De dicto

Mittwoch, 6. Januar 2010

"Eine gute Nachricht gleich zu Beginn des neuen Jahres: Rechte Schläger sind offenbar auf dem Rückzug!
[...]
Diese Entwicklung steht in krassem Gegensatz zur Gewalt von Links: Die Zahl von Gewalttaten mit einem linksextremistischen Hintergrund stieg 2009 sprunghaft an – allein in den ersten drei Quartalen registrierte die Polizei 49,4 Prozent mehr Gewaltdelikte von Links als im Vergleichszeitraum 2008."
- BILD-Zeitung, Einar Koch am 5. Januar 2010 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Frohe Botschaft in die richtige Richtung! Rechte Gewalttaten waren im letzten Jahr rarer und womöglich soll diese Rarität als Tendenz und Zukunftsprognose gelten dürfen. Gleichwohl das Anwachsen des linken Straßenterrors - ein Furor, der übrigens kultiviertes Steckenpferd der Springerpresse ist -, mit eiligen Schritten voranschreitet. Darauf muß man journalistisch hinweisen, der Bürger will schließlich wissen, wer ihn verprügelt, wer ihm zusetzt. Gerade auch der türkische Bürger hat ein Anrecht darauf, seine Häscher ideologisch einordnen zu können. Sind es rechte Schläger, die im Eifer ihrer dämlichen Xenophobie zur Hatz trompeten? Oder sind es linke Trupps, die sein Auto anzünden, weil er Milliarden in den Sand setzte, den Sozialstaat zerbröckelte und im Ausland Angriffskriege guthieß?

Natürlich, letztere Motive können nicht den hier lebenden Ausländern zugeordnet werden - und genau daher weht der Wind: Linke Gewalt richtet sich gegen herrschende Interessen und gegen die Besitz- und Verteilungsstrukturen der Gesellschaft, reagiert sich also oftmals an Gegenständen ab. Das muß man nicht unterstützen oder als sinnvoll erachten, aber es verdeutlicht doch einen beträchtlichen Unterschied zur rechten Gewalt: sie ist im Regelfall weniger blutig, weniger auf Randgruppen fixiert, die sich in ihrer Ausgegrenztheit kaum zur Wehr können - sie sucht die Konfrontation mit der Polizei, mit der Staatsmacht, mit den Besitzstandswahrern, nur um am Ende zwangsläufig geläutert aus dem Ring zu kriechen. Und während der ausländerfeindliche Hausbewohner, der seinem muslimischen Nachbarn eine wischt, weil ihm im üblichen Nachbarschaftszoff die Nerven durchgehen - Nerven, die ihm beim deutschen Nachbarn weniger hurtig durchgegangen wären -, nicht als rechter Straftäter katalogisiert wird, wird jede Gewalt an Gegenständen, um einen ausbeuterischen ehemaligen Arbeitgeber zu schaden etwa, sofort als linker Klassenkampf gelistet - vorallem dann, wenn der Täter Mitglied in Organisationen ist, die linkisch angepinselt scheinen.

Einar Koch spricht vom Rückzug der rechten Gewalt, läßt zwischen seinem flüchtig hingeworfenen Schrieb eine Tendenz für die Zukunft aufblühen. Er tut das in üblicher Manier, unterschlägt die Zahlen linker Gewalt, wartet nur mit prozentualen Wachstumsraten auf, wird also nicht konkret - die Kunst der Effekthascherei! Dabei könnte Koch ganz richtig liegen, womöglich schwindet die rechte Gewalt, vorallem die gegen Ausländer muslimischer Herkunft. In einer hysterischen Gesellschaft, in der Sicherheitsdenken dazu führt, Menschen bis auf die Haut zu durchleuchten und bestimmte Personengruppen nachdrücklich und kategorisch zu durchsuchen, nur weil sie orientalischen Typs sind oder Vollbart tragen, in so einer Gesellschaft, übernimmt die Exekutive die rechte Gewalt. Sie nimmt den Schlägern das Geschäft ab: drangsaliert, wird handgreiflich, verdinglicht den Menschen, raubt Menschenwürde. Diese Form der Gewalt wird institutionell, sie wird im Namen der Gesellschaft ausgeübt und braucht daher nicht in die Strichlisten der Straftatszähler aufgenommen werden. Gegen Moslems wird fortan per Gesellschaftsauftrag vollstreckt - vorbei die Zeiten, in denen haarlose Burschenschaften zivilcouragiert frisch ans Werk schritten; heute ordnet die politische Kaste dasselbe Werk, ausgeführt in offizieller Uniform, an.

In jenem Jahr, in dem eine schwarz-gelbe Regierung erwacht ist, die rückständige, asoziale und konservative Politik, kürzer ausgedrückt: rechte Politik ihr Handwerk nennt, in jenem Jahr, schrumpft die Gewalt der Rechten. Zufall? Oder einfach nur die Verlagerung des Stammtischhasses in die große Politik? Dorthin, wo keine Strichlisten mehr notwendig sind? In der hysterischen Gesellschaft, geleitet von den bürgerlichen Rechten an ihrer Spitze, verdrängt man die rechte Gewalt in die Legalität - zur linken Gewalt jedoch wird alles erklärt, was der bürgerlichen Rechten diametral entgegengesetzt ist. Während der Glatzkopf potenzieller Wähler seiner Herrn ist, ist der Demonstrant, der gegen das Jubiläum der Hartz-Reformen aufläuft, ein potenzieller Linksradikaler. Die rechte Gewalt stirbt aus, weil sie in die Institutionen drängt; die linke Gewalt floriert, weil sie aus ihnen hinausgeschoben wird.

14 Kommentare:

Markus 6. Januar 2010 um 01:06  

Zudem stimmen die Zahlen ja noch nicht einmal: http://www.bildblog.de/14944/einar-hat-aufm-rechten-auge-ein-milchmaedchen/

Zahlen, die viel weiter helfen würde, wären etwa diese: seit 1990 sind in Deutschland durch rechtsextreme Gewalttaten (offiziell) 140 Menschen gestorben. Durch linksextreme: 0.

Anonym 6. Januar 2010 um 03:41  

Jede physische Gewalttat gegen muslimische Mitbürger, ist natürlich strafrechtlich zu verfolgen, wie umgekehrt auch! Eine Google-Suche meinerseits brachte allerdings nur ein Ergebnis für eine solche Gewalttat. In Duisburg soll jemand 2008 einen türkischen Jungen mit einer Bierflasche geschlagen haben.

Dieses Ergebnis deckt sich auch mit meinem Empfinden.

Linke Gewalt? Die habe ich in ihrer jetzigen Form mehr als Gewalt der Verzweiflung gesehen (Kreuzberg Mai-Unruhen). Als Gewalt arbeits- und perspektivloser Jugendlicher. (Macht kaputt was Euch kaputt macht).

Die systematische Zerstörung von Autos und dass Herauslocken von Polizisten könnte eine leicht andere, neue Qualität andeuten.

landbewohner 6. Januar 2010 um 05:53  

also: glaube keiner statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. zuwächse kriegt man genauso gut hin wie eine abnahme. und, was linke oder rechte gewalt ist, ist ja auch definitionssache. und letztendlich denke ich, daß protestaktionen gegen den herrschenden neofaschismus - die natürlich als linksradikal anzusehen sind - einfach zahlreicher und spektakulärer werden und die angst der etablierten gangster grösser, weil ja nun offensichtlich krieg gegen die da unten geführt wird. da muss gewarnt werden.

potemkin 6. Januar 2010 um 08:21  

"Die Polizei hat politische Hintergründe ausgeschlossen" - wie oft hört man diesen Satz bei Straftaten, die eine unleugbare rechtsradikale Motivation haben. Es muß schon sich jemand mit 'Heil Hitler' auf den Lippen vor unverdächtigen Zeugen einen Muslim oder Juden massakrieren. Dann heißt es: "Da die Polizei einen politischen Hintergrund der Tat nicht ausschließen kann, hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen"

gitano 6. Januar 2010 um 08:23  

Die rechte Gewalt als fürsorglich übernommener Betreuungsfall der Ordnungspolitik! Bravo.
Auch gut, das Du Dich nicht in einen Zank um Zahlenspielchen hast einsperren lassen.
Angefangen hat diese "Bewegung" ohne jeden Ruck als die Polizisten demonstrierend auf die Straße gingen, um "etws zu bewegen".

Anonym 6. Januar 2010 um 11:56  

Markus schreibt:
"Zahlen, die viel weiter helfen würde, wären etwa diese: seit 1990 sind in Deutschland durch rechtsextreme Gewalttaten (offiziell) 140 Menschen gestorben. Durch linksextreme: 0."

Erst mal besten Dank für diese wertvolle Information!
Wirft es nicht ein bezeichnendes Licht auf alle Politiker und Medien, welche soche FAKTEN öffentlich verscheigen und nur pausenlos von linken und rechten "Extremismus" warnen ohne diesen mörderischen Unterschied zu benennen?

mfg Bakunin

besorgte Bürgerin 6. Januar 2010 um 13:08  

Danke dafür: "Linke Gewalt richtet sich gegen herrschende Interessen und gegen die Besitz- und Verteilungsstrukturen der Gesellschaft, reagiert sich also oftmals an Gegenständen ab."

Genau das macht linke Gewalt und linke Gruppierungen im Allgemeinen so viel bedrohlicher als die Gewalt von rechts. Nicht ohne Grund hat Adenauer die FDJ und wenig später die KPD verboten.

Ein NPD-Verbot ist immer mal wieder im Gespräch, wurde vermutlich jedoch von keinem Verantwortlichen je wirklich ernsthaft in Erwägung gezogen.

Anonym 6. Januar 2010 um 19:03  

"Linke Gewalt richtet sich gegen herrschende Interessen und gegen die Besitz- und Verteilungsstrukturen der Gesellschaft, reagiert sich also oftmals an Gegenständen ab."

Das stimmt doch nicht, wenn man die heutige Nachrichtenlage überblickt. Besonders gern und häufig zerfleischen sich Linke gegenseitig, und das, nachdem bemerkenswerte Wahlergebnisse eingefahren wurden.

Arbo Moosberg 6. Januar 2010 um 19:55  

Ich find's auch ziemlich zynisch gegenüber den Opfern der rechten Gewalt. In meinen Augen wird's in der letzten Zeit sogar noch schlimmer.

So gab's letztes Jahr in meiner Region einen recht straff organisierten Überfall während eines Fußballturniers ("Rechte Randale gegen Fans und Spieler des Sportclubs Roter Stern Leipzig bei Fußballspiel in Brandis"). Ebenfalls im Zusammenhang mit einem Fußballspiel wurde bereits im Oktober 2009 ein Fußballfan von Nazi-Schlägern offenbar gezielt mit einem Auto angefahren: Das muss mensch sich mal auf der Zunge zergehen lassen ... mit ca. 40 Km/h einen Menschen umfahren ... (hier und hier).

Angesichts solcher Art von Gewalt, kann mensch nur die Faust in der Tasche ballen, wenn es heißt "Ach ja, die rechte Gewalt hat abgenommen".

Arbo

klaus baum 6. Januar 2010 um 20:33  

gewalt von rechts? ist das nicht die regierungspolitik?

Anonym 7. Januar 2010 um 03:18  

"gewalt von rechts? ist das nicht die regierungspolitik?"

Herbert Marcuse behauptete: „... Gesetz und Ordnung sind überall und immer Gesetz und Ordnung derjenigen, welche die etablierte Hierarchie schützen ...."

In diesem Sinne kann es sicher Gewalt eines Staates gegen seine Bürger geben, die über die legitime Staatsgewalt (gegründet auf das Gewaltmonopol) hinausgeht.

Frantz Fanon und Herbert Marcuse haben solche Gewalt als gerichtet gegen unterdrückte Völker und diskriminierte Minderheiten, gekennzeichnet.

Die Bundesrepublik Deutschland fällt aber nicht grundsätzlich in diese Kategorie, da auch Minderheiten das Recht haben den Rechtsstaat anzurufen und ihre Rechte einzuklagen (was die Definition von Marcuse über "Gesetz und Ordnung" für die BRD zwar nicht als gänzlich falsch, aber als unzureichend erscheinen läßt!)

So hat z. B. ein türkischer Schüler vor Kurzen für sich einen eigenen Gebetsraum reklamieren können.

Thomas R. 7. Januar 2010 um 10:09  

Die Geschichte des Schülers und seines Gebetsraums ist eine Ente, man höre also bitte damit auf, sie weiter zu verbreiten.

Ein Schüler hat eingeklagt, dass er in der Pause (!) auf dem Flur oder in einem leerstehenden Raum (!) einmal täglich (!) beten darf.

Und das Gericht hat deutlich gemacht, dass es zu dieser Regelung nur kam, weil nicht anzunehmen sei, dass viele Schüler ähnliche Interessen äußern würden.

Anonym 8. Januar 2010 um 16:07  

Ein Detail zu dieser "rechts weniger-links mehr"-Gewichtung wurde noch nicht angesprochen:

Wenn die Braune Brut mal aktiv wird, dann ist das Entsetzen bei vielen lokalen Mitbürgern groß und die Bestrebungen, dagegen ein Zeichen zu setzen, werden oft erst recht spät wahrgenommen. Oftmals stimmen sich die Bürger eines betroffenen Ortes oftmals durch Lokalzeitungen auch erst auf die Lage ein und gehen erst beim zweiten oder dritten Antibraun-Event mit auf die Straße. Das heißt, dass eine rechte Aktion meist eine Kette laufend besser organisierter und um sich greifender, öffentlicher Gegenaktivitäten zur Folge hat. Dies sind in der Regel Plattformen, in denen auch echt Linksradikale auftreten können und es auch tun. Zumeist orientieren sie sich an der Stimmung und heizen ab einem bestimmten Zeitpunkt die Lage an. Das kann z.B. sein, wenn sich die abgesprochene Truppe eingefunden hat und die geplanten Randalen durchziehen oder wenn Polizei gladiatorisch auftaucht und dies deren "Linksnerv" aufs Blut reizt.

Fazit: Es gibt mehr Öffentlichkeits wirksame Events, in denen Linksradikale von sich hören lassen können als "Braune Regenbogen". Alleine das führt zu einer statistisch klaren Mehrheit der linksradikalen Auswüchse.

Mehr ist aber auch nicht dran. In Stolberg und Eschweiler, dem leider vorgebräunten Westzipfel, sind diese Abläufe seit einigen Jahren zu verfolgen. Aus der Ferne kann man das nicht erkennen, denke ich. Und die einschlägige Presse, die dann auch noch wegschaut und zwanghaft nicht berichten mag, was real ist, bringt eine "stets abgefuckte Note" dazu ein.

Wenn jemand schon Einar heißt, ist Thors Hammer doch stets zur Hand...

Anonym 13. Januar 2010 um 13:52  

Rechte Gewalt beinhaltet ein breites Spektrum von "Belästigung"über Mobbing bis Totschlag. Linke Gewalt richtet sich mit eher wenigen Ausnahmen vornehmlich gegen Sachen.
Man mag beides verurteilen, aber dazwischen liegen nach wie vor Welten.
Schon mal gehört, dass ein Passant von Linken am hellichten Tag verprügelt wurde?

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