In nuce

Montag, 23. Februar 2009

Schon desöfteren wurde hier darauf hingewiesen, dass ein sauberer Schnitt nach 1945 nie stattfand, dass das Heute noch, diese Gegenwart also, fest verankert in der Vergangenheit ist. Dieses Projekt, ad sinistram, widmet sich in großen Stücken dieses Denkens, will immer wieder daran erinnern, dass die dunklen Jahre nicht isoliert dastehen, sondern schon vorher in den Köpfen der Menschen entstanden, so wie sie auch nie ganz verworfen, sondern nur verschwiegen und vergessen gemacht wurden. Diese Einsicht wird dann und wann offenbar, wie auch kürzlich, als die Times berichtete, dass der Contergan-Skandal als Produkt der nationalsozialistischen Forschung einzustufen sei. Wer die Geschichte der deutschen Ärzteschaft und der dazugehörigen Wissenschaft kennt, den wird das freilich nicht überraschen. Was da an Giftstoffen und Teufelswerken erfunden, an Unmenschlichkeiten betrieben wurde, wird mit Worten nie ganz begreifbar zu machen sein. Demnach sei Thalidomid als Gegengift gegen Nervengifte, vom nationalsozialistischen Wissenschaftler Otto Ambros, entwickelt worden. Dieser ging nach Kriegsende zur Chemie Grünenthal GmbH, welche 1957 das Beruhigungsmittel Contergan auf den Markt brachte. Wahrscheinlich wurde Thalidomid demnach bereits zu Kriegszeiten an Menschen versucht - an KZ-Häftlingen?
Mit einer Entdeckung, die an Kriegsgefangenen und KZ-Insassen erprobt wurde, Karriere machen? Es klingt unmöglich, aber es gab in der Nachkriegszeit gar medizinische Wissenschaftler, die in Kriegszeiten im Konzentrationslager Versuche leiteten und auf diesen Versuchen ihre spätere bundesrepublikanische Karriere begründeten. Selbst Schädelsammlungen, die in solchen Höllenlagern zusammengehortet wurden, galten eine Weile als moralisch völlig unbelastet, weil die Menschen so oder so ermordet worden wären und weil Wissenschaft ja nicht ethisch sein darf. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die medizinische Wissenschaft ist und bleibt vom Nationalsozialismus gesudelt, das wissenschaftliche Heute ist nicht vom Gestern zu trennen...

Einige Worte zu des Deutschen liebster Tageszeitung. Wieder einmal, aber man darf sie einfach nicht ignorieren, denn zu sehr beeinflußt sie das Klima dieses Landes. Was derzeit an Plattheiten und windigen Reportagen dort vertrieben wird, dürfte selbst hartgesottenste BILD-Leser so noch nicht erlebt haben. Mal die übliche durchsichtige Hetze gegen Randgruppen beiseite schiebend: So berichtet man über Führerwinde und positioniert sich politisch derart, dass man nicht einmal davor zurückschreckt, den iranischen Präsidenten als Irren zu bezeichnen. Von dem kann man halten was man mag, aber eine derartige Bösartigkeit innerhalb der Berichterstattung ist schon sehr plump. Andere Staatsmänner, solche aus Texas, die ganze Weltregionen ins Chaos stürzten, die Blut an ihren samtweichen Händen haben, hätten die Dieckmann-Boys nie so benannt. Und damit die obligatorische Bigotterie der BILD nicht zu kurz kommt, hegt Franz Josef Wagner, Mitglied der anonymen Intellektuellen, die also ihren Intellekt in privaten Runden suchen, Verständnis für karnevalistische Alkoholorgien. Er schreibt, oder vesucht es zumindest: "Was ist der Vorteil, berauscht zu sein? Es ist die Sehnsucht, Träume zu erhaschen – ein fiktives Paradies." - Und gleichzeitig hetzt seine Zeitung, dann und wann, wenn ihn der Hass auf Entrechtete packt, auch er selbst, gegen all jene, die ihren SGB II-Regelsatz in Alkohol investieren. Selbst wenn dieses pauschalisierte Denken grundverkehrt ist, muß man doch in der Logik der Volksverhetzer fragen: Ist es kein Vorteil berauscht zu sein, wenn man diese Hetze nicht mehr erträgt, wenn man sich wie der letzte Dreck vorkommt? Ist da das Bier nicht die Sehnsucht des ALG II-Beziehers, ein kleines bisschen Paradies zu erhaschen?
Diese Tageszeitung ist kaum mehr zu ertragen und der Schlüssel zum Umdenken liegt vorallem darin, dieses Machwerk irgendwie zum Einsturz zu bringen, dafür zu sorgen, dass immer weniger Menschen diesen zu Druckerschwärze gewordenen Haufen Dreck, lesen. Aber wie?

Die Wirtschaftskrise rettet Leben. Wer hätte das gedacht? Weil das staatliche Töten in den USA hohe Kosten verursacht, weil zudem die Kassen in Zeiten der Krise leer sind, werden wahrscheinlich einige Bundesstaaten die Todesstrafe abschaffen, zumindest aber einstellen. Hier, auf dieser Webpräsenz, wird immer wieder auf den ökonomischen Faktor des Menschen hingewiesen, dass er also immer mehr zum Gegenstand degradiert wird, den man einzig nach Kosten und Nutzen bewertet. Hier trifft dieses funktionalisierte Denken ebenso zu. Auch wenn die abgeschaffte Todesstrafe für die betroffenen Verurteilten ein Grund zur Erleichterung sein mag: Man hat sie - die Verurteilten - mit dieser Entscheidung einem rein ökonomischen Muster unterworfen. Philosophisch gesehen hat man sie womöglich unwürdiger behandelt, als bei einem Prozessmarathon, der über Tod oder Leben entschieden hätte. Auch wenn es zynisch klingt: Das Töten aus ethischen Gründen, war demnach vielleicht ein würdevolleres Auseinandersetzen mit dem Verurteilten, als das blanke Abschaffen der Todesstrafe aus ökonomischen, d.h. unpersönlichen Gründen. Freilich muß man sich darüber nun nicht philosophisch entrüsten, sollte lieber hoffen, dass diese Entscheidung aus falschen Gründen, irgendwann die richtigen Gründe in die Köpfe betoniert. Vielleicht heißt es dann einmal nicht mehr, dass man Menschen nicht aus Geldgründen nicht mehr töten darf, sondern weil der Mensch den Menschen nicht töten soll, weil Seinesgleichen ihm heilig zu sein hat, egal was er auch verbrochen hat. Ethisch einwandfreie Resultate werden aber durch unmoralische Begründungen zweifelhaft...

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