Mantel oder Kürbis?

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Halloween mehrt seit Jahren seinen Anspruch, auch als eine Festlichkeit der Deutschen zu gelten. Mehr und mehr findet dieses Fest Einzug in den Kalender der hier lebenden Menschen - und dies, obwohl es keinerlei Tradition gibt, auf die sich dieses Fest stützen könnte. Eine andere Festlichkeit schwindet währenddessen, wird verstärkt ausgehöhlt oder einfach verworfen - der Martinstag. Dass ein Fest obsiegt, während ein anderes ins Hintertreffen gerät, ist natürlich kein einzigartiges Phänomen, zumal die beiden erwähnten Festtage zeitlich eng zusammenfallen. Und wenn man bedenkt, dass es beispielsweise im Ingolstädter Raum Kindergärten geben soll, die ganz basisdemokratisch die Kinderchen fragen, ob sie denn lieber dem Heiligen Martin huldigen oder um einen Kürbis tanzen wollen, dann braucht man sich auch nicht mehr wundern, dass der Martinstag langsam aber sicher zum Relikt anderer, vergangener Tage wird.

Welche Wahl man den Kindern läßt ist einfach zu erläutern - es ist die Entscheidung zwischen Maskenball und Unmengen von Süßigkeiten oder Laternenbasteln und singendes Wandern durch einen kalten Novemberabend. Man könnte es auch philosophischer zur Auswahl bereiten: Es ist der Widerstreit zwischen plumpen Materialismus und zwischenmenschlichem Idealismus. Oder wenn wir die Terminologie Erich Fromms heranziehen: Eine Auseinandersetzung zwischen der Charakterstruktur des Habens und des Seins. Dass der kindliche Egoismus, der in dieser Phase des Lebens freilich notwendig ist, sich für das Haben entscheiden wird, d.h. für Süßigkeiten und Freude durch Verkleidung, ist nicht weiter verwunderlich. Die Kritiklosigkeit der Eltern und Erzieher zeichnet aber ein treffendes Gemälde dieser Gesellschaft.

Hier weiterlesen...

Danke, lieber Gerhard...

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Wir sind entrüstet! Da gratuliert der amtierende SPD-Vorsitzende dem ehemaligen Bundeskanzler für seine gute Arbeit, für die gute Zeit, die er den Menschen und unserer Demokratie beschert hat, und keiner von uns durfte sich dabei zu Wort melden. Dabei hätten wir soviel zu sagen, hätten unsere Gratulationen mit wahllosen Erlebnissen und Anekdötchen dieser ach so guten Zeit anzureichern, so dass eigentlich wir - und nur wir! - die wahrhaftigsten Gratulanten wären, wenn man uns nur ließe. Während der derzeitige SPD-Vorsitzende nur vom Schreibtisch aus, weit entfernt also vom herrlichen Wirken der schröderianischen Arbeit, herumphantasiert, kennen wir die Wirkungen haargenau, die uns unser Väterchen Deutschland, nun im Auftrage von Mütterchen Rußland, geschenkt hat. Auch wir wollen uns für diese köstliche Zeit bedanken, wollen dem Großen Vorsitzenden herzlichste Gratulationen zukommen lassen.

Wir, die Opfer der Agenda 2010, wollen ihm Huldigungen entgegenbringen. Durch ihn und mit ihm und in ihm, wurden wir für den Arbeitsmarkt aktiviert, wurden durch Repressionen und zwangsverordnete Hungermaßnahmen zu duldsamen Sklaven unmöglichster Arbeitszustände. Weil es ihn gab, dürfen wir heute arbeiten, dürfen ein Leben in Leiharbeit, in prekären Arbeitsverhältnissen fristen; weil dieser große Visionist für uns Politik betrieb, dürfen wir heute Probezeiten von bis zu sechs Monaten über uns ergehen lassen. Unser GröKaZ hat uns Sicherheit gegeben - die Sicherheit, dass nichts mehr sicher ist. Wir danken Dir, großer Schröder, dass wir keine Familienplanung mehr machen müssen, dass Du uns die Entscheidung eine Familie zu gründen dermaßen erleichtert, sie uns regelrecht abgenommen hast - weil Du warst, ist das kinderlose Familienmodell, gar das Einzelgängerdasein dank Arbeitsnomadentum, noch salonfähiger geworden. Ohne Dich wäre der mobile Wanderarbeiter bloß eine romantische Vorstellung aus Zeiten derbsten Manchester-Kapitalismus' - mit Dir wurde diese Anleihe an die Geschichte der Ausbeutung wieder Realität.

Hier weiterlesen...

Eine Haltung die NS-Vergleiche verbietet?

Dienstag, 28. Oktober 2008

Sind Vergleiche, zu denen man die Mißstände im Dritten Reich heranzieht, moralisch und statthaft? Oder muß man, wie eine Kommentatorin - Margarete Limberg - des Deutschlandfunk einfordert, eine Art selbstauferlegte Verbotshaltung einnehmen, die jeglichen Vergleich mit dieser Epoche deutscher Geschichte verbietet?

Die menschliche Historie ist keine stumpfe Ansammlung menschlicher Erlebnisse und Ereignisse, sondern ein Repertoire an solchen Erfahrungen, an denen man sich bedienen kann und geradezu soll. Die darin enthaltenen Inhalte sind zuweilen viel komplexer als ersonnene Geschichten, daher finden sich in der menschlichen Geschichte immer konkrete Beispiele, die man als Vergleichsmaterial rekrutieren kann, um den aktuellen Zustand der Geschichte - die Gegenwart - zu durchleuchten. Ein solches Heranziehen mag manchmal nicht ganz passend sein, kann in vielen Nuancen auch als vollkommend unpassend erachtet werden - Geschichte wiederholt sich eben nicht, schon gar nicht in identischen Bahnen. Was sich aber manchmal wiederholt sind Prozesse, die sich in ihrer Grundausrichtung ähneln. Sich an dem Repertoire menschlicher Geschichte zu bedienen, um die Gegenwart zu begreifen, sie faßbar zu machen, sie mit der Vergangenheit zu ermahnen, stellt eine Kulturleistung dar - sie ist kein hilfloser Versuch des Mahners, sondern ein möglicher Akt des Begreifens, ein möglicher Akt der Bildung, ein möglicher Akt des Lernens.

Hier weiterlesen...

De dicto

Sonntag, 26. Oktober 2008

"Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager."
- Frankfurter Allgemeine, Hans-Werner Sinn zitierend am 26. Oktober 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Freilich zieht man nun einen ganzen Berufsstand in den Dreck, macht ihn für Auswüchse verantwortlich, an denen ebendieser Berufsstand mitgewirkt hat. Man darf sich aber nicht davon blenden lassen, dass auch Unternehmer und überallem die Politik ihren großen Teil dazu beitrugen - soweit könnte man Sinn noch folgen. Aber ihm geht es ja gerade nicht darum, die Bankergilde ihrer Alleinverantwortung zu entheben, um gleichzeitig auch andere Schuldige heranzuziehen - für ihn ist ein Abstraktum schuld und die Manager sind die bemitleidenswerten Opfer. Und um ihren derzeitigem Status auch gerecht zu werden, kann man diese nurmehr mit den verfolgten und ermordeten Juden des Dritten Reiches gleichsetzen - nur dieses geschichtliche Beispiel macht laut Sinn das "Leid" der heutigen Banker fassbar.

Hier weiterlesen...

Solche und solche Nonkonformisten

Ob man Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich gleichermaßen als Nonkonformisten einstufen kann, ist höchst zweifelhaft. Immerhin - und da hat Grass nicht ganz unrecht - war Reich-Ranicki lange Zeit Teil des von ihm kritisierten Apparates und hat die Literaturkritik durch Trivialisierung medientauglich gemacht. Was vorallem diesen Zweifel nährt ist sein Auftritt bei der Plauderrunde mit Thomas Gottschalk. Als Reich-Ranicki beim Fernsehpreis einen "Eklat" bewirkte, da konnte man ihm noch beistehen, konnte sich trotz aller außereinandergehenden Ansichten noch auf seine Seite schlagen - was er aber danach bot, war an Inhaltslosigkeit kaum noch zu überbieten. Konkret wurde er gegenüber Thomas Gottschalk nie, und wenn doch, fabulierte er von Brecht und Schiller und meinte mit denen - und nur mit denen - sei wertvolle Unterhaltung gesichert.

Vielleicht bot man auch daher Reich-Ranicki ein öffentliches Forum, weil man wußte, dass dieser Mann trotz aller sprachlichen Begabung, trotz der Fähigkeit mittels Sprache die Malaise auf den Punkt zu bringen, eigentlich selten konkret wird - nicht weil er nicht wollte, sondern weil diese Form der Schwammigkeit zu seinem Wesen gehört. Man wußte, erahnte es aber zumindest, dass er das greifbare Wort scheut, die direkte Konfrontation nicht suchen wird - man konnte voraussehen, dass er sich in seiner überheblichen Art nicht dazu herablassen wird, konkrete Sendekonzepte an den Pranger zu stellen. Zwar hat er seine Finger in den wunden Punkt der Unterhaltung gelegt, aber dies nur sehr zögerlich, wie es zuweilen seine Art ist - erst lospoltern, aber dann nicht deutlich werden, nicht darlegen, was eigentlich genau den Unmut erzeugte. Einem solchen Zeitgenossen, der es gerne in Schwammigkeit beläßt, räumt man zwar nicht gerne ein Forum ein, aber man tut es dennoch, denn man muß keine Angst haben, dass aus dem "Eklat" eine regelrechte Sinnkrise folgern könnte. So können sich die Medienanstalten mit Kritik arrangieren; so wissen sie sich sicher innerhalb oberflächlichen Kritikgeplappers und haben damit den Eindruck erweckt, als hielte man viel von basisdemokratischer Gesinnung.

Hier weiterlesen...

Sit venia verbo

"Sogar Experten mit großem Fachwissen beschreiben Nordkorea gern als "Land jenseits der Spiegel", wie eine Szene aus "Alice im Wunderland" oder eine "Kreuzung" zwischen Lewis Carroll und George Orwell. Diese Art der Analyse nährt die Auffassung, Nordkorea sei der böse Gegenspieler und es handele sich bei ihm um eine Art "orientalische" Tyrannei.
Natürlich hat Nordkorea ein paar Besonderheiten, wie jedes andere Land auch. Aber viele Dinge, die als besonders ungewöhnlich gelten, verlieren einen großen Teil ihrer Eigenheit, wenn man sie in drei sich überschneidenden Kontexten betrachtet: der koreanischen Geschichte, den kommunistischen Systemen und der ostasiatischen Gesellschaft. Nehmen wir zum Beispiel die Juche-Zeitrechnung, die mit der Geburt Kim Il Sungs beginnt. Sie ist nicht ungewöhnlicher als die Zeitrechnung nach den Regierungsdevisen der Tenno, die in Japan auch heute noch Verwendung findet. Kim Il Sungs Mausoleum lässt sich mit Lenins Grab vergleichen und sollte im Rahmen desselben Konfuzianismus betrachtet werden, der dem Bau der Gedächtnisstätte für den Antikommunisten Chiang Kai-Shek in Taipeh zu Grunde liegt. Die riesigen Museen für die Geschenke, die Kim Il Sung und Kim Jong Il gemacht wurden, werden vor dem Hintergrund vieler hundert Jahre obligatorischer Tributzahlungen Koreas an den chinesischen Kaiser verständlich: Wer wahrhaft unabhängig ist, dem wird Tribut gezollt, sagen die Nordkoreaner. Eine staatlich gelenkte Wirtschaftsentwicklung, wie sie nach dem Koreakrieg so erfolgreich war, ist nicht nur sinnvoll, was die kommunistische Strategie des Aufbaus einer Schwerindustrie angeht, sondern auch angesichts der staatlich gelenkten Wirtschaftsentwicklung in Japan, deren Beispiel auch Südkorea folgte."
- John Feffer, "Nordkorea und die USA" -

Die moderne Variante des Eichmann

Freitag, 24. Oktober 2008

Kürzlich wurde ein zwölfjähriges Mädchen von der Deutschen Bahn, das heißt: von einer Mitarbeiterin derselbigen, an die frische Luft gesetzt. Das Mädchen hatte seine Fahrkarte vergessen, versprach aber sie nachzureichen - die Schaffnerin kannte allerdings kein Erbarmen und schmiss den blinden Passagier an der nächsten Bahnstation über Bord. Die Bemühungen anderer Fahrgäste wurden freilich auch ignoriert, denn einen "Fahrschmarotzer" auch noch zu schützen, kam für die Bahnangestellte nicht in Frage. Problematisch an der Aktion der pflichtversessenen Person war: Das Mädchen wurde in abendlicher Dunkelheit, fünf Kilometer von ihrem Zuhause, ohne Geld - die vergessene Fahrkarte war ja im vergessenen Geldbeutel - ausgesetzt.

Ein moralischer Aufschrei ging durch den Blätterwald. Sogar zurecht - was bei vielen Aufschreien ja nicht der Fall ist. Und als es dann hieß, dass der dienstpflichtige Eichmann suspendiert wurde, da zeigte man so etwas wie Erleichterung: Die Bahn sei doch nicht so schlecht, kenne also Moral und Anstand!

Hier weiterlesen...

Das Fundament des elitären Klassenbewußtseins

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Ist eine Gesellschaft, die offen von "sozial Schwachen" und "bildungsfernen Schichten" spricht, eingebettet in ein sozialdarwinistisches Fundament? Meint eine solche Gesellschaft etwa damit, dass Armut und mangelnde Bildung vererbte Mängel sind? Oder handelt es sich bei solchen und ähnlichen Begrifflichkeiten nur um unglücklich gewählte Wortkonstrukte?

Dazu ein kurzer Abriss zur Geschichte der Evolutionstheorie: Charles Darwin weigerte sich viele Jahre, seine gewonnenen Erkenntnisse zu veröffentlichen. Er scheute den Konflikt mit der Religion, die ja seit Jahrhunderten von der Unveränderbarkeit der Natur und der Kreaturen predigte - Darwin aber hatte erkannt, dass diese Unveränderbarkeit ein Märchen sein muß. Als er sich dann doch dazu entschloss, seine Theorie offenzulegen - vielmehr wurde er dazu genötigt, weil ein anderer Laienwissenschaftler Darwins Theorie unabhängig von ihm erahnte - entstand tatsächlich ein wissenschaftlicher Disput darüber, inwiefern die Evolutionstheorie mit der Religion vereinbar sei.

Hier weiterlesen...

Nomen non est omen

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Heute: "Sozial schwach/bildungsferne Schichten"
„Angesichts der gestiegenen Energiekosten-Lasten gerade für sozial schwache Menschen werde voraussichtlich ein Bündel von Maßnahmen geschnürt."
- Handelsblatt am 5. Juni 2008 zum Vorhaben der SPD -
"Es scheint für bildungsferne Schichten interessanter zu sein, in etwas zu investieren, was sich lohnt."
- Jörg Dräger, Wissenschaftssenator Hamburgs, bei Spiegel Online am 8. April 2008 -
Um das Wort der Unterschicht und damit ein neues altes Klassendenken zu vermeiden, werden Wortphrasen wie "sozial schwache Menschen" oder "bildungsferne Schichten" bevorzugt. Schließlich gäbe es, laut dem ehemaligen SPD Arbeitsminister Müntefering, in Deutschland keine Unterschichten, sondern nur Menschen, die es schwer haben. Das Schlagwort "sozial schwach" wird als Bezeichnung für Menschen mit wenigen finanziellen Ressourcen verwendet. Da der Begriff jedoch impliziert, dass ein Mensch mit wenig Geld zugleich auch soziale Probleme schürt oder besitzt, wie z.B. Kriminalität, Alkoholkonsum oder mangelnde Kommunikationskompetenzen, ist der Begriff diskriminierend. Einen generellen kausalen Zusammenhang herzustellen, dass wenig Geld gleich wenig Mensch bedeutet, ist menschenverachtend. Ähnlich verhält es sich bei dem verwandten Begriff der bildungsfernen Schichten. Hier werden finanziell schwachen Menschen zugleich unterstellt, sie seien dumm. Bei beiden Begriffen geht es darum finanziell ärmeren Menschen generelle Eigenschaften zuzuweisen ohne sie direkt als arme Menschen oder Unterschicht klassifizieren zu müssen. Sozial schwach sind im eigentlichen Sinne des Wortes eher Menschen, denen das Leid anderer völlig egal ist. Denn sozial bedeutet eben nicht grenzenloser Egoismus und Kosten-Nutzen-Kalkül, sondern Hilfsbereitschaft, Fürsorglichkeit und Altruismus. Der Begriff der bildungsfernen Schichten würde eher zu vielen Politikern und Unternehmern passen, deren Sinn für Realität völlig verzerrt ist und die offensichtlich sämtlicher Bildung fern geblieben sind.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

Fördern und Fordern

Dienstag, 21. Oktober 2008

Man sollte nicht zu lange zögern, die von Wirtschaftsminister Glos eingeforderte Demut der Banker, auch in einen Gesetzestext zu gießen - nur so kann man Demut auch wirklich erwarten, muß nicht auf eine vage Möglichkeit hoffen, sondern weiß diese rundum gesichert. Dies entspricht übrigens dem herrschenden Menschenbild, das seit Jahrzehnten klarmacht, dass der Mensch eben nicht aus freien Stücken hilfsbereit und gut ist, sondern nur unter Androhung verschärfter Sanktionen. Im Hartz-Konzept nennt man sowas "Anreize schaffen", was soviel heißt wie: den Arbeitslosen mit finanziellem Würgeeisen reizen, ihm die existenzielle Daumenschraube anlegen. Überhaupt wäre das Ausarbeiten eines Demutsgesetzes gar kein großer Aufwand, vielmehr Anpassung als Ausarbeitung, bietet doch das Sanktionierungsrepertoire des Hartz-Konzeptes bereits Grundzüge einer möglichen Verfahrensweise an - man muß also das Rad nicht neu erfinden, hat es im Wesentlichen schon entdeckt.

Zunächst ist der Verzicht auf die Boni freilich ein selbstloser Akt, den wir moralisch honorieren wollen - aber auch nicht zu sehr, denn es ist nur zu selbstverständlich, dass man nach dem Fördern nun auch das Fordern großschreiben sollte. Und dementsprechend erlaubt uns das Hartz-Konzept die Anrechnung von Vermögen. Im § 12 SGB II wird dargelegt, welche Freibeträge zu gelten haben - diese sollen Bemessungsgrundlage sein. Um konkreter zu werden, ziehen wir "das Beispiel Josef Ackermann" heran, und errechnen, wieviel Vermögen diesem Banker bleiben darf, bevor er überhaupt wieder ein Gehalt beziehen dürfte. Da Herr Ackermann knapp nach der Bestandsschutzgrenze (1. Januar 1948) geboren ist, darf er pro Lebensjahr anstatt 520 nur 150 Euro einbehalten. Dementsprechend kämen wir auf ein berechtigtes Vermögen von 9.750 Euro - alles was darüber liegt, muß in den nächsten Monaten - wohl eher Jahren - aufgebraucht werden, bis ihm wieder ein Jahresgrundgehalt zusteht. Bevor Herr Ackermann diese Vermögensobergrenze nicht erreicht hat, ist er also als "nicht anspruchsberechtigt" einzustufen.

Hier weiterlesen...

De dicto

Montag, 20. Oktober 2008

"Die viel gescholtene Große Koalition zeigte Größe und verzichtete auf kleinliches Gezerre, wem das größte Lob gebühre: der CDU-Kanzlerin oder dem SPD-Finanzminister. [...] Die oppositionelle FDP ließ sich – anders als Grüne und Linke – in die Pflicht nehmen und stimmte zu."
- BILD-Zeitung, Hugo Müller-Vogg am 19. Oktober 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Als vor Monaten über die steigenden Lebensmittelpreise berichtet wurde, und in Verbindung damit mit den kaum noch schulterbaren Lebenshaltungskosten für Rentner und Empfänger des Arbeitslosengeldes II, da hat Müller-Vogg nicht zur Eile getrieben, sondern zu Bedachtsamkeit geraten, als Stimmen laut wurden, die eine Anpassung von Renten und Arbeitslosengeldern forderten. Da waren die langwierigen Wege, die so ein Beschluss in Anspruch nimmt, nicht relevant, sollten keinesfalls verkürzt und verknappt werden. Man wolle eben ruhig prüfen, nichts überstürzen, langsam aber korrekt nachrechnen - und dann schauen wir eben weiter. Den Beziehern von kleinen Renten und den Arbeitslosen ging und geht es immer noch um die Existenz, während die Existenzen der Banken innerhalb einiger weniger Tage gerettet waren.

Hier weiterlesen...

Mehr Sokrates wagen...

Ich weiß wenig - dessen bin ich mir bewußt. Manchesmal weiß ich auch gar nichts. Obwohl ich wenig, manchmal nichts weiß, bin ich doch nicht unwissend. Was mir in meinem beschränkten Wissen bleibt, ist die Einsicht, dass ich nicht alles was es zu wissen gibt, auch wirklich wissen kann. Dies ist nicht nur ein kümmerlicher Trost, reaktiviert aus der antiken Philosophie, sondern eine Weisheit, die darüber hinwegtröstet, dass wir alle - alle Menschen die es je gab, gibt und noch geben wird -, niemals alles wissen können, was sich an möglichem Wissen in der Welt herumtreibt. Diese beschränkende Tatsache, dieser "Trost im Negativen", verbindet den Obdachlosen mit Albert Einstein, Thomas Mann mit Dieter Bohlen, ist unser aller "täglich Brot". Irgendwann stoßen wir alle auf unsere Grenzen; wissen individuell betrachtet vielleicht viel, doch auf die Gesamtheit der Wissensmöglichkeiten gerechnet, äußerst wenig, nur einen verschwindend geringen Anteil. Die Gewißheit, nicht alles wissen zu können, die eigene Beschränktheit also, tröstet sich damit, dass man nicht alleine in seiner Begrenztheit ausharren muß, sondern diesen Mangel mit jedem Menschen teilen darf.

Hier weiterlesen...

Ablaßhandlungen

Samstag, 18. Oktober 2008

Drei Beispiele - drei Fälle von Symbolik. Folgend drei aktuelle Geschehnisse, die den Anschein von Toleranz aufrechterhalten, Ausdruck von repressiver Toleranz sind. Dreimal wird dem Zeitgeist Ausdruck verliehen, wird er mit der beruhigenden Scheintatsache genährt, wonach der öffentliche Diskurs als Grundlage demokratischer Veränderungsmöglichkeit noch funktioniere und auch Früchte trage. Dreifach erzeugte Bestätigung dafür, dass das Ausleben differenter Meinung und damit einhergehend die "Vernunft der Minorität" eine Heimstatt in dieser Gesellschaft habe.

Hier weiterlesen...

Ridendo dicere verum

"Von der Opposition in die Regierung
Eine Allegorie mit zwei Eseln

Vor einigen Wochen oder Jahren eilte ich die belebte Hauptstraße hinunter, denn ich hatte einen äußerst wichtigen Termin, und plötzlich, ganz plötzlich stellte ich mit Entsetzen fest, welche Ausmaße der Verkehr genommen hat. Ich mußte meinen ganzen Mut zusammennehmen, um mich über eine Kreuzung zu wagen, denn unsere übergeschnappten Autofahrer halten Fußgänger offenbar für Freiwild. Arrogant lümmeln sie hinter dem Steuer, während sie grundlos auf die Hupe drücken, nur, um sich am Schrecken der Fußgänger zu weiden. O Gott, fast hätte mich dieser schwarze Wagen überfahren. Ein Sprung rückwärts. Ein Sprung vorwärts. Wie ein besoffenes Huhn. Stop. Mit ohrenbetäubendem Kreischen hält dieser Depp. Wo brennt's denn? Wieso hat der's denn so eilig? Ich verstehe kein Wort von dem, was der Idiot mir zubrüllt. "Esel", schreie ich sicherheitshalber zurück. "Einen Fahrer wie dich sollte man notschlachten!" Was, er hält an, er steigt aus? Ach, das ist doch mein guter Freund Jossele, Schalom Jossi, wie nett. Er will mich mit nehmen. Wirklich lieb von ihm. Ich setze mich neben Jossi, na los, gib Gas, mein Junge. Ich bin schon spät dran. Kannst du nicht ein bißchen schneller fahren?
Natürlich kann er nicht. Wenn Jossi nur ein klein wenig aufs Gas drückt, springt ihm an der Kreuzung gleich irgendein übergeschnappter Fußgänger vor die Räder, vorwärts, rückwärts, wie ein besoffenes Huhn. Habt ihr denn keine Augen im Kopf? Was habt ihr's denn so eilig? Wo brennt's denn? O Gott, fast hätte sich dieser Kerl überfahren lassen! Wie ein Schlafwandler rennt der herum. Da hilft nur noch lautes Hupen. Hup noch lauter, Jossi. Stop! Im letzten Moment konnten wir mit quietschenden Bremsen anhalten. Jetzt fällt der Depp doch glatt auf die Schnauze. Wie witzig. Und wagt es auch noch, den Mund aufzumachen. "Idiot!" schreit er. Man sollte dich wirklich alle Fußgänger notschlachten. Ich verstehe kein Wort von dem, was der brüllt, aber ich schreie "Esel!" zurück, sicherheitshalber..."
- Ephraim Kishon, "Wer's glaubt, wird selig" -

Neues Heldentum

Freitag, 17. Oktober 2008

Wen die Medien, so wie sie seit einigen Jahren berichten und unterhalten, reinwaschen und hofieren, muß gerade in diesen Tagen, da das Fernsehen in zaghafter Kritik steht - (Es wird ja nur der "Eklat" Reich-Ranickis behandelt, nicht aber der Grund der Kritik, der sich in stumpfsinniger Unterhaltung und oberflächlicher Berichterstattung deutlich macht.) -, ausgesprochen werden. Wer sind die Sieger einer solchen TV-Landschaft, oder besser: wer sind die Sieger einer solchen Medienlandschaft als Ganzes? Da gibt es viele Gruppierungen, die als Saubermänner und Weltenretter stilisiert werden. Politiker werden kaum noch kritisch beäugt, sofern sie nicht Mitglieder der LINKEN sind; Wirtschaftsbosse werden, wenn überhaupt, nur dezent kritisiert und dann auch nur, wenn sie sich krimineller Handlungen hingeben; angeblich unabhängige Wissenschaftler können ihre Thesen ohne Gegenwehr hinausposaunen. Weniger offensichtlich, doch durchaus erkennbar, wird jene Gruppe hofiert und medial geadelt, die den Interessen dieser Herrschaftskasten unmittelbar untergeben ist - der Büttel!

Kaum ein TV-Sender, der in seinem Programm nicht einen Büttel beim Dienst begleitet. Da werden Widrigkeiten behandelt, Sanktionen ausgesprochen, manchmal nur von oben herab vermahnt, in seltenen Fällen sogar Handschellen angelegt. Meist handelt man dabei gegen die Wehrlosen, Ausgebeuteten und Armen dieser Gesellschaft. Gleichheit in ihrer stumpfsinnigen Sanktionierungswut beweisen lediglich diverse Politessen, die jeden mit Verwarngeldern belegen, unabhängig vom gesellschaftlichen Status. Und freilich mag mancher Fall gerechtfertigt, manche Handschelle am richtigen Handgelenk befestigt sein - doch ob dies Entertainment sein soll, und ob nicht oftmals der lieben Kamera wegen grober verfahren wird als nötig, bleibt zu fragen. Was aber deutlich wird: Der Büttel ist salonfähig geworden, seine Dienste haben Vorbildfunktion bekommen, werden im Wohnzimmer bejubelt und gefeiert, sind Ausdruck freiwilliger Unterordnung unter herzlose Paragraphen und eiskalte Gesetzestexte.

Hier weiterlesen...

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP