Ghettozucht

Freitag, 27. Februar 2009

Fühlt man sich von einer Gruppe oder Gemeinschaft ausgestoßen, merkt man, dass man, warum auch immer, als nicht zugehörig behandelt wird, so folgt nach dem letzten vergeblichen Bemühen, doch noch irgendwie innerhalb der Formation Fuß zu fassen, die Resignation. Kultivierte Resignation bewirkt nicht selten, dass man den neuen, einsamen Status, zu einem Stolz auf das Pariadasein erweitert. Die Mitgliedschaft in einer Gruppe oder Gemeinschaft, die sich für arrogant oder elitär genug hält, ein bestimmtes Individuum nicht aufnehmen, es gleichwertig behandeln zu wollen, ist dann gar nicht mehr gewollt. Im Gegenteil, sie wird zum Makel, weil man als Verstoßener nicht in die Rolle des Verstoßenden einrücken möchte, sofern sich die obskure Gemeinschaft doch noch dazu erbarmt, ihre Arme auszubreiten - was man am eigenen Leib erfahren hat, will man anderen Leibern nicht zumuten.

Viele Gruppierungen haben von jeher auf diesen Pariastolz aufgebaut. Fruchtbar für den Sozialstaat und die Demokratie war jener Stolz der Arbeiter, der wenigstens in seinen Anfängen, zur klaren Abgrenzung gegenüber dem bürgerlichen Snobismus bereit war. Falsch verstandener Stolz auf das Anderssein kann aber blutig entarten, wie es uns die herrschaftliche Schelte der Studentenbewegung aufgezeigt hat, bei der man um Verständnis nicht bemüht war. Der fehlgeleitete Stolz einer Handvoll Parias führte in extremen Fällen zu mörderischen Anschlägen.

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Stärke zeigen!

Donnerstag, 26. Februar 2009

Seid starkt, ihr jungen Menschen! Zeigt keine Schwächen! Preist eure Stärken an, versteckt die Schwächen, auch die noch so kleinen - kaschiert sie, verleugnet sie, drappiert sie ins Gegenteil. Erklärt die Antithese zur These, macht aus Schwächen Stärken! Schwächen offen zu bekunden, bedeutet sich als Schwächling zu offenbaren. Schwächlichkeit ist Ausdruck einer falsch verstandenen Humanität. Der Schwächling erntet nicht Sympathie, er erzielt Skepsis, Bedauern und Ablehnung, die zuweilen wie Sympathie wirken mögen, aber das glatte Gegenteil dessen sind. Wer Schwächen zeigt, bleibt auf der Strecke – drum zeigt eure Schokoladenseiten, zeigt Stärke, macht euch zu Starken, zu unfehlbaren und unkippbaren Größen, merzt in euch aus, was schwach anmutet, was auch nur in den Ruch der Schwäche geraten könnte!

Bewerbt euch mit Stärken bei potenziellen Arbeitgebern, zeigt eure Vorzüge auf, wiegelt alles an Schwächen ab, was in Bewerbungsgesprächen auftaucht. Ihr habt keine Schwächen! „Ich weiß nicht“ und „ich kann nicht“ gibt es nicht – habt ihr keine Antwort auf die Fragen des Personalleiters, antwortet dennoch, laviert und ufert aus, macht aus der vorübergehenden Schwäche eine zu verkaufende Stärke. Fragt er euch danach, ob ihr diese oder jene Tätigkeit schon einmal gemacht habt, so bejaht fern des wirklichen Wahrheitsgehaltes. Und seid ihr dann eingestellt, unterläuft euch einer jener Fehler, die jedem Arbeitenden unterlaufen kann, so schiebt es auf einen Kollegen. Keine Schwäche zeigen! Der Schwache ist immer der andere. Ihr wisst alles, ihr könnt alles – ihr seid alles! Geißelt euch euer Vorgesetzter, behandelt er euch ungerecht: seid stark - und schweigt! Wer schweigt verstärkt seine Stärke; wer erduldet erstarkt; wer Ungerechtigkeit und Unterdrückung seitens der Obrigkeit hinnimmt, dem ist Stärke nachsagbar.

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Nomen non est omen

Mittwoch, 25. Februar 2009

Heute: "sozial verträglich"
"HypoVereinsbank will weitere 1.500 Stellen sozialverträglich abbauen."
- FAZ vom 6. Februar 2009 -

"Die Deutsche Telekom will den Umbau ihrer Geschäftskundensparte T-Systems vorantreiben und schließt dabei betriebsbedingte Kündigungen nicht aus."
- Meldung bei tagesschau.de vom 23. Juli 2008 -

Die Begriffe der "Sozialverträglichkeit" bzw. der Formulierung vom "sozial verträglichen Stellenabbau" sollen suggerieren, dass im Sinne der ethischen und sozialstaatlichen Normen Menschen gekündigt, gefeuert bzw. aus der Firma geworfen werden. "Sozial verträglich" vermittelt eine Metapher des "weichen Fallens" aus der Firma bzw. dem Arbeitsplatz. Insofern ist es in erster Linie ein Euphemismus, welcher die individuelle Situation des soeben Gekündigten ausblendet.

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De dicto

Dienstag, 24. Februar 2009

"Vorgesehen für den Job: die Präsidentin des Vertriebenenverbandes, Erika Steinbach (65, CDU).
Aber Berlin und Warschau streiten, als ginge es um viel mehr! Was haben die Polen nur gegen diese Frau?
[...]
Ist Erika Steinbach eine Ewig-Gestrige?
Nein!"
- BILD-Zeitung, S. Jungholt und H.-J. Vehlewald am 23. Februar 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Die unbescholtene Frau Steinbach ist dem Springer-Blatt heute eine Frage, dazu einen Artikel wert. Was hat die arme Frau nur zu ertragen. Warum mögen die Polen diese Frau bloß nicht? Sie hat doch nichts getan! Nichts rechtfertigt die polnische Ablehnung, nichts könnte erklärbar machen, warum man ihr in Warschau den Posten im Stiftungsrat des geplanten deutschen Vertriebenenzentrums nicht gönnt. Warum ist man jenseits der Oder so bösartig, warum läuft man dort mit Schaum vor dem Mund herum? Dies könnte man sich jedenfalls fragen, wenn man dieses journalistische Meisterstück, diesen Artikel über Steinbach liest - oder besser: den Artikel für Steinbach, denn einer objektiven Auseinandersetzung kommt das aufgeführte Schmierenstück nicht gleich.

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Was geht mich Vietnam an? Ich habe Orgasmusschwierigkeiten.

Dieser Ausspruch von Rainer Langhans (der irrtümlich Dieter Kunzelmann zugeschrieben wurde) beinhaltet alles, was nach der kläglich zusammengebrochenen Studentenbewegung zum Indikator einer neuen Jugend werden sollte. Die Utopie schien verschwunden; nicht im Sinne von Marcuse, der das „Ende der Utopie“ als eine Vollendung der selbigen begriff, weil die satten Zustände der Welt, Überproduktion und damit die Möglichkeit, jedem Menschen Lebensmittel, Obdach und soziale Sicherheit zu gewähren, das Utopische ins Hier und Jetzt hieven, damit des ou-topos, des Nicht-Ortes entledigen würde; sie war verschwunden, weil man sich am "schlecht Gegebenen" (Theodor W. Adorno) orientierte, weil man den Individualismus zum ausufernden Egoismus umdeutete; weil man zynisch und resignierend dazu überging, seinen persönlichen Mirkokosmos verändern zu wollen, dabei das Ganze aus den Augen verlor.

Zyniker würden heute sagen, dass das Orgasmus-Zitat eine „realpolitische Wende“ vorwegnahm; die Utopie als utopisch entlarvte, weil sie in der Gegebenheit des Seins nicht umzusetzen war. Und da die Welt nur veränderbar ist, wenn man sich der Regeln dieser Welt unterordnet, war eine Abwendung vom Vietnamkrieg, dafür eine Hinwendung zu Orgasmusschwierigkeiten notwendig. Zweifelsohne vernimmt man die Intention dieses Ausspruches auch heute noch, weniger reißerisch zwar, aber mit der gleichen Absicht. So hört man nicht selten, dass die Veränderung der Welt nur in kleinen Schritten zu bewerkstelligen sei, die zudem immer im eigenen Umfeld getätigt werden müssen. Was man selbst, was man individuell an Verbesserungen im persönlichen Kreise anbringen kann, wäre als Beitrag zur globalen Aufwertung der Lebensumstände zu begreifen.

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In nuce

Montag, 23. Februar 2009

Schon desöfteren wurde hier darauf hingewiesen, dass ein sauberer Schnitt nach 1945 nie stattfand, dass das Heute noch, diese Gegenwart also, fest verankert in der Vergangenheit ist. Dieses Projekt, ad sinistram, widmet sich in großen Stücken dieses Denkens, will immer wieder daran erinnern, dass die dunklen Jahre nicht isoliert dastehen, sondern schon vorher in den Köpfen der Menschen entstanden, so wie sie auch nie ganz verworfen, sondern nur verschwiegen und vergessen gemacht wurden. Diese Einsicht wird dann und wann offenbar, wie auch kürzlich, als die Times berichtete, dass der Contergan-Skandal als Produkt der nationalsozialistischen Forschung einzustufen sei. Wer die Geschichte der deutschen Ärzteschaft und der dazugehörigen Wissenschaft kennt, den wird das freilich nicht überraschen. Was da an Giftstoffen und Teufelswerken erfunden, an Unmenschlichkeiten betrieben wurde, wird mit Worten nie ganz begreifbar zu machen sein. Demnach sei Thalidomid als Gegengift gegen Nervengifte, vom nationalsozialistischen Wissenschaftler Otto Ambros, entwickelt worden. Dieser ging nach Kriegsende zur Chemie Grünenthal GmbH, welche 1957 das Beruhigungsmittel Contergan auf den Markt brachte. Wahrscheinlich wurde Thalidomid demnach bereits zu Kriegszeiten an Menschen versucht - an KZ-Häftlingen?

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Wegbereiter - ein kurzer Nachtrag

Sonntag, 22. Februar 2009

Das kommentierende Völkchen innerhalb des Axel Springer-Konzernes, das eine eigene Sparte innerhalb der dortigen Gazettenwelten besitzt, sich dort den Standesdünkel von der Seele schreiben darf, setzt nun zur Ehrenrettung des jugendlichen Wegbereiters an. Denn eigentlich, wenn man es recht bedenkt, ohne zu großen moralischen Eifer an den Tag zu legen, ist der betreffende Karrierist doch ein feiner Kerl - er traut sich eben auch mal unangenehme Themen aufzuwerfen, traut sich künstliche Hüftgelenke für Rentner und die Suchterkrankungen von Leistungsbeziehern zu thematisieren. Das dürfe man ihm nicht als Fehler anrechnen.

Und, das scheint der wesentliche Leitgedanke des Mißfelder-Hagiographen Lambeck zu sein, er hat sich vorallem um die Kinder gesorgt, die ihm scheinbar schon immer am Herzen lagen. Denn um sich sein Studium selbst finanzieren zu können, schrieb er einst ein Kinderbuch. Doppelt soll hier hervorgehoben werden, dass dieser flegelhafte Musterknabe sein Studium selbst bezahlt hat, niemanden auf der Tasche lag und dass er nebenher auch noch etwas für Kinder getan hat, sich Kindern so sehr gewidmet hat, dass er ihnen sogar ein Buch schrieb. Das besagte Buch, das berichtet uns Lambeck nicht, nennt sich "Money" und trägt den bezeichnenden Untertitel "Tipps, wie du dein Geld vermehren kannst". Ein phantasievolles Kinderbuch, so wie es sich der Leser des lambeckschen Heiligentextchens vorgestellt hat, ist dies Machwerk sicherlich nicht. Es paßt zu Mißfelder, ein höchst mittelmäßiges Konsumstück für Jugendliche abgeliefert zu haben - als jemanden, der sich in Kindergedanken und -welten hineinversetzen kann, kann man sich Mißfelder auch nur schwerlich vorstellen. Mit Finanztipps für Jugendliche hat er also sein Studium finanziert - aber das klingt in einer Reinwaschungskampagne freilich nicht sehr liebevoll und würde auch nicht zu dem passen, was Lambeck da an Hervorhebungen und Bauchpinselungen in die Welt setzt.

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Wegbereiter

Samstag, 21. Februar 2009

Die bundesdeutsche Gesellschaft muß keine Angst haben, muß sich nicht fürchten, dass eine aufblühende Wirtschaftskrise die Sitten verroht. Die Furcht, wonach eine zunehmende Pauperisierung der Massen, immer mehr in wirtschaftliche Nöte geworfene Menschen, anwachsende Heere von Arbeitslosen, um ihren Besitzstand bangende Unternehmer, das Land derart herabziehen würden, und das nicht nur wirtschaftlich sondern auch moralisch, ist hierzulande völlig unbegründet. Verrohte Zustände erleben wir schon seit Jahren, brauchen gar keinen vorbereiteten Boden mehr, sondern haben sich den Boden schon selbst aufgelockert.

Vor diesem Kontext, vor dieser schon längst gemachten Tatsache, muß man auch Philipp Mißfelders verbale Menschenschlächterei sehen. Er nutzt eben nicht die (relative) Verelendung aus, um seinen herablassenden Sozialdarwinismus zur Schau zu stellen, einen Sozialdarwinismus, den er ja schon vor einigen Jahren an den Rentnern dieses Landes ausgespieen hat, sondern er folgt dem längst zu Prinzip gewordenen Muster, stetig und beharrlich Spitzen gegen jene auszustoßen, die der Gesellschaft Kosten verursachen, die im Jargon antiquierter Rassenlehre "Ballastexistenzen" genannt wurden. Das waren nicht nur jene, die kosteten, sondern vorallem diejenigen, für die zwar zu zahlen sei, die aber angeblich nebenher ein reges und unsittliches Leben führten, die also soffen und Rauschmittel konsumierten, die ständig wechselnde Sexualpartner hatten und viele Kinder in die Welt setzten.

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Der Großinquisitor

Freitag, 20. Februar 2009

Wie kannst du dich nur trauen, nach sovielen Jahren wieder aufzukreuzen? Und das just in dem Moment, da wir im Begriff sind, mittels deiner Lehren und Einsichten den Laden zu übernehmen. Wir berufen uns auf dich, auf die soziale Marktwirtschaft, benutzen dein Gesicht für Werbezwecke, die obligatorische Zigarre, das zerknauschte Gesicht, die in Falten gehüllten Wesenszüge des gealterten aber weisen Staatsmannes, die in deinem Antlitz deutlich werden – du bist unser Kapital. Und dann tauchst du auf, suchst dir einen öffentlichen Platz und beginnst Reden zu halten, die die Menschen nur verwirren. Nein, sag' nichts, antworte nicht. Ich habe heute schon genug von dir gehört, als du die Massen mit deinem fränkischem Dialekt aufgehetzt hast.

Die Marktwirtschaft habe den Menschen zu dienen. Nur eine solche Marktwirtschaft sei sozial. Der Staat dürfe intervenieren, damit er die Rolle des nützlichen Idioten ablegt und für das Wohl aller Bürger sorgen kann. Was du den Menschen da verkündet hast, dieses heilige Wort aus anderen Tagen dieser Republik, verwirrt uns die Massen. Verstehst du das nicht? Sie werden sich fragen, warum der Schöpfer der sozialen Marktwirtschaft so anders predigt als seine Jünger. Sie werden uns, damit alle Kultur, alle Zivilisation, jeden Fortschritt hinwegfegen, nur weil wir uns in den Lehren nicht einig sind, keinen lebenswichtigen Dogmatismus an den Tag legen. Lächel' nur, du Unerwünschter, wärst du doch nur dort geblieben, wo du warst!

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Bürgerliche Zivilcourage

Donnerstag, 19. Februar 2009

Täglich mehrmals warnt die örtliche Radioanstalt Ingolstadts vor sogenannten Blitzern, was soviel bedeutet wie: sie warnt vor allgemeinen Verkehrskontrollen. Hierzu sind die Hörer aufgerufen, eine bestimmte Telefonnummer zu wählen, um den Ort des Geschehens zu benennen, um alle daran teilhaben zu lassen, nur nicht die Polizei. Notorische Raser werden folglich durch die Allgemeinheit gewarnt, drosseln aufgrund redaktioneller Warnungen die Geschwindigkeit, entkommen einmal mehr einer Geldstrafe oder einem Fahrverbot, werden nicht zur gebotenen Vernunft gebracht, wähnen sich in Siegerpose, glauben einmal mehr immer davonkommen zu können. Man kann getrost behaupten, dass der örtliche Radiosender eine der größten Verkehrsgefahren dieser Stadt ist, so wie wahrscheinlich diverse Radiosender dieser Republik in ähnlicher Weise Gefahrenquellen darstellen.

Freilich könnte man nun einwenden, dass viele Verkehrkontrollen, insbesondere das Blitzen in schwer wahrzunehmenden Tempo 30-Zonen Gängelung ist, alleine einem ökonomischen Prinzip folgen, nämlich das Säckel der Stadtkasse zu füllen. Aber gerade diese Unterscheidung zwischen Sinn und Unsinn, zwischen angebrachter und drangsalierender Kontrolle wird vom Radiosender nicht vorgenommen; vielmehr ist es so, dass vor polizeilichen Fotografen auf gefährlichen Haupt- und Landstraßen gewarnt wird, dort wo es offenkundig ist, welche Geschwindigkeit einzuhalten sei, wo man also nicht überrascht in die Falle tappen kann. Und da man hier in jener bayerischen Großstadt mit dem höchsten Verkehrsaufkommen lebt, daher die Gefahr der Verunfallung sowieso schon erhöht ist, gefährden passionierte Bleifüße die anderen Verkehrsteilnehmer beträchtlich und verschärfen das schlechte Klima auf Ingolstadts Straßen. Eine Gefahr, die durch die Unbedachtheit des Radiosenders unterstützt und mutwillig ausgebaut wird.

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De auditu

Ein Gespenst geht um in Deutschland, jeder spricht davon, viele entrüsten sich darüber, viele sehen den Untergang des Krämerlandes gekommen, erahnen schon Hammer und Sichel über den Eingangspforten deutscher Banken. Von Enteignung wird gesprochen, vom sogenannten Enteignungsgesetz; nun würde wieder enteignet in diesen Landen, gerade einmal zwanzig Jahre nach Mauerfall. Erst enteignet man Banken, dann womöglich Unternehmen, vielleicht will man sogar Schaeffler, sollte man der derzeitigen Medienkampagne zugunsten des Maschinenbauunternehmens doch noch erliegen, teilenteignen. Welch Frevel an den guten Sitten des freien Marktes!

Enteignen, enteignen, enteignen. Dieses Wort fällt in diesen Tagen oft. Es hat einen kriminellen Beigeschmack, steht im Ruch des Entwendens, Stehlens, Raubens; es klingt nach derbem Habhaftmachen, nach einem Raubzug, nach Aktivität aus der Unterwelt. In der feinen Glanzwelt der westlichen Wirtschaft gelten Verträge. Man entwirft selbige beispielsweise für Konzerne, die mittels dieses Schriftstückes ein ruiniertes Land der Dritten Welt zu nötigen in der Lage sind, Rohstoffe möglichst preiswert ausbeuten zu lassen. Dabei weist man dezent auf mögliche Konsequenzen bei Zuwiderhandlung hin - aber alles geht seinen geordneten Lauf, den Lauf derer, die sich diese Regeln ersonnen haben.

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Geteilt und beherrscht

Mittwoch, 18. Februar 2009

Weil er seinen Lohn für zu dürftig hält, weil die Arbeitszeiten zu lang und die Arbeitsbedingungen zu schlecht sind, treibt es den Angestellten auf die Straße, treibt es ihn zum gewerkschaftlich organisierten Streik. Nun sei es an der Zeit höhere Löhne und bessere Arbeitszustände zu erzwingen. Am Rande des Geschehens steht ein Arbeitsloser, beobachtet das Spektakel, schüttelt verärgert den Kopf. Wie kann man nur in Zeiten wie diesen, in Zeiten millionenfacher Arbeitslosigkeit mehr Lohn fordern? Wieso zerstört der Angestellte mit seiner Forderung weitere Arbeitsplätze? Warum ist er nicht einfach froh, dass er überhaupt Arbeit hat?

Jener Arbeitslose geht seines Weges, verläßt diesen Ort der Demonstration, diesen Ort vermeintlicher fehlender Wirtschaftsvernunft, kehrt in seine Stammkneipe ein, auf einen Kaffee oder ein Bier. Dort angelangt beklagt er sich beim Wirt über die unerträglichen Zustände, die man hierzulande als Erwerbsloser ertragen müsse. Immer trage man den Stempel der Faulheit auf der Stirn, ja förmlich eingebrannt habe sich dieses Vorurteil, immer glauben die Menschen, man würde sich Sozialleistungen erschleichen, allerlei arglistige Täuschungen am Sozialstaat begehen. Eine in Mittagspause befindliche Alleinerziehende mokiert sich, er habe wenigstens freie Zeit, da könne man diese Vorwürfe, die ja übrigens nicht immer unbegründet sind, auch mal ertragen. Freie Zeit koste eben etwas, in diesem Falle kostet es lediglich ein zu ertragendes Vorurteil. Das sei ein gutes Geschäft, wenn man sie fragt, zumal die Arbeitslosengelder üppig auf die Konten der Bedürftigen überwiesen werden.

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Der "Think positive-Minister"

Montag, 16. Februar 2009

Wenn jemand den Bürgern wohlige Märchen erzählt, wenn jemand ihnen Heilsgeschichten und ein kleines Utopia vorbetet, wenn jemand Erleichterungen und neue Werte verkündet, wenn jemand nicht schonungslos realpolitische Sachzwänge konstruiert, die er den Menschen dann in gemäßigter Form an den Kopf wirft, dann gilt er im bundesdeutschen Politikalltag als Populist. Nach der offiziellen Lesart des Begriffes ist ein solcher Mensch verabscheuungswürdig, weil er falsche Hoffnungen schürt, in Kauf nimmt Bürger zu enttäuschen, weil er höchst unmoralisch die Notwendigkeiten verleugnet, um stattdessen eine kleine heile Welt zu propagieren.

Paradebeispiel dieser Sorte, sei ein gewisser Lafontaine, der in genau jener Weise Menschen ködert, sie einfängt und mit seinen Irrlehren gefügig macht.

Was ist aber jener adlige Spross, der nun das Wirtschaftsministerium leitet, sich täglich auf der ersten Seite diverser Tageszeitungen findet, von denen herunter er Optimismus predigt? Was ist mit seiner Aussage, wonach spätestens im Herbst der Aufschwung käme, das Jammertal durchschritten sei? Auf Fakten und Zahlen kann er sich bei letzterer Aussage nicht stützen, und selbst wenn er welche hätte, dürfte man diese nur mit äußerster Vorsicht genießen - haben doch alle Zahlenspielereien der jüngsten Vergangenheit keinen Bestand gehabt. Was niemand in dieser Phase wagt, was gar kein vernünftiger Mensch wagen kann, wagt jedoch er: Er verkündet eine Heilslehre, ein Paradies am Ende des Horizonts, verteilt kleine Stückchen Hoffnungsschimmers.

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Sit venia verbo

"Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen! Ich denke immerhin so gut von der Menschheit, daß ich glaube, dieser Spuk wäre schon längst verschwunden, wenn der gesunde Sinn der Völker nicht von geschäftlichen und politischen Interessenten durch Schule und Presse systematisch korrumpiert würde."
- Albert Einstein -

Der unnütze Esser

Sonntag, 15. Februar 2009

Der historische Rückgriff mag gewagt sein, man darf sich aber nicht scheuen, sich dessen zu bedienen. In diesem Lande wird viel von der Aufarbeitung der nationalen Geschichte gesprochen, alleine deshalb muß jeder rückgreifende Vergleich erlaubt und sogar erwünscht sein. Nur wenn wir das Heute am Gestern messen, können wir gefährliche Entwicklungen erahnen. Wer das Heute nur am selbigen mißt, wer ohne Vergangenheitsgeplänkel versucht ist, eine Bewertung des Aktuellen zu vollziehen, der kennt kein Vergleichspotenzial und wird daher in jeder noch so menschenverachtenden Erscheinung zunächst kaum Menschenverachtung wittern, sondern einfach den zwar vielleicht dümmlichen, aber durchaus legitimen Ausdruck des Zeitgeistes.

Dies nur als knappes Geleitwort; nun zum historischen Rückgriff. Als das nationalsozialistische Regime die sozialdarwinistischen Gedanken aufgriff, die schon seit mehr als drei Jahrzehnten in den Gehirnwindungen und Publikationen von Ärzten und Wissenschaftlern vorzufinden waren, als es dazu überging, Gedanken nicht nur aufzugreifen, sondern auch in physische Wirklichkeit zu transportieren - Sterilisationsgesetze für Kranke und später für sozial Schwache; danach sogar Euthanasie für sogenanntes "unwertes Leben" -, da wurde das nicht im Stillen vollzogen, sondern als Errungenschaft der Zeit gegenüber veralteten Positionen, wie der Nächstenliebe und dem Humanismus, gefeiert. Ein starker Staat müsse bedingungslos ausmerzen, müsse Schwache daran hindern, den ganzen Volkskörper zu versauen, indem sie selbigen mit schwachen Kindern versorgen. Um einen Konsens zu erzeugen, um Jahrgänge bedingungsloser Verfechter der Sterilisationsgesetze heranzuzüchten, war es für das Regime sinnvoll, schon Kinder im schulischen Alltag damit zu konfrontieren.

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