Ghettozucht

Freitag, 27. Februar 2009

Fühlt man sich von einer Gruppe oder Gemeinschaft ausgestoßen, merkt man, dass man, warum auch immer, als nicht zugehörig behandelt wird, so folgt nach dem letzten vergeblichen Bemühen, doch noch irgendwie innerhalb der Formation Fuß zu fassen, die Resignation. Kultivierte Resignation bewirkt nicht selten, dass man den neuen, einsamen Status, zu einem Stolz auf das Pariadasein erweitert. Die Mitgliedschaft in einer Gruppe oder Gemeinschaft, die sich für arrogant oder elitär genug hält, ein bestimmtes Individuum nicht aufnehmen, es gleichwertig behandeln zu wollen, ist dann gar nicht mehr gewollt. Im Gegenteil, sie wird zum Makel, weil man als Verstoßener nicht in die Rolle des Verstoßenden einrücken möchte, sofern sich die obskure Gemeinschaft doch noch dazu erbarmt, ihre Arme auszubreiten - was man am eigenen Leib erfahren hat, will man anderen Leibern nicht zumuten.

Viele Gruppierungen haben von jeher auf diesen Pariastolz aufgebaut. Fruchtbar für den Sozialstaat und die Demokratie war jener Stolz der Arbeiter, der wenigstens in seinen Anfängen, zur klaren Abgrenzung gegenüber dem bürgerlichen Snobismus bereit war. Falsch verstandener Stolz auf das Anderssein kann aber blutig entarten, wie es uns die herrschaftliche Schelte der Studentenbewegung aufgezeigt hat, bei der man um Verständnis nicht bemüht war. Der fehlgeleitete Stolz einer Handvoll Parias führte in extremen Fällen zu mörderischen Anschlägen.

Wenn man in einem Staat lebt, in dem es eine Gruppe von Menschen gibt, für die Rechtssprechung kein ethischer Maßstab für jeden Einzelnen mehr ist; wenn also die Gruppe treiben darf was sie will, ohne dafür hinreichend belangt zu werden, während man Millionen von Menschen von dieser milden und großherzigen Justiz aussperrt, sie aufgrund geringfügiger Verdachtsmomente – nicht Vergehen, denn es reicht schon der Verdachtsmoment! – sanktioniert; wenn man also die illustre Gruppe abgrenzt, die die andere Gruppe, die der Ferngehaltenen und Deklassierten, sogar noch mit deren herrschaftlichen Instrumenten für Vergehen und Verdachtsmomente bestraft, die im viel größeren Stile innerhalb der Bessergestellten begangen werden, dann darf man sich nicht wundern, wenn eines Tages ein neuer Stolz erwacht, der sich des Andersseins, der Ausgeschlossenseins, des Benachteiligtseins bemächtigt.

Wenn man sein ganzes Leben erlebt hat, dass Menschen aus der eigenen Gesellschaftsklasse, die aus einem beliebigen Grunde vor Gericht stehen, meist als Verlierer aus einem Prozess kommen, während Bessergestellte das Victory-Zeichen in eine TV-Kamera halten; wenn man täglich mitbekommen hat, wie man den Alkoholismus einiger Zeitgenossen aus der eigenen Klasse als Untermenschentum, als Anzeichen einer Schmarotzerexistenz abtut, während der Suff aus höheren Kreisen als Galadinners oder Bankette durchgehen, wobei der höhergestellte Alkoholiker ansonsten gar nicht behelligt wird; wenn man ertragen muß, dass jeder Person aus der eigenen gesellschaftlichen Schicht beinahe alles Angesparte als Vermögen angerechnet wird, sofern sie in die Fänge des SGB II gerät, während sogenannte Leistungsträger Milliardenzuschüsse erhalten, damit sie ihr Versagen hinter diesen Bergen aus Geld verstecken können – wenn man diese und noch weitere Auswüchse der Ungleichheit erkennt, dann will man mit denen da Oben, mit den sogenannten Eliten, nichts mehr zu tun haben.

Man wendet sich voller Ekel ab und verwirft das Gesellschaftsbild, das manche Eltern versucht haben, einem einzubläuen – nämlich, dass man fleißig, zielstrebig und ehrlich sein muß, um vielleicht irgendwann einmal in den Kreis derer vorzustoßen, die derart bevorteilt leben, um zumindest aber einen Zipfel des üppig gedeckten Tischtuches zu erhaschen. Man will es gar nicht mehr, man will dieser Riege von Herrenmenschen nicht mehr zugehören – man wird stolz auf das eigene, auch wenn es wenig zu bieten hat, wenn es eigentlich kläglich ist. Diese resignative Einsicht, die sich zu neuem Stolz kultiviert, findet sich in vielen Ghettos dieser Welt – der Stolz armer junger Schwarzer in Stadtvierteln, in denen die ganze Armut des reichsten Landes der Welt geparkt scheint, ist Ausdruck einer solchen Mentalität. Man ist stolz auf die Klasse, der man entspringt, selbst dann, wenn es in dieser vor Not, geistiger Stumpfheit und Antriebslosigkeit nur so wimmelt.

Etymologisch betrachtet, entstammt der „Stolz“ dem lateinischen Wort „stultus“, was soviel bedeutet wie „töricht“ – Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Unangemessener Stolz wirkt nicht nur dumm und töricht auf andere, er kann auch zu himmelschreienden Dummheiten hinreißen. Ein solcher resignativer Stolz, der sich von den Bessergestellten abwendet, führt dann zuweilen zu kriminellen Strukturen, läßt eine Subkultur entstehen, in der gesellschaftliche Institutionen, die Polizei und Justiz, nichts mehr zu melden haben. So konnte man es während des Risorgimento auf Sizilien beobachten, als eine sizilianische Subkultur Fuß faßte, die sich gegen die herrenmenschliche Elite aus Norditalien organisierte; so kann man es noch heute in diversen New Yorker Stadtteilen erkennen.

Wenn Gesetzgebung, wenn Sozial- und Arbeitsrecht, wenn moralische Kategorien, wenn das ganze Klima innerhalb einer Gesellschaft einseitig erfüllt ist, dann erzieht sich diese Einseitigkeit sicherlich keine demokratisch gesitteten Menschen heran, sondern Parias, die früher oder später ihren gesellschaftlichen Stand nicht mehr als Bürde, sondern als Motiv des Stolzes herausarbeiten werden. Ein Stolz, der von den höheren Klassen nicht verstanden wird, nicht verstanden werden will, und daher zu irrgeleiteten Aktionen verführen kann. Diese Form des Pariadaseins ist kein humanistischer Gegenentwurf zur inhumanen Gesellschaft - er ist vielmehr das Spiegelbild, eine Karikatur des legalen Unrechts. Eine derart einseitige Einseitigkeit, wie sie dieser Staat mehr und mehr erlebt, erzeugt Aussperrung und ghettoisiert. Ghettos und die darin vorzufindende Mentalität, werden nicht auf architektonischen Reißbrettern entworfen – sie werden durch eine überall greifbare Einseitigkeit, die die gesamte Gesellschaft durchdrungen hat, vorbereitet. Subkulturen werden nicht geplant, sie sind Reaktion. Wenn eine Gesellschaft das Augenmaß verliert, wenn sie den Anspruch vollends aufgibt, jeden Menschen gleich zu behandeln, dann liefert sie sich einer Gesellschaft in der Gesellschaft aus. Man blicke auf die italienische Geschichte, auf die Generationen italienischer Politiker, die sich selbst bevorteilten - und dann blicke man auf das höllische Ausmaß an Subkultur, blutiger Subkultur wohlgemerkt.

17 Kommentare:

Anonym 27. Februar 2009 um 01:04  

Hi, Roberto,

du sprichst mir aus der Seele!

Diese Subkultur existiert jedoch bereits. Ich kenne einen ganzen Haufen türkischer Migranten, die wahnsinnig Stolz auf ihre Herkunft sind und auch Stolz darauf, von den elitären Laffen als Abschaum betitelt zu werden! Ja, sie sonnen sich gerade zu darin, da dies für sie auch eine Art von Anerkennung ist.

Als Sozialgeldempfänger oder Hartzer wirst du früher oder später Stolz auf deinen Status entwickeln, weil diejenigen, die als 'Nicht vermittelbar' gelten, eigentlich diejenigen sind, die sich von dem System nicht haben kaufen oder verarschen lassen!

Ein Unrechtssystem hält normalerweise nur solange, wie diejenigen, die ständig das Unrecht begehen, nicht den Fehler machen, einer Person der Unterschicht doch tatsächlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Geschieht dies einmal, kommt es zu bewaffneten Übergriffen derjenigen, die weiterhin geknechtet wurden. Das Ergebnis kennen wir von Frankreich 1789!

Genauso wird es auch in diesem Land passieren, wenn die Großkopferten nicht endlich damit aufhören, sich ständig zu Bevorteilen. Nur: Je länger sie warten, umso dünner wird das moralische Eis, auf dem sie wandeln. Und wenn es bricht, fällt die Fassade der Zivilisation von den geknechteten Sklaven ab und es kommt zur blutigen Revolte.

Das, was dann noch übrig bleibt, wird sich jahrhundertelang nicht mehr Elite nennen dürfen. (Und genau eine solche Art Fall hatten wir auch nach dem 3. Reich.) Das sie es früher oder später dennoch wieder versucht, deutet für mich darauf hin, daß in diesen Elitenfamilien eindeutig ein Gen sein muß, daß diese Familien zu solchen inhumanen Taten geradezu drängt.

Es gibt übrigens einen älteren, sehr guten SF-Film zu dem Thema: "Aufstand der Untermenschen". In dem kommt es in einem NWO-System schließlich zu einer Revolte, als die Arbeiter erkennen, wie sie verarscht werden. Jedoch killen sie nicht die komplette Elite, sondern nur deren Anführer. Der Held (und Heldin) begründen daraufhin eine neue Dynastie von Herrschern, die das System ins Licht führen sollen. (Leider scheitern sie nicht schon in der Anfangsphase, aber da hört der Film leider schon auf!)

Das Problem ist hierbei: Unsere heutigen Eliten sind genau jene Untermenschen aus vergangenen Zeiten, die nun die herrschenden Dynastien stellen. Lösen wir sie über Gewalt ab, ändert sich nichts. Es wird nur wieder alles einige Jahrtausende nach vorne verschoben.

Löst man das Problem jedoch kritisch und mit logischen Sachverstand, ohne auch nur einen einzigen dieser Leuteschinder zu verletzen oder zu töten, könnte man wirklich etwas ändern. Aber solange man Gewalt benutzt, werden die Untermenschen immer Scheitern.

MfG

Ps.: THX for the mail!

Anonym 27. Februar 2009 um 11:43  

Andreas: "Lösen wir sie über Gewalt ab, ändert sich nichts."

Ach nun jaaaa... so eine kleine Revolte... ;-)

Auf jeden Fall bin ich für riesige Demonstrationen, selbst wenn dabei mal was zu Bruch geht. Aber wer geht da hin? Werden nicht allzu viele Menschen ruhig gestellt durch die gleichgeschaltete Presse und verblödende Sendungen? Die Umfragen ergeben immer noch gute Zensuren für die Regierung. Nun ja - ich weiß nicht, wie repräsentativ diese Umfragen sind oder wie sehr geschönt. Aber warum wurde in Hessen jetzt die CDU gewählt? Weil sich ein genügend großer Teil der Leute von der Presse irreführen lässt.

Ich weiß ja, das klingt immer so überheblich: Alle sind doof, nur ich nicht.

Aber wenn die Mehrheit nicht blöd ist, warum ist dann alles so ruhig hier?

Nein, ich bin kein jugendlicher Hitzkopf sondern so gegen Ende 50. Deshalb kann ich mich aber gut an die Siebziger erinnern, wo solche Verhältnisse wie heute völlig unmöglich gewesen wären!! Anstatt nur an tolle Klamotten und Statussymbole zu denken, haben wenigstens die Studenten gegen den Muff unter den Talaren aufbegehrt. Natürlich gibt es heute auch denkende Menschen, auch junge. Nur, mir scheint, es sind nicht genug.

Schon allein dass diese Richterin, die die Kassierein bei Kaiser's auf einen VERDACHT hin verurteilt, nicht als befangen abgelehnt wird! Sie gibt Seminare im ´FORUM - Institut für Management GmbH´. Am 1.4. dieses Jahres organisiert dieses ein Seminar über „Die besten Kündigungsstrategien - So beenden Sie effektiv Arbeitsverhältnisse“.
Themen darin: Geeignete Kündigungsgründe identifizieren; Wie kündigt man ´Unkündbare´?

(Nachzulesen in den NachDenkSeiten von gestern, Hinweise des Tages, Nr. 9 'Heribert Prantl: Urteil gegen Kassiererin - Justiz und kleine Leute'.)

Ein Volk, das all dies an sich vorbeirauschen lässt und lieber Germany's next Topmodel glotzt - hat das etwas Besseres verdient?

Ich hab jetzt hier nur auf Andreas' Thema "Gewalt" reagiert, nicht auf "Stolz". Das stimmt, es gibt den Stolz der Ghettoisierten und Abgehängten. Das ist traurig. Sie sollten sich befreien, dann hätten sie wirklich Grund, ein bisschen stolz auf sich zu sein. Wir sollten ihnen bei der Befreiung beistehen. Dann hätten auch wir Grund, uns gut zu fühlen. Dann würde es uns ALLEN besser gehen.

Anonym 27. Februar 2009 um 12:59  

Was dabei vergessen wird: Den Eliten kann dieser Stolz nur recht sein, d.h. nämlich nichts anderes, dass sich die armen Schweine damit abgefunden haben auf immer und ewig unten zu bleiben und zu stolz sind aufzusteigen. Das geht soweit das gleichgesinnte die "nach oben" wollen von ihren eigenen Leuten getrietzt werden. Siehe Unterschichtenkinder die studieren oder auf höhere Schulen gehen, die werden von ihren Ghettokollegen als Verräter angesehen und entsprechend behandelt.

Was besseres kann den Eliten gar nicht passieren, man muss die stolze Unterschicht nur genau beobachten und in Schach halten falls irgendwann einer von denen aufmucken sollte.

Wenn sich Stolz in einer miesen Situation breit macht, hat man die Chance zum Aufstand längst verpasst.

Anonym 27. Februar 2009 um 12:59  

Meine ganze Hochachtung. Ein genialer Artikel. Vielen Dank!

Anonym 27. Februar 2009 um 13:19  

Hallo Roberto,

ich bin mir nicht sicher, ob du hier alle Gruppierungen außerhalb der Elite und der (gehobenen) Mittelschicht ins Auge fasst.
Denn deine Analyse klingt stellenweise pauschalisierend, obwohl ich dir eine solche Absicht nicht unterstellen will.
Es gibt sehr viele Menschen aus den sogenannten unteren Schichten, die aus anderen, persönlichen Motiven heraus ihren Stolz entwickelt haben. Ja sie sind stolz darauf nicht dazuzugehören zu einer Gesellschaft ohne Rückrat, Solidarität und Mitgefühl.
Ja sie sind auch stolz darauf, dass sie von klein auf gelernt haben, hart zu arbeiten, mit etwas weniger auszukommen und auch zu teilen. Kurzum sie sind stolz darauf zu wissen, dass sie in der realen Welt leben und nicht in der Scheinwelt der Eliten.

Und auch die sogenannte Parallelgesellschaft der Migranten ist längst nicht so homogen, wie sie vielleicht von aussen erscheint. Die meisten türkischen Einwanderer aus der 1. und 2. Generation bekkennen sich ganz deutlich zur Demokratie, zum Rechtsstaat usw. Gesellschaftlich reicht das Spektrum von moden-liberal bis religiös-konservativ. Problematisch sieht es wohl bei der 3. Generation aus, also den Kindeskindern. Denn wenn man genau hinsieht, offenbart sich hier wohl das gleiche Dilemma, das auch in deuschen Familien herrscht: Der finanzielle Druck nimmt zu. Die Eltern sind bei der Erziehung häufig überfordert. Schliesslich entziehen sich die Kinder der Kontrolle und verkümmern oder verrohen. Aber auch hier kann und darf man nicht von einzelnen auf die Gesamtheit einer Gruppe schliessen: Denn laut Statistik gehen heute mehr türksiche Grundschulabgänger aufs Gymnasium, als in meiner Generation.

Anonym 27. Februar 2009 um 16:48  

Worauf ich stolz wäre: Mensch geblieben zu sein in einer zunehmend unmenschlichen wirtschaftspolitischen Gesellschaft, nicht zu einem neoliberalen Drecksack mutiert zu sein.
Hinter dem Begriff "Elite" steckt häufig allzu oft einfach Gesindel.

Wer Menschen als Parasiten bezeichnet, der ist ganz unten angelangt: in der Kloake, beim Abschaum.

Stolz sein heißt auch für sich und andere Leidensgenossen verantwortlich zu sein, von den 'Eliten' Verantwortung einzufordern, sich nicht im Nichts einzurichten, sondern für seine Rechte, ja, auch die Menschenrechte zählen hierzu, zu kämpfen.
Dafür ist die Kassiererin von Kaiser's Tengelmann ein Beispiel. Allerdings offenbart der Fall wiederum die Maßlosigkeit einer menschenverachtenden Klassenjustiz, die von den politischen für die wirtschaftlichen Machthaber zur Ausbeutung der Arbeitnehmer geschaffen wurde.

Wer stolz ist, der steht auf, der jagt das Gesindel davon:

"Herrschaften, so nicht!"

Anonym 27. Februar 2009 um 18:24  

Also, ich hab da mit dem stolz sein, so meine Probleme. Mir ist das einfach zu anthropozentrisch.

Was soll das überhaupt - stolz sein?

Da sind die Leute stolz darauf ein Deutscher zu sein, oder sie sind stolz, es zu etwas gebracht zu haben - ja zu was denn?

Für mich bedeutet dieses Erdendasein, so wenig wie möglich Schaden anzurichten. Denn ich bin ein Teil dieser Welt.

Vom Menschen gemachte Kategorien wie Stolz, Hegemonie oder Hass betonen nur, dass dieser Winzling "Mensch" sich heraus heben will.

Aber, es steht ihm nicht zu - und es bringt Menschen und Welt nur Ungemach.

Meine Devise: Schau dir jeden Tag an. Wie lebst du? Welchen Chancen lässt du anderen (anderen Lebewesen, dem Fleckchen Erde, dem Raum)?

Stolz hat darin keinen Platz, höchstens Solidarität.

Anonym 27. Februar 2009 um 18:39  

Lieber Roberto,

dieser Text macht mich sehr betroffen. Die Angst und die Wut dieser Menschen schreit mich Lauthals an. Denn deren zur Schau gestellter angeblicher Stolz ist ja letztendlich nichts anderes als ein Hilfeschrei.

@ Marlies
"Ach nun jaaaa... so eine kleine Revolte...,-)"

Hört sich für mich nach "Ein kleiner Führer könnte nicht schaden" an. Es wird dabei immer vergessen, dass der "große Führer" auch einmal klein war. Aus einer kleinen Revolte kann im Nu eine große werden...
Ob ich das dann wirklich wollte, würde ich mir dann doch noch mal überlegen.

Der Sichtweise von Andreas E. möchte ich mich anschließen, so differenziert auf den Punkt gebracht hätte ich es gar nicht ausdrücken können.

Liebe Grüße
Margitta Lamers

Anonym 27. Februar 2009 um 20:04  

Margitta: WAAAAAS????
Kleiner Führer?
Wie kommst Du um Himmels Willen denn DARAUF?

Ich rede von einem Aufstand der Rentner mit Krücken und Rollatoren gegen die Rentenpolitik - der Studenten gegen die Bildungspolitik - der Arbeinehmer gegen Niedriglöhne - der Arbeitslosen gegen Hartz IV.

Was hat da ein kleiner Führer zu suchen?

Ihr solltet hier wirklich mal mit diesem Unfug aufhören, jeden immer gleich der Führerei zu bezichtigen. Das ist doch kein Ergebnis eines DENKprozesses.

Anonym 27. Februar 2009 um 21:39  

@Marlies
Das heutige Problem hierbei ist, daß die Unterschicht mittlerweile wirklich wieder einen leblosen Stolz auf ihren Status entwickelt.

Und ich gebe auch für mich zu: Ich gebe zu, nicht diesem schein-elitären, selbstgerechten Establishment anzugehören! Ich bin Stolz drauf, Sozialgeld zu kriegen (ok, bin arbeitsunfähig).

Aber der Haken an der Sache ist, daß es ausgerechnet die Eliten sind, die wieder einmal nach einem Führer schreien (und sei es nur ein Kleiner). Daß das einfache Volk keinen neuen Führer braucht und will, wissen die Eliten. Und genau darin liegt nämlich ihr Problem:

Nicht der kleine Bürger ist Obrigkeitshörig (wie allzu oft behauptet wird), sondern der elitäre Schnösel braucht jemanden, dem er sich unterwerfen kann (deshalb im vergangenen Jahr auch die parteiübergreifende Stauffenberg-Kampagne).

Wenn jemand aus der Unterschicht Stolz darauf ist, sich nicht dem System unterworfen zu haben, daß ihn ausbeutet und ihm die Menschlichkeit nimmt, hat er jedenfalls direkt meinen Segen.

@Margitta
Man kann die Welt nur in Frieden verändern. Jede Veränderung, die durch einen Krieg/Bürgerkrieg erzwungen wurde, löste sich im allgemeinen in weniger als 50 Jahren wieder in Wohlgefallen auf.

Der friedliche Kampf ist schwerer als der bewaffnete. Und solange die Elite nicht auf die Schwächeren im System von ihrem Militär & ihrer Polizei schießen läßt, bin ich der Meinung, daß wir es nach Ghandis Grundsatz schaffen können:

Wenn du etwas ändern willst, so versuche dich immer in deinen Gegner zu versetzen. Damit du seine Angst verstehst, die er vor dir hat, wenn er gegen dich die Hand erhebt.

Nicht einmal die Inder haben damals verstanden, worauf er eigentlich hinaus wollte. Sonst hätten sie sich Bhuto erspart und wären gleich zum richtigen System über gegangen (und hätten ihre Kasten gleich mit abgeschafft).

Man kann einen Krieg gegen einen übermächtigen Feind auch ohne Kriegsgerät und Waffen gewinnen. Man benötigt nur einen klaren Verstand: Und ein festes Ziel vor Augen.

Ich möchte die Welt ändern, aber friedlich. Auch wenn ich dafür, für mich persönlich, kämpfen muß. Aber das Wort war schon immer tödlicher als das Schwert. Also haben wir eine Waffe, die man uns nicht nehmen kann - und gleichzeitig eine, die, gut eingesetzt, mehr Änderungen bewirkt als es ein Bürgerkrieg tun könnte.

Wollen wir eine neue Herrschaftsdynastie von selbsternannten Eliten - oder wollen wir wirkliche Freiheit?

Ich persönlich stehe für das zweite ein, auch wenn es heißt, jeden Morgen mit genau jenen selbsterklärten elitären Geistern kämpfen zu müssen, die einfach zu verstockt sind, um zu kapieren, daß sie den angezettelten Krieg bereits verloren haben!

Nur wir selbst werden ihn verlieren, wenn wir zu den Waffen greifen! Wurscht jetzt, ob mit oder ohne neuen Führer!

MfG

Anonym 27. Februar 2009 um 22:28  

@ Anonym 27. Februar 2009 18:24

"Von Menschen gemachte Kategorien wie Stolz, Hegemonie oder Hass betonen nur, dass dieser Winzling "Mensch" sich heraus heben will."

Stolz und Hass gehört in die Kategorie "Gefühle" und die sind in jedem Menschen angelegt.

In dem Buch "Du sprichst von Nähe"
von Kristiane Allert-Wybranietz,
findet sich zum Thema Gefühle ein Text mit der Überschrift "Eine Geschichte" Die Autorin lässt darin die Gefühle ein Gespräch führen und ersetzt Gute und Schlechte Gefühle durch Echte und Unechte Gefühle.
Sehr empfehlenswert.

Hegemonie mit Stolz und Hass in eine Reihe zu bringen, ist meines Erachtens wie Birnen mit Äpfel zu vergleichen.

Liebe Grüße
Margitta Lamers

Anonym 28. Februar 2009 um 01:24  

@ Andreas E.

Danke, dass Sie (fast hätte ich Du geschrieben, so vertraut sind mir diese Gedanken) mein Denken in so klare Worte gebracht haben. Leider gelingt es mir fast nie mein Denken und Fühlen in aussagekräftige Worte zu fassen und werde deshalb oft missverstanden, außer von den wenigen, die mich sehr gut kennen.

Ich habe das Gefühl, dass auch hier ein Missverständnis vorliegt, denn nichts liegt mir ferner als nach einem Führer zu rufen. Was ich zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass man mit Wünschen dieser Art egal ob nach einer kleinen Revolte oder einen kleinen Führer vorsichtig sein sollte. Der Wunsch könnte sich ja erfüllen und ungewollte Ausmaße annehmen.

Und es sind sehrwohl Menschen aus dem einfachen Volk, welche nach einem kleinen Führer rufen. Fatalerweise Menschen die solche Zeiten noch erlebten oder kurz nach diesen Zeiten geboren wurden.
Sie wollen diese Zeiten nicht wirklich erleben, da bin ich mir ganz sicher. Wünsche dieser Art unbedacht geäußert, bringen jedoch negative Energien in die Welt und die brauchen wir nun wirklich nicht, davon haben wir mehr als genug.

Ich für meinen Teil habe noch nie andere über mein Leben und mein Tun bestimmen lassen und das werde ich jetzt mit fast 60 Jahren auch ganz bestimmt nicht zulassen.

Liebe Grüße
Margitta Lamers

Anonym 28. Februar 2009 um 08:38  

Ich glaube, es wäre schon sehr viel getan, wenn Arbeiter den großen Anschiss begreifen würden und endlich stolz darauf wären, Arbeiter zu sein, egal, ob eingeborener oder eingedeutschter. Stolz muss nicht zwangsläufig in Kriminalität abgleiten. Stolz, zu der Klasse zu gehören, die den großen Anschiss beenden wird (auch wenn es momentan nicht so aussieht)
halte ich für gesunden, produktiven Stolz. Denn wie soll einer begreifen, in welcher Lage er sich befindet, wenn er sich selbst anspuckt? Und dass sich an unserer Situation etwas ändern wird, wie hier mehrfach gesagt, auf dem Wege der Reförmchen, daran glaube ich nicht. Auch wenn ich meine kleinbürgerliche Angst vor großen Veränderungen habe, ich wünsche sie, und ich wünsche den Arbeitern Stolz, viel Stolz auf sich und auf das große Werk, das vor ihnen liegt.

Anonym 28. Februar 2009 um 15:55  

Moin!

Sehr gelungener Artikel mal wieder Roberto. *Beifall*

Der einzige Punkt der mir etwas aufstößt ist die Sache mit dem "Stolz", der wird ja nicht zu Unrecht in den Kommentaren diskutiert.

Selbstachtung! Das ist das worauf es ankommt. Mit Selbstachtung ist auch ein gewisser Stolz verbunden. Wer sich selbst achtet sollte auch den Anderen achten. Wer sich selbst nicht achten kann, kann auch keinen Anderen achten. Und genau das läuft bei Stolz dann gerne schief. Dann gibt es Stolz aber keine Achtung, keinen Respekt, weder vor sich selber noch vor dem Anderen. Stolz dient dann dazu das Fehlende zu kaschieren.

Wobei Stolz eine Schutzfunktion aber auch eine Angriffsfunktion haben kann (auch ein Angriff kann aber eine Schutzfunktion beinhalten).

Kurzum: ein ganz schwieriges Thema.
Mir wäre es auch am liebsten, wenn endlich mal was passieren würde. Mit so wenig Schaden wie möglich. Je länger das Ganze hingenommen wird umso unwahrscheinlicher ist IMHO eine "friedliche Revolution". Irgendwann ist das Faß am Überlaufen, aber dann läuft es. Da sind mir die ihre Krücken schwingenden und Rollstuhlfahrenden Renter am liebsten, zu denen auch mich zählen und hinzugesellen würde.

Nur: es passiert nix. DAS macht mir am meisten Angst. Ist das Ruhe vor dem (maßlosen) Sturm oder doch nur ganz harmlos? Ich weiß es nicht.

Anonym 28. Februar 2009 um 18:59  

Mir scheint hier wird zum Teil Stolz mit Klassenbewusstsein verwechselt und das noch als Ghettozucht verunglimpft.

Beim Umgang mit sogenannten Eliten orientiere ich mich lieber an 'Herr Puntila und sein Knecht Matti'.

Anonym 28. Februar 2009 um 20:38  

http://www.youtube.com/watch?v=Je-w2XtjEUo

Anonym 11. Februar 2010 um 14:37  

Guter Beitrag, nur Absatz zwei muss ich widersprechen!

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