Redet doch kein Blech!
Mittwoch, 16. September 2009
Nun ist die Anerkennung einer zivilcouragierten Tat, gerade wenn sie mit eigenen Opfern und Entbehrungen bezahlt wurde, wenn man dafür gar sterben mußte, kein unvernünftiger Frevel oder Ausdruck wichtigtuerischer Maßnahme. Schreitet eine Privatperson ein, um Schwächere zu schützen, bedarf es geradezu der gesellschaftlichen Anerkennung. Ob das in Form eines Ordens sein muß, erscheint allerdings fraglich. Und ob ein getöteter Zivilcouragierter viel von dieser blechernen Ehre hätte, können nur jene beantworten, die nach ihren Eintritt in den Hades doch nochmal entwischen konnten. Aber irgendwie will man natürlich außergewöhnlichen Einsatz honorieren, irgendwie muß die Gesellschaft kenntlich machen, dass sie eines ihrer Mitglieder ehrt - und das auch posthum, wenn nötig.
Der Aufruf, man möge dem getöteten Hilfsbereiten aus München nun das Bundesverdienstblech doch bitte posthum anheften, wäre in friedvolleren Tagen als symbolischer Akt anzuerkennen. Man müßte damit nicht einverstanden sein, der Blechhysterie nicht untertänig werden, aber man könnte es getrost ad acta legen, um sich anderen Themen zu widmen. In Zeiten von Eisen und Blut, in Augenblicken, in denen der Krieg tost allerdings, da ist die Ordensgesinnung ein Politikum. Gerade dann, wenn eine große deutsche Tageszeitung, deren Namen aus Gründen guten Geschmacks verschwiegen werden soll, zum Anwalt der Forderung wird; eine Tageszeitung, die wie keine andere Kriegsgelüste anheizt und brutalste Kriegstaktiken reinwäscht, Soldatenehren konstruiert und Heldenepen stilisiert. Gerade dann, wenn solche Hetzer der Heimatfront Orden fordern, sollte man stutzig werden.
Was sich hier scheinbar harmlos und in einer Art Solidarisierung mit dem toten Mutigen abzeichnet, dient eher der Instrumentalisierung. Der Orden wird in Szene gesetzt, er wird zum universellen und vielseitigen Monument hervorragender Leistung. Man impft ihn der Masse ein, man verabreicht der Gesellschaft blecherne Ehrenurkunden, macht die öffentliche Vergabe von Dekorationen zum Ritual für alle Fälle. Wenn dem Anstecken von Auszeichnungen nichts Anrüchiges mehr anhaftet, weil das ganze Land an der Auszeichnung eines Mutigen teilhatte, dann wird auch die Verleihung von Kriegsauszeichnungen im Schonwaschgang gesäubert, dann werden Blutflecken unmerklich und porentief rein entfernt. Schließlich ist die Ordensverleihung dann als Ausdruck ehrenvollen Handels anerkannt. Der Mutige aus München als moralischer Botschafter! All die kleinen und großen Couragierten als Botschafter moralischer Blechjüngerschaft. Das Blech der Krieger läßt sich mit dem Blech der Mutigen spielend von äußerer Kritik der Kriegsgegner behüten.
In den Reihen derer, die durchaus Auszeichnungen verdienen würden, wenn man denn Wert legen würde auf lackiertes Nirosta, tummeln sich dann solche, die für ihre Mordsdienste geehrt wurden. Rettungsschwimmer neben Bombenlegern, Helden des Alltags neben Helden der Front, Sozialarbeiter neben Mörderbrigaden - alle vereint, alle für das Wohl der Gesellschaft, alle als Ausdruck einer Gesellschaft, die nur das Beste will für sich selbst. Die Angehörigen, die das Verdienstkreuz entgegennehmen würden, sollten sich mehrmals überlegen, ob blecherne Auszeichnungen in diesen Tagen ehrenvoll sind. Sie sollten sich fragen, ob es nicht einer Beleidigung für den Einsatz ihres Vaters, Mannes, Sohnes, Bruders gleichkommt, aus den Händen jener Herrschaftskaste Ehrungen zu erhalten, die auch blutbesudelten Kriegern die Hände schüttelt. In Zeiten, in denen der heilige Mord im Namen der Nation mit Dekorationen belohnt wird, ist eine Belohnung aus demselben Blech, mit denselben Abzeichen und nationalen Symbolen bedruckt, aus denselben Händen vergeben, eine Schmähung und eine Herabminderung des eigenen Einsatzes. Wenn der Henkersdienst in Uniform behangen wird, ist das Behängen der Zivilcourage ein Affront. Dann behängt man die Zivilcourage nicht - dann hängt man sie.
Der Aufruf, man möge dem getöteten Hilfsbereiten aus München nun das Bundesverdienstblech doch bitte posthum anheften, wäre in friedvolleren Tagen als symbolischer Akt anzuerkennen. Man müßte damit nicht einverstanden sein, der Blechhysterie nicht untertänig werden, aber man könnte es getrost ad acta legen, um sich anderen Themen zu widmen. In Zeiten von Eisen und Blut, in Augenblicken, in denen der Krieg tost allerdings, da ist die Ordensgesinnung ein Politikum. Gerade dann, wenn eine große deutsche Tageszeitung, deren Namen aus Gründen guten Geschmacks verschwiegen werden soll, zum Anwalt der Forderung wird; eine Tageszeitung, die wie keine andere Kriegsgelüste anheizt und brutalste Kriegstaktiken reinwäscht, Soldatenehren konstruiert und Heldenepen stilisiert. Gerade dann, wenn solche Hetzer der Heimatfront Orden fordern, sollte man stutzig werden.
Was sich hier scheinbar harmlos und in einer Art Solidarisierung mit dem toten Mutigen abzeichnet, dient eher der Instrumentalisierung. Der Orden wird in Szene gesetzt, er wird zum universellen und vielseitigen Monument hervorragender Leistung. Man impft ihn der Masse ein, man verabreicht der Gesellschaft blecherne Ehrenurkunden, macht die öffentliche Vergabe von Dekorationen zum Ritual für alle Fälle. Wenn dem Anstecken von Auszeichnungen nichts Anrüchiges mehr anhaftet, weil das ganze Land an der Auszeichnung eines Mutigen teilhatte, dann wird auch die Verleihung von Kriegsauszeichnungen im Schonwaschgang gesäubert, dann werden Blutflecken unmerklich und porentief rein entfernt. Schließlich ist die Ordensverleihung dann als Ausdruck ehrenvollen Handels anerkannt. Der Mutige aus München als moralischer Botschafter! All die kleinen und großen Couragierten als Botschafter moralischer Blechjüngerschaft. Das Blech der Krieger läßt sich mit dem Blech der Mutigen spielend von äußerer Kritik der Kriegsgegner behüten.
In den Reihen derer, die durchaus Auszeichnungen verdienen würden, wenn man denn Wert legen würde auf lackiertes Nirosta, tummeln sich dann solche, die für ihre Mordsdienste geehrt wurden. Rettungsschwimmer neben Bombenlegern, Helden des Alltags neben Helden der Front, Sozialarbeiter neben Mörderbrigaden - alle vereint, alle für das Wohl der Gesellschaft, alle als Ausdruck einer Gesellschaft, die nur das Beste will für sich selbst. Die Angehörigen, die das Verdienstkreuz entgegennehmen würden, sollten sich mehrmals überlegen, ob blecherne Auszeichnungen in diesen Tagen ehrenvoll sind. Sie sollten sich fragen, ob es nicht einer Beleidigung für den Einsatz ihres Vaters, Mannes, Sohnes, Bruders gleichkommt, aus den Händen jener Herrschaftskaste Ehrungen zu erhalten, die auch blutbesudelten Kriegern die Hände schüttelt. In Zeiten, in denen der heilige Mord im Namen der Nation mit Dekorationen belohnt wird, ist eine Belohnung aus demselben Blech, mit denselben Abzeichen und nationalen Symbolen bedruckt, aus denselben Händen vergeben, eine Schmähung und eine Herabminderung des eigenen Einsatzes. Wenn der Henkersdienst in Uniform behangen wird, ist das Behängen der Zivilcourage ein Affront. Dann behängt man die Zivilcourage nicht - dann hängt man sie.
15 Kommentare:
Natürlich könnte man auch einen Orden für bürgerliche Zivilcourage schaffen. Leider leben wir aber seit geraumer Zeit in einer geldwerten Gesellschaft. Das praktizieren am Shareholder-Value orientierte Unternehmen ebenso wie Verkehrsbetriebe und der öffentliche Dienst. Also: Keine Mittel für zusätzliches Personal. Daher sollte der couragierte Bürger mit einer angemesseneen Summe belobigt werden, eine schmucke Urkunde kann durchaus dabei sein. Die posthume Variante wäre allerdings nicht rentabel.
Danke herr De Lapuente, so habe ich die verschiedenen Auszeichnungen noch nicht gesehen oder in zusammenhang gebracht. Ich danke ihren Ausführungen.
Das sehe ich genauso. Hundertprozentige Zustimmung!
Liebe Grüße
Margitta
Genau so ist es.
Hmmm,
die Argumentation ist schlüssig. Da kann ich nichts sagen.
Aus dem Bauch heraus, hätte ich aber gesagt: Wenn man Profis in Afghanistan auszeichnet, dann ist die Courage von Zivilisten noch höher zu bewerten. Das Problem ist doch nicht die Anerkennung der Zivilcourage, das Problem ist die Akzeptanz des Krieges.
Aber wie gesagt, im Rahmen der Gegegebenheiten, überzeugen mich die Argumente.
p.s. kann das BVK nicht nur an Lebende vergeben werden, da es nach Verleihung im Eigentum der BRD verbleibt und nach dem Tod zurückgegeben werden muss?
M.a.W.: Sowieso nur heiße Luft?
Mein Großvater hatte auch einen Orden, des NS-Staates, den "Held der Arbeit".
Wollen wir wetten auf diese Idee kommen die neoliberalen Kriegstreiber in Deutschland auch noch?
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Ein Aspekt wird völlig ausgeblendet, denn wenn der zivilcouragezeigende Helfer am Ende zum Krüppel geschlagen wird, lässt die Gesellschaft diesen vorbildlichen Helfer allein. Und daher sollte man(n) in kluger Weitsicht (lieber) nicht eingreifen, um nicht selbst als Opfer mit bleibenden Schäden/Folgen tragisch enden zu müssen!
MfG
berti
Ein nachdenklich machender Beitrag des Autors. Danke dafür.
Leider wüßte ich in meiner Hilflosigkeit auch nicht, wie man solche Zivilcourage gebührend ehren sollte. Wie wäre es aber mit der Benennung einer Straße nach dem Namen des Ermordeten? Vielleicht im umittelbaren Umfeld des S-Bahnhofs?
@Nachdenkseiten-Leser, beim Orden "Held der Arbeit" sind Sie m.W.n. in einer falschen Epoche gelandet. Das war eindeutig ein Orden, der in der DDR verliehen wurde.
http://de.wikipedia.org/wiki/Held_der_Arbeit
Anderenorts wird ja schon mal aus der Gleichsetzung beider gesellschaftlichen Systeme Kapital geschlagen... ;-)
Seltsam am Vorfall ist, dass die angeblichen 15 Zeugen, die nicht eingegriffen ist nach gestriger Nachrichten-Meldung der Staatsanwaltschaft gar nicht vorhanden waren.
Cui Bono?
Wem nützt die Behauptung, die nun von der Staatsanwaltschaft selbst als unwahr gebrandmarkt wurde, wenn nicht den neoliberalen Innenkriegstreibern um endlich die Bundeswehr als Konterrevolution im Innern einzusetzen?!
@ Anonym 16. September 2009 13:14
Held der Arbeit war kein Orden des NS -Regimes, den gab es in der DDR - für Arbeit...
@Harald
"[...]Held der Arbeit war kein Orden des NS -Regimes, den gab es in der DDR - für Arbeit...[...]"
Ja? Und wieso besitzen meine Eltern dann diesen Orden noch - als Andenken an meinen Großvater, der mit Reichsadler-Hakenkreuz, Schwert und Spaten sowie Bunker und Erde versehen ist, und auf dem auf der Rückseite folgender Satz steht "Für Arbeit zum Schutze Deutschlands"? Kannst du mir das erklären?
Oder ist das Hakenkreuz neuerdings ein DDR-Symbol?
Übrigens ich bin im Gebiet der ehemaligen DDR n i c h t aufgewachsen, s o n d e r n in der alten BRD, ergo "Westdeutscher".
Auch egal, neuerdings ist ja alles was an Faschismus erinnert ein Teil der DDR gewesen, und die alte BRD war ein Hort der Heiligen, die kein Wässerchen getrübt haben und deren Vorfahren keine 6 Millionen Juden ermordet haben, dass waren ja alles die "Ossis", wenn es nach Neoliberalen geht. Hab ich recht?
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
@Harald
Mea Culpa....Entschuldigung....Du hast leider recht, wie ich so eben bei Wikipedia nachlesen durfte - "Der Held der Arbeit" war ein DDR-Abzeichen.
Mein Großvater hat einen anderen Orden erhalten, über den man hier nachlesen kann:
http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Orden/dsez.html
Übrigens, der Orden ist kein Grund drauf stolz zu sein, aber - mir selbst unverständlich - meine Familie hat den eben, mit anderen Sachen meines Großvaters, der angeblich noch einmal zum Militär eingezogen wurde, obwohl er zu alt dafür war, weil er sich den Nazis "widersetzt" hat - so eine Familienlegende - aufbewahrt.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Idee
Wie wäre es mit einem Orden für PolizistInnen, die in Demos gegen Sozialabbau Demonstranten totprügeln?
Ich weiß, zynisch, aber ich denke die Realität wird uns bald einholen, wie immer dank Maggy Merkel.
Ich fände es auch sinniger, statt Ordensverleihungen einen Fonds einzurichten, der Leuten hilft, die bei ihrem zivilcouragiertem Eingreifen selbst zu Schaden gekommen sind.
Man soll übrigens möglichst nicht alleine eingreifen, sondern andere direkt ansprechen und zum Mithelfen auffordern. Bei 15 Zeugen hätte man vielleicht schon den ein oder anderen dazu bringen können mitzuhelfen und dann wären die Angreifer in der Unterzahl gewesen.
"[...]Bei 15 Zeugen hätte man vielleicht schon den ein oder anderen dazu bringen können mitzuhelfen und dann wären die Angreifer in der Unterzahl gewesen.[...]"
Wenn es so gewesen wäre, aber die zuständige Staatsanwaltschaft - es sei noch einmal erwähnt - hat dementiert, dass es sich um 15 Zeugen gehandelt hat - Es scheint so, dass gar kein Zeuge hätte eingreifen können, so gestern wieder gehört.
Man kann es nicht oft genug sagen, irgend eine Seite - die Politik vielleicht - lügt.
Gestern kam übrigens auch die Meldung, dass man die Bahnhöfe in Bayern mit Video-Überwachung - eben wegen dem Vorfall - besser überwachen will - CSUseitig.
Leichenfledderer die Neoliberalen eben....
Mfg
Yes Men
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