze gelten nun als durchgerechnet und dürften zunächst unantastbar sein - und Kinder, die den Segnungen des Bildungspaketes ausgeliefert sind, haben gleichen einem Rind, einen gut sichtbaren Stempel in Stirn gebrannt.

Es ist unglaublich, mit welchem Schmu der Stern versucht, den UN-Bericht zu entkräften. Im Grunde hätte er auch schreiben können, dass die Ungerechtigkeiten im hiesigen Sozialwesen wesentlich weniger drastisch sind, als der Bericht es darlegt, weil alle Mitarbeiter des Stern regelmäßig fünfzig Cent in die Hüte diverser Bettler wirft, die vor dem Verlagshaus Gruner & Jahr hocken und um milde Gaben bitten. Überhaupt: Gruner & Jahr! Ein Unternehmen der Bertelsmann Media Group! Zufall, dass Bertelsmann eine mal stille, mal etwas lautere mitwirkende Kraft bei der Umgestaltung des Sozialwesens war?

Ärmeren Menschen - der Stern schreibt "sozial Schwache" - gehe es im internationalen Vergleich hierzulande relativ gut. Das kann, rein die finanziellen Aspekte abwägend, sogar stimmen. Unerwähnt bleibt dabei aber, dass a) die finanzielle Höhe einer Sozialleistung nichts über die Lebensqualität aussagt und b) diese finanzielle Höhe nur ein Aspekt der Lebensqualität ist. Anders gesagt, mit der Hälfte des hiesigen Regelsatzes mag man in Süditalien einigermaßen leben können. Und die staatliche Zuwendung alleine ist nicht das, was Lebensqualität ausmacht. Bekämen Erwerbslose hierzulande fünfhundert Euro als Regelsatz überwiesen, lebten aber weiterhin in diesem Klima sozialer Ausgrenzung, angestachelt durch Politik, Wirtschaft und deren Steigbügelhalter aus der Presse, so wäre vielleicht das Bankkonto genesen, nicht aber die seelischen Narben des Betroffenen. Seine Befindlichkeit im Angesicht der Gesellschaft wäre dieselbe. Man kann so gesehen auch in Süditalien bei niedrigeren Bezügen arbeitslos sein, dennoch "glücklicher" leben. Das soziale Klima dort, stark durch Familie, Nachbarn und Freunde und durch die "anarchistische" Bereitschaft, elitäre Maximen nicht unbedingt nachzubeten, bewirkt, dass sich der Betroffene nicht wie der letzte Dreck fühlen muß. Nochmal anders gesagt, in Deutschland scheint nur die finanzielle Komponente über soziale Gerechtigkeit befinden zu dürfen, während das Zwischenmenschliche keinerlei Maßstab zu sein scheint.

Zeitmangel war es, der Deutschland so schlecht abschneiden ließ. Man traut sich wirklich, den Experten anzuraten, mit etwas mehr Zeit Deutschland zu studieren, dann würden sie erkennen, es ist wirklich alles Gold was glänzt. Wenn sie mit viel Zeit nach Deutschland blickten, vielleicht würden sie dann auch erkennen, dass das deutsche Sozialwesen ein Produkt großer Interessensdynastien ist, allen voran der Bertelsmänner und -frauen, die den Stern für sie marschieren lassen.



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Behindernde Eltern

Freitag, 8. Juli 2011

Wahr ist, dass das "Szenario einer frevelhaften Optimierung des Menschen durch Technologie" wilde Phantasie ist. Relativ simpel ist beispielsweise die Vererbung der Augenfarbe, die durch drei, noch nicht gänzlich verstandene Gene beeinflusst wird. Charaktereigenschaften, ob jemand fleißig oder faul, häuslich oder gesellig ist zum Beispiel, kann allerdings nicht via Manipulation einzelner Gene beeinträchtigt werden. Das Fleiß-Gen oder das Schlankheits-Gen gibt es nicht, auch wenn die Presse gerne mal derart vereinfachend von Durchbrüchen in der Genetik erzählt - es handelt sich stets um Allele-Kostellationen, die entweder kaum entschlüsselt oder vielleicht sogar unentschlüsselbar sind.

Der optimierte Mensch liegt somit (noch?) in weiter Ferne. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) läßt sich mit diesem futuristischen Szenario nicht ächten. Dennoch stellt das Ja des Bundestages zur PID jene Büchse der Pandora dar, die diese Gesellschaft nachhaltig ändern wird. Leicht denkbar, dass eine Gesellschaft, die an knappen Sozialkassen krankt, irgendwann behinderte Mitmenschen scheel anstarrt. Wie konnten sich die Eltern des Behinderten nur trauen, einen solchen Menschen auf die Welt zu setzen? Sie hatten doch alle Möglichkeiten, diesen "unerwünschten Menschenentwurf" zu vereiteln. Warum soll die Solidargemeinschaft für jemanden aufkommen, der nicht hätte sein müssen? Die technologische Möglichkeit gebiert keinen optimierten Menschen, sie bringt aber eine gesellschaftliche Erwartungshaltung zur Welt, die die Elternschaft über ein behindertes Kind zu einer Art "quasikrimineller Plünderung der Sozialkassen" erklärt. Klamme Krankenkassen würden dieses Denken natürlich potenzieren. Behinderte Menschen wären somit nicht durch körperliche Funktionsausfälle behindert, sie wären es, weil sie die Gesellschaft behindern...

Der fast schon hysterisch befürchtete Dammbruch, so argumentierten die Befürworter der PID, habe in Großbritannien nie stattgefunden. Dort sei die PID seit dem Jahr 1992 erlaubt und eine Stigmatisierung behinderter Menschen und ihrer Eltern könne nicht verifiziert werden. Dies kann unbesehen geglaubt werden, denn nach knapp zwei Dekaden, kann die Entwicklung vielleicht auch noch nicht überblickt werden. Die Genetik ist zudem ein Feld, das in Wachstum begriffen ist, das heißt: je präsenter sie im alltäglichen Leben der Menschen wird, desto gläubiger wird man ihr verfallen. Und gerade in Deutschland, wo man fast schon traditionell an die "Macht der Gene" glaubt, und wo sich dieser Tage eine "neue Rechte aus der Mitte" um Hobby-Genetiker wie Thilo Sarrazin und Gunnar Heinsohn scharen, dürfte sich eine Hörigkeit Genen gegenüber, besonders schnell einstellen - wenn es sie nicht gar schon gibt, diese Hörigkeit. Diverse Debatten um knappe Ressourcen des Sozialwesens und zur Leistungsträgerschaft, wie sie die Eliten hierzulande fingieren, könnten die Marschroute gen Stigmatisierung behinderter Personen außerdem forcieren.

Genau genommen werden aber vermutlich gar nicht Behinderte stigmatisiert. Deren Eltern werden sozial ausgegrenzt, denn sie waren es ja, die die letzte Konsequenz unterlassen haben. Eltern von Behinderten sind demnach behindernde Eltern. Sie haben nicht auf die technologischen Mittel zurückgegriffen, die die Gesellschaft vor Unkosten bewahrt hätte. Mit der Miene wissenschaftlicher Seriosität, wird man dann besonders subtile Perversität walten lassen, wenn man Behinderte gar mitmenschlich bedauert, deren Eltern aber moralisch verurteilt - der behinderte Mensch als Opfer seiner Eltern! Das erinnert fatal an das nationalsozialistische Weltbild: Erst bedauerte man Eltern und deren "unbrauchbaren Nachwuchs", wollte diese Eltern von ihrer Bürde erlösen und dem Ermorden der Unbrauchbaren freie Bahn lassen (wollte nicht nur: man ließ zeitweise der Mordlust freien Lauf!), und modellierte liebende Eltern behinderter Kinder, die dem Morden nicht zustimmen wollten, zu Gesellschaftsfeinden, die gefühlsduselig, wie sie waren, dem Elternherz mehr Recht einräumten, als der Volksgemeinschaft, die diese "unnützen Esser" mitziehen musste.

Die PID mordet natürlich nicht, aber sie könnte zulassen, dass Eltern behinderter Kinder als Egoisten betrachtet werden. Sie ist so gesehen die subtilere Variante desselben Vorhabens. Man tötet nicht mehr - die heutige Gesellschaft würde die plumpen Mittel von dazumal nicht dulden. Aber Eltern "zur Vernunft" drangsalieren, sie der Verantwortung überstellen, ausschließlich gesunden und produktiv verwertbaren Nachwuchs zu zeugen, das kann man heute sehr wohl umsetzen. Andere Mittel, dasselbe Ziel...



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Deutscher Standesdünkel am Pranger

Donnerstag, 7. Juli 2011

Oberflächlich beäugt, bekritteln die Vereinten Nationen das deutsche Sozialwesen - aber im wesentlichen zerpflücken sie den deutschen Standesdünkel, der aus fast jeder Zeile diverser Sozialgesetzbücher trieft.

Diese Mischung aus Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit gegenüber jenen, die es schwerer haben in ihren Leben, aus Arroganz und Ignoranz - diese Melange aus Klassismus und Rassismus, aus elitären Snobismus und mangelnder Bereitschaft zur gesellschaftlichen Teilhabe - diese Verquickung von blasierter Sozialstaatsfeindlichkeit und hochmütiger Ausrichtung des Sozialwesens rein an ökonomischen Eckpfeilern: das ist es eigentlich, was im Staatenbericht der UN verkappt zur Sprache kommt. Was der Bericht umschreibt, das sind lediglich Auswüchse dieser Haltung, die aufbrechenden Geschwüre der Hybris.

Auch wenn es der Bericht nicht deutlich ausspricht: man bricht den Stab über deutsche Eliten, die seit Jahren nichts anderes fordern, predigen und umsetzen, als die Exklusion sogenannter "sozial schwacher Menschen", die die Schuld für ihre Not selbst tragen. Das wird selbstverständlich hinter schönen Formulierungen verborgen, hinter schneidigen Schlagworten wie "aktivierender Sozialstaat" oder "Chancengerechtigkeit". Würde man Vertreter dieser Spezies befragen, so würden diese dem UN-Bericht niemals zustimmen. Was eigentlich kritikwürdig wäre, so würden sie einwenden, ist der traurige Umstand, dass immer noch die Leistungsträger für die Minderleister bezahlen müssten. Das deutsche Sozialwesen sei nicht ungerecht strukturiert - die Struktur des Sozialstaates sei generell ungerecht gegenüber denjenigen, die den Sozialstaat nie brauchen werden. Einige sozialstaatliche Spurenelemente dürfen ja gerne bleiben - mehr aber nicht.

An Angriffskriegen, die durch Mandat der Vereinten Nationen toleriert wurden, haben sich Zeitgenossen aus dem hochnäsigen Milieu relativ selten gestoßen. Da war eben Bündnisfall und als Bündnispartner habe man seinen Teil zu leisten. Wenn die UN jetzt aber innerdeutsche Verhältnisse tadelt, dann wird dieses Bündnis womöglich lästig und man fühlt sich in der nationalen Selbstbestimmung, die hierzulande aus herrischer Attitüde und unbarmherziger Gutsherrenart daherkommt, empfindlich gestört. Solange die UN von hungernden Kindern aus Afrika berichtet, wobei vage bleibt, wer verantwortlich ist für diese hungrigen Mägen - solange ist man mit der UN zufrieden. Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sprach einst vom tausendfachen Mord, den die westlichen Gesellschaften an den Verhungernden dieser Welt begingen - prompt ist Ziegler nurmehr der Held linker Subkultur und findet in der Öffentlichkeit lediglich als radikaler Außenseiter statt, denn er hat die UN konkretisiert, er hat Dinge beim Namen genannt - eine solche UN ist aber unter Klassenkämpfern von oben nicht erwünscht.

Kurz gesagt, solange die UN Kriege stützt und kritische Berichte vom anderen Ende der Welt publiziert, ist man mit ihr zufrieden. UN-Verdrossenheit stellt sich in deutschen Eliten erst dann ein, wenn sie für ihren erbärmlichen Ethos bemängelt werden...



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Sit venia verbo

"Nicht Napalmbomben auf Frauen, Kinder und Greise abzuwerfen ist demnach kriminell, sondern dagegen zu protestieren [...] Es gilt als unfein, mit Pudding und Quark auf Politiker zu zielen, nicht aber, Politiker zu empfangen, die Dörfer ausradieren lassen und Städte bombadieren."
- Ulrike Meinhof, „Napalm und Pudding“ im konkret von Mai 1967 -

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Polnische Verhältnisse

Mittwoch, 6. Juli 2011

Vor einfallenden Horden aus Polen hat man sich gefürchtet. Wie einst die Tartaren würden sie ins Reich einfallen und dem braven deutschen Blaumann jene Arbeit wegnehmen, von der niemand leben kann. Nun sind die Schlagbäume für polnische Leiharbeiter seit einer Weile abgesägt, gekommen sind die Horden allerdings noch nicht. Sie winken ab, für ein Butterbrot könnten sie auch zuhause malochen - und dort schmeckt die Butter sogar noch besser, wissen sie.

Das stinkt natürlich denen, die da so ausufernd warnten. Den Glatzköpfen und den Neonazis, der NPD und den Reaktionären innerhalb der Union. Da bleibt das Feindbild einfach daheim und macht jedes Schreckensgespenst zunichte. Gottlob hat man noch die Türken! Dann sind es eben die, die uns unsere Arbeit wegnehmen (In Dönerbuden arbeiten kaum Bayern oder Sachsen!) und unsere Frauen ehelichen (Obwohl es dauernd heißt, die Türken blieben nur unter sich!). Andererseits können die Falken aus Union und FDP sich mit dem Argument trösten, dass die Anpassung Osteuropas endgültig abgeschlossen ist. Europa erreicht ein Level! Noch nicht in jedem Sektor, in jeder Nische: aber deutsches Prekariat und polnische Facharbeiter sind schon mal zueinander emanzipiert. Das ist doch ein hoffnungsfroher Anfang...

So kommen nicht Polen nach Deutschland, aber wenn es so weitergeht, dann gehen Deutsche nach Polen. Ob sich da jeder Pole freuen wird? Diese Ausländer, diese deutschen Ausländer, die nehmen nur den Polen die Arbeit weg und treiben es mit den feschen Polinnen. Ob das polnische Stammtische in ihre Leitmedien hineinrufen dürfen, ohne sich Ärger aus Berlin anzulachen? Vielleicht schreibt ja bald ein Sarrazinski, dass diese deutschen Minderleister, die selten Polnisch sprechen und unter sich bleiben (Obwohl sie doch angeblich die feschen Polinnen begatten!), die Abschaffung Polens betreiben - Applaus von den Feuilletonowskis garantiert! Die deutsche Kanzlerin - Gott oder wer auch immer bewahre, dass die dann noch im Amt ist - muß dann in Polen um Toleranz gegenüber ihren Landsleuten bitten - und die polnische Presse tobt danach wild, weil sie kein Wort zur Integration der Deutschen in die polnische Leitkultur fallen ließ.

Natürlich kommt es so nicht! Das kann man mit Deutschen nicht machen! Eher würden deutsche Reaktionäre, allen voran der Bund der Vertriebenen, der heute mehr ein Bund der Vertreibenden sein möchte, um das Hilfsvolksdasein der Polen schwadronieren. Polen sei schließlich immer schon in Preußen aufgegangen. Warum nicht jetzt in diesem Preußen, das sich Bundesrepublik nennt? Generell beweist der Furor, der einige Seelen vor der Öffnung der Ostgrenzen ergriff, wie sehr man noch davon überzeugt ist, der Nabel der Welt zu sein, das Einfalltor zu grenzenlosem Wohlstand. Dass es in dieser deutschen Gesellschaft mittlerweile Armseligkeit gibt, wie man sie auch in Osteuropa finden kann, wurde bei der Debatte einfach ausgeblendet. Es leben in Deutschland Menschen in solch trister Kargheit, und dass, obwohl sie arbeiten, dass selbst Polen davor zurückscheuen. Die deutsche Arroganz, mit der die Angst geschürt wurde, hat nicht wahrhaben wollen, dass polnische Verhältnisse auch in Deutschland herrschen, wenn man nur tief genug im Morast des Niedriglohnsektors stochert. Und am Ende wandern gar Deutsche nach Polen ab und es folgt nicht Demut, sondern der Ausbau ebenjener Arroganz, nämlich die selbstgefällige Einsicht, dass sich Polen glücklich wähnen sollte, ob des deutschen Know-Hows und deutscher Tugenden, die da für wenig Geld gen Warschau wandern.



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Griechische Sonne wird privatisiert

Dienstag, 5. Juli 2011

Das war letzte Woche ein wichtiger Tag, als das griechische Parlament, gegen den Widerstand auf den Straßen, ein mörderisches Sparpaket inklusive Privatisierungszwang, verabschiedet hat. Das war ein wichtiger Tag für Investoren, die durch die Entscheidung, an die weitere Kredite gekoppelt sind, nun neue Zuversicht erhalten haben, um in den maroden Staat, dessen Staatsverschuldung niedriger liegt als die der Vereinigten Staaten oder Japans, zu investieren.

Schäuble habe einen ausgezeichneten Vorschlag gemacht, hörte man an jenem wichtigen Tage desöfteren. Am Rande der Berichte kam man auf des Finanzministers Idee zu sprechen, die griechische Sonne ökonomisch zu verwerten. Durch das Vertrauen, das durch das Sparpaket freigesetzt würde, könnte man Investoren anlocken, die ihr Geld in Anlagen zur Abschöpfung erneuerbarer Energien stecken. Womöglich gar deutsche Unternehmen, die sich dann an der griechischen Sonne gütlich tun. Griechische Sonne als Ware für den Kolonialwarenladen! Über Griechenland scheint die Sonne, über Deutschland... Deutschland, Deutschland über alles. Da trifft der neue grüne Wetterfähnchen-Geist aus Schäubles Partei, auf den Nepotismus und die Großmannssucht, diesen alten Werten der christdemokratischen Union - da wächst ein grüner Kolonialismus heran!

Das tut man freilich nur, um Griechenland aus der Misere zu hieven. Investoren sind Altruisten. Deutsche Investoren ohnehin - Heuschrecken sind nur die Investoren, die ins schöne Deutschland einfallen. Eine politische Vorhut auf breiter europäischer Ebene wie jene, die nun nach Griechenland drängen sollen, haben aber diese Heuschrecken nie gehabt. Eine Vorhut, die dem griechischen Volk zunächst Geld und damit Brot nahm, die die Luft zum Atmen stahl, die den Selbstwert und die nationale Selbstbestimmung raubte - und die nun auch noch die Sonne entwenden möchte. Die Sonne scheint deshalb ja trotzdem für die Griechen weiter. Aber ob die viel von der Nutzung ihrer Sonnenkraft haben werden, bleibt zweifelhaft. Die Sonne ist doch für alle da - und das Areal, wo die Anlagen stehen sollen, werden dann dank Privatisierungszwang für einen Teller Gyros und einen Schluck roten Imiglykos zu kaufen sein.

Die Sonne gehört allen - der Boden darauf dem Investor - den Griechen gehört nichts mehr. Das ist der harte Syllogismus, der an diesem wichtigen Tag letzte Woche Wirklichkeit wurde. Selbst die griechische Sonne wird privatisiert - und ausländische Investoren sollen sie verwalten. Dass sie den Griechen aber den Sonnenschein nicht in Rechnung stellt, das zeigt nur, dass die Europäische Union und ihre Ausplünderungsabsichten noch nicht gänzlich abgehoben sind. Man ist ja doch noch splendid! Man riet zum Verkauf von Inseln, der Schuldner sollte Tafelsilber verscheuern - die Zustimmung hierüber geschah letzte Woche. Und nun geht es auch noch an die Sonne. Gleichzeitig rieten die Schwalle an Experten, die diverse Nachrichtensender zierten, mit dem industriellen Gemüse- und Obstanbau zu beginnen bzw. diesen zu forcieren - die Tourismusbranche könnte noch besser, noch effektiver geführt werden. Kurzum, der gemeine Grieche gilt als idiótes, als Pfuscher und Stümper, den man an die Hand nehmen muß, damit er endlich in die Hufe kommt.

Solchen lebensuntüchtigen Menschen muß man doch auch die Sonne abluchsen. Nicht zur Gänze freilich, auch die Lebensuntüchtigkeit will sich schließlich den Bauch bescheinen lassen. Aber die Sonnenenergie, die sollen lediglich Investoren von Außerhalb verwursten - und die Griechen haben nichts davon: außer sauberen Strom, den sie der Heuschrecke dann abkaufen dürfen. Abkaufen von dem Geld, das sie dann nicht mehr haben werden, weil man es ihnen letzte Woche nahm. Wir indes brauchen keine räumlichen Expansionen mehr, um vom mediterranen Sonnenschein zu profitieren - wir speisen die Sonne einfach in Solarzellen und genießen die Früchte der Sonne einfach von daheim aus. Das war wahrlich ein wichtiger, ein einträglicher Tag letzte Woche...



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