Forsa schaltet mal wieder gleich

Mittwoch, 29. April 2009

"Da müsste schon völlig Unvorhersehbares passieren. Sonst gibt es keine Unruhen. Unsere Demokratie ist gefestigt.", behauptet Forsa-Chef Güllner. Es riecht nach römischer Arroganz, als die sogenannten wilden Stämme Europas ante portas standen, der römische Adel aber immer noch felsenfest davon ausging, dass das römische Reich und mit ihm das römische Gemüt, niemals (aus-)sterben würde. Im Unterschied zu damals, scheint Güllner hier aber die Sicherheit des status quo nicht nur zu umschreiben, sondern herbeizureden.
"Die Krise stärkt die Großen [...] die Linkspartei so schlecht, wie seit zwei Jahren nicht."
- Focus Online am 29. April 2009 -

"Linkspartei knickt ein."
- stern.de am 29. April 2009 -

"Linke rutscht unter zehn Prozent."
- Spiegel Online am 29. April 2009 -

"Lafontaines Linke stürzt ab."
- BILD Online am 29. April 2009 -

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Hartz IV reicht aus, wenn man in Spielshows aufstockt

Montag, 27. April 2009

Wilfried Fesselmann aus Gelsenkirchen versteht die Aufregung nicht. Für die Ruhrgebietsausgabe der BILD entblättert er sein Denken, sagt den Lesern "nichts als die Wahrheit". Dass er mit der Wahrheit auf Du und Du steht, werden wir nachher noch genauer beleuchten. Seine Wahrheit des heutigen Tages ist: Man kann nicht nur von Hartz IV leben, man kann sich vom Regelsatz sogar noch etwas absparen.

Die Fesselmanns bestehen aus fünf Personen, beziehen miteinander eine Regelleistung von 1330 Euro, dazu noch Miete und Nebenkosten (ohne Warmwasser, was die BILD nicht weiter erwähnt). Das alles mag noch stimmen, aber dann verlassen wir die Pfade der Wahrheit und die BILD, mit Hilfe des fröhlichen Arbeitslosen Fesselmann, entwirft ihre eigene kleine Realität. Seit 2004 lebt die Familie vom Arbeitslosengeld II, heißt es in einem einleitenden Satz. Man darf gespannt sein, wie die BILD oder wie die zufriedene Werbefigur aus Gelsenkirchen die Tatsache erklären wollen, dass es das ALG II erst seit Januar 2005 gibt. Warum bezogen die Fesselmanns damals schon das vielgelobte ALG II, obwohl es erst seit 2005 zum Bezug bereitstand? Leistungserschleichung etwa?

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Der gegäbene Anlass

Samstag, 25. April 2009

Immer dann, wenn außerordentliche Ereignisse geschehen, beehren uns spontan ins Fernsehprogramm eingeschobene Sondersendungen. Dann flimmert in großen Lettern "Aus gegebenem Anlass" über die Bildfläche. Dies trifft vorallem zu, wenn irgendwo ein Unglück das Leben vieler Menschen beeinflusste, wenn Erdbeben oder Überschwemmungen Existenzen zerstörten oder Amokläufe das Blut in den Adern erfrieren lassen. Aber auch offensichtliche Nichtigkeiten, wenn etwa ein gealterter Literaturkritiker einen Fernsehpreis ablehnt, kann einen solchen gegebenen Anlass motivieren. Gerade die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zeigen sich hierbei flexibel, beweisen, dass das festgesetzte Fernsehprogramm kein stur umzusetzender Plan sein muß, sondern immer wieder Möglichkeiten der spontanen Informationsgebung sein können.

Kürzlich wurde der Genmais durchs Dorf einseitiger Berichterstattung gejagt. Viel war darüber zu lesen, am meisten von solchen, die sich darüber entrüsteten, dass der Genmaisanbau verboten ist. Ausführliche Information in der TV-Landschaft? Fehlanzeige. Ein existenziell wichtiges Thema wie die langsame, aber stetig fortschreitende Übernahme genmanipulierten Gemüses, ist den öffentlich-rechtlichen Sendern kein gegebener Anlass wert. Dabei müßte gar nicht wild recherchiert werden, um eine informative Sendung zu Monsantos Genprojekten ins Leben zu rufen. Ein Rückgriff auf Marie-Monique Robins Dokumentarfilm "Monsanto - Mit Gift und Genen" aus dem Jahr 2008 wäre als gegebener Anlass, als Informationsabend, mehr als ausreichend. Wenn man zur besten Sendezeit - Samstag- oder Sonntagabend um 20:15 Uhr, angekündigt durch einige kurze aber fesselnde Trailer, so wie man ansonsten "Wetten, dass..?" ankündigt - präsentieren würde, was Robin zusammengetragen hat, dann würden die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihrem Bildungs- und Informationsanspruch mehr als gerecht.

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Sit venia verbo

"Unter der Herrschaft eines repressiven Ganzen läßt Freiheit sich in ein mächtiges Herrschaftsinstrument verwandeln. Der Spielraum, in dem das Individuum seine Auswahl treffen kann, ist für die Bestimmung des Grades menschlicher Freiheit nicht entscheidend, sondern was gewählt werden kann und was vom Individuum gewählt wird. Das Kriterium für freie Auswahl kann niemals ein absolutes sein, aber es ist auch nicht völlig relativ. Die freie Wahl der Herren schafft die Herren oder die Sklaven nicht ab."
- Herbert Marcuse, "Der eindimensionale Mensch" -

It's Showtime!

Freitag, 24. April 2009

Dass Arbeitsplatzangst und die damit verbundene Mißstimmung innerhalb von Betrieben, Mobbing und Kollegenhatz, kein Beinbruch sein muß, macht uns die Unterhaltungsindustrie deutlich. Zwei amerikanische Fernsehsender planen Kündigungs-TV-Konzepte, bei denen die unqualifiziertesten Mitarbeiter kameragerecht vor die Werkstore bugsiert werden. Vermutlich wird es nicht lange dauern, bis auch hierzulande zur besten Sendezeit entlassen wird.

Nein, wir sollten uns nicht entrüsten! Wir müssen lernen, dass jede Notsituation Chancen birgt, dass aus jeder Lebenslage Profit zu erzielen ist, wenn man nur gerissen genug ist, seine guten Manieren über Bord zu werfen. Nun wimmern und jammern ja jene, die seit Jahren den Sozialstaat abgebaut haben, die Befürworter und wohlwollendes Publikum für soziale Schweinereien waren, weil immer öfter die Angst vor sozialen Unruhen thematisiert wird. Dabei stecken sich die ehemaligen Hetzer gegen Solidarität und Parität die Finger in die Ohren und singen dabei mit schriller Stimme Lieder, damit sie diese formulierten Angstbeschwörungen nicht hören müssen - wenn man etwas nicht hört, findet es schließlich nicht statt. Dezente Wutausbrüche haben andere Teile Europas und der westlichen Welt schon ergriffen, nicht zuletzt deshalb scheint es nurmehr eine Frage der Zeit, bis auch hierzulande die Revolte salonfähig wird - revoltierender Zeitgeist macht, ebensowenig wie der neoliberale Zeitgeist einstmals, keinen Halt an Nationalgrenzen.

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Käufer gesucht!

Donnerstag, 23. April 2009

Unternehmen kaufen Blogger. Ich stehe zum Verkauf, ihr Unternehmen! Läßt sich ein Werbearrangement zwischen ad sinistram und einem Unternehmen vereinbaren? Könnte all das, das hier Gegenstand meiner Ergüsse ist, einem Unternehmen nützlich sein? Oh ja, hier würde trefflich geworben.

Ich würbe für Lidls Fürsorge, wenn ich von vorbildlichen Konzernleitungen schrübe, die sich um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter so sehr sorgten, dass sie sogar ein Archiv an Krankenakten anlegten, um auch ganz sicher zu gehen zu können, zukünftig immer die passenden Medikamente und Facharztüberweisungen bereitzuhalten.

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Zur Freiheit: ein kurzer Einwurf

Mittwoch, 22. April 2009

In seinem heutigen Gastbeitrag behauptet Markus Vollack, dass ein Leben in Freiheit, zunächst soziale Sicherheit voraussetzen würde. Er legt ebenda auch fest, dass es verschiedene Verständnisformen der Freiheit gibt, was sich dieser Tage für immer mehr Menschen im realen Leben niederschlägt. Sie besitzen politische Wahlfreiheit, können sich auf eine freiheitliche Verfassung berufen, die jeden Menschen Gleichheit gewährt, sind aber gleichermaßen finanziell so eng eingezäunt, dass jegliche Freiheit noch in den Maschen des Zaunes erstirbt. Mit den Worten Anatole Frances: „Das Gesetz in seiner erhabenen Gleichheit verbietet es Reichen wie Armen, unter den Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“

Der verewigte Kampf ums Dasein (Marcuse) muß überbrückt werden, muß zur Randnotiz der Geschichte degradiert worden sein, um dem Individuum Freiheit zuteil werden zu lassen. Die materielle Absicherung, die Gewissheit niemals am Nötigsten Mangel leiden zu müssen, ebenso die Gewissheit, jederzeit Zugang zu juristischen Instanzen zu haben, erlauben erst menschliche Freiheit. Alle zunächst abstrakten Werte, wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, konkretisierte Umsetzungen wie Wahlrecht, Gleichheit von Geschlechtern, sexuelle Emanzipation beispielsweise, sind erst dann wirklich Freiheitsgarantien, wenn zugleich die soziale Sicherheit gewährleistet ist. Diese Einsicht fand einst auch an prominenter Stelle Einzug.

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Nomen non est omen

Heute: "Freiheit"

"Individuelle Freiheit kann es nur in einer Marktwirtschaft ohne Sozialstaat geben."
- Milton Friedman, Vordenker des Neoliberalismus, in seinem Buch "Kapitalismus und Freiheit", 1984 -

"Vor diesem Hintergrund können die Leistungen der vergangenen 17 Jahre nicht hoch genug bewertet werden – vor allem die Leistungen der Menschen, die tatkräftig zugepackt und die Chancen der Freiheit genutzt haben."
- CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit der Schweriner Volkszeitung am 2. Oktober 2007-
Die Wissenschaft definiert den Freiheitsbegriff häufig in zwei Unterkategorien: die negative Freiheit als die Freiheit von etwas und die positive Freiheit, als die Freiheit zu etwas. Freiheit von Zwang (negative Freiheit) bzw. die Freiheit zur Entscheidung und ungehemmten Entfaltung der eigenen Person (positive Freiheit) sind die gängigen Definitionen. Untersucht man jedoch den Freiheitsbegriff in der politischen Debatte so wird er fast ausschließlich als rein ökonomische Freiheit definiert.

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Quo vadis, VdK?

Dienstag, 21. April 2009

Mit einem ganz besonderen Leckerbissen wartet die Mai-Ausgabe der VdK-Zeitung auf. Der VdK-Gemeinde wird ein Abonnement der Frau im Spiegel angeboten - Exklusiv für VdK-Mitglieder!, prangert groß auf der handlichen Heftbeigabe. Sechs Hefte gratis frei Haus, sollte man sich dann nach Erhalt des vierten Heftes für ein Jahresabo entscheiden, sparen VdK-Mitglieder weitere 15 Prozent. Ein wahrer Knüller, wie auch Frau im Spiegel-Chefredakteurin Cieslarczyk der Gemeinde des Sozialverbandes erklärt. "Nutzen Sie die Gelegenheit!"

Nun ist es an sich eh schon fraglich, warum Mitglieder eines Sozialverbandes, der sich selbst auf die Fahnen schrieb, für eine möglichst paritätische Gesellschaft zu streiten, ausgerechnet ein Heftchen abonnieren sollen, welches sich mit - Orginalton Cieslarczyk - "Adel, Showbusiness und Society" auseinandersetzt. Mit jenen Kreisen also, die der paritätischen und sozialen Gesellschaft oft unbewußt, meist aber in eloquenter Masche der Verdummung, diametral entgegengesetzt sind. Es ist geradezu makaber, den VdK mit jenen Titelgeschichten in Verbindung zu bringen, in denen Michael Schumacher, seines Zeichens Steuerflüchtling, ins rechte Licht gerückt wird; in denen der Verband mit solchen Herrschaften zusammengebracht wird, die wenig bis gar nichts von Umverteilung und Sozialstaatlichkeit halten mögen. Und warum der VdK, der sich offiziell um die Lebenswirklichkeit vieler benachteiligter und armer Menschen in diesem Lande kümmert, ausgerechnet mit der Frau im Spiegel-Realität verbandelt werden muß, in der es um Schönheitsoperationen, prominentes Liebesleid, Faltenbekämpfung und allerlei Luxusprobleme mehr geht, erschließt sich dem kritischen Beobachter ebensowenig.

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Steinmeiers Schmalzstullen

Montag, 20. April 2009

Als die Bergarbeiter des Ruhrgebietes in den Jahren 1919 und 1920 selbstständig den Sechsstundentag einführten, ohne auf ihre politische Vertretung im Gewand der deutschen Sozialdemokratie zurückzugreifen, als sie also anarchosyndikalistische Eigeninitiative walten ließen und damit die acción directa jenen spanischen Anarchisten vorweggriff, die erst mehr als ein Jahrzehnt später, in genau dieser Form des self-made, kurzzeitig das bürgerkriegsgeschüttelte Spanien umformten, als seinerzeit also die Bergarbeiter zur Autonomie fanden, da war es eben jene übergangene Sozialdemokratie, die sich an den Kopf der Bewegung setzte, zurückruderte und an die Vernunft des deutschen Arbeiters appellierte. Daran war die SPD ja bereits seit mehreren Monaten gewöhnt, schließlich ließ sie jene anarchistisch anmutende Revolution gnadenlos niederschießen, von der sie mehr als fünfzig Jahre lang im tiefen Schlaf des Parlamentarismus geträumt hatte. Nachdem die Positionen der Bergarbeiter durch die Reaktion, durch monarchistische und teilweise auch schon faschistoide Gruppierungen und Militäreinheiten, und Hand in Hand mit der nun endgültig im Staat angekommenen SPD, geschwächt waren, nahm sich die Sozialdemokratie ihrer verirrten Kinder an und versuchte das Bestmögliche mit den Unternehmern zu vereinbaren. Am Ende rang man den Unternehmern den Siebeneinhalbstundentag ab – und Schmalzstullen für alle!

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Im gutem Glauben

Samstag, 18. April 2009

Straffreiheit für Folterknechte, weil diese im „gutem Glauben“ genötigt hätten. Weil sie sich auf die Einschätzungen des Justizministeriums, auf die eigene Sache, verlassen haben; weil sie nur gehandelt hätten nach Richtlinien und Maßstäben, die man ihnen als Tatsache des guten Glaubens verabreicht habe. Wenn dann Knochen knacken, wenn Subjekte – man spricht nicht mehr von Menschen, damit machbar wird, was menschlich gar nicht machbar wäre – wimmern, wenn sie jammern und weinen, um Erlösung beten, wenn sich Körper winden unter Stromstössen, wenn Münder wild nach Luft schnappen, nachdem man sie samt Kopf minutenlang unter Wasser drückte, wenn dem Subjekt eine irdische Hölle dargebracht wird, dabei Informationen seitens der Machthaber dieses Vorgehen legitimieren, zur Notwendigkeit im Namen des nationalen Interesses interpretieren, dann handelt man im gutem Glauben, ist kein Henker, kein Täter, sondern Opfer - Glaubensopfer.

Dabei wäre es nur konsequent, denn die Großen läßt man ja sowieso laufen. Warum also nicht auch die Kleinen? Damit wäre der Vorwurf, wonach immer nur die Kleinen bluten müßten, während die Großen davonkämen, vom Tisch – so einfach kann Gerechtigkeit verteilt werden! Dabei ist dieser Ausspruch schwindender Gewaltherrschaften, wonach Kleine gehängt würden, während Große freikämen, nichts weiter als das selbstgefällige Jammern ganzer Bevölkerungen, die alle Schuld den Machthabern zuschieben wollen, um sich selbst einigermaßen unschuldig fühlen zu dürfen. So war es nach 1945, so war es nach dem Mauerfall – KZ-Wärter und Mauerschützen wurden teilweise verurteilt, Nazi-Bonzen und Honecker flüchteten nach Südamerika. Obama schürt also Gerechtigkeit, denn er verurteilt beide nicht, macht Straffreiheit zum großen Gleichmacher, der über jede soziale Grenze hinweg Gewissen reinwäscht. Und bevor man die Foltergesellen, die sich die Hände persönlich blutig gemacht haben, einem Gerichtsverfahren unterzieht, während Bush und Rumsfeld ihre ins Trockene gebrachten Schäfchen zählen, gleicht man die Bedingungen einfach an.

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Versenkt die Selbstinitiative!

Freitag, 17. April 2009

"Unverzüglich [soll] versenkt werden", damit "sich der deutsche Staat [nicht] lächerlich macht" - der deutsche Einsatz am Horn vom Afrika weitet sich zur handfesten Intervention aus, ganz anders, als man Ende letzten Jahres verkündete, als man vom stillen Patrouillieren lesen konnte, vom in die Hose rutschenden Herz der Handelsrebellen, die wir Piraten zu nennen pflegen. Nur Optimisten oder solche, die prinzipiell den Tatsachen nicht ins Auge blicken wollen, konnten damals die hanebüchene Mär der abschreckenden Meerpatrouille glauben; schon damals konnte man wissen, dass es ein Mordsgeschäft werden würde, die deutsche Marine zum Welthandelswächter zu ernennen.

Viel bedeutender indes ist, dass solche Art von Intervention ein neues deutsches Selbstbewußtsein stärken, ein Sendungsbewußtsein zur Schau stellen soll, welches es sich auf die Fahnen geschrieben hat, den herrschenden Welthandel, mit all seinen Ungerechtigkeiten und seinen Ausbeutungsmaximen, zu verteidigen. Deutschland hat wieder etwas zu gelten in der Welt, der "deutsche Staat [soll nicht] lächerlich gemacht" werden. Was sich dann in diversen Artikeln und Berichten zur dortigen Piraterie in den Medien ergießt, was Leser sich an dazugehörigen Kommentaren großmannssüchtig erlauben, wirkt wie eine Aufreihung an historischen Dumpfhaftigkeiten, die wir eigentlich schon lange überwunden glaubten: Es wäre schade, dass man Piraten nicht mehr aufknüpft und wer der Versenkungsstrategie Bedenken entgegensetzt, wäre ein Weichei. Die deutsche Kraftmeierei des Stammtisches, enteilt in realpolitische Gefilde; vom deutschen Tresen, zur Genesung der Welt. Pardon wird nicht gegeben!

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Sit venia verbo

"Eine zukünftige Gesellschaft muss die Idee des Entlohnens der Arbeit aufgeben. Es bleibt nur eines: Die Bedürfnisse über die Leistungen zu stellen."
- Peter Kropotkin -

Die Freiheit zu Pressen

Donnerstag, 16. April 2009

Ein ausgewiesener Freund der Pressefreiheit, Kai Diekmann, entrüstet sich nun darüber, dass zum Fall Benaissa keine Berichterstattung stattfinden soll. Ausgerechnet dieser Parteigänger der entfesselten Pressefreiheit, der keine Scheu zeigt, Bilder und Namen getöteter Kinder in seiner Zeitung abzudrucken, macht sich dafür stark, dass Pressefreiheit auch in jenem aktuellen Fall stattfinden solle. Pressefreiheit nennt er es zwar, meint damit aber natürlich die Möglichkeit seiner Zeitung, möglichst skandalträchtige Geschichten feilzubieten, die weder Rücksicht auf persönliche Interessen noch auf Wahrheit nähmen. Es ist die springerspezifische Variante der Pressefreiheit, die Diekmann da vertritt, nämlich jene Freiheit der Presse, die nichts anderes darstellt, als die Freiheit Springers, Meinung in die Köpfe zu pressen - nicht irgendeine Meinung, sondern die Meinung der potenten Herrschaften hinter den Fassaden des Springerimperiums.

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Was ihr dem Geringsten meiner Brüder...

Mittwoch, 15. April 2009

Wo den gesellschaftlich Ausgestoßenen geschmäht wird, da wird auch mir geschmäht.
Wo des Ruheständlers Lebensberechtigung angezweifelt, sein Alter als Bürde für die Gemeinschaft verunglimpft wird, da entzieht man auch mir die Lebensberechtigung und macht mich zur Bürde.
Müssen Kinder mit gesellschaftlichem Segen in Armut ausharren, so wandle ich zum harrendem Kinde.
Raubt man Kranken in finanziellen Zwängen die Therapie, die Hoffnung, die Schmerzfreiheit, so wirft man mich ebenso in Schmerzen, nimmt mir ebenso Hoffnung.
Leidet der Wanderarbeiter an Ruhe- und Heimatlosigkeit, sieht seine Zukunft als schwarzes Loch, so ist auch meine Zukunft löchrig und schwarz, so hemmen auch mich fehlende Ruhe und verlorengegangene Heimat.
Spottet man Behinderter, grenzt sie aus, sieht sie als humane Mangelerscheinungen, möchte auch ich ausgegrenzt, verspottet und als Mangelerscheinung verschrien werden.

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Facie prima

Samstag, 11. April 2009

Heute: Der Gescheiterte, Jürgen Klinsmann


Aus aktuellem Anlass bietet sich an, sich der bildlichen Darstellung des derzeitigen Bayern-Trainers zu widmen, der vielleicht in einigen Stunden schon nicht mehr Trainer des Münchner Nobelvereins sein wird. Wenn er gegebenenfalls sein Amt verliert, wenn sein Scheitern offenbar wird, so haben die Mengen an Bildern, mit denen Artikel zu seiner Person unterlegt wurden, das Gescheiterte schon vorab erfasst und sichtbar gemacht. Der lächelnde Schwabe, Strahlemann und Motivationsmeister ist nicht mehr - jedenfalls nicht mehr in den berichterstattenden Medien. Uns blickt eine besorgte Miene entgegen, hängende Mundwinkel, mit gelegentlich vorgeschobener Zunge, ernst dreinblickend, ausgelaugt und resigniert wirkend. Der Klinsmann von heute wird nicht mehr wie der Klinsmann vom Amtsantritt dargestellt. Dem Betrachter wird glaubhaft, schon bevor er den dazugehörigen Artikel liest, dass der amtierende Trainer ausgedient hat, in dieser Verfassung keine paar Wochen mehr durchhält.

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Versuchung sich in dritter Person zu verkappen

Freitag, 10. April 2009

Er macht einen kümmerlichen Eindruck, wirkt wenig bedrohlich, nicht wie eine jener Bestien, die ihre sexuelle Notdurft an Wehrlosen auszuleben versucht sind. Doch aller gedachten Harmlosigkeit zum Trotz, die jämmerliche Gestalt sitzt mit Begründung auf der Anklagebank. Sexueller Missbrauch Minderjähriger lautet die Anklage, die er auch nicht leugnet. Wer er ist, woher er kommt, ist während der Verhandlung zu vernehmen. Erschütterndes kommt zu Tage, ruinöse Verhältnisse, schwere familiäre Situation, er selbst ist ja noch Jugendlicher unter der Obhut seiner Mutter. Während der Verhandlung ergießen sich bei ihm Tränen, er ist reuig, entschuldigt sich, wie auch seine Mutter es tut.

Pornofilme seien ihm nicht fremd, obwohl er noch keine Siebzehn ist. Nichts rechtfertigt, was er nicht einmal ein Jahr zuvor geschehen ließ, mit welcher Frechheit er ein junges Mädchen zu sexuellen Handlungen drängte. Aber wer er ist, woher er kommt, macht allemal das Geschehene erklärbar. Vergessen wir nicht, junge Menschen wachsen in einer durch und durch sexualisierten Welt auf, bekommen medial verabreicht, dass gerade jene Typen etwas zählen, die möglichst viele Frauen flachlegen, dass es eben solche Typen seien, die es auch im Leben „zu etwas bringen“. Straffe Brüste, heißer Hintern, formschöne Gesichtskonturen – all das kann man sich modellieren lassen, all das ist begehrt und findet operativ-rege Nachfrage. Der Markt der Sexualität ist einer der Ellenbogen, man preist sich an, will und muß glänzen, bietet seinen Körper feil, zeigt seine Vorzüge, deutet die Masse in der Hose oder in der Bluse an. Wer da hinterherhinkt, wer Mängel hat, der bleibt Außenseiter - ein aufgegeilter Außenseiter, jemand, der seine geschürte Lust mit der üblichen Methode des Vereinsamten befriedigen muß, bis es ihm vor der eigenen Hand ekelt und er einen Mitmenschen an sich fummeln fühlen will. Nicht umsonst spricht Michel Houellebecq davon, dass das Ringen um Sex, als „Ausweitung der Kampfzone“ zu verstehen ist, als Ausweitung des kapitalistischen Prinzips, des Irrglaubens, dass Angebot und Nachfrage in Beziehung zueinander stünden, und demnach ein windiges Angebot keine Nachfrage erzeugen würde.

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Das widerlegte Pin-up-Girl

Mittwoch, 8. April 2009

Sie war einst der laszive Traum jenes Teiles der Männerwelt, der liiert war, sich eine kleine Familie erträumte und keinen Mut fassen wollte, sich diesen romantischen Traum auch zu verwirklichen. In Spinten hing ihr Bild, beinahe erotisch lächelte Deutschlands berühmtestes Pin-up von heimlich angebrachten, in stillen Ecken und Winkeln angeklebten Postern, schlüpfrig war ihr familiärer Begehr von ihren lächelndem Mund herablesbar. Selbst die Frauen dieses Landes ereiferten sich an diesen Plakaten, fühlten ein Zucken im Unterleib, spießten das obszöne Konterfei in den Make-up-Koffer, um der schnellen Lust den richtigen Antrieb zu geben. Weil sie war, weil sie wirkte, weil ihre Visionen politischer Gegenstand wurden, wollten Deutschlands Paare auch wieder mehr Kinder. Zumindest laut ihrer eigenen Aussage.

Sie betreibe eine Politik, so hieß es kürzlich noch, die Familien wieder überlebensfähig, die wieder Mut mache, eine Familie zu gründen. Durch sie wurde die Libido angeheizt, die evolutionäre Libido, die nicht nur des Spaß’ an der Freud wegen zu ihrem Recht kommen möchte, sondern weil aus dem Spaß auch schreiendes und zahnendes Glück werden sollte. Vorallem männliche Beziehungspartner erregten sich an der forschen Ursula, an ihrem geschmeidigen Auftreten, am rhythmisch-rhetorischen Beckenkreisen. Sie war das Pin-up-Girl jener Stunden. Nun jedoch ist sie entzaubert, nicht mehr im Trend, abgelöst worden von der Realität.

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Nomen non est omen

Heute: "Staatsverschuldung"

"In verbindlichen Absprachen müssen auf allen Ebenen, Bund, Ländern und Kommunen, ausgeglichene Haushalte erreicht werden, damit die Staatsverschuldung über die Jahre dauerhaft und deutlich gesenkt werden kann."
- Andre Stolz, stellvertretender Vorsitzender der Jungen Union am 29. März 2006 in einer Pressemitteilung -
Der gute Roger vom Blog "Nebenbei bemerkt" hat schon öfters auf das diskursive Spiel mit der "Staatsverschuldung" hingewiesen. Bei wem der Staat wirklich verschuldet ist (zurzeit ca. 1500 Mrd. Euro) und wie viel die Gläubiger daran verdienen (im Jahre 2007 ganze 613 Millionen Euro Zinsen), wird öffentlich gern verschwiegen. Was genau ist also Staatsverschuldung und wie wird diese öffentlich instrumentalisiert?

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Der Wartende

Montag, 6. April 2009

Wenn ein zum Tode Verurteilter die hohen Stufen zur Hinrichtungsstätte hinaufgeschritten wird, dabei bereits die auf der Anhöhe wartenden Beiwohnenden des Gerechtigkeitsrituals erblickt, die ihm allesamt höflich zulächeln, ihn zuvorkommend grüßen und ihm einen schönen Tag zurufen; wenn der Verurteilte dann sanft auf das spröde Holz der Vorrichtung gebunden, mit der Brust auf die harte Auflagefläche gebettet wird, sich dabei fragen lassend, ob die derzeitige Stellung genehm ist; wenn nun der andere Hauptakteur, der beilschwingende Protagonist vom anderen Ende der Bühne heraufsteigt, dem fixiert Liegenden die Hand reicht, sich dabei mit freundlichem Worte vorstellt, Name und Beruf nennt, auf gute Zusammenarbeit drängt, im Anschluss seine gesetzlich geregelte Position einnimmt, sich das Werkzeug seiner Berufung reichen läßt, um sich in die Haltung der notwendigen Gerechtigkeitsumsetzung zu begeben; wenn der ausharrende, auf Erlösung hoffende, festgeschnürte Darsteller um sich blickt, dabei warmherzige und wohlwollende Antlitze entdeckt, Lippenpaare erspäht, die ihm Hoffnung und Zuversicht zurufen, ihm Mut mit auf dem Weg geben, und er diese Bekundungen der Sympathie mit Freude entgegennimmt, versucht dem engen Riemen ein Schnippchen zu schlagen, um optimistisch den Mutmachern zuzunicken; wenn dann der Urteilsspruch noch einmal verlesen, die Vollstreckung bestätigt, das Beil für seine Berufung freigegeben ist, worauf sich die Henkersmuskulatur verhärtet, dessen Hände sich wie rettungssuchende Finger eines Ertrinkenden an den Stiel des Werkzeuges klammern, das Beil daraufhin langsam, bedächtig und voller Gemütlichkeit die Flugbahn zum Halse erschleicht, für das menschliche Auge stillsteht, keine Eile kennt, mitten des optischen Stillstandes auch faktisch anhält, sobald es dem Ausführenden an Nase oder Ohr juckt; wenn also die Gerechtigkeit nicht als eiliges Ritual, automatisiert und für die Masse gesprochen, sondern als behäbige Zeremonie vonstatten geht, das Beil nicht in einem Augenblick des Wimpernschlages herunterjagt, sondern zur sinnbildlichen Schnecke wird, selbst noch langsamer als dieses schleimige und kriechende Kleinsttier ist, welches keine Schnelligkeit kennt, wohl aber den konsequenten und sturen Willen, eine bestimmte Strecke, gleichgültig in welcher Zeit, hinter sich zu bringen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, einerlei was Zeiger einer Uhr, Kalender oder Mondphasen vorgeben; dann hat die Justiz die Willkür verlassen, urteilt sie nicht mehr massenhaft oder wie am Fließband, sondern nimmt sich für jeden Abgeurteilten individuell Zeit, läßt ihn Mittel nicht Zweck sein, hat sie die Berechtigung wiedergefunden, weil sie nicht mehr Leben von jetzt auf gleich aufhören läßt, sondern dem Lebensende noch eine Schonfrist, ein Weilchen des Wartens schenkt, ein Stück resozialisierter Gegenwart; sie ist wieder berechtigt, weil sie nicht mehr Mord austeilt, sondern unterlasse Hilfeleistung zum Imperativ erhebt.

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