Der Wert der Wertlosen
Freitag, 29. August 2008
Es ist womöglich ratsam, das Feld des alltäglichen Irrsinns von hinten aufzurollen. Damit soll gemeint sein, dass man jene Personen, die im öffentlichen Diskurs als Effizienzbremsen und daher als stark kostenintensiv ermessen werden, sich ins übliche Rechenschema der Kosten-Nutzen-Jünger einreihen sollten, um ihren Wert, den Wert ihrer vermeintlichen Wertlosigkeit, zur Geltung zu bringen. Der volkswirtschaftliche Wert, orientiert an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit folglich, ihr "Seinsnutzen", soll in nur knappen Worten festgehalten werden.
Bei aller Kritik an dieser Form der "Aufwertung der Wertlosen": Es wäre an der Zeit zu erkennen, das jeder Mensch, egal in welcher gesellschaftlichen Stellung, ob klug oder dumm, ob alt oder jung, ein ihm gebührender Wert immanent ist. Jene die man also als Schmarotzer und/oder teuere, deshalb zu verbilligende Mitmenschen stilisiert, sind gleichermaßen Teil eines Ganzen. Und die Aufhebung ihrer Notlage bedeutete, die Notlage anderer zu erzeugen. So besehen sind sie nicht zu unterdrücken und zu verlachen, sondern zu bewundern, weil durch sie andere zu ihrem mehr oder minder gesicherten Leben kommen. Dies sollten gerade die Unwerten immer bedenken und mit vollem Selbstbewußtsein ausleben!
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Was wäre dein Arzt ohne dich, chronisch Kranker? - Ohne dich hätte er nur sporadische Kunden, nur seltene Gäste in seinen Räumen zu begrüßen; ohne dich wäre sein Gehalt wenig gehaltvoll; wäre seine ökonomische Existenz innerhalb des Gesundheitswesens kränkelnd!Die obigen Einschätzungen sind nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen, denn wenn also die Beseitigung der Wertlosen, der (chronisch) Kranken, Behinderten, Arbeitslose, arme Kinder, Rentner, Obdachlosen und was es da noch an "personalisierten Wertlosigkeiten" gibt, bewerkstelligt würde - wie auch immer! -, so würde die Auslöschung jener zur Schaffung neuer Unpersonen führen. Dennoch ist es zweifelhaft, angebliche Ballastexistenzen so zu ermessen. Am Ökonomischen, auch wenn es durchaus einleuchtend ist, durchaus Wahrheit in sich birgt, kann der Wert eines Menschen niemals dingfest gemacht werden. In so einer Auflistung findet sich nicht der unmöglich analysierbare Wert, den ein Mensch für seine Familie und Kinder hat, für seine Nachbarn und Freunde, für seine Gesprächspartner, für seine Haustiere - darin findet sich nur der plumpe Materialismus, das vulgäre Ausbeuten des angeblich wertlosen Daseins.
Und was wäre die Pharmaindustrie erst ohne dich? - Weil du bist, darf auch sie in diesem Umfang sein; weil du chronisch leidest, wird Bayer und Pfizer ein wohliges Dasein gesichert; weil dich der Schmerz täglich plagt, gibt es für diese Konzerne eine gesicherte Branchenzukunft!
Weißt du, wie wertvoll du bist, pflegebedürftiger Behinderter? - Auch du sicherst den Speise- und Gabentisch derer, die sich deiner annehmen; auch bist du es, der Behörden, Ärzte, Pharmaunternehmen und viele weitere rotieren läßt; du bist ein Unkostenfaktor mit volkswirtschaftlichen Höchstwerten!
Und was schmarotzen sie sich an deiner reich, Arbeitsloser? - Durch deine Existenz ernähren sich Sachbearbeiter, Fallmanager und Vermittler im Staatsdienste; private "In-Arbeit-Presser" füllen sich durch dich und anstatt deiner die Taschen; du sicherst denen, die dich gängeln und drücken den Lohn; wärst du nicht dort wo du bist, wären sie dort wo sie sich sicher sind, nie zu landen!
Hast auch du einen Nutzen, verarmtes Kind aus der Unterschicht? - Sei dir sicher, du kleine Ballastexistenz, dein Dasein ist nützlich. Denke daran, wie du Heere von Sozialarbeitern, Psychologen und entrüsteten Journalisten fütterst; wie du deren Kindern geradezu die satte Wurst vor die Nase hältst; wie dein ärmliches Ausgelachtwerden das sorgenfreie Lächeln derer fördert, die an deinem In-der-Welt-sein gesättigt werden!
Wenig lieb, aber doch teuer bist du, nicht sterben wollender Rentner. Bist du wenigstens vollends wertlos, läßt es sich wenigstens auf dich schimpfen und losgehen? - Aber was wäre das Pflegepersonal ohne dich; langweilen würden sie sich zwischen den rar gesäten Terminen bei Arbeits- und Sozialämtern; wenn du nicht gebrechlich geworden wärst, erbrächen sie sich an Nutzlosigkeit; überflüssig wären die Blutsauger, die sich an deiner Antiquiertheit laben - all jene, die dir gerädertes Essen liefern oder in einem sterilen Büro deine Rente verwalten; durch deine Greisenhaftigkeit wissen sich Familien und deren Kinder genährt - gelebte Generationengerechtigkeit!
Aber du, obdachloser Penner, erlaubst uns doch sicherlich, dir keinen Wert einzuräumen? - Aber was wäre dann mit denen, die sich deiner annehmen und sich durch diese Annahme ihr Brot sichern; oder mit solchen, die deine wenigen Belange am Staat verwalten und bearbeiten; oder mit jenen, die dich in einen Bus packen und dich aus der Stadt herausfahren, wenn ein städtisch-öffentliches Ereignis ins Haus steht, bei dem die Stadt nicht durch herrschende Obdachlosigkeit diskreditiert werden will?
Ihr Wertlosen, was gebt ihr dieser Gesellschaft nur zu Essen! Arbeitgeber seid ihr, Lebensspender, verkannte Ernährer von Großfamilien! Durch euch wird geurlaubt, wird gekauft, wird ein wohliges Leben ermöglicht! Ihr seid der wahre Wert der Wertschöpfung, ohne euch sähen viele Mittagstische spärlicher, viele Kinderzimmer leerer, viele Geldbeutel windiger aus! Der Dank, den man euch dafür entgegenbringt, muß euch mit Stolz erfüllen...
Bei aller Kritik an dieser Form der "Aufwertung der Wertlosen": Es wäre an der Zeit zu erkennen, das jeder Mensch, egal in welcher gesellschaftlichen Stellung, ob klug oder dumm, ob alt oder jung, ein ihm gebührender Wert immanent ist. Jene die man also als Schmarotzer und/oder teuere, deshalb zu verbilligende Mitmenschen stilisiert, sind gleichermaßen Teil eines Ganzen. Und die Aufhebung ihrer Notlage bedeutete, die Notlage anderer zu erzeugen. So besehen sind sie nicht zu unterdrücken und zu verlachen, sondern zu bewundern, weil durch sie andere zu ihrem mehr oder minder gesicherten Leben kommen. Dies sollten gerade die Unwerten immer bedenken und mit vollem Selbstbewußtsein ausleben!