De dicto
Montag, 20. Oktober 2008
"Die viel gescholtene Große Koalition zeigte Größe und verzichtete auf kleinliches Gezerre, wem das größte Lob gebühre: der CDU-Kanzlerin oder dem SPD-Finanzminister. [...] Die oppositionelle FDP ließ sich – anders als Grüne und Linke – in die Pflicht nehmen und stimmte zu."- BILD-Zeitung, Hugo Müller-Vogg am 19. Oktober 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Als vor Monaten über die steigenden Lebensmittelpreise berichtet wurde, und in Verbindung damit mit den kaum noch schulterbaren Lebenshaltungskosten für Rentner und Empfänger des Arbeitslosengeldes II, da hat Müller-Vogg nicht zur Eile getrieben, sondern zu Bedachtsamkeit geraten, als Stimmen laut wurden, die eine Anpassung von Renten und Arbeitslosengeldern forderten. Da waren die langwierigen Wege, die so ein Beschluss in Anspruch nimmt, nicht relevant, sollten keinesfalls verkürzt und verknappt werden. Man wolle eben ruhig prüfen, nichts überstürzen, langsam aber korrekt nachrechnen - und dann schauen wir eben weiter. Den Beziehern von kleinen Renten und den Arbeitslosen ging und geht es immer noch um die Existenz, während die Existenzen der Banken innerhalb einiger weniger Tage gerettet waren.
Welche Vorstellung von Demokratie im Kopfe des Müller-Vogg herumspukt, läßt sich eindeutig aus seinen Zeilen herauslesen. Das Parlament hat sich demnach nicht aus verschiedenen politischen Sichtweisen zusammenzusetzen. Trifft dies aber doch zu, so haben alle an einem Strang zu ziehen und die schwächeren Positionen - überlicherweise die der Opposition - haben ihre Bedenken aufzugeben und sich einzureihen. Deine Weltsicht ist nichts, Einigkeit und Burgfrieden sind alles! Weil sich die beiden Koalitionspartner ausnahmsweise nicht stritten - was sie sowieso selten tun und wenn, dann nur um den Bürgern deutlich zu machen, dass man doch noch nicht eine Einheitspartei darstellt -, weil sie schnell und ohne Umwege das Rettungsgesetz einleiteten und verabschiedeten, sei diese Demokratie funktionstüchtig. Ob im Schnellverfahren sachliche Fehler gemacht wurden, womöglich bestimmte Kritikpunkte gar nicht erst aufgeworfen wurden, in aller Eile für solche irgendwann einmal teueren "Nebensächlichkeiten" keine Zeit mehr war, interessiert das Kanzler-Zäpfchen natürlich nicht.
Was Müller-Vogg hier als Demokratie durchgehen lassen will, ist jene konservative Verunglimpfung des Parlamentes, wie sie in der Weimarer Republik stattfand. Da sprach man von der "Plauderbude", von denen, die viel reden aber nicht handeln, von der "schwachen Demokratie", die es nicht erlaube, einen starken Führer zu installieren, der die Lethargie der Republik mit einem Handschlag hinfortwischt. Es erinnert in besorgniserregender Art und Weise an solche hartgesottenen Antidemokraten der damaligen Epoche, wenn Müller-Vogg nun so tut, als sei eine Demokratie nur dann funktionstüchtig und wirksam, wenn in ihr nicht geredet, gestritten, beratschlagt und sich auch einmal nicht geeinigt wird, sondern nur eine solche, in der man keine Parteien mehr kennt, sondern nur noch die Einigkeit zugunsten der Wirtschaft - kurzum: anstatt demokratischer Streitkultur, ist nur der kritiklose Konsens als Demokratie zu werten. Das Parlament also nicht mehr als Sammelbecken verschiedener Interessen, sondern als Gleichmacher politischer Weltanschauungen; als Gleichschaltungsinstitution, die vorgaukelt, dass subjektive Sichtweisen keinerlei Anrecht habe im Angesicht des herrschenden Klimas.
Und nachher sind es ausgerechnet solcherart feine Herren, die in Lafontaine und Gysi vulgäre Antidemokraten erblicken wollen...
Welche Vorstellung von Demokratie im Kopfe des Müller-Vogg herumspukt, läßt sich eindeutig aus seinen Zeilen herauslesen. Das Parlament hat sich demnach nicht aus verschiedenen politischen Sichtweisen zusammenzusetzen. Trifft dies aber doch zu, so haben alle an einem Strang zu ziehen und die schwächeren Positionen - überlicherweise die der Opposition - haben ihre Bedenken aufzugeben und sich einzureihen. Deine Weltsicht ist nichts, Einigkeit und Burgfrieden sind alles! Weil sich die beiden Koalitionspartner ausnahmsweise nicht stritten - was sie sowieso selten tun und wenn, dann nur um den Bürgern deutlich zu machen, dass man doch noch nicht eine Einheitspartei darstellt -, weil sie schnell und ohne Umwege das Rettungsgesetz einleiteten und verabschiedeten, sei diese Demokratie funktionstüchtig. Ob im Schnellverfahren sachliche Fehler gemacht wurden, womöglich bestimmte Kritikpunkte gar nicht erst aufgeworfen wurden, in aller Eile für solche irgendwann einmal teueren "Nebensächlichkeiten" keine Zeit mehr war, interessiert das Kanzler-Zäpfchen natürlich nicht.
Was Müller-Vogg hier als Demokratie durchgehen lassen will, ist jene konservative Verunglimpfung des Parlamentes, wie sie in der Weimarer Republik stattfand. Da sprach man von der "Plauderbude", von denen, die viel reden aber nicht handeln, von der "schwachen Demokratie", die es nicht erlaube, einen starken Führer zu installieren, der die Lethargie der Republik mit einem Handschlag hinfortwischt. Es erinnert in besorgniserregender Art und Weise an solche hartgesottenen Antidemokraten der damaligen Epoche, wenn Müller-Vogg nun so tut, als sei eine Demokratie nur dann funktionstüchtig und wirksam, wenn in ihr nicht geredet, gestritten, beratschlagt und sich auch einmal nicht geeinigt wird, sondern nur eine solche, in der man keine Parteien mehr kennt, sondern nur noch die Einigkeit zugunsten der Wirtschaft - kurzum: anstatt demokratischer Streitkultur, ist nur der kritiklose Konsens als Demokratie zu werten. Das Parlament also nicht mehr als Sammelbecken verschiedener Interessen, sondern als Gleichmacher politischer Weltanschauungen; als Gleichschaltungsinstitution, die vorgaukelt, dass subjektive Sichtweisen keinerlei Anrecht habe im Angesicht des herrschenden Klimas.
Und nachher sind es ausgerechnet solcherart feine Herren, die in Lafontaine und Gysi vulgäre Antidemokraten erblicken wollen...
4 Kommentare:
Die Kommentare unserer Presse sind mehr und mehr ein trauerspiel und in der tat demokratieschädlich. Mit Demokatie haben es diese Damen und herren aber sowieso immer nur wenn es um ihre rechte und Privilegien geht.
Es ist doch nur - immer wieder - ein Spiel: Das Geld muss von unten nach oben. Wie? Egal. Opfer? Kollateralschäden. Demokratie? Neudefiniert.
Oder hat jemand tatsächlich geglaubt, der Neoliberalismus sei wirklich am Ende - das mit viel Geld und Lobbyarbeit umzäunte Wasserloch stünde zur Disposition?
Das einzige das mich verwundert ist, dass die brain-elite nicht merkt wie sie im Grunde am Ast sägen auf dem sie sitzen. Aber auch dafür gibt es sicher eine Erklärung; Und Fallschirme...
Mich erschrecken immer wieder die parallelen. Ich frage mich ob vor über 70 Jahren die Menschen auch so blauäugig in das folgende System gerannt sind wie wir heute.
Hallo zusammen,
weiter unten unter "Mehr Sokrates wagen..." schreibe ich als Antwort auf diesen Artikel nicht umsonst von "die Koalition des geschwätzigen Verschweigens" (Zitat der Ernährungsexperte Udo Pollmer). Wir benötigen in Deutschland keine Gleichschaltung, oder gar eine Zensur, da wir so von Infomüll zugetextet werden, dass die wirklich wichtigen Informationen übersehen werden. Der Begriff von Udo Pollmer, den ich oben erwähne bringt es ganz genau auf den Punkt, und gilt für mich daher nicht nur für die Ernährungswissenschaft sondern generell.
Vielleicht sollte man daraus seinen werbewirksamen Slogan gegen den Neoliberalismus erschaffen? Wie wäre es mit "Der Koalition des geschwätzigen Verschweigens" auf unsere Regierung, die Medien und die Wirtschaft(sbosse) bezogen?
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
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