Der Selbstsucht gehört die Zukunft

Sonntag, 27. September 2009

Es ist der Triumph der Ellenbogen, der Gewinn der Egomanie. Auf jene, die sich optimistisch Liberale rufen, springen dieser Tage vornehmlich junge Menschen an. Junge Menschen, denen man den Ellenbogen schmackhaft machen kann, die ihn auch selbst schon probiert, eingesetzt oder erfahren haben. Menschen, die es als selbstverständlich anerkennen, dass gesunde soziale Kälte, Ignoranz am Nächsten, egoistisches Vorankommen und als Toleranz verkleidetes Desinteresse an der Not des Mitmenschen, zur gesellschaftlichen Norm taugen. Es findet eine Klientel zur geballten politischen Institution, die dem Konsumliberalismus vollkommen erlegen ist, materielle Güter zum obersten Gebot, finanziellen Reichtum zum Ideal, Überlegenheit zum Lebensprinzip erhoben hat.

Was die Freien Liberalen ansprechen, das sind die niedersten Beweggründe des Menschen. Sie verklären jeden sozialen Gedanken, tun ihn als Schwärmerei ab, krönen ersatzweise die Gier, den zur Egomanie verkommenen Individualismus, den abgewinkelten Arm zum Sinn des Daseins. Junge Menschen, in eine Welt geworfen, die sich freigemacht hat von ideelen Werten, die nur Titel, Konten, Posten wertig sein läßt; junge Menschen, die in ein Leben geworfen wurden, durch das verelendete Massenmedien leiteten, das von mangelnder Nutzwert-Bildung flankiert wurde, in dem die voll entfaltete Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft regierte, sind gefundenes Fressen für die technokratischen Leistungsbotschaften jener Partei. Sie spricht Menschen dort an, wo der Verstand verstorben ist, erklärt ihnen, dass sie sicherlich zu denen gehören werden, die auf der Seite der Starken logieren, auf jener Seite, von der man auf das kleine elende Häufchen der Schwachen hinabspucken darf.

Michel Houellebecq, umstrittener französischer Schriftsteller, beschreibt in seinen Büchern eine Gesellschaft, in der das marktschreierische Potenzial des Egomaniemarktes zur Blüte gelangt ist. Ob die Urlaubsindustrie, moderne Sekten, das horizontale Gewerbe sowieso: überall buhlt man um die egomanischen Handlungsursprünge des Kunden. Man schneidert Produkt oder Dienstleistung der egoistischen Triebfeder zu, bestärkt denjenigen, dessen Geld man möchte, in seiner Selbstliebe und seinem Stärkegefühl. Selbst der freie Markt der Liebe wird von der Egomanie der Partnersuchenden dominiert. Houellebecq erkennt darin die Ersatzreligion unserer Tage, wenngleich er meist anklingen läßt, dass er diese Religion noch im Anfangsstadium ansiedelt. Gelegentlich enden seine Bücher in einer nahen oder fernen Zukunft, in der der neue Kult bereits Alltag wurde, Folgen gezeitigt hat, die zur vollendeten Vereinzelung geführt haben. Seine Protagonisten sind Menschen der Arbeits- und Leistungsgesellschaft, vereinsamt, sexuell frustriert oder ständig lüstern, kaum fähig soziale Nähe aufzubauen. Näher betrachtet sind es ausgemachte Verlierer, traurige Gestalten unserer Gesellschaft, die dem Wahnsinn unserer Zeit zwar auf die Schliche gekommen, nicht aber entkommen sind. In ihrem Umfeld tummeln sich Typen, die an das Leistungsprinzip glauben, die auf Minderleister schimpfen, harte Maßnahmen gegen menschliche Kostenfaktoren einfordern und generell jedem Faschismus die Fahne halten würden, wenn er ihnen nur materielle Sicherheit böte und ihre Eitelkeiten zu streicheln wüsste.

Für einen solchen Protagonisten Houellebecqs, der eigentlich beinahe immer gehemmt und einsiedlerisch auf dem dreckigen Teppich seiner Wohnung sitzend und rauchend, oder nackt nach dem kalten Sexualakt mit einer Prostituierten im Bett liegend, über das Leben in unserer Zeit nachdenkt, dabei die Dinge recht klar deutet, wäre der Erfolg einer politischen Partei, die so eindeutig die Qualität der Ellenbogen des Starken hervorhebt, keine plötzliche Überraschung. Die Parteisoldaten wären in seinen Augen nur Verkäufer, die ihre Dienstleistung mit jeder Schmeichelei die notwendig ist, an den Mann bringen wollen. Er würde dem Leser darüber unterrichten, dass deren Ware ideelen Wert hätte, ein Stück Selbstbewußtsein darstellen, dass der im Keim ruhenden Egomanie des modernen Menschen zugeführt würde. Endlich träte jemand auf sie zu und erkläre ihnen, dass sie leistungsfähig, fleißig, vernünftig seien und deshalb auf der Sonnenseite der Gesellschaft stünden, während man einen unsichtbaren Feind bekämpft, den windigen Fettsack, der faul dem Leistungsfähigen auf der Tasche liegt. Houellebecq sähe solche Herren des Leistungsgedankens nicht nur als reiche Marionetten des großen Geldes, er würde sie als Vorboten einer neuen Religion entlarven. Als Prediger eines Individualismus, der ungeniert dem Egoismus frönt. Sie ständen da wie der gerne fehlinterpretierte Nietzsche, von einem neuen Menschentypus träumend, von Starken als Herrenkaste installiert über dem Schwachen - einem entmenschlichten Rudel -, unfähig Mitleid oder Verständnis zu empfinden.

Jene Partei greift dort ein, wo das Selbstwertgefühl des Menschen beginnt. Wo der Mensch sich als besser, fähiger, lebenswerter als seinen Nächsten betrachtet. Sie - die Partei - kennt keinen gemeinsamen Nenner, kein Ziel für die Gesamtgesellschaft, sie kennt nur sich und ihre Klientel. Sie dankt es dem Wähler nicht, sofern er nicht penibel dem Leistungsprinzip entspricht und in deren elitäre Sphären vorstösst. Sie bietet eine Form materieller Religion an, aufgebaut auf realen Grundwerten des Besitzens. Sie ist ein Zukunftsmodell, weil sie in Zeiten sozialen Ungleichgewichts nicht Gleichgewicht und ethische Neuausrichtung des Zusammenlebens verwirklichen will, sondern die Niedertracht, verankert in der conditio humana, füttert. Sie geht den einfachen Weg des Aufstachelns, betritt den steinigen Pfad einer solidarischen Gesellschaft jedoch auf keinen Fall. Der Ellenbogen ist deren Kruzifix, das Durchboxen durch eiskalte Sozialgefilde deren Passionsweg, das Amen heißt Steuersenkung. Ein Amen, welches klarmacht, dass eine Gesellschaft des Egoismus angestrebt wird, dass der Egomanie Vorschub geleistet wird, weil diese angeblich als unsichtbare Hand jeglicher Ausgewogenheit diene. Der Leistungsträger soll nicht für die Brotkrumen des Minderleisters aufkommen müssen, jedenfalls nicht im großen Maßstab. Es sind die Vorboten einer Gesellschaft, in der jeder für sich ist, in der jeder in der Masse einsam steht.

Für Leser der houellebecqschen Literatur ist dieser Abend eigentlich keine Überraschung. Eigentlich. Und eigentlich war und ist er es doch. Eigentlich ist man überrascht, dass es einem so an die Nieren ging und wohl noch eine ganze Weile gehen wird. Solange wir der Selbstsucht nicht Einhalt gebieten, sie weiterhin in Form medialer Verdummung hofieren, wird ein Umdenken in sozialere Bahnen unmöglich sein. Gelingt es den parteilichen Egomanen weiterhin, die Selbstsucht zum Programm zu machen, weil die gesellschaftlichen Grundlagen dafür bereitet werden, so werden politische Konzepte, die auf Ausgleich gerichtet sind, als Frevel am wahren Wesen des Menschen behandelt. Derzeit gehört der Selbstsucht die Zukunft.

35 Kommentare:

Anonym 27. September 2009 um 23:03  

Einfach nur wow, toller Text!

Anonym 27. September 2009 um 23:15  

Ja irgendwie fühlt ma sich hineinversetzt in einen Kurs von gelebter Geschichte. Bisher war mir immer unerklärlich wie kaltherzig und pervers sich Menschen entwickeln konnten wie zu Zeiten des Nationalsozialismuses. Werden wir jetzt eine Antwort darauf bekommnen?

Ich hoffe nur das neben der Manipulation, sprich Propaganda in den Medien nicht auch noch eine andere hinzukommt. Zu knapp ist mir das Ergebniss, dass einen fast an amerikanische Verhältnisse erinnert.

Anonym 27. September 2009 um 23:25  

leider wahr. Ich bin auch in einem fußballforum aktiv. Im smaltalk tummeln sich dann leute die vorgeben studiert zu haben, von denen dann sätze kommen, wie genau so: Oh Gott,wie ich dieses Schlagwort "Soziale Gerechtigkeit" hasse. Das nur, wenn man sagt es läge einem viel an sozialer gerechtigkeit.

Sowas kommt dann von vermeintlich gebildeten menschen. Ich denke es ist um die gesellschaft wirklich nicht mehr so gut bestellt...

klaus baum 27. September 2009 um 23:39  

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,651637,00.html

Die Wirtschaft hat schon ihr Menü bei der neuen Regierung bestellt.

Anonym 28. September 2009 um 00:08  

Ja, wenn es nur die sogenannten Turbo-Performer wären, die diese Partei wählen würden, dann könnte ich es ja noch nachvollziehen. Aber so ist es nicht! Ich habe mittlerweile schon Angst, bei beliebigen, mir durchaus sympathischen Männern meines Alters (Anfang 30) das Thema Politik anzuschneiden, weil fast immer früher oder später das Loblied auf die FDP angestimmt wird. Egal, ob es sich um einen IT-Freiberufler handelt, der noch bei Mama wohnt und von ihr seine ganze Buchhaltung gemacht kriegt, oder einen Langzeitstudenten, der zum ersten Mal beruflich Fuß fasst - diese Menschen hoffen, dass alles besser wird, wenn diese Partei ihnen die "große Freiheit" verschafft. Sind tief in ihren Herzen diese Leute doch alle Zyniker? Oder hat diese Partei eine viel, viel zu gute PR?

Grüße, Daisy

Frank Benedikt 28. September 2009 um 01:10  

Guter Text, aber imho zu pessimistisch. Du weißt selbst, was wir in zwei Tagen - ohne Twitter, Facebook und den anderen neumodischen Schnickschnack - auf die Beine gestellt haben. Montag geht es wieder los, diesmal ohne Partei, die wir stützen müssen, dafür aber hoffentlich mit noch sehr viel mehr Bloggern ... Zeit haben wir ja diesmal ;-) Die ersten KollegInnen sind auch bereits schon in den Startlöchern und diesmal wird es nicht nur ein kleines Symbol sein - diesmal soll es eine "richtig fette Aktion" werden!

Roberto, wir haben gerade erst angefangen, also kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.

Liebe Grüße
Frank

Anonym 28. September 2009 um 03:41  

Kann es ein besseres Indiz für die Volksverdummung geben als das gestrige Wahlergebnis?
Inmitten der schwersten Finanzkrise; die nun von einer anschließenden Wirtschaftskrise abgelöst wird, das wachsende Staatshaushaltdefizit, der zunehemenden nicht mehr übersehbaren Totalisierung der Gesellschaft; die nur noch moderne Sklaven heranzüchtet die bedingunslos der Wirtschaft dienen; den eindimensionalen, unkritischen Menschen formt; mit der unterhaltungsmaschinerie Menschenmassen vollpumpt, die Werte wie Geld und Aussehen propagiert... Bei all diesen Phänomenen wählen 15% die FDP!!! Welch Armutszeugnis!
Aber Willy Brandt sagte einst: "Wo immer Du auch redest, Genosse, zu wem Du auch immer redest, was immer Deine Aussagen sind, auch die Strengsten, die Kritischsten, am Schluss muss Hoffnung sein." So bricht nun die Zeit an, in der wir uns formieren können, in der klar und eindeutig ist wo die neoliberalen, unsozialen von Egoismus und Machtgier zerfressenen Herren sitzen. Es kann etwas entstehen, gemeinsam aus der Oppostion heraus. Möge der Kampf beginnen, möge der Krieg des Reichen gegen den Armen endlich diesen Anschein großer Kühnheit auf der einen Seite und großer Feigheit auf der anderen einbüßen!

Anonym 28. September 2009 um 07:52  

- Kann es ein besseres Indiz für die Volksverdummung geben als das gestrige Wahlergebnis? -

Ja, wenn die SPD die Wahl gewonnen hätte.

Nicht neu, aber trotzdem erschreckend finde ich, wie weit rechts Deutschland tickt.

Anonym 28. September 2009 um 08:00  

Das Ergebnis ist einfach entsetzlich !!!

Wieso nur?

-Die Leute sind in großer Mehrheit für den Mindestlohn
- Sie sind mehrheitlich für den Atomausstieg
- Sie wollen starke Gewerkschaften
- Hartz IV empfindet die Mehrheit als schreiende soziale Ungerechtigkeit

Und gestern wurde eine Mehrheit von 2 Parteien gewählt die in allem das genaue Gegenteil predigt und demnächst mit Sicherheit keinen Mindestlohn einführen wird, die Gewerkschaften noch mehr rupfen wird als sie ohnehin schon sind, zur Atomkraft zurückkehren wird und den ohnehin schon zu knapp bemessenen HArtz IV Satz weiter kürzen wird.

Ein Beispiel eines CDU Wählers:

Ich habe mich mit meinen Arbeitskollegen über Politik unterhalten. Er hat mir erzählt dass er die FDP auch für eine Reichenpartei hält die keiner braucht. Den Irak-Krieg lehnte er ebenfalls ab. Auch teilte er nicht die weit verbreitete Lüge, Merkel sei eine Sozialdemokratin. Und auch wolle eine Poltik die sich für die kleinen Leute wie ihn einsetzt.

Als ich ihn fragte was er denn immer wählt antwortete er CDU !

Als ich ihn fragte warum er dies tue (in der Hoffnung eine inhaltliche Begründung zu bekommen) sagte er:

"Das ist schon durch das Elternhaus geprägt und die CDU trifft mein Lebensgefühl am ehesten"

Ohne Worte

ad sinistram 28. September 2009 um 08:17  

Wie weit rechts Deutschland wirklich tickt, lieber Anonymus, sieht man hier. Die bürgerliche Mehrheit ist keine, sie ist ein Produkt des Wahlsystems, keine des Wählerwillens. Sie liegt gleich auf mit der Opposition, liegt sogar zurück, wenn man die Wähler kleinerer Parteien heranzieht. Und wenn man bedenkt, dass es der FDP gelungen ist, ihr Wählerreservoir zu den Urnen zu komplimentieren, während es den sogenannten linken Kräften weniger gelang, dann wird sichtbar, dass die bürgerliche Mehrheit eine weitere Propagandamasche ist, die uns erklären soll, warum FDP und Union das Vertrauen geschenkt bekamen.

Wolf-Dieter 28. September 2009 um 09:03  

Alles schön und gut. Aber aufgegeben wird nicht.

Systemfrager 28. September 2009 um 10:04  

Lieber Roberto,

wir sind uns eigentlich immer einig, deshalb sollen wir das dumme Geschwätz von A. Müller (den ich aber trotzdem sehr schätze) vergessen, wie das Volk schrecklich manipuliert wäre. Ja, manipuliert schon, aber nicht durch die „raffinierten“ Medien und ihre Ideologen, sondern durch das System selbst und vor allem durch die Partei, zu der auch A. Müller gehört. Zuerst sollen wir das gestrige Ergebnis genießen und uns richtig freuen:

Der Wähler hat den neoliberalen Trojaner SPD in die Flucht geschlagen. Erst jetzt, nachdem dieser Verräter nicht mehr mit dem Dolch hinter dem Rücken lauert, können wir den Kampf mit dem Neoliberalismus richtig aufnehmen.

Ja, ich hatte gestern einen schönen Abend und als Nichtwähler habe ich mich als einer gefühlt, der dazu beigetragen hat.

Maverick 28. September 2009 um 12:05  

Ein Meisterwerk an brillanter Wortgewalt und wie immer auf der Höhe der Zeit! – Danke!!!
Dieser Artikel wäre m. E. ein hundertprozentiger Aspirant auf eine mögliche Ausgabe von „Das Beste aus dem AD-SINISTRAM-Blog“.

Für Deutschland ist es nun 5 nach 12.

Anonym 28. September 2009 um 13:49  

Also ich sehe die Lage völlig anders.
Zunächst mal: In der aktuellen Situation, einer Krise die bezüglich Arbeitsmarkt noch nicht mal angefangen hat, dürften die Rezepte jener Parteien, die die nächste Regierung stellen, völlig ungeeignet sein, vermutlich sogar kontraproduktiv.
Die SPD bekommt die Zeit, sich zu re-sozialdemokratisieren. Die Linke bekommt Zeit, Oskar zu verrenten (mit Oskar in der Bundespolitik wird nämlich zusammen mit der SPD gar nichts gehen, selbst wenn die Programme zu 100% übereinstimmten).
Die Politik von Schwarrz-Gelb wird weiterhin - garantiert - den Grünen die Wähler geradezu in die Arme treiben.
Schaut man sich die Sitzverteilung OHNE Überhangmandate an, dann ist die Mehrheit TROTZ der desaströsen Lage der SPD nicht wirklich dramatisch, die Mehrheit nicht groß. Und Überhangmandate sind das letzte Mal verteilt worden.
Es gibt in der aktuellen Situation also eine mehr als berechtigte Hoffnung, das die Zeit mit den Marktradikalen in der Regierung nur ein "Ausrutscher" bleiben wird.
Das werden für viele harte 4 Jahre werden. Allerdings benötigt der Bürger offensichtlich eine Auffrischung der Erinnerung bezüglich Schwarz-Geld.

Und wenn man davon ausgeht, das es Schwarz-Geld innerhalb von 4 Jahren NICHT gelingt, dieses Land komplett vor die Wand zu fahren, ist eine solche Mehrheit in der aktuellen Situation geradezu der Garant dafür, das dies ein 1x-Ereignis sein wird.

Anonym 28. September 2009 um 14:21  

Wir sollten den Wahlausgang positiv sehen.
Endlich ist die bleierne Schwere der bisherigen Koalitionspartien beseitigt , und es herrschen klare Verhältnisse. Dieser vermeintliche Sieg der rechtskonservativen CDU/CSU und FDP ist der Anfang ihrer Niederlage. Die Widersprüche werden jetzt offen zu Tage treten sowohl innerhalb dieser neuen Koalition, wo die Kanzlerin einen sehr schweren Stand haben wird, weill ihr präsidialer Stil bei dieser neuen Koaltion mit Westerwelle und Co nichts mehr taugt.
Außerdem wird es zu großen Unruhen kommen und zwar nicht nicht nur durch die Oppositionsparteien im Bundestag.
Menschen, werden auf die Straße gehen, um endlich einmal ihre Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und einer friedfertigen und ökologisch orientierten Gesellschaft Ausdruck zu verleihen.
Die Zeichen werden auf Sturm stehen.
Es geht voran...

Charlie 28. September 2009 um 14:58  

@Anonym, 13:49:

Es ist mir ein Rätsel, woher Du diesen Optimismus (oder ist es doch eher Zynismus?) beziehst. Es ist doch allenthalben bekannt, welche "Reformen" nun anstehen; und welche katastrophalen Folgen das für uns alle haben wird, kann sich auch jeder ausmalen.

Roberto hat es in seinem Text doch klar herausgearbeitet: Das Wahlergebnis ist kein "Ausrutscher", sondern ein offenes Zeichen für die sich immer weiter ausbreitende Ellbogenmentalität - besonders unter jungen Menschen, was uns ganz besonders zu denken geben sollte. - Und was die SPD betrifft: Diese Partei hat sich nachhaltig selbst zerstört. Eine "Re-Sozialdemokratisierung" wird es - wenn überhaupt - nur oberflächlich und in Worthülsen geben. Sobald diese Partei mit all ihren U-Booten zurück an der Macht ist, wird sie sich wieder genauso unsozial und wirtschaftshörig geben, wie wir das seit Schröder gewohnt sind. Die Grünen sind seit 4 Jahren in der Opposition - ist denn bei denen irgendein ernsthaftes Anzeichen einer Rückkehr zu "grünen Werten" der Vergangenheit zu erkennen? Nein. Auch diese Partei ist nach wie vor eine marktradikale Hartz-IV-Partei mit grünem Anstrich. - Und wie peinlich war es, am gestrigen Abend in der "Elefantenrunde" in der ARD mitansehen zu müssen, wie der Hartz-IV-Konstrukteur und Vizekanzler a.D. Steinmeier den "Oppositionsführer" zu geben versuchte und sich dabei einfach nur lächerlich machte. Schlechteres Theater habe ich selten zuvor gesehen.

CDU und FDP werden uns vom Rand mitten hinein in den Abgrund stoßen - und wenn der Wahnsinn des Vertrages von Lissabon nicht doch noch durch die Iren gestoppt wird (was so gut wie auszuschließen ist), ist es ohnehin unerheblich, wen wir in vier Jahren wählen ... denn dann werden wir in einer EU-Diktatur leben, in der der Bundestag, der Bundesrat und das Verfassungsgericht nur noch Papiertiger sind.

Einen Anlass zu Optimismus kann ich nirgends erkennen.

Anonym 28. September 2009 um 15:14  

"[...]Es geht voran...
[...]"

Ich schließe mich deinen Wünschen an, den sagen wir es einmal so, die EU, die FDP und CDU/CSU müssen erst einmal beweisen, ob die mit der "Neuen Weltwirtschaftskrise" (Zitat: Paul Krugman) fertig werden, und ich denke unsere cdu/csu/fdp-lastigen, und neoliberalen, Mainstream-Medien haben mit Merkels Wahlsieg einen Phyrrussieg errungen.

Jetzt dürfte auch dem hinterletzten Hinterwäldler in Deutschland klar sein, dass die Mainstream-Medien Merkels Wahl, die nur durch ihre Linientreue für die Wunschkoalition aus CDU/CSU/FDP ermöglicht haben.

Nach dem Wahltag 27.09.09 ist klar, die Mehrheit der dt. Fernsehmoderatoren, Nachrichtensprecher und Zeitungsfritzen ist auf neoliberal getrimmt, und zwar so, dass eine stinkfaule Kanzlerin Merkel, die nicht einmal wahlkämpft und sich im Nebel der Beliebigkeit verzieht gewählt wird - Ein kurzfristiger Erfolg, eben ein Phyrussieg für die zuständige der SED für Agitation und Propaganda - auch Kanzlerin Merkel genannt.

Ich bin sicher, bei der nächsten Wahl geht diese durchsichtige Aktion so nicht mehr durch, aber ob wir noch vier Jahre warten können ist fraglich.

Was die FDP angeht, die kann nun beweisen, ob die Mittel ihrer offensichtlich gescheiterten neoliberalen Ideologie - Zitat eines Wirtschaftsnobelpreisträgers namens Joe Stiglitz über den Neoliberalismus - die Mittel sind um Deutschland aus einer Weltwirtschaftskrise zu führen, die angeblich sogar schlimmer sein soll als die anno 1929.

Ich bleib optimistisch, und hoffe eben, dass der Neoliberalismus nun auch in Deutschland sein Fiasko erlebt, trotz, oder gerade wegen, dem Wahlsieg einer Partei namens FDP, die an ihrer gescheiterten Ideologie - eine Ironie der Geschichte - ebenso hängt wie einst die SED an einer anderen gescheiterten Ideologie.

Wie sagte Gorbatschow angeblich zu Honecker "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

Und wo ist der sowjetlastige Staatskommunismus ostdeutscher Prägung heute? Nicht einmal die Linkspartei vertritt den, entgegen der Propaganda der Neoliberalen, mehr...

Ein ähnliches Ende wünsche ich der deutschen Version des Neoliberalismus.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 28. September 2009 um 15:35  

@ Charlie

In dieser Krise funktionieren die neoliberalen Rezepte nicht. Davon bin ich überzeugt. Die FDP ist diesbezüglich genauso unfähig zu lernen, wie die Neoliberalen in der CDU. Entsprechend wird die Krise zu einer massiven Verschlechterung der Situation der unteren Mittelschicht führen. Genau jene also, die massenhaft FDP gewählt haben.
Genauso verhält es sich bezüglich regenerativer Energien / Kernkraft oder Gentechnik. Da wurde ja überall kolportiert, das "alle anderen" dasselbe auf der Agenda hätten wie die Grünen. Was - wie die nächsten 4 Jahre zeigen werden - Nonsens ist.
Und nochmal: Die SPD brauchte diesen Denkzettel! Ohne das Desaster gäbe es keine Chance, die Agenda-Ritter zu beseitigen!

Und übrigens: Was wäre die Alternative gewesen? Nochmal 4 Jahre Groko? Nein, dann lieber (IMHO) ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Und wenn hier in 4 Jahren gefeiert wird, weil wir die FDP genauso los sind wie Merkel, wirst Du mir recht geben.

otti 28. September 2009 um 19:47  

Greenspan: I made a mistake in presuming that the self-interest of organizations, specifically banks and others, where such is that they were best capable of protecting their own shareholders and their equity in the firms.
Quelle:http://oversight.house.gov/documents/20081024163819.pdf
Zeile 768ff
Nicht um Eigeninteresse, und schon gar nicht um das der Firma, geht's, sondern um das Eigeninteresse, die Eigen- oder Selbstsucht der Manager!

Das weiß aber auch der Jünger der Ayn Rand, von ihr "Undertaker" genannt.

hedera 28. September 2009 um 20:39  

Ich hoffe doch sehr, dass wir ES früher als in vier Jahren los sind. Eigentlich haben CDU und FDP die besten Voraussetzungen dafür.

Lieber Roberto, Alter ist ja immer relativ aber wenn Du mit den jungen FDP Wählern Menschen zwischen 18 und 24 meinst, kann ich das nicht richtig glauben. Ich höre oft den Jugendsender des MDR und dort gab es heute einige Meinungen zum Wahlausgang. Die Mehrzahl war Enttäuschung, Wut und Entsetzen. Ich sehe die FDP Wähler als Anfang 30 bis Anfang 40, die noch mit Ellenbogen und Illusion die Karriereleiter erklimmen wollen.
Was für mich (56) natürlich auch junge Wähler wären.
Im übrigen sind die Linken in Sachsen-Anhalt Wahlsieger geworden.
Leider sind aber auch nur etwas über 50% der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen.

Rainer 28. September 2009 um 20:59  

Den größten Aufständen gingen immer auch die größten Niederlagen und Entbehrungen voraus.

ad sinistram 28. September 2009 um 21:09  

Hedera, Du hast natürlich recht. Und dazu ist zu sagen, dass Houellebecqs Kreaturen oftmals weit über 40 Jahre alt sind. Im Grunde vertritt er die Ansicht, dass die Egomanie just in jenem Moment zum Prinzip erhoben wurde, als das kleine private Glück alle Utopien und Ideologien verdrängt hat. Also schon in den 50er und 60er Jahren. Dort wurde der Samen gepflanzt, eines Tages ein egomanisches Geschlecht heranzuziehen. Die jungen Leute, in großer Zahl, sind Nachfahren der elterlichen Egomanen, sie sind die neue Generation, die ungeniert ihren Egoismus auslebt.

Charlie 29. September 2009 um 03:42  

@Anonym, 15:35:

Hast du nicht gelesen, was ich geschrieben habe? Neoliberale "Rezepte" funktionieren niemals - nicht nur in dieser Krise nicht. Eine solche Politik nützt immer nur einer sehr kleinen und sehr reichen Oberschicht. Diese Erkenntnis ist indes nicht neu - nur leider scheinen das viele - viel zu viele - Menschen immer wieder zu vergessen.

Dass auch die Mittelschicht - und nicht nur die "untere" - unter den Konzepten der FDP leiden wird, ist sonnenklar. Ob die Wähler der FDP deswegen aber zu der nötigen und wichtigen Einsicht kommen, dass der Ausweg aus dieser Misere einzig die Solidarität, der Sozialstaat, das paritätische Miteinander sind, wage ich stark zu bezweifeln. Wer ernsthaft an den Grundsatz glaubt: "Jeder ist seines Glückes Schmied", der kann nicht solidarisch, gemeinschaftlich, sozial denken. Und genau da liegt das Problem.

Ebenfalls nochmal: Sowohl die Grünen, als auch die SPD haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie überflüssig sind. Jürgen Trittin hat am Sonntagabend sinngemäß in der ARD gesagt: "Da gibt es die FDP, die sagt, wir müssen alles privatisieren - und da gibt es die Linke, die sagt, der Staat kann alles besser ... wir aber sagen: Ein gesunder Mittelweg wäre erstrebenswert." - Das ist - mit Verlaub - Bullshit. Ein dritte "Partei der Mitte" braucht kein Mensch. Wer totale Privatisierung will, wählt die FDP, wer ein bisschen Privatisierung will, wählt die CDU (oder SPD), und wer keine Privatisiering will, wählt die Linke. - Mir hat noch niemand logisch erklären können, wieso ein Krankenhaus oder ein Altenheim Profit abwerfen muss, damit es eine Existenzberechtigung hat. Was sind das denn für perverse Gedanken? Das sind keine "Unternehmen" ...

SPD und Grüne sind CDU und FDP mit einem anderen Farbanstrich. Weitere Unterschiede vermag ich da nicht zu erkennen.

Und was die Alternative gewesen wäre, kann ich Dir sehr deutlich sagen: Wenn alle Menschen in diesem Land tatsächlich die Parteien gewählt hätten, die ihre Interessen vertreten, dann wären CDU, SPD, FDP und die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

In vier Jahren werden wir weder hier, noch anderswo feiern - denn dann leben wir in einer EU-Diktatur und werden wahrscheinlich nicht mehr nur einen einzigen Krieg führen. Es scheint sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, dass unsere Politiker den Vertrag von Lissabon ratifiziert haben, ohne ihn überhaupt zu kennen - die Grünen haben dazu ebenso ja gesagt, wie die SPD und die CDU. Und dann ist es wahrlich unerheblich, wen wir hier in den Bundestag wählen.

War das jetzt verständlicher? ;-)

Anonym 29. September 2009 um 10:45  

@Charlie
Also ich finde das Parteienbashing das Du betreibst ja ganz niedlich. Mehr aber auch nicht. Deiner These das "alle etablierten Parteien Parteien niemand verteten" ist schlicht albern. Und hat mit der Realität nicht das Geringste zu tun.
Die ist nämlich - nur mal so als Beispiel - das die Maßnahmen / Vorhaben von Schäuble und Zensursula bei Konservativen geradezu bejubelt werden. Das mag einem nicht gefallen, nur ist das die Realität "da draussen".
Anderes Beispiel: Viele Bürger in der Mittelschicht (70-150% des Durchschnittseinkommens) FÜHLEN sich nicht nur zu hoch belastet, sie SIND es, wie die OECD-Studie vor ein paar Monaten ergab auch. Diese Leute haben in großen Teilen FDP gewählt. Nicht weil sie das Programm dieser Partei in Gänze kennen oder gar befürworten würden (das tun sie nämlich nach meiner Erfahrung ganz und gar nicht), sondern allein wegen der Steuersenkungs-Versprechungen.
Das gerade der Teil, der unterhalb des Durchschnitts-Einkommens durch die Politik der FDP am meisten leiden wird (abgesehen von der Unterschicht) ist klar, aber ein völlig anders Thema.

Ich teile nicht die Einschätzung Robertos das die Jugend den von den Neoliberalen vertretenen Sozialdarwinismus "gefressen" hat. Meine Erfahrungen sind völlig andere. Es gibt IMHO eine unfassbare Naivität bei den ganz Jungen, gepaart mit weitgehender politischer Inkompetenz. Da laufen nicht zu tausenden Egomanen durch die Gegend die meinen, Geld sei alles. Da laufen tausende Jungspunde durch die Gegend, die auf das Freiheits-Geschwafel der FDP hereinfallen. Ich habe wohl mit gut 2 dutzend Erstwählern den Wahlomat gemacht. Das Ergebnis war - fast durchweg - erschreckend. Erschreckend bezüglich Unkenntnis. Aber sicher nicht bezüglich grassierendem Sozialdarwinismus.

Anonym 29. September 2009 um 11:48  

"[...]Da laufen tausende Jungspunde durch die Gegend, die auf das Freiheits-Geschwafel der FDP hereinfallen.[...]"

Mag schon sein, dass die Jugendlichen nicht so sind, wie wir die sehen - Vielleicht kooperativer, und weniger sozialdarwnistisch als die FDP. Es ändert aber nix an der Tatsache, dass die "Jungspunde" einen gewaltigen Fehler gemacht haben indem die eine sozialrassistische (Darwin nehme ich mal außen vor, da nach neuesten Erkenntnissen der Sozialdarwinismus nicht einmal in der Natur selbst existiert) Partei namens FDP gewählt haben, die VOR der Wahl soziale Wohltaten versprochen hat, bis auf den vermeintlichen "Ausrutscher" Westerwelles, der sich stark nach Schröder angehört hat - Frei nach dem Motto: Arbeitslose sind immer noch faul, und die FDP ist ja so fleißig, dass die immer die Hand aufstreckt wenn es Staatsknete gibt (Zynisch gesehen schimpft da eine stinkfaule FDP über angeblich faule Arbeitslose).

Vielleicht ändert die FDP sich ja, wenn die in der Regierung nun Verantwortung übernehmen muß?

Es wäre schon viel erreicht, wenn die jetzt merken, wenn sogar Deutesche Bank-Chef, und Merkel-Spusi, Ackermann es gemerkt hat, der Mythos Markt regelt alles ist seit der Finanzkrise mausetot, der Sozialraub bringt nix, im Gegenteil in Zeiten einer "Neuen Weltwirtschaftskrise" (Zitat: Paul Krugman - Nobelpreisträger) bringt nur Keynes etwas, während Friedman und Hayek mausetot sind ebenso wie einst Chruschtschow und Lenin.

Übrigens sollte die FDP auch einmal die neuesten Erkenntnisse der Genetik zur Kenntnis nehmen, die eben sagen auch natürlich ist Kooperation "in" und Ellenbogen "out".

Unsere "Jugendlichen" sollte man hier übrigens auch mehr bilden, denn die neuesten Erkenntnisse im Darwin-Jahr sprechen eine klare Sprache - gegen den angeblich "natürlichen Sozialdarwinismus" - nicht einmal Darwin selbst hat den vertreten, im Gegenteil, der Sozialdarwinismus basiert von Anfang an auf einem Übersetzungsfehler "Survial of the fittest" aus dem Englischen.

Wollte ich nur mal so gesagt haben....Hoffentlich liest das sei ein FDP-Mensch hier mit....und lernt was draus....

Anonym 29. September 2009 um 13:53  

Was die "Jungspunde" angeht, noch was die sind überaus beeinflussbar, und hören auf Verwandte, Eltern oder andere, die eben überwiegend konservativ wählen.

Es wäre schon viel erreicht, wenn "Jungspunde" bereit wären wieder einmal Rebellentum zu lernen, und diametral entgegengesetzt zu ihren Eltern handeln.

Ich weiß, ein weiter Weg.....

...und eine andere Generation....

...die 68er sind schon lange Geschichte....

...leider....

Ilja Karl 30. September 2009 um 10:21  

Schönes Ding !

Ziel jeder Aufklärung muss es sein, den Charakter des Liberalismus als im Wesen zutiefst autoritäre und asoziale Ideologie zu entlarven.

Die soziale Selektion, wie sie die Liberalen propagieren ( natürlich auf niedrigem Niveau sozial abgefedert) hat auf der Rampe von Auschwitz ihre rassistische und antisemitische Überhöhung erfahren, ist im Wesen aber Dasselbe: Bewertung und Verwertung von Menschen nach sozialökonomischen Kriterien. Schon deswegen gehört den Liberalen genauestens aufs Maul geschaut und eingeschritten.

Anonym 30. September 2009 um 10:21  

Roberto,
so gerne ich Deine Sachen lese. Wie kannst Du nur sagen, der Selbstsucht gehöre die Zukunft?
1. Selbstsucht macht krank! Auch wenn sie oberflächlich erfolgreich erscheinen mag.
2. Es gibt doch noch uns! Und massenhaft Menschen, die nicht selbstsüchtig sind. Solche, die man lange nicht gesehen hat, weil sie nicht trendy waren.
3. Laß uns doch auf alle schauen, die lange übersehen wurden, eben weil sie nicht dem neoliberalen Lebensgefühl erlegen waren.
4. Houellebecq ist ein Blender, und wahrscheinlich nicht ganz richtig im Kopf.
Beste Grüße, Luise von Duckhome

ad sinistram 30. September 2009 um 10:36  

Luise, Punkt für Punkt:

Zu 1: Ich habe keine moralische Wertung des Phänomens abgegeben, habe Houellebecqs literarische Werke, die durchaus von Camus und Sartre beeinflusst sind, herangezogen. Dabei war für mich wesentlich, dass das derzeitige Lebensgefühl unserer Gesellschaft, derjenigen Houellebecqs entspricht. Er selbst wertet das ebensowenig.

Zu 2: Ja, die gibt es und wird es immer geben. Aber wird uns nicht dauernd angetragen, doch mal selbstsüchtiger zu sein? Nicht nur medial, sondern auch im direkten Umfeld. Wer kennt das nicht, wenn jemand sagt: Mensch, denk' doch mal an Dich! Sicher, es gibt Menschen wie uns, aber uns züchtet man nicht. Man züchtet den Egomanen, wir sind Sonderlinge in Augen derer, die glauben, das "Prinzip Ich" sei ethisches Statement.

Zu 3: Es gibt genug, die aus ihrer eigenen Sicht nicht dem Neoliberalismus erlegen sind. Sie glauben, sie hätten sich Werte bewahrt. Solange man solche Menschen nicht näher kennenlernt, glaubt man sogar, einen stillen Mitstreiter ihnen zu finden. Und dann kommt die Wirklichkeit ans Licht. Sie erzählen Dir, ihnen sei die Hauptsache, es gehe ihnen gut. Dass es anderen schlecht ginge sei tragisch, aber nicht ihr Problem. Entsolidarisierung ist der erste Schritt zur Egomanie.

Zu 4: Louise, ich muß offen zugeben, solche Aussprüche ärgern mich. Wenn Du Houellebecqs Bücher und seine zugegeben oft provokanten Thesen nicht magst, dann sei das Dein Recht. Aber die Pathologisierung, die ich hier oft zum Gegenstand hatte, ist nicht duldbar. Wir hatten schon mal Zeiten, in denen unliebsame Zeitgenossen für nicht ganz richtig im Kopf erklärt wurden. Das war im real existierenden Sozialismus so und es wird heute von Machthabern immer noch praktiziert. Davon halte ich nichts. Houellebecqs Nicht-Richtigkeit setzt ja eine Richtigkeit voraus - und was ist das? Ich würde nicht behaupten wollen, dass ich ganz richtig im Kopf bin, weil ich nicht weiß, was das sein soll.

Wie gesagt, es ging nicht um eine Wertung. Ich sehe die Welt und bewerte sie für mich, ich lese bei anderen und nehme deren Bewertung auf. Mir graut vor einer Welt der Egomanen, aber ich kann nicht verleugnen, dass wir darauf zusteuern.

Anonym 30. September 2009 um 11:01  

Tut mir leid, wenn ich Dich geärgert habe. Wollte ich nicht.
Ich habe Houellebecq gelesen, Elementarteilchen, und danach ging es mir richtig schlecht. Das hielt ganz lange an und ich habe ganz lange darüber nachgedacht, woher das kommt. Es stimmt, er beschreibt ein Lebensgefühl bis ins kleinste Detail. Und ganz kurz und knapp sagt er an einer Stelle: die Lösung seien Liebe und Familie. - Ich frage mich folgendes: warum macht sich einer daran akribisch und langatmig das egomanische Desaster zu beschreiben. Um dann, knapp und billig Familie und Liebe zu preisen. Die doch tatsächlich sehr viel Aufwand erfordern, um sie zu er-leben. Es ist für mich wie eine Verhöhung derer, die sich der Liebe und Familie verschrieben haben. - So kommt es zustande, dass ich hier so gereizt reagiere. Und manchmal erlaube ich mir einen Spruch, wie "nicht richtig im Kopf". Sorry. Darüberhinaus lohnt es sich trotzdem, sich mit diesem Ansatz zu beschäftigen. Meine Vorstellung wäre nun, dass wir unser Augenmerk auf den Gegenentwurf richten. Auf uns. Und die, die sich nicht fürs Rampenlicht eignen.
Meine Haltung ist eine Art Verweigerung, den Egomanen die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie ständig verlangen, wie kleine schreiende Kinder.
Nochmal beste Grüße von Luise

ad sinistram 30. September 2009 um 11:09  

Man muß die Realitäten aufgreifen. Tut man es nicht, gleitet man in Traumwelten ab. Houellebecq ist Schriftsteller. Er hat kein Interesse daran, einen Roman über Familienidyll zu beschreiben. Er bildet ab, was er wahrnimmt. Und das tut er ganz geschickt, in einem Zusammenspiel aus Gesellschaftsanalyse, Science-Fiction und Pornographie. Wenn es Dir danach schlecht gegangen ist, ist das kein schlechtes Zeichen, denn dann hast Du etwas gelesen, was Dich aufgewühlt hat. Mir ging es so, als ich die "Ausweitung der Kampfzone" und "Plattform" gelesen habe. So wirr im Kopf kann er nicht sein, wenn es ihm gelingt, Menschen körperlich an seinen Büchern teilhaben zu lassen.

Man verändert nicht, indem man ein Ideal postuliert. Man muß erst den Mißstand benennen, immer wieder, ihn ganz deutlich machen, die krankheitserregenden Situationen dieser Gesellschaft herausstreichen, dann kommt eine "bessere Lebensform" von ganz alleine.

Geheimrätin 30. September 2009 um 11:52  

Das ist es Roberto, genau so sehe ich das. Auch muss man das eigene Ego kennen um ihm überhaupt Grenzen setzen zu können.

Gestern habe ich eine ehemalige Mitarbeiterin der ARGEN getroffen, die jetzt auf einem anderen Amt arbeitet. Sie erzählte mir, sie hätte es schlicht nicht mehr ertragen, wie man dort mit den Menschen umgegangen war. Wo sie jetzt arbeitet, kann sie die Menschen über ihre Rechte aufklären. Sie ist glücklich, ihr geht es gut, aber sie möchte auch dass es den anderen gut geht. Ich denke nicht, dass diese Frau besonders altruistisch oder idealistisch veranlagt ist. Nein, sie kann diese Zustände einfach nicht ertragen, sie erträgt nicht wenn Menschen entwürdigt und entrechtet und gedemütigt werden, ihr ganz persönliches Glück leidet darunter und kann ihr nicht mehr schmecken.

Die Frau sitzt da jetzt auf ihrem neuen Posten, nimmt Anteil, gibt dir alle infos mit die dir helfen können und du gehts mit einem Gefühl der Kraft und Solidarität deines Weges.

Würden alle Arbeitsvermittler eine solche Solidarität ausstrahlen, sie würden bei ihren "Kunden" Kräfte freisetzen, von denen sie nicht den Hauch einer Ahnung haben. Was aber heute dort und in der realexistierenden "sozialen" Marktwirtschaft praktiziert wird, ist Krieg, Erpressung,Ausbeutung Demütigung und Mord.

Anonym 30. September 2009 um 11:53  

Klasse! Wie so oft! :-)

Mir fällt dazu die unsägliche "ICH"-Kampagne der Postbank ein, die seit Anfang dieses Jahres läuft: "Unterm Strich zähl ICH"

Aus dem Terminkalender 2009 der Postbank (außen drauf steht "terminlICH"):

"Die Tage werden länger - und ich habe wieder mehr Zeit für mich" (März)

"Mein Vorbild der April. Einfach das tun und lassen, was ich will" (April)

"Mehr Sonne, mehr Licht - mehr vom Tag, mehr für mich!" (Mai)

"Die schönste Aussicht überhaupt: Sommerzeit für mich!" (Juni)

Usw. Usf. So geht das bis Jahresende in diesem Kalender!
Ich weiß nicht wer sich so was ausdenkt. Aber es drückt genau den Zeitgeist dieser Tage aus: ICH, ICH, ICH und nochmal ICH!

Eigentlich ein Grund, das Konto bei diesem Zeitgeistirrläufer sofort zu kündigen!

Anonym 30. September 2009 um 13:17  

So treffend beschrieben, geradezu plastisch. Mir fallen x Beispiele dazu ein, wobei ich mich jedesmal von neuem sowohl wundere als auch trauere wie es soweit hat kommen können.

Anonym 1. Oktober 2009 um 21:17  

bester roberto,

nachdem ich die vorläufigen endergebnisse der wahl sah, wurde mir tatsächlich speiübel, und mir kamen so gedanken wie: stell dich auf eine kiste in einer fussgängerpassage und beschimpfe die wähler für diesen wahlausgang ...
ruf ihnen ins gedächtniss, wofür diese parteien eigentlich stehen, was sie bisher geleistet haben und was sie in ihren partei programmen stehen haben ...
frage sie dann nochmals, ob sie das wollen ...

nun ja,
ich tat es nicht.
zwei tage mussten vergehen, bis es mir mental gesehen wieder besser ging.

erholt kann ich nun einem kommentator zustimmen, das dies zwar eine chance ist, für die spd sich endlich vom neoliberalismus zu trennen und wieder zur "sozialdemokratie" zurückzukehren, doch schmeckt es mir gar nicht, das in den nächsten 4 jahren die gelb-schwarzen wüten können wie sie wollen, und es möglicherweise sogar in kauf nehmen, die gesamte gesellschaft in den ruin zu treiben, speziell die weniger gut betuchten ...

das macht mir persönlich angst.



was die ellenbogengesellschaft angeht, so ist es doch fast "natürlich" das menschen in wirtschaftlich schlechten zeiten (u.a. durch schröders reformen, weltwirtschaftskriese usw. usf.) eher an sich denken ...
für ein an sich so reiches land wie die brd, ist so eine geisteshaltung allerdings beschämend.

genauso wie die derjenigen,
die mehr private vorsorge fordern, egal ob bei der rente, der arbeit, der ausbildung oder der schule ...

na ja,
die gründe soetwas zu propagieren sind hoffentlich allen klar ...

lg,
e

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