Sinnvoll genutzt

Montag, 4. Januar 2010

Was soll das heißen, man könne "das Internet jedoch auch sinnvoll nutzen", beispielsweise zum "Geldverdienen"? Oder anders gefragt: Was wollen Sie, Herr G., Sie Abfüllmeister meines Postkastens, nicht ausdrücken? Etwa, dass ich das Internet nicht sinnvoll nutze, weil ich meine geistigen Ergüsse anbiete, mich zur Lage äußere, politisch denke und korrespondiere? Ich nutze es also sinnlos, nutze es genauer besehen gar nicht, sondern missbrauche es, zweckentfremde den sinnvollen Nutzen, um damit genauso sinnlos wie unnütz zu sein.

Wissen Sie, Herr G., wenn sich ein brünstiger Mann einen Internetanschluss zulegt, damit er durch nackige Bilder, entblößte Filme und anregende Gespräche zum Verspritzen seines milchigen Gelees gelangt, dann hat er das Internet für seine Begriffe doch sinnvoll genutzt. Was ist also sinnvolles Nutzen? Ich weiß, Sie haben es ja angeführt: Geldverdienen! Was jedoch besonders makaber ist, was ich Ihnen verübeln müßte, wenn ich Sie ernster nähme, ist die Tatsache, dass Sie so tun, als würden Sie sich für meine Hallen, in denen ich publiziere, interessieren, nur um mir hernach einen Schneeball ins Gesicht zu werfen - einen Schneeball mitsamt dazugehörigem System. Und den halbausgefüllten Vertrag, auf dem Sie als Vermittler von Gold und Geld abgedruckt sind, empfinde ich als Frechheit. Wenn auch nur als Frechheit einer Person, die man nicht ernstnehmen kann.

Dieses ganze unpolitische Tamtam, das die mittleren Schichten im selben Jargon von sich geben, wie Sie mit Ihrem "sinnvoll nutzen", ist kaum zu ertragen. Auch, weil es nicht unpolitisch ist, sondern perfide politisch, weil es faschistoide Tendenzen aufweist. Sinnvoll ist es Geld zu verdienen; genutzt muß alles werden, um sinnvoll verwurstet zu sein - dieses Denken zieht sich durch alle Bereiche des Alltags. Nur einen Bereich klammert man aus, eine entscheidende Frage wird nicht gestellt: Ist es sinnvoll, ist es nützlich, mit so einem Denken durch die Geschichte zu stolpern?

Herr G., ich glaube nicht, dass Sie jener Mittelschicht angehören, die mit dieser Denke vorallem einen Mehrwert an Respektlosigkeit hortet. Aber Sie klammern sich ganz offensichtlich an den mittelschichtigen Schwanz. Nur gehört man noch lange nicht zum Organismus, nur weil man gleich einer Feigwarze an Schwänzen haftet - ein Knötchen macht noch keine Mitgliedschaft. Werter Knöterich, ich nutze das Internet sicherlich nicht sinnvoll, wenn ich mich Ihnen widme. Doch andererseits ist es grenzenlos sinnvoll, auch mal dazu etwas geäußert zu haben; so sinnvoll wie alles sein kann, wenn es einen persönlichen Wert besitzt, was nicht zwangsläufig auch monetären Wert zur Folge haben muß.

Ob es objektiv sinnvoll ist, was ich hier tue, kann ich nicht beantworten. Für mich ist es allerdings sicherlich sinnvoll, für meine Begriffe nutze ich das Internet ausreichend sinnvoll. Dass Sie Internet als Geldverdien-Einrichtung begreifen, ist nicht meine Sorge. Nur sorge ich mich, weil es genug solcher Gesellen gibt, die wahrhaftig glauben, alles und jeder müsse Nutzen und Sinn haben. Was beim Internet beginnt, endet beim Menschen. Dann wird gefragt: Was nützt du uns? oder Ist dein Leben eigentlich sinnvoll für die Gesellschaft? Dieses Totalitäre, Sinn und Nutzen auf pekuniäre Motive einzuschränken, während alles andere, was nicht Brottätigkeit ist, ins Lächerliche zu werfen, ist die Wurzel des Barbarischen. Wo man beginnt alleine sinnvolle Nutzen zur Grundlage einer Handlung zu machen, dort hört man damit auf, einfach mal etwas zu tun, was einem selbst zunächst vielleicht wenig Nutzen schenkt. Kurzum, man verlernt selbstlos zu sein, weil das Selbst ständig im Zentrum des Überlegens steht - das Selbst wird zum einzigen Sinn, das man rund um die Uhr sinnvoll durch Nutzbarmachungen befriedigen muß.

Aber trösten Sie sich, Herr G., Sie wurden eben von mir benutzt. Ich habe Ihren lächerlichen Auftritt ausgenutzt, um mir daraus Zeilen zu stricken. Sinnvolle? Wer weiß, vielleicht waren sie sinnlos. Spätestens dann, wenn ich morgens wieder einen dicken Pack mit Anlagetipps, Ratschlägen zur Reichtumsmehrung nebst zuvorkommend halbausgefüllten Antrag im Briefkasten liegen habe, merke ich ja, dass es sinnlos war. Die Mühe könnten Sie sich sparen, tragisch um das Portogeld, denn demnächst öffne ich Ihre dreisten Umschläge nicht mehr, sie landen ungelesen und ungeöffnet in der Mülltonne. Sehen Sie, Herr G., so ein verschlossenes Versandtäschlein, einfach so in den Eimer geworfen, dabei wissend, wessen Absendername den Umschlag ziert, hat für mich einen großen Nutzen, denn es befriedigt mein Gemüt für drei Sekunden. Ich lese Herr G. auf dem dunklen Umschlagspapier und erachte es für sinnvoll, den Nutzen des Mülleimers zu bemühen. Ihre Zeilen ungelesen in Rückstände von Bologneser Soße und ausgelutschten Weißwursthäuten zu feuern, ist für mich der Inbegriff sinnvollen Nutzens.

1 Kommentare:

Anonym 4. Januar 2010 um 22:12  

Touché!

Anhänger des 04.08.1789

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