Das befreite Tier
Sonntag, 10. Mai 2009
Das Tier wird misshandelt, gepeitscht, zum Kraftakt verpflichtet, es muß dienen, ist Diener seines Herrn. Das Tier ist ein Pferd, eine Schindmähre, abgemagert, drahtig, dem Ausbeuten seiner Körperkraft vertraut. Es wird gezüchtigt wie sein Vater, wie sein Großvater, wie dessen Vorväter. Diese Tradition macht es stumpf, die Hiebe nimmt es routiniert hin, die brandigen Hautpartien bestätigen dieses Dasein. Ebenso das bereitgestellte Abendfutter, das Teil seiner Existenz ist. Striemen und Heu, Zuckerbrot und Peitsche durchziehen das harte Leben mit lichten Momenten des Glücks. Am Tage klatscht die Gerte das Fleisch gefügig, bei Dunkelheit dankt es die rohe Menschenhand mit kräftigender Stärkung, mit der Aufbereitung der ausgeströmten Körperkraft. Gegenleistung, die kraftraubende Momente duldsam überwinden läßt.
Irgendwann, man weiß nicht wieso, bleibt das abendliche Mahl spartanisch. Zu wenig zum Leben; zu viel um auf der Stelle zu sterben. Das Tier nimmt es hin. Es läßt sich dennoch peitschen, ausbeuten, gefügig machen, es fügt sich dienerisch seinem Los. Aber die unzureichend aufgefüllten Kräfte schwinden schneller, die erbrachte Muskelkraft bleibt puritanisch wie das Futter, läßt der dreschenden Hand des Menschen zu wünschen übrig. Dieser fehlt es an Einsicht, sie schlägt noch härter zu, hofft auf diese Weise letzte Kraftreserven blankzulegen. Das Tier wiehert, schreit, brüllt in seiner Sprache, es brauche Futter, es aber auch ungesättigt bester Absicht sei, sich bemühe, mit der eigenen Kraftlosigkeit ringe, um die schlagende Hand des Fütterns zu befriedigen. Aber die Gerte tanzt weiterhin tiefe Striemen ins tierische Fleisch.
Die Mahlzeiten bleiben bescheiden, die Prügel bescheiden sich nachhaltig. Dem Tier zeigt sich, dass es so nicht fortzuleben vermag. Es will sich seiner Dienerschaft entziehen, selbst Herr seiner Kraft werden, sich nicht würdelos auspeitschen lassen. Es greift verträumt nach dem Prügelinstrument, entwendet es der menschlichen Hand, reckt es siegreich in die Höhe, als wolle es einen pferdischen Gott um Beistand beschwören. Wohlige Zukunft erträumt es sich in hungerlastigen Nachtstunden, Selbstbestimmung, Selbstwert und striemenbefreite Rückenpartien. Alles soll anders, alles soll besser werden. Wenn der Moment des Entwendens gekommen ist, wenn es die Gerte erst besitzt, dann bricht eine Ära an, in der Futter üppig verteilt am Boden ausgestreut liegt, in der es selbst Herr über seinen Körper ist.
Der Tag wird kommen, betet sich das Tier vor. Immer wieder, der Tag wird kommen, der Tag wird kommen. Und er kommt. Die harte Hand führt versehentlich knapp den Gegenstand der Züchtigung am Gebiss, am Maul des Entwürdigten vorbei, das Maul schnappt danach, umfasst mit festem Biss Griff und zwei Finger, erhöht den Kieferdruck, quetscht die beiden im Maul überflüssig gewordenen Gliedmaßen ab, sichert sich die Macht dieses Dinges, das einst Wunden in den eigenen Leib gerissen hat. Beide, Tier und Mensch, starren fassungslos auf den Augenblick, fassungslos auf die entzweite Hand, fassungslos auf das blutverschmierte Maul, fassungslos auf die Gerte.
Das Tier trägt die Macht vor sich her, läßt Speichel die Macht herunterfließen. Der Mensch erkennt, dass die Revolte vermeidbar gewesen wäre, hätte er sein Pferd nur ordentlich gefüttert, hätte er die Prügel dosiert, hätte er seine Macht in den traditionellen Bahnen belassen. Ich bin selbst schuld, flüstert er sich selbst zu, ich hätte dich besser behandeln sollen, sagt er sich selbst leise. Das Tier vernimmt dieses Geflüster wohlwollend, ist von dieser Einsicht besänftigt. Nun wird es dankend und zustimmend mit dem Kopf wackeln, wird die Gerte fachgerecht im Maul platzieren, den Kopf zu Boden hinabsenken und mit ruckhaftem Schwung in den Rücken werfen, dabei das Gertenende auf den schon aufgescheuerten Rücken aufschlagen lassen. Immer wieder, immer fester, immer selbstverständlicher. Das Tier wird sich zum Kraftakt peitschen, in der fröhlichen Gewissheit, am Abend vollen Magens zu sein, in der Freude, der Menschenhand Einsicht abgetrotzt zu haben. Trotz Dankbarkeit, trotz Freude, das Tier wird das Machtgerät nicht mehr aus dem Maul geben, es ist nun Herr über sich selbst, denn es geißelt sich selbst.
Es ist nun Besitzer seines Körpers, er gehört ihm. Die Entwürdigung hat es verschwinden lassen, diese schlagende Herabsetzung seines Selbst. Von fremder Hand gezüchtigt zu werden, von fremder Hand zweifach entwürdigt zu werden, schlagend und hungernd gelassen, revoltierte es. Es nahm die Stelle seines Herrn ein, ist nun selbst Herr über sich selbst, erledigt das Geschäft des einstigen Herrn mit gleicher Korrektheit, mit gleicher knallenden Zielgenauigkeit. Endlich frei, endlich selbstbestimmt, weil die Gerte aus freiem Willen herabschnellt. Endlich frei, endlich ist der einstige Herr frei von der Qual, seiner Mitkreatur Gewalt antun zu müssen. Er ist befreit, weil sein Diener sich einen freiheitlichen Habitus gab, er ist frei, freier als je zuvor, weil das Tier in seiner Selbstherrschaft das Dienen zum Herrschen erklärt hat. Er ist frei, freier, grenzenlos frei, weil er seinem Diener einsichtig machen konnte, dass selbst das Handhaben der Gerte noch zu viel Arbeit für einen Herrn ist. Er ist frei, weil die Arbeit des Tieres einen Anstrich von Freiheit besitzt, wie Freiheit riecht, wie Freiheit aussieht, die zwanghafte Freiheit der Ketten versteckt. Erst die Freiheit des Sklaven, der sich selbst antreibt und zum Kraftakt prügelt, macht frei, macht eine kleine Gruppe von Wesen vollkommen frei. Frei vom Dienst als Sklaventreiber, frei vom blutigen Anspornen, frei von der Verantwortung, frei von Schuld. Die Sklavenfreiheit ist das reine Gewissen der ehemals züchtigenden Hand, ist ihre Freiheitsgarantie.
Irgendwann, man weiß nicht wieso, bleibt das abendliche Mahl spartanisch. Zu wenig zum Leben; zu viel um auf der Stelle zu sterben. Das Tier nimmt es hin. Es läßt sich dennoch peitschen, ausbeuten, gefügig machen, es fügt sich dienerisch seinem Los. Aber die unzureichend aufgefüllten Kräfte schwinden schneller, die erbrachte Muskelkraft bleibt puritanisch wie das Futter, läßt der dreschenden Hand des Menschen zu wünschen übrig. Dieser fehlt es an Einsicht, sie schlägt noch härter zu, hofft auf diese Weise letzte Kraftreserven blankzulegen. Das Tier wiehert, schreit, brüllt in seiner Sprache, es brauche Futter, es aber auch ungesättigt bester Absicht sei, sich bemühe, mit der eigenen Kraftlosigkeit ringe, um die schlagende Hand des Fütterns zu befriedigen. Aber die Gerte tanzt weiterhin tiefe Striemen ins tierische Fleisch.
Die Mahlzeiten bleiben bescheiden, die Prügel bescheiden sich nachhaltig. Dem Tier zeigt sich, dass es so nicht fortzuleben vermag. Es will sich seiner Dienerschaft entziehen, selbst Herr seiner Kraft werden, sich nicht würdelos auspeitschen lassen. Es greift verträumt nach dem Prügelinstrument, entwendet es der menschlichen Hand, reckt es siegreich in die Höhe, als wolle es einen pferdischen Gott um Beistand beschwören. Wohlige Zukunft erträumt es sich in hungerlastigen Nachtstunden, Selbstbestimmung, Selbstwert und striemenbefreite Rückenpartien. Alles soll anders, alles soll besser werden. Wenn der Moment des Entwendens gekommen ist, wenn es die Gerte erst besitzt, dann bricht eine Ära an, in der Futter üppig verteilt am Boden ausgestreut liegt, in der es selbst Herr über seinen Körper ist.
Der Tag wird kommen, betet sich das Tier vor. Immer wieder, der Tag wird kommen, der Tag wird kommen. Und er kommt. Die harte Hand führt versehentlich knapp den Gegenstand der Züchtigung am Gebiss, am Maul des Entwürdigten vorbei, das Maul schnappt danach, umfasst mit festem Biss Griff und zwei Finger, erhöht den Kieferdruck, quetscht die beiden im Maul überflüssig gewordenen Gliedmaßen ab, sichert sich die Macht dieses Dinges, das einst Wunden in den eigenen Leib gerissen hat. Beide, Tier und Mensch, starren fassungslos auf den Augenblick, fassungslos auf die entzweite Hand, fassungslos auf das blutverschmierte Maul, fassungslos auf die Gerte.
Das Tier trägt die Macht vor sich her, läßt Speichel die Macht herunterfließen. Der Mensch erkennt, dass die Revolte vermeidbar gewesen wäre, hätte er sein Pferd nur ordentlich gefüttert, hätte er die Prügel dosiert, hätte er seine Macht in den traditionellen Bahnen belassen. Ich bin selbst schuld, flüstert er sich selbst zu, ich hätte dich besser behandeln sollen, sagt er sich selbst leise. Das Tier vernimmt dieses Geflüster wohlwollend, ist von dieser Einsicht besänftigt. Nun wird es dankend und zustimmend mit dem Kopf wackeln, wird die Gerte fachgerecht im Maul platzieren, den Kopf zu Boden hinabsenken und mit ruckhaftem Schwung in den Rücken werfen, dabei das Gertenende auf den schon aufgescheuerten Rücken aufschlagen lassen. Immer wieder, immer fester, immer selbstverständlicher. Das Tier wird sich zum Kraftakt peitschen, in der fröhlichen Gewissheit, am Abend vollen Magens zu sein, in der Freude, der Menschenhand Einsicht abgetrotzt zu haben. Trotz Dankbarkeit, trotz Freude, das Tier wird das Machtgerät nicht mehr aus dem Maul geben, es ist nun Herr über sich selbst, denn es geißelt sich selbst.
Es ist nun Besitzer seines Körpers, er gehört ihm. Die Entwürdigung hat es verschwinden lassen, diese schlagende Herabsetzung seines Selbst. Von fremder Hand gezüchtigt zu werden, von fremder Hand zweifach entwürdigt zu werden, schlagend und hungernd gelassen, revoltierte es. Es nahm die Stelle seines Herrn ein, ist nun selbst Herr über sich selbst, erledigt das Geschäft des einstigen Herrn mit gleicher Korrektheit, mit gleicher knallenden Zielgenauigkeit. Endlich frei, endlich selbstbestimmt, weil die Gerte aus freiem Willen herabschnellt. Endlich frei, endlich ist der einstige Herr frei von der Qual, seiner Mitkreatur Gewalt antun zu müssen. Er ist befreit, weil sein Diener sich einen freiheitlichen Habitus gab, er ist frei, freier als je zuvor, weil das Tier in seiner Selbstherrschaft das Dienen zum Herrschen erklärt hat. Er ist frei, freier, grenzenlos frei, weil er seinem Diener einsichtig machen konnte, dass selbst das Handhaben der Gerte noch zu viel Arbeit für einen Herrn ist. Er ist frei, weil die Arbeit des Tieres einen Anstrich von Freiheit besitzt, wie Freiheit riecht, wie Freiheit aussieht, die zwanghafte Freiheit der Ketten versteckt. Erst die Freiheit des Sklaven, der sich selbst antreibt und zum Kraftakt prügelt, macht frei, macht eine kleine Gruppe von Wesen vollkommen frei. Frei vom Dienst als Sklaventreiber, frei vom blutigen Anspornen, frei von der Verantwortung, frei von Schuld. Die Sklavenfreiheit ist das reine Gewissen der ehemals züchtigenden Hand, ist ihre Freiheitsgarantie.
15 Kommentare:
Und was stören schon zwei abgetrennte Finger, wenn sich die Schindmähren, wobei es Esel (wenigstens im Volksmund) besser träfe, zwischenzeitlich selbst antreiben und auch noch blitzgescheit erklären, warum dies eben so und nicht anders sein müsse. Am besten aber gefallen sicher jene, die mit der Peitsche auch schon mal nach Ihresgleichen austeilen.
Immerhin sind sie ja jetzt wer.
Ja, Fortschritt ist schon was feines :P
Aber mal im Ernst: Ich lese hier immer wieder sehr, sehr, sehr gerne!
Das Beste, dass ich seit dem "Schwarzbuch Kapitalismus" von Robert Kurz gelesen habe, denn genauso ist es, lieber Roberto J. de Lapuente.....Wir benötigen keine Sklavenhalter mehr, dass erledigen wir in Deutschland schon selbst.....
Übrigens, ist dir schon einmal aufgefallen, dass in hitzigen Diskussionen - egal zu welchem Thema - in Deutschland immer sofort die "Bedenkenträger" auftauchen....
Sätze wie "Ja, aber....!"; "Man könne dies doch nicht so sagen..." und "überhaupt, es ist doch gar nicht so schlimm." hörte ich z.B. VOR der Einführung von HartzIV bei einer hiesigen Attac-Gruppe immer wieder....
Hinterher sind die schlauer, aber Gegenwehr? Fehlanzeige!
Deutschland eben.....
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Zur Verdeutlichung des Nischendaseins eines kritischen Bewusstseins möchte ich folgenden Auszug aus einem Fußballforum für Fans von Borussia Mönchengladbach, die wie Fußballinteressierte wissen, vom Abstieg bedroht sind. Der Rest spricht für sich:
So in etwa würde ICH funktionieren bzw. ticken, bevor ICH in diese alles entscheidenden Spiele gehen würde. Im Beruf verfahren wir doch ebenso, oder ? In schweren Zeiten lassen wir nicht die Köpfe hängen, sondern genau das Gegenteil passiert meistens: WIR versuchen uns noch mehr im Sinne unseres Unternehmensziel einzubringen! Damit WIR NICHT (!) absteigen bzw. insolvent werden und unsere Jobs verlieren. (Quelle: http://www.seitenwahl.net/board/index.php?id=1306)
Mensch Nachdenkseiten-Leser: "Bedenkenträger" ist doch eigentlich ein Buzz-Word der pragmatischen Rechten?
@Robert:
Die Analogie zum Tier hinkt (ein wenig).
Der Bezug auf die Vorfahren ist beim Tier ein Bezug auf die genetische Selektion durch Zucht , ist also ein rassischer.
Beim Menschen ist analog ein Bezug auf eine kulturelle Tradition (der Klasse von mir aus) zu sehen.
Ich finde da gibt es schon ziemliche qualitative Unterschiede.
Selbst das domestizierteste Tierchen hat noch sowas wie einen natürlichen Freiheitstrieb, welcher - im Gegensatz zum menschlichen - eben nicht durch kulturelle Prägung gänzlich unterdrückt werden kann :)
Wobei es auch beim Menschen (zusätzlich) zu einem gewissen erwünschten "rassischen" Effekt kommen kann:
http://www.cicero.de/97.php?ress_id=6&item=3334
Standen den inzestuösen historischen Versuchen der Schaffung einer feudalen Herrscherrasse auf Familienbasis doch auch immer die negativen Effekte der Inzucht entgegen, ist dieses Problem doch heute gelöst. Wie gesagt: Fortschritt ist schon was feines!
@Dexter
"[...]Mensch Nachdenkseiten-Leser: "Bedenkenträger" ist doch eigentlich ein Buzz-Word der pragmatischen Rechten?
[...]"
Danke für den Hinweis, ich kenn mich ja mit der Szene-Sprache nicht so aus bzw. der Zugehörigkeit von Worten zu "Rechten" oder "Linken", aber ich denke es wird dennoch klar worauf ich hinaus will? Oder? Wie würde ein Linker, den zu solchen "Einwändern" sagen?
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
@Dexter
Noch nie was von George Orwell gehört? Ich denke Roberto J. de Lapuente spielt hier auf "Animal Farm" an, und George Orwell war nun wirklich kein "Rechter", da seine Tierparabel sich auf die bolschewistische Sowjetunion bezog bzw. evtl. auch auf die Spanische Republik.....
Die Ähnlichkeit des Textes ist mir nämlich so eben erst aufgefallen.
War es bei "Animal Farm" nicht auch ein Pferd, dass die Revolte ausgelöst hat, und im Gegensatz zu Roberto J. De Lapuentes Text sich nicht selbst versklavt hat sondern zum Sklaven der "Schweine" wurde?
Rein mal aus der Erinnerung zitiert.
Es ist nämlich einige Zeit her, dass ich diesen Text von Orwell gelesen habe.....
Eine moderne Version von "Animal Farm" ist längst überfällig, und vielleicht hat Roberto J. De Lapuente hier eine Version davon aufgelegt.....
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
What luck for rulers that
men do not think.
Adolf Hitler
Denken und handeln wir selbst!
Überlassen wir das nicht den Machthabern.
@Nachdenkseiten-Leser:
Oh, da habe ich wohl versehentlich selbst ein Buzzword benutzt. Von mir aus kannst du "Rechten" mit "Kräften" oder "Fraktionen" ersetzen. Und "pragmatische" gerne auch durch "populistische". Dieses verächtlich gemeinte "Bedenkenträger" ist mir doch letztens irgendwo als "Reichsbedenkenträger" untergekommen. Was irgendwie sogar noch mieser ist. Nunja, vielleicht habe ich da auch einfach etwas falsch verstanden.
Nebenbei: Ich verstehe nicht wirklich was du sagen willst.
-
Mein Einwand zum Gleichnis war eher ironisch zu verstehen. Dieses Gleichnis von Robert finde ich schon ziemlich gut. Im Kern geht es m.E. um Tradierung eines gesellschaftlichen Selbstverständnisses, welches qualitativ in eine neue Stufe übergeht. Ich hab mich nach der Lektüre halt gefragt, was wohl schwerer wiegt:
Die kulturelle Präferenz des Kulturwesens Mensch oder die genetische Voreinstellung des domestizierten Tieres. Wobei bei der Untersuchung des Menschen ja sogar beide Aspekte beachtet werden sollten.
-
Übrigens: Die Unterdrückten stalinistischer Systeme haben ihre Knechtschaft nicht in der im Text dargelegten Weise überwunden - ganz im Gegenteil. (Außer man sieht das alles wirklich sehr sehr zynisch *g*)
Insofern sehe ich überhaupt keine Parallele zu "Animal Farm".
Das animiert mich doch glatt ein wenig weiter zu schreiben. Also, los gehts:
Die Sonne geht auf, ein neuer Tag bricht an, der erste Tag in der ersehnten Freiheit! Das Tier ist allerdings ein echtes Gewohnheitstier und so schleift es sich, wie jeden Morgen, an die Futtertröge heran, in der Hoffnung dort etwas Essbares zu finden. Doch die gewonnene Freiheit bedeutet auch sich von nun an auch um eigene Belange selbst zu kümmern und das Tier lernte unter menschlicher Obhut niemals all die notwendigen Dinge, die es benötigt hätte, um selbstständig zu überleben.
So beschließt es seinen angestammten Platz zu verlassen, um nach neuen Möglichkeiten und Chancen für sich zu suchen. Das Tier wandert einen halben Tag, bis es in eine große Stadt kommt, wo viele Menschen leben, aber auch viele andere Tiere. Die Stadt fasziniert es in ihrer Größe, bietet sie doch gleich zwei Möglichkeiten für das eigentliche Dilema: sich entweder anderen aufmüpfigen Tieren anzuschließen oder sich eine neue fütternde Hand zu suchen. Es wurde Abend und das Tier spürt immer mehr den Hunger und noch mehr beängstigt es die Gewissheit keinen Nachtlager zu haben. Es beschießt also nach längerem hin und her Ringen, dass es sich wieder einem Menschen unterwirft, aber einem, der es besser behandelt. „Das wird nur vorüber gehend sein.“, vertröstet es sich bei dem schmachtenden Gedanken die eigens erkämpfte Freiheit aufzugeben, doch der Gedanke morgen früh einen vollen Trog wieder vorzufinden, lässt es friedlich einschlafen.
Wen es interessiert, der würde bei Michel Foucaults späteren Werken, insbesondere die Governementalitätsstudien und die Hermeneutik des Selbst erhellende Analysen finden, wie der modus operandi der Macht sich im 20. Jahrhundert von "von außen und oben herab mit Gewalt" zu "sanft von innen aus den Subjekten selbst heraus" gewandelt hat.
Dazu gibt es in BRD auch eine Studiengruppe um Bröckling, die Governementalitätsstudien. Im wesentlichen hat Foucault dieses heutige MAchtarrangement schon im Kern freigelegt. Er wendet sich hierzu den theoretischen Urvätern des Neoliberalismus, wie Hayek und Friedman, zu. Es ist dieser Dreh, durch den die Machtverhältnisse sich in die Selbste der Menschen verlagert haben, der heute so schwer angreifbar ist. Kritiker, die sich gegen die vormals offener autoritär, "von außen" auftetenden Institutionen stemmten, sind mit dem Marktdogma gewissermaßen nach vorne umgefallen. Der vor ihnen stehende kritisierte Machtblock ist plötzlich unsichtbar geworden und hat sich hinter ihrem Rücken in ihre unzähligen Seelen eingeschlichen, wennglich meist auch nur als plaktive Werbesprüche. Elemente unserer selbst, wie sie vielschichtig vorliegen und thematisiert werden (meine Gefühle, meine Störungen, meine Gedanken, meine Ideen, mein Körper, meine Sozialbeziehungen usw.), gerieten in den Fleischwolf des Machtdiksurses und wurden fortan entsprechend operationalisiert. Die Gedanken sind also nicht so frei: welche Gedanken zu uns kommen, liegt also nicht nur an uns, einem abgekapselten Ich.
Roberto beschreibt hier sehr treffend diese Drehung von außen nach innen.
Brecht, "Fragen eines lesenden Arbeiters"
......
Der Arbeiter, tatsächlich Stütze der Gesellschaft oder doch nur arbeitsam gefälliges Inventar ? Man sucht nach Erhabenes und wird letztlich doch nicht fündig ...
"[...]@Nachdenkseiten-Leser:
Oh, da habe ich wohl versehentlich selbst ein Buzzword benutzt. Von mir aus kannst du "Rechten" mit "Kräften" oder "Fraktionen" ersetzen. Und "pragmatische" gerne auch durch "populistische". Dieses verächtlich gemeinte "Bedenkenträger" ist mir doch letztens irgendwo als "Reichsbedenkenträger" untergekommen. Was irgendwie sogar noch mieser ist. Nunja, vielleicht habe ich da auch einfach etwas falsch verstanden.
Nebenbei: Ich verstehe nicht wirklich was du sagen willst.[...]"
Akzeptiert, um mich in die rechtsextreme Ecke stellen zu wollen, da müßtest du mich näher kennen - Nur soviel, ich verachte schon seit Jahren die Menschen, die in Deutschland für die Shoa, die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und andere Grausamkeiten - auch soziale und Kriegsverbrechen des II. Weltkrieges - verantwortlich sind. Eben die Nazis, und deren parteienübergreifenden Nachfolger in der BRD - Meine Sozialisation als ehemaliger Bürger der BRD erlaubt dies.
Die Geschichte der BRD sollte mal extra geschrieben werden statt immer - ob berechtigt oder nicht sei mal dahingestellt - auf der DDR rumzureiten, aber ich schweife ab.....
Schau mal heute bei Nachdenkseiten vorbei - Punkt 3:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=3931#more-3931
"[...]Mein Einwand zum Gleichnis war eher ironisch zu verstehen. Dieses Gleichnis von Robert finde ich schon ziemlich gut.[...]"
Dito.
"[...]Im Kern geht es m.E. um Tradierung eines gesellschaftlichen Selbstverständnisses, welches qualitativ in eine neue Stufe übergeht. Ich hab mich nach der Lektüre halt gefragt, was wohl schwerer wiegt:
Die kulturelle Präferenz des Kulturwesens Mensch oder die genetische Voreinstellung des domestizierten Tieres. Wobei bei der Untersuchung des Menschen ja sogar beide Aspekte beachtet werden sollten.[...]"
Aha? Ich denke, da hast du Recht, denn die Trennung von Mensch und Tier sollte man spätestens seit Darwin - der übrigens seinen 200jährigen Geburtstag feiert dieser Tage - bleiben lassen. Wir sind nichts anderes als Tiere, und es gibt nichts was uns über unsere Artgenossen stellt - mal ausgenommen das große Gehirn.....hat aber hiermit nichts zu tun, sondern damit, dass ich christliche Wertvorstellungen als Agnostiker immer hinterfrage. Nur soviel: "Mir hat noch kein Gott ein Bier bezahlt. Dir etwa?"
"[...]Übrigens: Die Unterdrückten stalinistischer Systeme haben ihre Knechtschaft nicht in der im Text dargelegten Weise überwunden - ganz im Gegenteil. (Außer man sieht das alles wirklich sehr sehr zynisch *g*)
Insofern sehe ich überhaupt keine Parallele zu "Animal Farm".[...]"
Die Unterdrückten des stalinistischen Systems waren ja nur im Ausnahmefall dt. Mitbürger - Der friedliche Aufstand in der DDR war einmalig in der dt. Geschichte, leider :-(
Ansonsten sehe ich es ähnlich wie Roberto J. De Lapuente, die dt. Geschichte und Gegenwart zeigt es, wir sind ein Volk von Knechten, die sich lieber selbst versklaven als den Aufstand (egal ob friedlich - mir lieber - oder nicht....) zu wagen.
Mehr dazu auch hier:
http://www.jungewelt.de/2009/05-11/026.php
Überschrift "Bis zur Bundestagswahl soll Ruhe herrschen"....
Ich lass mich gerne korrigieren, aber ich glaube, dass dies in Deutschland generall gilt - die Gewerkschafterin schreibt ja auch im Interview als Antwort "in Deutschland haben wir eine andere Tradition als Frankreich was soziale Unruhen angeht" - frei aus der Erinnerung zitiert.
Das meinte ich mit dem Hinweis auf "Bedenkenträger", die immer in Diskussionen auftauchen, und seltsamer Weise immer dann wenn wirklich jemand mal wie die Zapatisten in Mexiko ruft "Ya, basta" - Frei übersetzt: "Es reicht!"
Dann kommt sofort einer, der meint man "könne doch so nicht..." und überhaupt "in Deutschland gäbe es eine andere Tradition...." - siehe mein Hinweis auf die interviewte Gewerkschafterin, die mir zeigt am 16. Mai passiert wieder eines in Deutschland - NICHTS!.
Wie bereits erwähnt ein friedlicher Aufstand wie in der DDR wäre mir am Liebsten, aber da warten wir, dank solcher "Gewerkschafter" noch 1000 Jahre drauf.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
PS: Wenn du gerne auf Worten rumreitest, und Menschen damit eine politische Zugehörigkeit zu gewissen rechtsextremen Kreisen ausstellen willst, dann würde ich kein Wort der dt. Sprache mehr erwähnen - Ich hatte mal, eben wegen gewisser NS-Vergleiche gewisser SPD-Politiker aus der Leiharbeitsbranche - Clement - ein schönes Buch mit NS-Vokabular, wo nicht nur sein "Parasiten"-Vergleich als antisemitische Vokabel bezeichnet wurde sondern wurde aus der NS-Zeit kamen, die sogar für mich neu waren. Wußtest du, dass z.B. das Wort "Betreuung" ursprünglich für die Shoa als Tarnvokabel diente? Das Wort wird heute immer wieder von Sozialpolitikern benutzt, die seine Herkunft nicht kennen.....
Ich bin übrigens schon lange der Ansicht, dass die Entnazifizierung der dt. Sprache ein längst überfälliger Schritt wäre, aber ich denke dank CDU/CSU/FDP-Regierung ab September bleibt dieser Schritt utopisch....
Übrigens, die wenigsten wissen, dass auch neue rechtsextreme Wortvokabeln in die dt. Alltagssprache Einzug gehalten haben - Ich erlebte früher, dass gewisse Rechtsextremisten aus der REP-Ecke zu Diskussionsgegner, die Pro-Ausländer waren immer wieder von "Gutmenschen" redeten.
Dieses Wort wird heute für alles verwendet, dass mit Widerspruch gegen die unsoziale Politik zu tun hat - nur "Gutmenschen" können gegen Agenda2010 und HartzIV sein - hörte ich, vor nicht allzu langer Zeit von einem Sozi.
Beispiele gibt es zuhauf, aber ich glaube nicht, dass dieser Wortvokabelmisthaufen aus der rechtsextremen Ecke ausgemistet wird - ich bin da eher pessimistisch.....
Ein aktuelles Buch ist das Buch des jüdischen Sprachforschers Victor Klemperer: "LTI"
Es gibt übrigens auch schon ein Buch über die Wortvokabeln der Neoliberalen, die allesamt so erscheinen als wären die von bekennenden Rechtsextremisen geklaut: "ABC zum Neoliberalismus".
Ich bin begeistert. Ich höre gerade neue Musik durch und darunter ist ein schönes Stück, bei dem ich sofort an diesen Aufsatz denken musste:
http://www.youtube.com/watch?v=idYm11Lmq2o
Kommentar veröffentlichen