Unverbindliches Naturgesetz

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Putzig sind sie, regelrecht goldig, wie sie sich seit einigen Tagen ereifern, wie sie wüten, ihre possierlichen Fäustchen gen Kopenhagen erheben, um der Bande dort bläuliche Augenringe anzudrohen. Herzallerliebst, wie sie der feilschenden und schachernden Meute Regeln und Gesetze abluchsen wollen, damit sie mit dem Umweltschutz, mit einem bewussteren Leben beginnen können. Ohne Regelwerk, bar jeglicher Diktate, fern von Statuten und Paragraphen, kommt der Bürger der westlichen Demokratien nicht von der Stelle.

Drollig, wie sie ihre Nasen aus Zeitungsartikeln erheben, nur um zu maulen, schimpfen, sich zu erbosen, den geostrategischen Kriegen jedoch jede Berechtigung gewähren, auf Grundlage von Öl Blut schürfen. Köstlich ist die Erregung, wenn sie sich überschwänglich wähnen, oben in Dänemark das Nest der Urheber entdeckt zu haben. Sie sind so reizend, wenn sie jeden kurzen Gang zur ausgiebigen Autofahrt krönen, mit dem umklammerten Lenkrad die Klima- und Naturvernichter scheltend, die Berserker am Galgen ihres Ingrimms aufknüpfend. Sie würden ja so gerne eine bessere Welt besitzen, aber wenn ihnen keiner eine bessere Welt verfügt, eine bessere Welt, die in Verträgen und Vorschriften festgehalten und herbeiverordnet wird, dann resignieren sie motzend und zeternd. Schwarz auf weiß will man es gedruckt haben! Ohne Papier und bürokratischem Gepräge, keine bessere Welt!

Gebt ihnen doch endlich Gesetze und Verträge, in denen das Klima vorgeschrieben wird! Setzt Präambeln und Paragraphen an, damit ein umweltbewussteres Leben endlich beginnen kann! Sonst mosern und knurren sie weiter, werfen vor Wut Dosen und Folien in die Landschaft, verböllern verärgert silvesterliches Pulver mit allerlei herumgewickelter Kartonage, kaufen in ihrer Raserei billigste Produkte aus den Supermärkten; Produkte, die oft unter umweltschädigenden Bedingungen hergestellt, die mit Gift billig gehalten werden, und teuer zu stehen kommen, wenn die Böden erschöpft und spröde werden, Erosion folgt und Rodung notwendig wird. Daher hurtig, unterschreibt Verträge mit Regeln und Strafandrohungen bei Zuwiderhandlung, damit es endlich losgehen kann mit dem Bewusstsein, mit einer besseren Welt.

Später dann, wenn unverbindliche Verträge unverbindlich ignoriert wurden, weil wieder mal Expansion und Schaffung von Arbeitsplätzen um jeden Preis wichtiger erschienen, wenn die Erde und ihre Bewohner höhere Wucherpreise zu bezahlen, Verbindlichkeiten zwecks Unverbindlichkeiten abzustottern haben, weil ganze Lebensräume und Weltregionen unwirtlich geworden sind, dann könnte man wenigstens behaupten, man habe alles versucht, habe doch Normen und Richtlinien verabschiedet, nur eingebracht haben sie nichts. Dann schwingen sie wieder ulkig ihre Fäuste, erst gegen die Kopenhagens dieser Welt, gegen die Schar von Delegierten, danach gegen die Natur selbst, die sich nicht an das Gesetz gehalten hat, die einfach dahinsiecht, obwohl Paragraph soundso, Absatz drei, Punkt zwei deutlich regelt, dass genau dieser Umstand, das Siechtum der Natur nämlich, ausgeschlossen ist. Irrwitzig werden sie Sanktionsbescheide an den Querulanten - die Natur höchstselbst - fordern, die Ausweisung der Umwelt oder die Inhaftierung, eine Art Beugehaft, für den Terroristen Natur anregen.

Seid doch nicht so, ihr Verantwortlichen dieser Welt, seid manierlich, gebt den Menschen, den demokratisch erzogenen Menschen dieser Welt, ein Paar Leitlinien, verbindliche Gesetze, damit sie endlich eine bessere, gesündere, lebenswertere Welt verwirklichen können. Und damit sie später, damit ihre Kinder und Enkel irgendwann in hoffentlich ferner Zukunft, behaupten können: Wir haben alles Menschenmögliche gemacht, allein die Natur war unrettbar, sie hat sich uns entzogen, war nicht in den menschlichen Plan, in das Gesetzeswerk für Klima und Umweltschutz integriert. Und freilich auch: Es war der Plan Gottes! oder Die Evolution wollte den Ruin unserer Umwelt! oder Gekämpft und verloren! Gegen Naturkatastrophen gewinnt man nicht!

Teilt ihnen also endlich Verbindlichkeiten zu, sie wollen ja alle loslegen, wollen endlich ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Umwelt verpesten, sie letztlich aber weiterverseuchen wie eh und je. Dann bezahlen sie ihr Sümmchen und haben das Gewissen ein wenig entlastet. Laßt doch zumindest Tetzel auferstehen von den Verwesten! Wenigstens ein schlechtes Gewissen wäre doch machbar, wenn schon keine Bewusstseinsänderung. Eine unvermeidliche Naturkatastrophe bleibt die Umweltzerstörung dennoch für jene - selbst für diejenigen, die dann mit schlechtem Gewissen die Erde in Smog und Wohlgestank tauchen. Wenn in einem solchen Gesetz zu lesen wäre, dass die Naturkatastrophe Mensch heißt, vorallem jenes Exemplar, dass der industrialisierten Krämerei entschlüpft ist, dann könnten Regeln und Vorschriften sogar etwas bewirken. Dann könnten sie bewirken, endlich bequem die Augen zu verschließen, wegzuschauen, den eigenen Katastrophenstatus geschickt zu übergehen. Wie sollte man auch anders reagieren? Immerhin ist die industrielle Krämerei ein Naturgesetz, Wettbewerb und freier Markt ebenso und damit auch der Katastrophenstatus des Menschen - wie könnte man sich gegen die Natur auflehnen wollen? Das wäre ja eine metaphysische Revolte!

Wenn die Natur sich nicht an die Regeln hält, ist das tragisch, aber dagegen kann man leider nichts machen. Lethargie: auch ein Naturgesetz...

4 Kommentare:

antiferengi 23. Dezember 2009 um 10:58  

Hmmm, Toller Text.
Ein klein wenig menschenfeindlich, - aber unbedingt schlüssig. Der Urwunsch, auch noch an der Sonne einen Thermostaten aufhängen zu wollen, treibt urgewaltige Blüten im Meer bürokratischer Anforderungen und Glaubensvorstellungen. Frohe Weihnachten.

maguscarolus 23. Dezember 2009 um 14:54  

Man muss sich um die Natur keine Sorgen machen. Wenn sich ein Gleichgewicht verschiebt, dann ändern sich Populationen, alte Spezies verschwinden, neue entstehen. Überpopulationen kollabieren.

Die Menschheit besetzt keinen Logenplatz in der Evolution, und die Naturgesetze sind vollkommen kalt und gnadenlos.

Unsere Art wird das irgendwann zu spüren bekommen, wobei es vollkommen egal ist, ob die Klimaveränderungen anthropogen sind oder nicht.

Kein "Experte" kann mit Bestimmtheit sagen, ob irgend eine Art von menschlichem ökologischen Wohlverhalten geeignet ist, die klimatischen Veränderungen zu beeinflussen.

Der größte Teil der Aufgeregtheit um "Kopenhagen" ist aus meiner Sicht nichts anderes als eine Selbstinszenierung der politischen Kaste zur Erhöhung ihrer scheinbaren Wichtigkeit.

Der Rest ist vielleicht noch das Interesse derjenigen Teile der Wirtschaft, die mit Umwelttechnologie, oder was man heute dafür hält, ihr Geld verdienen.

Anonym 23. Dezember 2009 um 21:44  

Arme Menschen können sich übrigens weitestgehend freimachen von dem Gedöhns.

Wer nicht fliegt, nicht Auto fährt und billig heizen muss, braucht sich keine Vorwürfe zu machen.

Es sind die, die Konsumieren und die Militärs, die Industrien und die Anderen schuld am Desaster.

Der Rest kann sich wenigstens in seinem schwierigen Los gemütlich machen und künftig auf die Frage, wieso er nicht gegen seine Armut ankämpft sagen, das er der Natur zuliebe arm sein wolle, Urlaub lieber zu Hause verbringt und Autofahren die Umwelt zu stark belaste, fliegen dabei noch viel schlimmer sei.

Es ist ja immer wichtig das positive zu sehen .-)

Anonym 23. Dezember 2009 um 22:33  

Lieber Roberto J. de Lapuente,

"[...]Wenn in einem solchen Gesetz zu lesen wäre, dass die Naturkatastrophe Mensch heißt, vorallem jenes Exemplar, dass der industrialisierten Krämerei entschlüpft ist, dann könnten Regeln und Vorschriften sogar etwas bewirken.[...]"

Die "Naturkatasprophe Mensch" kommt mir bekannt vor - Schrieb da nicht einmal ein gewisser Wuketits ein Buch mit dem kompletten Titel -Mehr dazu hier: http://hpd.de/node/6362 ?

Ansonsten erstklassiger Text, wie immer.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

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