De dicto

Montag, 9. Februar 2009

"Als jüdischer Emigrant aus Fürth brachte es Henry Kissinger (85) in USA zum Außenminister, Friedensnobelpreisträger, Geschichtsprofessor in Harvard. 1990 unterstützte er die Wiedervereinigung. Jetzt hat ihn die Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Ewald-von-Kleist-Preis ausgezeichnet – für „außerordentliche Verdienste“ um Frieden und deutsche Einheit.
BILD meint: Thank you, Henry!"
- BILD-Zeitung, Gewinner / Verlierer vom 9. Februar 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Der Vielgelobte galt als Hardliner im Vietnamkrieg. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 1968 und 1972 verschleppte er Friedensverhandlungen, zog damit den Krieg künstlich in die Länge. So galten auch 1968 und 1972 als jene Jahre des Vietnamkrieges, in denen es die meisten Opfer zu beklagen gab - die Hälfte aller Opfer des Vietnamkrieges starben in diesen zwei Zeitspannen. Um den Ho-Chi-Minh-Pfad, ein logistischer Trampelpfad durch die Dschungelwelt Vietnams, Kambodschas und Laos', zu unterbrechen, überredete der nun prämierte elder statesman Präsident Nixon, die beiden letzteren Nachbarländer Vietnams in den Krieg mitzureißen, indem man beide massiven Bombardements aussetzt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ersichtlich, dass der Krieg in Vietnam verloren war, doch der mit dem Ewald-von-Kleist-Preis Ausgezeichnete vereinbarte mit Nixon, dass mit dieser Art Politik, mit dem Bombardieren bis dahin neutraler Länder, der Krieg mit "mehr Würde" verlorenginge. Eine Million tote Zivilisten waren hernach der Preis dieser "würdevollen Kriegsführung" - und das Staatsgefüge Kambodschas war derart ruiniert, dass sich der Steinzeitkommunismus des Pol Pot ohne nennenswerte Gegenwehr durchsetzen ließ. Die killing fields sind damit Folge der Bombenpolitik Kissingers. Simon Hersh schreibt 1983: "Wenn unsereins nicht einschlafen kann, zählen wir Schafe, doch Kissinger muss bis ans Ende seiner Tage verbrannte und verstümmelte kambodschanische und vietnamesische Säuglinge zählen."
Wir meinen: Thank you, Henry!

Als die US-Amerikaner ihren 11. September noch nicht hatten, da war Kissinger aktiver Part einer Politik, die den 11. September in ein anderes Land trug. Am 11. September 1973 wurde unter maßgeblicher Hilfe des CIA, der demokratisch gewählte Präsident Chiles, Salvador Allende, aus dem Amt geputscht. Installiert wurde ein faschistoides Regime unter der Führung des General Augusto Pinochet. Oppositionelle wurden noch am Tage der Machtergreifung verfolgt, verschleppt und getötet. Das Regime hielt sich beinahe zwei Jahrzehnte an der Macht und biederte sich durch neoliberale Reformen im eigenen Land - die heute immer noch Geltung haben und weitergetrieben werden - an die US-Ökonomie an. Der große alte Mann der US-Außenpolitik galt als größter Verfechter dieses Ruhmesblattes US-amerikanischer Interventionspolitik, selbst dann noch, als er nach und nach erfuhr, dass die neuen US-Vasallen foltern ließen und Konzentrationslager unterhielten.
Wir meinen: Thank you, Henry!

Und dann ist da noch Osttimor, für welches man dem indonesischen Präsidenten Suharto freie Hand ließ, der umgehend eine Invasion startete, bei der 200.000 Zivilisten ums Leben kamen; oder: die Weigerung Kissingers, den Putsch in Bangladesh zu verurteilen und zu vermitteln - 500.000 Tote hatte dieses Schweigen gekostet.
Wir meinen immer wieder: Thank you, Henry!

Das ist die Art der Berichterstattung, wie wir sie zuhauf finden; eine Berichterstattung, die für die Massen konzipiert ist, um selbige mit allerlei "heile Welt" zu beweihräuchern, ihr Sand in die Augen zu streuen. Da wird ohne Schamgefühl ein Kriegsverbrecher ausgezeichnet, was schon schlimm genug ist, nur um danach auch noch ganz wertneutral - eher noch parteiisch pro Kriegsverbrecher - zu berichten. Ein Schreibtischtäter der schlimmsten Sorte, eine Gestalt des 20. Jahrhunderts, ein blutbeschmierter Menschenschlächter, der freilich die Waffe nie selbst erhob - das ist Henry Kissinger. Aber den Menschen der westlichen Demokratien sollte man das nicht zu offen mitteilen, weil sie daraus schlußfolgern könnten, dass auch eine Demokratie Tyrannen und Mörder hervorbringen kann - und dann wäre, auf die Bundesrepublik bezogen, jeder großmannssüchtige Weltgeltungsanspruch, das Verteidigen Deutschlands am Hindukusch oder am Horn von Afrika, ein höchst zweifelhaftes Unterfangen, welches es zu hinterfragen gälte. Es sind nicht die Linksparteien oder die kleinen Sektierer am rechten Rand, die den Ernstfall der Demokratie beschwören - es sind die Kissingers dieser Welt.

9 Kommentare:

Anonym 9. Februar 2009 um 09:56  

Was mir die meiste Übelkeit verursacht ist die Tatsache, dass Heinz Kissinger einer der besten Freunde von Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist.

Anonym 9. Februar 2009 um 12:12  

Immerhin hat er mit ihm zusammen das Feuer erfunden:

http://www.wdr.de/tv/mitternachtsspitzen/videos/sendevideos/20090131/loki_smoky.jsp

Sowas verbindet halt...

Allein dass dieser Mensch den Friedensnobelpreis erhalten hat sagt eigentlich schon alles über die 'westliche Wertegemeinschaft'.

Anonym 9. Februar 2009 um 13:00  

Hallo,

erinnert ihr euch noch daran, dass ein hochrangiger US-Staatsanwalt die Anklageschrift gegen George W. Bush - wegen Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschheit - als Buch veröffentlicht hat?

Das Buch kann man immer noch bestellen, aber um George W. Bush ist es ruhig geworden.

Obama hat wohl mit dem Ex-Präsidenten einen Deal ausgehandelt in dessen Folge George W. Bush & seine neoliberalen Kameraden nicht, wie oben beschrieben, angeklagt werden.

Übrigens, die Anklageschriften auch gegen andere teilweise renommierte US-Präsidenten & Hoheitsträger wären ellenlang - siehe hierzu kritische Bücher über die US-Geschichte der "Besiedlung", der "Sklaverei", den "US-Imperialismus" usw. usf.

Kuba z.B. ist nicht ohne Grund an die Kommunisten unter Castro gefallen - auch dort mordeten US-Schergen - Batista soll ebenso ein Faschist gewesen sein, wie Pinoquet in Chile.

Aber was rege ich mich auf?

Ich könnte resignieren, denn die "Sieger" der Geschichte - egal wo - schreiben ihre Geschichtsschreibung selbst....

Und dies gilt ganz besonders für die letzte Supermacht USA....

Obama hätte allein hier schon gewaltig aufzuräumen, wenn es mit seinem "Change" ernst wäre....

Ich hoffe zwar auf eine Revision der US-Geschichte & eine Entschuldigung für alle Verbrechen seit der Besiedlung des Gebietes das heute USA heißt - incl. der US-Kolonien in Übersee - , aber so ganz bin ich da doch skeptisch....

Vielleicht müssen wir auch warten bis ein Native American - wie Morales in Bolivien - Präsident der USA wird?

Dieser Traum wird wohl nie Wahrheit werden - leider :-(

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Christian 9. Februar 2009 um 13:29  

Aber, aber: Henry Kissinger didn't start the fire! ;-)

Anonym 9. Februar 2009 um 14:02  

Wie wahr. Ein Auszug aus der langen Liste der Verbrechen der USA an der Menschheit. Und Kissinger an führender Stelle immer dabei. Ich gönne ihm den Preis, er hat ihn sich würdig verdient. Nur, dass diese Würde nicht meine Würde ist.

Anonym 9. Februar 2009 um 17:01  

Übrigens, derzeit gibt es sogar ein Buch, dass Adolf Hitler als Schüler der US-"Eliten" präsentiert, d.h. frei ausgedrückt, auch "Adolf ist zwar ein Bastard, aber er ist unser Bastard" - gilt von 1933 - 1939.
Hitler hat es dann mit der Verfolgung der jüdischen Mitbürger, den Massenmorden an anderen Völkern (z.B. den "Slawen", den Cinti und Roma etc.) - dem Raubkrieg des II. Weltrkrieges gegen US-Interessen derart übertrieben, dass die Krieg gegen Deutschland führten - entgegen dem "eisernen US-Grundsatz" der oben steht....

Anonym 9. Februar 2009 um 19:18  

Irgendwo habe ich mal gelesen, wo Kissinger auftaucht, da sollte man schnellstens das Land verlassen, denn bald schon würde es Mord und Totschlag der schlimmsten Sorte geben...Bei uns ist er nicht nur aufgetaucht, sondern mit Preisen ausgezeichnet worden? Ob das wohl was zu bedeuten hat?

Anonym 10. Februar 2009 um 22:23  

ich könnte den ganzen tag heulen.

leuten wie k. einen friedensnobelpreis zu geben wäre wie porsche einen umweltschonpreis zu (über)geben ...

nachts träume ich von einem internationalen gerichtshof, der dessen name auch ehre macht ...

lg,
e

Anonym 12. Februar 2009 um 09:07  

Vielleicht müssen wir auch warten bis ein Native American - wie Morales in Bolivien - Präsident der USA wird?

Was für ein völkischer Mist. Das Maximum ist erst erreicht, wenn einer Präsident wird, dessen Blut an den Boden des jeweiligen Landes gebunden ist? Also Amerika den Indianern, Deutschland den Germanen (oder Ariern?) und Bolivien den Indigenen?

Zudem ist das latent rassisitisch, weil du annimmst, das - egal welcher "native" Präsident wird - er die richtige Politik machen würde. Weil alle natives sowieso gleich sind, oder? Ein homogene Kultur bei allen gleich, bei allen angeboren. Es kann nicht sein, dass einer native und eine z.B. amerikanische Kultur hat, richtig?

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