Die Sprache der Krieger

Dienstag, 8. September 2009

Es ist einerlei, wohin man sein stumpfes Gemüt auch lenkt, egal ob man es ins Fernsehen starren oder in die Zeitungen blinzeln läßt, man unterbreitet uns seit einigen Tagen den afghanischen Zwischenfall. Die eine Seite bekräftigt ein korrektes Vorgehen der Bundeswehr, andernseits wird der fatale Fehlschlag torpediert, mittendrin fachliche Laien, die in Foren und Kommentaren Kriegsminister spielen und Kampfstrategien hinterfragen, zurechtbiegen, ersinnen. Allen ist eines gemeinsam, alle bedienen sich desselben Jargons, sprechen die Sprache der Krieger.

Auch unter den Medien, die wenig Freude am uniformierten Treiben finden, nicht unbedingt Kriegsgegner, doch zumindest keine Freunde des Krieges sind, teilt man sich in der Sprache der Krieger mit. Nur Taliban seien demnach getötet worden, man hofft jedenfalls, dass es nur Taliban gewesen seien. Wenn dies zuträfe, dann wäre der Krieg zwar nicht erträglicher, scheinheiliger aber schon. Dann hätte man eben nur Taliban zerbombt, keine Zivilisten. So läßt sich mitläuferischer Pazifismus ausleben. Friede! Natürlich, sie wollen alle den Frieden, diese Gazettenpazifisten und Freunde der Menschheit - aber wenn es ihn gerade nicht gibt, dann tötet wenigstens nicht die Falschen, meuchelt den Abschaum, laßt "nur Taliban" sterben. Ein schöner textlich ausstaffierter Pazifismus ist das, ein gekonnt mit der Sprache spielender, Euphemismen suchender, ein Pazifismus selektiven Tötens, in dem Friede zwar ein hohes Gut ist, das Morden aber auch gut sein darf, wenn es Todeswürdige trifft. Ein Pazifismus des Sachzwangs. Friede wäre ja toll, aber wenn uns die Sache zwingt, den Krieg zu tolerieren, dann müssen wir den Frieden aus dem Kriege heraus hochhalten.

Wenn sich in der Medienlandschaft alle einem einzigen Sprachentwurf unterordnen, den blutigen Soziolekt zum Amtssprache machen, damit gar nicht erst von Frieden und Krieg, sondern von Krieg so oder Krieg anders gesprochen werden kann, dann hinkt das, was man uns als Demokratie verkaufen will. Wenn man beschwichtigend die "nur Taliban" thematisiert, dann ist der Krieg Inhalt. Nicht nur das, er wird legitim; er wird gerechtfertigt, weil man über das Wie spricht, das Ob gar nicht mehr in die Diskussion einflicht. Es wirkt kritisch, wenn das Wie zum Diskussionsstoff erkoren wird, wenn es dem agenda setting überantwortet wird. Dabei bewegt sich die Diskussion im gleichen Kosmos, in dem die Krieger ihre Schlachtreihen formieren - es ist eine Diskussion, gesprochen in der Zunge der Krieger. Eine Sprache, die nicht über menschliche Verluste zu sprechen weiß, die "nur Taliban", "nur Irakis", "nur Juden" in den Wind schießt, dabei versteckt sagen will: schlechte Menschen, die den Tod verdient haben - Unmenschen, Tiere. Aber das sind doch keine Menschen, das sind doch nur Taliban, nur Irakis, nur... In anderen Zeiten, standen andere Herren in anderen Uniformen, vor anderen angeblichen Unmenschen, deuteten auf den Viehwaggon, in dem diese unglücksseligen Menschen viehisch zusammengepfercht standen. Damals vernahm man das oft, wenn Mitleid zur Sprache kam. Das sind doch keine Menschen, das sind doch nur...

Es formieren sich dunkle Heere. Wer gemeint hat, nach dem Zwischenfall wäre der Abzug aus Afghanistan realistisches Thema geworden, der irrt. Gerade jetzt werden die Falken alles dransetzen, die Heimatfront zu stärken. Jetzt wird verstärkt von "unseren Jungs" gesprochen, jetzt werden die Taliban entmenschlicht, zu verdienten Kadavern erklärt, jetzt wird jede Kritik am Einsatz zum Potenzial neuer Dolchstosslegenderei. Die Sprache der Krieger benutzt die deutsche Öffentlichkeit schon geraume Zeit, nach dem Massaker sogar noch verstärkt - nun heißt es, auch noch die Ziele der Krieger zu verinnerlichen, sich geistig zu uniformieren. Die Nutzung des Kriegerjargons wird geistige Gräben ausheben, aus denen dann geschossen und gestürmt werden kann. Menschliches Leben hat derweil keinen Wert mehr, wenn man sich glücklich bekreuzt, weil es "nur Taliban" waren, wenn man erleichtert aufatmet, weil eine Regierungskrise verhindert wurde - nur Taliban, was für ein großartiges Glück!

17 Kommentare:

Margitta 8. September 2009 um 07:06  

Erst wenn wir Menschen die UNSINNIGKEIT von Kriegen verinnerlicht haben, uns den SCHMERZ und die BRUTALITÄT derartiger Handlung bewusst machen, echte MITFÜHLFÄHIGKEIT entwickeln, werden Kriege Vergangenheit sein.

Liebe Grüße
Margitta

potemkin 8. September 2009 um 08:44  

Es ist eine teuflische Taktik, die fatalerweise funktioniert: Der (technisch) unterlegene Gegner wird so lange terrorisiert, bis er (mit seinen, nicht den offiziellen Kriegsregeln entsprechenden Mitteln) zurückschlägt. Nun ist der Beweis erbracht: Dieser Gegner ist unmenschlich und feige, hinterhältig sowieso. Und gar ein Anschlag im eigenen Land würde so zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Wo wird Deutschland verteidigt? - Wie Peter Struck schon sagte...

Anonym 8. September 2009 um 08:54  

Mehr als 80% der Bundesbürger wollen den Abzug!!!

Es lebe die Demokratie.

Anonym 8. September 2009 um 09:30  

Ich halte das für langfristiges Kalkül, gerade dort Soldaten dauerhaft zu stationieren wo der Gegner zu schlecht ausgerüstet ist um sich gegen den Invasoren zu wehren (leider), jedoch gut genug um sich lange zu wehren. Zudem bekommen die örtlichen bewaffneten Milizen sicherlich verstärkten Zuwachs solange fremde Soldaten die Strassen bewandern.
Ähnlich ist es in Kolumbien wo die USA Truppen stationieren um scheinbar im Drogenkrieg zu helfen. Hier wird gar keine schnelle Lösung erwartet, hier geht es um die langfristige Sicherung von Ressourcen. Der Trick ist: sobald die eigene Bevölkerung endlich die Sprache der Krieger verinnerlicht hat, sobald sie es endlich satt sind von minderwertigen Menschen in die Luft gebombt zu werden obwohl man doch nur Frieden will, dann wird man nach stärkeren Maßnahmen schreien. Dann wird ein kleiner Luftangriff kaum reichen, dann wird man endlich Resultate.
Desweiteren ist es natürlich beängstigend wie sehr sich Geschichte manchmal ähnelt.

Anonym 8. September 2009 um 09:37  

...und mehr als 80% von denen werden wahrscheinlich doch wieder "falsch" wählen...

antiferengi 8. September 2009 um 10:30  

Es hat eine Zeit gegeben, da wollten wir die Mauer durchbrechen. Das Ende der Sachlichkeit. Das Ende der Sachzwänge. Dafür haben wir uns prügeln lassen. Von unseren Eltern. Von unseren Freunden. Von unseren Feinden. Dafür haben wir uns auslachen lassen. Von unseren Eltern. Von unseren Freunden. Von unseren Feinden. Gott, wir haben es nicht gesagt, ... wir haben es gelebt. Dann kamen wieder die, - welche sich den Sachzwängen beugten. Klug, sachlich, überzeugend. Viele von uns waren dabei, ... wurden vernünftig. Bekamen Einfluss. Bestimmen das Geschehen mit.

Und prügeln und lachen.

salvo 8. September 2009 um 11:02  

mir ging beim Lesen der Kommentare zu einem Artikel dazu von spiegelfechter Ähnliches durch den Kopf

"ja, es ist schon deprimierend zu lesen, wie sehr man sich hier an einem Krieg gewöhnt, von dem man selbst kaum betroffen ist, zumindest nicht unmittelbar, sondern nur über eine abstrakte staatsrechtliche Verbindung. Es ist eben Krieg, ein Krieg ist per definitionem schmutzig, da er nicht nur Opfer zwischen Soldaten hat, sondern auch unter denen, die er eigentlich nicht betrifft. Da glauben sich Leute tatsächlich in die Gedankenwelt der militärischen Funktionsträger einfühlen zu müssen und werden Parallelen zum verbrecherischen Vernichtungskrieg der Deutschen gezogen. Diese kaltblütige Distanz, aus der das Leiden der namenlosen und schon vergessenen Opfer nicht annäherend erfahrbar wird, ist auch das Medium, in dem sich jene wiederfinden, die sich einfach darüber freuen, dass Dutzende Muslime getötet wurden. Auf diesem unlebendigen lebensverachtenden Medium des Diskurses bleibt man ja sachlich, auch wenn die Sache das ausgelöschte Leben eines anderen Menschen gewesen ist. Diese Gesellschaft ist schon wieder an einem Punkt angelangt, in dem das Töten des Anderen als normal und legitim erachtet wird, man braucht nur einen Krieg dazu her, und dieser ist jetzt nun mal da. Den soll man gefälligst als solchen auch realisieren und akzeptieren, dann wird man auch mit dem Töten des Anderen irgendwie fertig, erst recht wenn es weit weg ist. Da wird der Krieg und das Töten des Anderen diskursiv so selbstverständllich, so normal, wie das Schlachthaus und das Töten darin nebenan. Ja, Deutschland hatte eine besondere Verantwortung angesichts des Grauens seiner historischen Verbrechen, die mit militärischen Mitteln erst möglich und wesentlich umgesetzt wurden. Diese Verantwortung gegenüber den Opfern trug Deutschland stellvertretend aber für die gesamte Humanität, denn noch nie zuvor war der Mensch derart seinem humanen Wesen entfremdet: Krieg darf in unserem Zusammenleben nie wieder zur Normalität werden."

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/767/c%C2%B4est-la-guerre

p.s.

was sich die Funktionäre der öffentlichen Meinungsbildung leisten, zB in diesem zeit Kommentar, wo sich der Autor zynischerweise an dem sonst mit Füßen getretenen Solidaritätsbegriff vergreift

http://www.zeit.de/politik/2009-9/afghanistan-buendnis-nato

Anonym 8. September 2009 um 13:19  

Na und wenn es keine Taliban waren, dann sind es eben Kollateralschäden und die wiederrum lassen sich im betroffenen Kulturraum gegen Blutgeld aus der Welt schaffen.

HAL9002 8. September 2009 um 14:54  

Hast Recht mit der 'Sprache der Krieger'.
http://www.weissgarnix.de/2009/09/08/abzug-flucht/#more-3190

antiferengi 8. September 2009 um 19:15  

Noch einen von mir.
Habe mir lange überlegt ob ich diesen Einwand bringen soll, - und weiß auch nicht ob er überhaupt eine Rolle spielt.
Was Roberto sagen will ist mir absolut klar, und die ganze Heuchelei und Kriegerei macht mich genauso wütend. Kriege gehören beendet.
Aber sind wir sicher das wir über die "Sprache der Krieger", und nicht über die "Sprache der Strategen" reden?
Es besteht für mich ein Unterschied ob Menschen über Krieger als Kanonenfutter selbstgefällig diskutieren und entscheiden - so als ob es keine Menschen wären, oder ob die wirklichen Krieger mitten im Geschehen stecken.
Ich kann nicht entscheiden ob es unerheblich ist ob jemand mordet, oder morden läßt. Aber die Heuchelei wird ja nicht von den Kriegern, sondern den Strategen produziert. Alle jene, - welche jetzt ihre Klugheit, ohne jede Empathie, aus der Sicht der kalten Strategen unter Beweiß stellen wollen.

hedera 8. September 2009 um 21:44  

Nicht der Bombenanschlag wird berurteilt sondern das Zögern der Kanzlerin, sich endlich zum Kriegseinsatz in Afghanistan zu bekennen:
http://www.news.de/politik/855023981/besser-spaet-als-gar-nicht/1/
In Ihrer Regierungserklärung bedauert sie die Unschuldigen, die getötet wurden. D.h. Frau Merkel legt jetzt fest, wer schuldig genug ist, um in seinem eigenen Land von Deutschen getötet zu werden.
Rafft es dieses Monster noch?

klaus baum 9. September 2009 um 00:12  

töten wir alle, die schuldig sind. heißt es aber nicht im neuen testament, wer von euch ohne sünde ist, werfe den ersten stein.

CDU = keine Ahnung von der Lehre Jesu.

fletcher2 9. September 2009 um 13:03  

@hedera
Nein, dieses Monster rafft es nicht. Genauso wenig wie die anderen, gegenwärtigen Monster und die Monster aus den letzten zehn Jahren deutscher, demokratischer Politik.

Krieg bringt keinen Frieden. Krieg bringt nur die nötige Zeit, um Macht zu gewinnen, um dann wieder Krieg führen zu können. Man sollte meinen, Deutschland und die gesamte Welt hätten aus zwei Weltkriegen lernen müssen. Und sie haben gelernt! Sie haben gelernt, wie man neue Bündnisse schmiedet, um mehr Macht zu erhalten, wie man noch wirksamere Waffen entwickelt, um effektiver töten zu können und wie man Freunde zu Feinden macht.

So lange sich die Strukturen des Zusammenlebens in jedem Staate und des Zusammenlebens der einzelnen Völker nicht ändern, so lange wird ein Krieg den Nächsten ablösen und die Zeit dazwischen fälschlicherweise als Frieden bezeichnet werden.

Peinhard 9. September 2009 um 15:05  

Der Begriff des Krieges bedingt erst den vom Frieden. Überall, wo von Frieden die Rede ist, ist auch vom Krieg die Rede... Parallelen zum Begriff des Sozialstaats oder dem der Menschenrechte sind nicht zufällig. So wäre die Forderung auch hier - den Frieden abzuschaffen.

otti 9. September 2009 um 21:22  

Die Sprache des Krieges ist die der Propaganda, die der Lüge, der Unwahrheit.
Wer Krieg führt, will Macht, mehr Macht. Macht nährt sich von Gewalt.
Gewalt braucht Ohnmacht.
Gewalt will keinen Frieden.

Geben wir der Ohnmacht, den Menschen, eine Stimme, dass der Krieg verstumme und Frieden einkehre.
Geben wir dem Leben eine Chance.
Und nicht der Verderbnis, dem "neuen Miteinander" der Pharisäer!

klaus baum 10. September 2009 um 14:05  

Hast Du Dir schon die website: Bundeswehrehrenmal angesehen. Dort ist folgendes zu lesen:

>>Verehrter Besucher!
Diese Seiten sind dem Projekt gewidmet,
die Diskussion um ein
zentrales Denkmal für die Soldaten der Bundeswehr
zu befördern.
Wir fragen uns:
Wann beginnt der deutsche Staat, unsere Gesellschaft, das Parlament und unser Volk, sich der Leistungen und Opfer bewusst zu werden, welche in der fünfzigjährigen Geschichte und jeden Tag aufs Neue von deutschen Soldaten in Ausführung ihres verfassungsmäßigen Auftrages erbracht werden?

Wer ehrt die Tapferkeit dieser Männer und Frauen und schlußendlich auch das höchste Opfer deutscher Auslandseinsätze:

Den Soldatentod!

Gestorben für Deutschland - im Einsatz gefallen!<<

Quelle:
http://www.bundeswehrehrenmal.de/

Peinhard 10. September 2009 um 16:11  

Apropos 'Ehrenmal':

Abgeordnete abgeführt
Der Schal, den sie bei der »Ehrenmal«-Einweihung trug, paßte einem Offizier nicht
Quelle

Schliesslich haben wir ja eine 'Parlamentsarmee'...

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