Nomen non est omen

Mittwoch, 2. Juli 2008

Heute: "Sachzwang"
„Für uns gibt es nur einen einzigen Sachzwang, dem wir unterliegen, und der heißt, Menschen in Arbeit zu bringen. Diesem Sachzwang hat sich alles unterzuordnen. Arbeit braucht Wachstum, und Wachstum braucht Freiheit. Unser Staat ist überfordert“
- Bundeskanzlerin Angela Merkel am 16. Juni 2005 bei einer CDU-Feier -
Der sogenannte Sachzwang dient als Generallegitimation für unbequeme politische Entscheidungen. Besonders die rot-grüne Regierung unter Schröder hat ganz im Sinne des Thatcherischen TINA-Prinzips (There is no alternative!) mit Sachzwängen Kürzungen gerechtfertigt. Die vermeintliche Logik des Sachzwangs besagt demnach, dass es keinen freien Willen bzw. keine freie Entscheidung von spezifischen politischen Sachfragen gebe. Vielmehr zwinge ein äußerer Umstand die politischen Akteure zu einer bestimmten Entscheidung. Gerade im Zeitgeist des neoliberalen Credos hat der Begriff wieder Hochkonjunktur. Er lenkt davon ab, dass bestimmte Entscheidungen, die nur für eine wirtschaftlich starke Minderheit von Nutzen sind und am Großteil der Bevölkerung vorbeigehen, ganz bewusst getroffen werden, um bestimmte Interessen zu bedienen. Zudem findet eine Verantwortungsdelegation vom Subjektivem zum Objektivem statt. Begriffe wie Schicksalsgemeinschaft, Weltmarkt und Globalisierung z.B. sind Träger dieses objektivierten ideologischen Legitimationsgedanken. Es wird so getan als seien bestimmte wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Strukturen schon immer irgendwie so da gewesen oder gottgewollt. Dabei wird bewusst verleugnet, dass Politik immer menschliches Handeln bedeutet. Die Sache bleibt eine Sache. Sie kann mich zu nichts zwingen. Auf den Punkt gebracht ist der Sachzwang die Manifestierung einer völlig irrationalen Abwehrhaltung: „Ich bin nicht schuld, die Sache ist schuld!“.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

4 Kommentare:

Kurt aka Roger Beathacker 2. Juli 2008 um 19:16  

Die ganze Rede von Frau Merkel kann ueberigens hier als PDF Datei heruntergeladen werden. Der Schwachsinn, den die Frau zusammenlabert, geht wirklich auf keine Kuhhaut.

Kostproben: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Anders gesagt: Wer wagt, der gewinnt."

Aha - in jedem Fall also? Richtig waere: "Wer wagt, der kann gewinnen."

oder:

"Politik ohne Angst. Politik mit Mut - das ist heute erneut gefragt." -

Nun - wo es nichts zu fuerchten gibt, da bedarf es auch keinen Mutes.

Wer so bar jeder Logik daherschwaetzt, der hat hierzulande offenbar wirklch nur eine Chance: er muss sein Glueck in der Politik suchen.

Anonym 2. Juli 2008 um 23:36  

Dem "Glück in der Politik" kann durch eine gehörige Portion Opportunismus sicherlich nachgeholfen werden. Und wenn auch das manchmal nicht ausreicht (siehe Oswald Metzger), dann braucht man eben wieder Glück.

Der "Sachzwang" ist der Tod der Demokratie. Aber die neoliberalen "Volksvertreter" wollen ja genau das. Wofür braucht man diese Schranzen des Kapitals dann noch?

Anonym 3. Juli 2008 um 14:08  

Am liebsten hab ich immer noch dieses "gebt-den-Menschen-Arbeit" Gelaber. Alles schön und gut, aber nur mit Arbeit ists nun mal nicht getan. Es muss auch eine Arbeit sein von der man leben kann und keine Fließbandjob bei Siemens.
Ach was reg ich mich eigentlich auf? Es wird sich sowieso nichts ändern. Jedenfalls nicht wirklich. Selbst wenn 2009 die Linke Regierungspartei wird, passiert nicht viel, da wir einfach ein Land voller Trägheit sind und die ganzen Parteien und Parteimitglieder in vier-Jahres-Etappen denken anstatt auf lange Sicht. Rot-Grün beschloß den Atomausstieg und kaum ist die Union an der Macht (und um nichts anderes geht es in der Politik) wird er angezweifelt. Die Kraftwerke brummen nur noch ihrem Ende entgegen weil die SPD Angst vor noch mehr Wählereinbusen hat, ansonsten wären die wohl auch dabei.
Was ich eigentlich sagen will: Wir befinden uns schon wieder im Wahlkampf! Es kommt wieder die Zeit der leeren Versprechungen und der neuauflage Lügenbücher alias "Wahlprogramm". Da ist Frau Merkel wohl nicht allein mit solchen Glanzreden. Kurt Beck verschickt auch schon wieder Mails Parteiintern um auf die Wahl aufmerksam zu machen und rät Geschlossenheit zu demonstrieren.

Mit solidarischen Grüßen
Johannes

Dominik Hennig 5. Juli 2008 um 18:21  

Zu Oswald Metzger: er wurde wohl eher das Opfer einer agarisch-konservativen Grundströmung, der ein kulturprogressiver Marktwirtschaftler einfach nur suspekt ist. Die CDU-Basis ist nun einmal in die sie repräsentierenden Misthaufen verliebt. Es ist die uralte Frontstellung Liberalismus vs. Konservatismus, also Manchester-Doktrin vs. Disraeli-Doktrin, die in Biberach an der Riss wieder einmal sichtbar wurde. Und ich bleibe dabei: "Liberal-konservativ" ist ein Oxymoron!

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