Massa sein gut

Freitag, 4. Dezember 2009

Kollege, laß' dich nicht hängen. Denn läßt du dich hängen, läßt du unseren Brotgeber hängen. Engagiere dich, erbring' Leistung, halt' dich ran! Geht es unseren Ernährer wohl, so geht es dir und mir ebenfalls gut. Und nur wenn du leistest, leistest, leistest, mitziehst, die Unternehmensziele immer vor Augen trägst, dann fühlt sich unser Ernährer kuschelig gebettet. Wenn er kuschelt, fällt auch für uns ein wenig vom wärmenden Flaum ab. Mach' mit Kollege, arbeite mit am Wohl unseres Versorgers, vergelte ihm durch wilden Einsatz, dass er dir Arbeit gespendet, sich herabgelassen hat, dir zum Arbeitgeber zu werden.

Nimm' es ihm nicht übel, dass er andere Kollegen entlassen hat. Er mußte es tun, für sich und für uns. Weil er es tat, verteilt er weiterhin Brotlaiber an uns. Kleinere Laiber, sicherlich, aber besser was Kleines als Keines. Wo stünden wir denn heute, hätten wir Lohn- und Urlaubsverzicht nicht abgenickt? Er tat es für uns, Kollege, damit wir weiterhin unter der Haube bleiben können, versorgt und bemuttert sind. Du darfst es ihm nicht verübeln. Im Gegenteil, ran an das Firmenwohl, ran an das Wohl unseres Herrn, dafür gesorgt, dass es durch ihn und mit ihm und in ihm uns rosig ergeht. Sicher, er drangsaliert uns manchmal, setzt unter Druck, stachelt hier an, wiegelt die Kollegen untereinander dort auf - aber das tut er nur, damit es ihm gut geht, damit sich letztlich du und ich und all unseren Kollegen ebenso erquicklich fühlen. Selbstlos ist er. Und selbstlos solltest du nun sein. Drum auf ans Werk, Kollege!

Was? Kollege, spinnst Du? Einen Hausneger nennst du mich? Einen Hausneger, der dabei behilflich ist den Feldneger zu unterdrücken? Mitnichten ist unser Versorger ein Massa, Kollege Malcolm! Und wenn schon. Selbst wenn er es wäre! Er gibt uns Brot, er sättigt uns, er füttert unseren Magen, auch wenn er es nicht mehr in dem Maße tut, wie er es einst tat - jedenfalls versucht er es noch so gut es ihm gelingt. Honoriere es! Hausneger! Du bist drastisch, Kollege, und unsachlich obendrein. Ich spalte die Belegschaft nicht, mache mich nicht hinterrücks an die Schwarzen des Feldes heran. Ich plädiere auf Vernunft. Sklavenmoral ist das keine. Auch kein verdummendes Spiritual, wie du mir frecherweise unterstellst. Nein, ich bete keinen weißen, blauäugigen, europäischen Jesus, Sohn des lebendigen Mammons an! So ein Unsinn! Ich bete nicht die Lehren und Dogmen meiner Herrn nach, wiederhole nicht die Verse meines Massas. Kollege, mein Versmaß heißt Vernunft. Ich möchte nur, dass du einsiehst, dass im Wohlergehen unseres Brotgebers unser Heil döst. Das ist keine Sklavenmoral, es ist die Moral der Ratio, handfest und nachvollziehbar. Nur ein sturer Kopf ist kaum imstande, dieser einzigen, unanfechtbaren, unumstößlichen Einsicht nicht zu folgen.

Protest, Demonstration, Streik! Kollege, das sind Unsinnigkeiten einer anderen Zeit, einer unaufgeklärten Ära. Heute stemmen wir uns nicht mehr gegen unseren Herrn, heute tätscheln wir ihm die Hand. Wohin führt es denn, wenn wir in schlechten Zeiten gegen unsere Versorger anrennen? Gerade in Notzeiten brauchen sie unser Verständnis, unseren Zuspruch, unsere Einsicht, unseren Verzicht, schlussendlich unsere Vernunftbegabung. Sicher, Kollege, du bist der Ansicht, wir stecken tief im Darm unseres Herrn. Kann sein. Aber da ist es heimelig warm, herrlich geheizt. Bevor wir dieses Kuschelplätzchen aufgeben, streiken und uns entrüsten, am Ende vielleicht nie wieder diesen Platz hinterm Schließmuskel erobern können, bleiben wir doch lieber still und gefügig im Arsch, damit wir am Ende nicht am Arsch sind, Kollege. So bestreitet man heute Klassenkampf, man verhält sich ruhig und angepasst und hofft, es trifft den anderen. Den Feldneger? Kollege, nicht so dramatisch, denn letztlich war auch der Feldneger nur ein verkappter Hausneger, der erst zum Gegner, zum aufbegehrenden Feldarbeiter seines Massas wurde, als er die Kündigung in die Hand gedrückt bekam. Davor hat er gehofft, es möge den neben ihm treffen, schamvoll hat er zu Boden geblickt und die Pest seinem Kollegen an den Hals gewünscht.

Und nun ans Werk, Kollege. Profite erwirtschaften! Für unseren Massa, für seine Gesundheit, die zugleich unsere Gesundheit ist. Vielleicht kürzt und entlässt er auch in Zeiten luxuriösen Profits, Kollege. Womöglich hält er uns an der kurzen Leine, ob er profitiert oder nicht. Aber wenn er uns sowieso wie Sklaven behandelt, dann können wir in der Zwischenzeit, in dieser Zeit des Hoffens und Bangens, genauso Mehrwerte schaffen, etwas Sinnvolles und Erfüllendes tun. Was täten wir denn sonst, Kollege? Wenn unser Los eh schon entschieden ist, können wir die Zwischenzeit auch profitabel gestalten. Denn an das gute antiquierte Märchen vom alten Onkel Tom glaube ich nach wie vor: Wenn der Herr zufrieden ist, sehen die Sklaven wunderbaren Zeiten entgegen. Man raube mir nicht dieses Märchen, sonst wird mir die Welt trostlos! Hör also auf, Kollege, hör endlich auf mir die Zuversicht am Leben zu stehlen!

16 Kommentare:

Ralf-zwei.null 4. Dezember 2009 um 03:51  

Seltsam, während des Lesens hatte ich ständig diesen albernen T-Shirt-Spruch im Kopf:

"Solange mein Chef so tut, als würde er mich anständig bezahlen, tue ich so, als würde ich anständig arbeiten."

Ich glaube, ich müsste mal zum Oberstübchenentrümpler. Aber ob das die Krankenkasse einem armen Hausneger finanziert? Womöglich geht ja schon die negative Gehaltserhöhung für die Beitragsanpassung im nächsten Jahr flöten, von der mein Massa ja dank der weisen Entscheider zum Glück nicht betroffen ist.

Massa sein gut, und Massa haben gut!

Anonym 4. Dezember 2009 um 04:05  

Schöne Beschreibung, wie so oft

Jedoch, macht man sich nicht schon zum Hausneger, wenn man das Thema derart verharmlost ? Kaufen wir uns nicht somit doch stets zuvor die Bahnsteigkarte, bevor wir uns erlauben, überhaupt an Widerstand, garnicht gedacht an Revolution, zu denken ?

M.a.W: Reichen wohlsetzte Worte zur Veränderung ?

Dennoch: Weiter so, als, gotthilf bewahre, garkeine Stimme wider dem Mainstream

syndicati 4. Dezember 2009 um 07:15  

der ganze text ist gegen den mainstream. er veralbert so einen doofen zeitgenossen, der seinem chef im arsch steckt. wer sich ärgert, weil er sich wieder erkennt, der weiß auch, daß der text gegen den mainstream ist.

Anonym 4. Dezember 2009 um 08:06  

Anhänger des 04.08.2009.

Wann werden die Menschen in dieser Rest"republik" endlich erkennen, dass kürzere Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Sozialschutz, lebensichernde Entlohnung ... unseren Altvorderen nicht geschenkt, sondern dass sie dafür , gestreikt, gekämpft, geblutet und sogar gestorben sind (damals hat die "Staatsgewalt" im Auftrag der Fabrik- und Unternehmensbesitzer nicht nur geknüppelt, sondern auch in die Menge geschossen).

Wer die heutigen Entrechtungen aussitzen will, hat schon verloren.

Frank Benedikt 4. Dezember 2009 um 08:22  

Wieder sehr treffend und amüsant, mein Bester! Kritik bekommst Du via Mail ... ;-)

Anonym 4. Dezember 2009 um 08:46  

Schöner Text, die heutige Stellung vieler, ja der allermeisten Lohnabhängigen oder bessser Lohnsklaven treffend beschrieben.
Nur ein wenig schade, dass da versäumt wurde, auf die tollen "Leistungen", unserer "verantwortungsbewussten" ... ähm... "Gewerkschaften" hinzuweisen, welche schon seit Jahrzehnten bei der mentalen Zurichtung dieser heutigen "Hausneger" aktiv mitgewirkt haben.
Oder wird diese Mitwirkung bereits als selbstverständlich angesehen, keiner Erwähnung mehr würdig? Diesen Punkt sollte man niemals übersehen. Diese famose "Mitbestimmung" hin oder her.
Ansonsten ein guter Text, weiter so!

HMxxx 4. Dezember 2009 um 09:10  

Beim Lesen des Textes drängten sich mir sofort Assoziationen mit den Gewerkschaften in unserem Land auf.

Ich musste dabei an eine Meldung denken, die, 2004 glaube ich war das, im WDR-Land über den Äther ging. Von ca. 600-800 Arbeitsplätzen in irgendeiner Firma in der Region hatte die Gewerkschaft 100 Arbeitsplätze „gerettet“, der Rest ging den Bach runter. Aber ein schöner Erfolg! Der durch den konsequenten Arbeitskrampf der Gewerkschaften erst möglich wurde.

Übrigens @ Ralf-zwei.null, den Spruch finde ich nicht albern sondern richtig gut, ich kannte den bis dato noch nicht.

Lars 4. Dezember 2009 um 09:42  

Massa sein gut!

Peinhard 4. Dezember 2009 um 10:27  

Ich habe mich gerade zum dritten Mal durch den von Lars eingestellten Link geklickt und versuche jetzt krampfhaft, den Terminus 'Realsatire' aus meinem Wortschatz zu streichen. Der ist überhaupt - obwohl ich von der Praxis gerüchteweise schon gehört hatte - auf einmal nutzlos und wie geplündert...

Anonym 4. Dezember 2009 um 10:50  

Auch ich hielt den Link von Lars für gut gemachte Satire ...

Ich krieg das einfach nicht in meinen Kopf, wie sowas funktionieren kann.

Auch früher haben wir als Schüler Zeitungen verteilt oder in Geschäften für wenig Geld gejobbt, Kisten geschleppt oder Helfershelfer gespielt. Aber dafür gabs bis zu 10 Mark die Stunde, ein Betrag den heute selbst Schwerstarbeiter oft nicht mehr erhalten :-/

Anonym 4. Dezember 2009 um 11:19  

Ich weiß nicht ob ich die Intention des Beitrags vollständig verstanden habe? Ich meine er wirft den Arbeitnehmern vor, sich zum Schlachtvieh machen zu lassen.

Also ich geh prinzipiell immer von Folgendem aus: Grundsätzlich kann nur das verteilt werden, was erwirtschaftet wird. Wenn in einem Bereich weniger verkauft wird, wird weniger eingenommen, also kann insgesamt weniger verteilt werden.

Man kann natürlich intern umverteilen, denn Viele haben ja vielzuviel und wissen nichts anderes damit anzufangen, als es bei Bernard Maddoff zu versenken.

Wenn in einem Bereich weniger verkauft wird, aber in anderen Bereichen mehr, so könnte man sogar zwischen Bereichen umverteilen.

Unter Bereich verstehe ich auch die Erwerbslosen.

Poltik wäre für mich vor allem auch dazu da, das (nicht gerecht aber ausgleichend) zu organisieren.

In letzter Instanz müßten also die Arbeitnehmer die Herrschenden zwingen, diesen Ausgleich zu organisieren.
Aber das ist eine kindliche Utopie.

Zu bedenken iat noch: Ein solcher Ausgleich würde allerdings nur funktionieren, solange insgesamt genug produziert wird. Das allerdings könnte der Fall sein, denn das BIP ist auch in Zeiten schlimmster Einschnitte noch gewachsen.

Freilich darf nicht der Fall eintreten, das die Gesamteinnahme geteilt durch die Anzahl der Empfangenden das Lebensminimum unterschreitet. Dann würde auch

Streiken

nichts mehr nützen.

So habe ich schon als Jugendlicher gedacht und diese Gedanken nie aufgegeben. (Natürlich habe ich nie ernsthaft geglaubt, das ein Ausgleich vollständig sein könnte. Dafür sind die Menschen nicht gestrickt) Aber davon abgesehen, sind diese Gedanken nicht so naiv, daß man nicht fürchten muß, sich lächerlich zu machen, wenn man sie äußert?

Anonym 4. Dezember 2009 um 11:36  

So ziemlich jede Organisation bzw. jedes Unternehmen ist eine Kirche.

Anonym 4. Dezember 2009 um 13:22  

@ Anonym 4. Dezember 2009 11:19

Du bist ganz schön verblendet, wenn du glaubst, dass es nichts oder zu wenig zu verteilen gäbe (das ist übrigens die standartmäßige Arbeitgeberideologie), wenn gleichzeitig in unserer heutigen Zeit unsere Unternehmen die größten Gewinne in ihrer gesamten Geschichte einfahren.
Schau dir mal die Entwicklung der Lohn(stück)kosten an und du stellst fest, dass dieser Kostenpunkt immer weiter schrumpft, während in genügend Unternehmen immer größere Gewinne eingefahren werden.
Es gibt also sehr wohl genügend zu verteilen.

Dazu nur mal eine aktuelle Meldung zu den Gewinnen unsere DAX Konzerne:
http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/marktberichte/:mitten-im-krisenjahr-dax-konzerne-verdoppeln-ihre-gewinne/50045734.html

Wenn 1 Prozent der Bevölkerung ein Viertel des Vermögens besitzen (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,602649,00.html), dann ist es allerhöchste Zeit für neue Verteilungskämpfe.

Ich halte deine passive Haltung für fatal. Von alleine wird dir nämlich niemand etwas von seinem Kuchen abgeben, soviel ist sicher.

landbewohner 4. Dezember 2009 um 18:16  

zu ralfs realsatire:
obwohl ja die menschliche dummheit unendlich sein soll und ich sogar glaube, daß es wirklich einige schwachsinnige gibt, die es für angemessen halten, nur für trinkgeld zu arbeiten - schon seit ewigen zeiten arbeiten friseure und servicepersonal teilweise jedenfalls für trinkgeld - die seite der erwähnten christlichen!!(inhaber und erfinder ist pfaffe von beruf) firma halte ich für gefakt. so etwas kann jeder zusammenschreiben.
und zu massa sein gut passt ja auch die aussage: wir haben massig aufträge etc. vom armen ausgebeuteten knecht oder mägdelein.

Amelia 4. Dezember 2009 um 22:02  

Sicher, dass das Satire ist? Dann wäre es aber von sehr langer Hand vorbereitet worden:

http://www.koerber-stiftung.de/gesellschaft/transatlantischer-ideenwettbewerb-usable/preistraeger/datenbank.html?tx_smsusable2_pi1[uid]=200&cHash=30b5abb842

Ich habe früher mal naiverweise geglaubt, dieser Wettbewerb sei etwas Gutes, denn die Medienberichterstattung darüber war ja sehr positiv. Heute weiß nicht nicht mehr, wie ich jemals auf diese Idee gekommen bin. Es ist kaum zu begreifen, dass man für so etwas einen Preis bekommt!

Peinhard 5. Dezember 2009 um 12:50  

Natürlich sind auch Verteilungskämpfe absolut angesagt, man sollte sich aber im klaren darüber sein, dass diese die Strukturkrise der Arbeitsgesellschaft nicht lösen, sondern im Gegenteil auch nur verschärfen können. Wobei die Rede vom 'gerechten Lohn' unter den herrschenden Verhältnissen ohnehin nur eine Illusion sein kann - was einen indes auch nicht davon abhalten sollte, einfach erstmal 'mehr' zu verlangen.

Was wir statt dessen aber eigentlich immer nötiger bräuchten, sind Projekte dieser Art und Zielsetzung. Das Dumme ist nur, dass es an Theorien wie an Utopien um so mehr mangelt, je dringender wir sie entwickeln müssten - auch wenn die neoliberale Hegemonie jetzt vielleicht mal einen Knacks weg hat, der Kapitalismus an sich hingegen scheint auch bei 'Linken' um so weniger in Frage zu stehen und inzwischen auch den Rang einer Quasi-Naturgesetzlichkeit einzunehmen. Das auch hier sehr gut beschriebene Dilemma besteht also darin, dass wir zwar 'objektiv' durchaus eine 'revolutionäre Situation' hätten - 'subjektiv' jedoch weniger denn je...

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP