Mantel oder Kürbis?
Donnerstag, 30. Oktober 2008
Halloween mehrt seit Jahren seinen Anspruch, auch als eine Festlichkeit der Deutschen zu gelten. Mehr und mehr findet dieses Fest Einzug in den Kalender der hier lebenden Menschen - und dies, obwohl es keinerlei Tradition gibt, auf die sich dieses Fest stützen könnte. Eine andere Festlichkeit schwindet währenddessen, wird verstärkt ausgehöhlt oder einfach verworfen - der Martinstag. Dass ein Fest obsiegt, während ein anderes ins Hintertreffen gerät, ist natürlich kein einzigartiges Phänomen, zumal die beiden erwähnten Festtage zeitlich eng zusammenfallen. Und wenn man bedenkt, dass es beispielsweise im Ingolstädter Raum Kindergärten geben soll, die ganz basisdemokratisch die Kinderchen fragen, ob sie denn lieber dem Heiligen Martin huldigen oder um einen Kürbis tanzen wollen, dann braucht man sich auch nicht mehr wundern, dass der Martinstag langsam aber sicher zum Relikt anderer, vergangener Tage wird.
Welche Wahl man den Kindern läßt ist einfach zu erläutern - es ist die Entscheidung zwischen Maskenball und Unmengen von Süßigkeiten oder Laternenbasteln und singendes Wandern durch einen kalten Novemberabend. Man könnte es auch philosophischer zur Auswahl bereiten: Es ist der Widerstreit zwischen plumpen Materialismus und zwischenmenschlichem Idealismus. Oder wenn wir die Terminologie Erich Fromms heranziehen: Eine Auseinandersetzung zwischen der Charakterstruktur des Habens und des Seins. Dass der kindliche Egoismus, der in dieser Phase des Lebens freilich notwendig ist, sich für das Haben entscheiden wird, d.h. für Süßigkeiten und Freude durch Verkleidung, ist nicht weiter verwunderlich. Die Kritiklosigkeit der Eltern und Erzieher zeichnet aber ein treffendes Gemälde dieser Gesellschaft.
Stellen wir die beiden Festlichkeiten einmal gegenüber: Auf der einen Seite haben wir als Grundlage das Teilen, das Abgeben, das Entbehren. Martin teilt seinen Mantel mit einem Frierenden; er teilt, weil er seinen Nächsten nicht in den Kältetod entschlummert wissen will. Er klammert sich nicht an seinen Besitz, sondern gibt ab, läßt teilhaben an seiner Besserstellung. Stattdessen auf der anderen Seite: Man überrumpelt einen Menschen, klingelt bei ihm, läßt ihn wissen, dass er nun Süßes rauszurücken habe - tut er dies aber nicht, darf er mit Saurem rechnen. Dabei wird nicht gefragt, ob die Person, die man gerade mit Erpressung nötigt, überhaupt die Mittel zum Abgeben hat. Während Martin nicht fragt, was der Obdachlose für ihn tun kann, falls er ihm ein Stück seines Mantels reicht, wollen die kindlichen Rabauken bezahlt sein, wollen eine Gegenleistung dafür, friedvoll zu bleiben, wollen "Schutzgeld" in ihrem Beutel sehen. Bei Martin lernen die Kinder Selbstlosigkeit, an Halloween das "Prinzip der Gegenleistung"; Martin lehrt Rücksichtnahme, "der Kürbis" Ansichnahme. Während Martin alleine mit seiner praktizierten Mitmenschlichkeit steht, er einer jener seltenen Menschen ist, die nicht blind am Notleidenden vorbeigehen, treten die kindlichen Erpresser in der Gruppe auf, sind durch ebendiese stark genug, um rücksichtslos und ignorant loszuschlagen - hier Stärke im Alleinsein, dort Stärke durch entfesselte Gruppendynamik.
Die Halloween-Praktik paßt in unsere Zeit, in unsere Gesellschaft wie die Faust aufs Auge. Während wir den Kindern einmal im Jahr einen solchen zügellosen Freiraum lassen, scheint in der Welt der Erwachsenen der Halloween-Geist losgebrochen zu sein. Es ist eben nicht nur der kindliche Egoismus, der mehr Freude an Halloween als am Martinstag entstehen läßt, sondern auch die Tatsache, dass ersteres Fest einfach besser ins Hier und Jetzt paßt. "Süßes oder Saueres!" könnte auch "Lohnkürzung oder Arbeitsplatzabbau!" heißen; oder "Integration oder Ausweisung!"; oder in ganz misanthropischer Form "Arbeit oder Hunger!"; und in weltpolitische Formel gegossen: "Erdöl oder Krieg!". Dies sind die üblichen Erpressungsverhältnisse, die man dann mit Sachzwängen abstrakt rechtfertigen will. An Halloween legt man das Fundament einer solchen Weltsicht - nur im Kleinen freilich, nur begrenzt und mit kindlicher Naivität gewürzt, aber doch in einer solchen Weise, dass auch den Kindern klar wird, dass man mit Erpressung und unfreundlicher Miene, grußlosem Verhalten, dreisten Sprüchen etc. zum materiellen Erfolg kommt. Verziehung die man als Erziehung tituliert!
Im Gegenlicht steht da dann der Heilige Martin - wenn man ihn überhaupt noch zur Kenntnis nimmt -, der abgibt und am Ende mit weniger dasteht als ursprünglich. Aber, und das unterschlägt die materielle Gesinnung gerne, an diesem Weniger nicht leidet, sondern bereichert ist, weil er die Bande des Miteinander geknüpft hat, weil sein Teilen ein Akt nicht nur des Gebens war, sondern auch ein solcher des Entgegennehmens - die Hilfe ist für Martin nicht nur ein Akt des Weggebens, sondern ein Zustand der angenommenen Mitmenschlichkeit.
Das Schwinden des Martinstag zugunsten von Halloween ist sicherlich keine isolierte Erscheinung, sondern geht Hand in Hand mit der geistig-moralischen Umstrukturierung unserer Tage, in denen Nehmen seliger denn Geben ist. Wir zeigen unseren Kindern sowieso schon viel zu häufig, dass nur das Materielle von Bedeutung ist, man sich vorallem am Haben zu orientieren habe. Der Sozialarbeiter ist nichts, aber der Rechtsanwalt alles - solche Einteilungen lehren wir schon unsere Kinder. Und an Halloween zeigen wir ihnen, wie man es zu was bringt in dieser Welt, während es der Heilige Martin, dieser armselige Trottel, zu nichts gebracht hat, weil er aus seinem Mantel nicht zwei oder drei machen konnte, sondern diesen auch noch halbierte.
Welche Wahl man den Kindern läßt ist einfach zu erläutern - es ist die Entscheidung zwischen Maskenball und Unmengen von Süßigkeiten oder Laternenbasteln und singendes Wandern durch einen kalten Novemberabend. Man könnte es auch philosophischer zur Auswahl bereiten: Es ist der Widerstreit zwischen plumpen Materialismus und zwischenmenschlichem Idealismus. Oder wenn wir die Terminologie Erich Fromms heranziehen: Eine Auseinandersetzung zwischen der Charakterstruktur des Habens und des Seins. Dass der kindliche Egoismus, der in dieser Phase des Lebens freilich notwendig ist, sich für das Haben entscheiden wird, d.h. für Süßigkeiten und Freude durch Verkleidung, ist nicht weiter verwunderlich. Die Kritiklosigkeit der Eltern und Erzieher zeichnet aber ein treffendes Gemälde dieser Gesellschaft.
Stellen wir die beiden Festlichkeiten einmal gegenüber: Auf der einen Seite haben wir als Grundlage das Teilen, das Abgeben, das Entbehren. Martin teilt seinen Mantel mit einem Frierenden; er teilt, weil er seinen Nächsten nicht in den Kältetod entschlummert wissen will. Er klammert sich nicht an seinen Besitz, sondern gibt ab, läßt teilhaben an seiner Besserstellung. Stattdessen auf der anderen Seite: Man überrumpelt einen Menschen, klingelt bei ihm, läßt ihn wissen, dass er nun Süßes rauszurücken habe - tut er dies aber nicht, darf er mit Saurem rechnen. Dabei wird nicht gefragt, ob die Person, die man gerade mit Erpressung nötigt, überhaupt die Mittel zum Abgeben hat. Während Martin nicht fragt, was der Obdachlose für ihn tun kann, falls er ihm ein Stück seines Mantels reicht, wollen die kindlichen Rabauken bezahlt sein, wollen eine Gegenleistung dafür, friedvoll zu bleiben, wollen "Schutzgeld" in ihrem Beutel sehen. Bei Martin lernen die Kinder Selbstlosigkeit, an Halloween das "Prinzip der Gegenleistung"; Martin lehrt Rücksichtnahme, "der Kürbis" Ansichnahme. Während Martin alleine mit seiner praktizierten Mitmenschlichkeit steht, er einer jener seltenen Menschen ist, die nicht blind am Notleidenden vorbeigehen, treten die kindlichen Erpresser in der Gruppe auf, sind durch ebendiese stark genug, um rücksichtslos und ignorant loszuschlagen - hier Stärke im Alleinsein, dort Stärke durch entfesselte Gruppendynamik.
Die Halloween-Praktik paßt in unsere Zeit, in unsere Gesellschaft wie die Faust aufs Auge. Während wir den Kindern einmal im Jahr einen solchen zügellosen Freiraum lassen, scheint in der Welt der Erwachsenen der Halloween-Geist losgebrochen zu sein. Es ist eben nicht nur der kindliche Egoismus, der mehr Freude an Halloween als am Martinstag entstehen läßt, sondern auch die Tatsache, dass ersteres Fest einfach besser ins Hier und Jetzt paßt. "Süßes oder Saueres!" könnte auch "Lohnkürzung oder Arbeitsplatzabbau!" heißen; oder "Integration oder Ausweisung!"; oder in ganz misanthropischer Form "Arbeit oder Hunger!"; und in weltpolitische Formel gegossen: "Erdöl oder Krieg!". Dies sind die üblichen Erpressungsverhältnisse, die man dann mit Sachzwängen abstrakt rechtfertigen will. An Halloween legt man das Fundament einer solchen Weltsicht - nur im Kleinen freilich, nur begrenzt und mit kindlicher Naivität gewürzt, aber doch in einer solchen Weise, dass auch den Kindern klar wird, dass man mit Erpressung und unfreundlicher Miene, grußlosem Verhalten, dreisten Sprüchen etc. zum materiellen Erfolg kommt. Verziehung die man als Erziehung tituliert!
Im Gegenlicht steht da dann der Heilige Martin - wenn man ihn überhaupt noch zur Kenntnis nimmt -, der abgibt und am Ende mit weniger dasteht als ursprünglich. Aber, und das unterschlägt die materielle Gesinnung gerne, an diesem Weniger nicht leidet, sondern bereichert ist, weil er die Bande des Miteinander geknüpft hat, weil sein Teilen ein Akt nicht nur des Gebens war, sondern auch ein solcher des Entgegennehmens - die Hilfe ist für Martin nicht nur ein Akt des Weggebens, sondern ein Zustand der angenommenen Mitmenschlichkeit.
Das Schwinden des Martinstag zugunsten von Halloween ist sicherlich keine isolierte Erscheinung, sondern geht Hand in Hand mit der geistig-moralischen Umstrukturierung unserer Tage, in denen Nehmen seliger denn Geben ist. Wir zeigen unseren Kindern sowieso schon viel zu häufig, dass nur das Materielle von Bedeutung ist, man sich vorallem am Haben zu orientieren habe. Der Sozialarbeiter ist nichts, aber der Rechtsanwalt alles - solche Einteilungen lehren wir schon unsere Kinder. Und an Halloween zeigen wir ihnen, wie man es zu was bringt in dieser Welt, während es der Heilige Martin, dieser armselige Trottel, zu nichts gebracht hat, weil er aus seinem Mantel nicht zwei oder drei machen konnte, sondern diesen auch noch halbierte.
20 Kommentare:
Hallo Roberto,
so gerne ich auch sonst Deinen Blog lese: Hier bist Du über das Ziel hinaus geschossen. Halloween als Allegorie auf die Gier der Finanzjongleure? Martinssingen als Meditation über das wohlfeile Geben? Bei Kindern?
Vielleicht wurde es in der Gegend, in der Du groß geworden bist, so gehalten, dass man umzog und sang und basta. Ich bin in Köln aufgewachsen und kenne Martinssingen mit ebensolchem Anspruchsdenken, wie Du es (etwas einseitig) den Halloween-Kindern unterstellst. Wir klingelten damals schon an Türen und gingen in Geschäften singen, um Süßes abzustauben.
Und Tatsache ist, dass wir (als kleine Kinder!) vor weit über vierzig Jahren bereits vor der Tür derjenigen, die unserem hastig herunter geleierten Singsang nicht mit Gaben (Süßigkeiten) huldigten, immer wieder lautstark "Knieskopp, Knieskopp" riefen (und in besonders schweren Fällen in den Folgetagen mit Mäuschen-Klingeln abstraften).
Nein, zumindest in meiner Erfahrung waren die Martinsgeschichte und das Martinssingen nur insofern verbunden, als dass wir den Bettler spielten - und das manchmal auch verbal-aggressiv (s. o.)-, damit "der Andere" sich für sein Geben gut fühlen konnte.
Einen Unterschied kann ich nur insofern ausmachen, als dass es heute (nur bei Halloween?) manchmal nicht bei dem relativ harmlosen Schimpfwort bleibt und es tatsächlich zu Sachbeschädigungen kommen kann.
Beste Grüße
Omnibus56
hmmm also bei uns im Norden vor 20 Jahren war das Martinssingen nicht so wirklich immateriell.
Wir zogen mit einem Sack von Haus zu Haus und sangen unser Martinslied. Darauf hin bekam man etwas zu naschen. Süßigkeiten, Nüsse, Obst. Süßigkeiten wurden aber bevorzugt. Nur konnte es zu Komplikationen kommen, wenn man bei der falschen Konfession am falschen Tag geklingelt hat. Protestanten 10 November, Katholiken 11 November.
Das Lied das wir sangen war aber auch nett und es wurde niemand erpresst. Mal schauen ob ich es noch zusammen bekomme:
Sankt Martin war ein guter Mann,
schenkt uns Äpfel Nüsse.
Als wir unterm Tische saßen
und gebackne Fische aßen,
dachten wir in unserem Sinn:
Hier da wohnt ein Reicher drin.
Geben sie uns nen Apfel,
könn wir gut verzapfeln.
Geben sie uns ne Birne,
könn wir gut verzwirne.
Geben sie uns ne Nuss,
bekommen sie auch nen Kuss.
(ist das Lied jetzt Schluss)
Das Alternative Ende entstand, als meine Grundschullehrerin, bei der wir klingelten, auf dem Kuss auf die Wange bestand. So ganz haut der Text aber glaube ich nicht hin. Leider hab ich aber nirgens etwas darüber im Internet gefunden. In Göttingen war das aber bei den Kindern sehr populär.
Bei uns gab es allerdings keine "Bestrafung" von Leuten die nichts gaben, wie beim Vorposter. Dann ist man halt zum nächsten Haus weiter.
Glawen
"Das Singen ist nur in bestimmten Gegenden verbreitet und hat oft lokale Namen, etwa Schnörzen, Gripschen oder Dotzen im Rheinland. In einigen protestantischen Gebieten Norddeutschlands gibt es das ähnliche Martinisingen oder Mattenherrn, das sich auf Martin Luther bezieht und an dessen Geburtstag am 10. November gefeiert wird."
Das sagt Wikipedia. Bei uns gab es sowas nie.
Tja - das kann man natuerlich so gegenueberstellen, worauf ich uebrigens nie gekommen waere. Bis dato habe ich das kindliche treiben anlaesslich dieses "Feiertages", den man hierzulande "Allerheiligen" zu nennen pflegt, hat mich eher an das "Fastnachtssingen" erinnert, das ich selbst als Kind praktiziert habe. Am Rosenmontag oder Fastnachtsdienstag - ich habs vergessen - zogen wir Kinder kostuemiert und singend von Haus zu Haus, in der Absicht Suessigkeiten zu erbetteln (leider gabs bei einigen Einzelhaendlern oft nur eklige Spezialitaeten, wie "Moeppkenbrot" oder "Gruetzwurst", an denen sich dann unsere Eltern guetlich taten).
"Luetgen, luetgen Fastnacht
wir ham gehoert ihr haett geschlacht
und habt ne gute Wurst gemacht
gib mir eine
gib mir eine
aber nicht so ne ganze kleine."
So oder so aehnlich lautete der Text unseres Bettelliedes.
Hier in der preussisch, protestantisch gepraegten Großstadt wird man freilich nicht ein einziges Kind finden, dem solches Treiben nicht peinlich (gewesen) waere, was uebrigens nur das Singen angeht, nicht das Kostuemieren und was fuer die Martinsumzuege auch nicht zutrifft - aber da wird ja auch nicht (unbedingt) "gebettelt".
Und das ist wie ich meine auch das eigentlich bemerkenswerte: Helloween hat sich beinah schneller etabliert als man bis drei zaehlen konnte. Es ist ein Feiertag des Marketings, was uebrigens auch fuer den "Valentinstag" gilt - beide koennen hierzulande auf keinerlei Tradition verweisen, aber beide erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, was aber m.E. weniger eine Frage des "Sinngehaltes" als vielmehr eine der massiven Vermarktung ist. Man darf nicht vergessen, dass solche Tage zusaetzliche Einnahmen in die Kassen des Handels spuelen. Die Fastnachtsumzuege haben da weniger merkantiles Potential - da rennen eh schon alle kostuemiert herum und das bisschen zusaetzlicher Bettelgesang macht den Kohl dann auch nicht fett(er).
Auch Wikipedia:
Heutzutage wird der Brauch des Martinssingens mancherorts vom amerikanischen Halloween verdrängt, das zu einer ähnlichen Zeit stattfindet und bei dem die Kinder ebenfalls um die Häuser ziehen. Dabei tragen sie jedoch Grusel-Verkleidungen und singen nicht. Um trotzdem Süßigkeiten zu bekommen, sagen die Kinder meistens den Spruch „Süßes, oder es gibt Saures“ (aus dem Englischen: „trick or treat“) auf, wobei es sich bei dem „Sauren“ häufig um böse Streiche handelt. Hier werden die Süßigkeiten also nicht mit Singen verdient, sondern werden durch eine Drohung erworben.
Ob das jetzt wirklich zu weit geht mag ich nicht entscheiden wollen; interessant ist aber die regionale Differenz, die aus den Posts hervor lugt (ich kenne den 11.11. als Laternelaufen und St. martin reitet vorweg, Süßis gab's bei uns nicht, das war ne ernste Angelegenheit)..
Allerdings finde ich es Schade, dass Bräuche, die einen gewissen Nettigkeitsfaktor haben (Kinder singen oder sagen Sprüche auf um was zu bekommen) von diesem doch eher rüden - einfacher gestrickten? - Brauch abgelöst werden. Mir scheint auch, dass hier einzig der Handel einen Brauch eingeführt hat - aus rein pekuniärem Interesse - und das ist doch bezeichnend genug.
@omnibus
ich denke es ging dem Autor nur darum, eine Tendenz herauszustellen. Diese Tendenz erscheint mir einleuchtend. Auch wenn es mir bei Heimatkundlern "tendenziell" kalt den Rücken runterläuft, finde ich die Sankt-Martins-Story doch vergleichseise sympathisch-fortschrittlich.
Lieber Roberto de Lapuente,
tja, man kann es so sehen, aber sogar die Kirchen - und das sage ich als Agnostiker - ziehen dem Neoliberalismus in Richtung soziales davon, zumindest die Kirchenbewegung von unten her:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/dokumentation/1618319_Die-Kirche-aus-der-neoliberalen-Falle-holen.html
...kein Wunder - mal aus kirchlicher Sicht gesehen- wer duldet schon direkte Konkurrenz in seinem Metier?
Der Neoliberalismus generiert sich ja schon als eigenständige, zugegebenermaßen weltliche, Religion.
Dagegen begehren die Kirchenunteren auf...
Es ist also noch Hoffnung vorhanden, dass es ganz anders kommt - auch mit Halloween statt St. Martin.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Lieber Roberto de Lapuente,
leider gerade erst gelesen, aber hier ein hochaktueller Hinweis, dass die Kirchenunteren gegen die Art der Kirchenoberen protestieren sich von der neoliberalen Ideologie vereinnahmen zu lassen:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/dokumentation/1618319_Die-Kirche-aus-der-neoliberalen-Falle-holen.html
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Hi
mit allem Respekt zur Kenntnis:
http://kritik-und-kunst.blog.de/2008/10/30/kritische-bemerkungen-ad-sinistram-4958793
"Dieter Tschorn (69) von der Fachgruppe Karneval des Verbandes der Spielwaren-Industrie gilt als Vater des Halloween in Deutschland. Er hatte die Idee, das Fest bei uns groß rauszubringen, weil es beim Karnevalsgeschäft Umsatzeinbrüche gab. Tschorn: „Natürlich ist das eine Marketing-Idee, aber sie bringt den Leuten ja Spaß.“
Der Umsatz mit Halloween-Artikeln in Deutschland: rund 160 Mio. Euro jährlich."
Quelle: BLOED
Ich bin überzeugt davon, dass unsere "Gesellschaft" auch ohne Halloween und unter Beibehaltung des Martinstags es geschafft hätte, den zu kommerzialisieren. Also, so what?
Die neoliberale Doktrin des "Raffens" und der Gier macht vor nix halt.
@frank
Du sagst es, aber der Widerstand formiert sich - gerade mein Hinweis auf die Kirchen ist da sehr interessant.
Der Hinweis könnte aber auch für andere Sekten, und Religionsgemeinschaften, gelten, denn wie bereits erwähnt - die Neoliberalen wildern in deren uralten Stammrevieren - nicht nur an Halloween.
Das läßt sich kein Buddhist (es gibt tatsächlich Neoliberale die die Karma-Lehre für ihre Zwecke einspannen wollen...kein Witz...leider...), Christ oder sonstwie gearteter religöser Mensch gefallen - da bin ich sicher....
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
(Freidenkender Agnostiker)
@ Omnibuy56
Ich stimme deinem Kommentar nicht zu. Teilweise ist er zwar richtig, als Kinder haben wir beim Martinssingen lausige Gedichtchen aufgesagt und dafür Süßes kassiert, trotzdem stimmt deine Interpretation nicht.
Sankt Martin hat inhaltlich durchaus das Teilen und Mitmenschlichkeit zum Thema und bei den alljährlichen, meist kirchlichen Sankt-Martins-Umzügen, wo dies dann auch nachgespielt wird (Pferd, Reiter=Sankt Martin, Mantel wird mit Klettverschluss "geteilt", Bettler), wird das deutlich und anschaulich (Theater-Szenen) für Kinder und Erwachsene thematisiert.
All das fehlt bei Halloween, wo kein solch inhaltlicher Hintergrund ist.
Und ja, ich finde es auch schade, dass das angelsächsische Halloween einfach so übernommen wurde. Seien wir mal ehrlich: das war einfach cool, sich zu Halloween horrormäßig zu verkleiden und rumzuziehen/Party zu machen. In der Erwachsenenwelt hat es angefangen mit derartigen Parties und ist dann in die Kinderwelt übergeschwappt.
Da man Halloween und Sankt Martin wohl inhaltlich nicht verbinden kann (mit Kürbislaterne zu Sankt Martin?), denke ich, dass auf lange Sicht wohl Sankt Martin vergessen wird. Und ja, das ist schade, dass es ein Fest weniger gibt, zu dem Mitmenschlichkeit und Teilen gefeiert wird. Gerade die Amis kapieren nicht, dass es nicht unendlich viel Wohlstand gibt, den man nur "erobern" muss, sondern dass Wohlstand etwas ist, dass in einer Gruppe entsteht und entsprechend aufgeteilt werden muss.
Den Amis wünsch ich wirklich eine französische Revolution. Anders lernen die das nicht.
"[...]Den Amis wünsch ich wirklich eine französische Revolution. Anders lernen die das nicht.[...]"
Aehm...hatten die das nicht anno 1777 schon vor Frankreich?
Das ist ja gerade das fatale, die USA der damaligen Revolution waren die Vorläufer für die Revolution 1789.
Schaut man übrigens in die Gründungsstatuten der USA dann staunt man....die heutigen USA unter George W. Bush haben rein gar nichts mit diesen Gründern aus dem "Zeitalter der Aufklärung" zu tun.
Im Gegenteil Benjamin Franklin rotiert bestimmt schon im Grabe, wenn er an die heutigen USA denkt, die aus religiösen Fanatikern besteht....
Wollen wir hoffen, dass Obama Präsident wird, dann gibt es hoffentlich wieder einen Präsidenten der den Gründeridealen der USA entspricht....
mfg
anonym
Wieviel Halloween braucht der Niederrhein?
von Norbert Moormann, Mitglied des Vorstandes des Martinsvereins Kaarst-Vorst e.V.
Brauchen wir Halloween? Diese Frage mag provokant angesichts der Tatsache klingen, dass Industrie und Handel sich über eine steigende Nachfrage nach Halloween-Artikeln jeglicher Art freuen, gleichgültig ob kitschig, gespensterhaft, gruselig oder besser: (im wahrsten Sinne des Wortes) grauen-haft anzuschauen. Der volkskundlich interessierte oder mit dem örtlichen Brauchtum verwachsene Niederrheiner schaut schon etwas verwundert, da er miterlebt, wie ein irischer Volksbrauch via USA mit Hilfe der Medien in Deutschland verbreitet wird.
Halloween ist ein importiertes Fest, das mit lokalem Brauchtum nichts zu tun hat. Dies für sich genommen ist noch nicht bemerkenswert: Schon immer gab es Wandel im rheinischen Brauchtum, einzelne Elemente verschwanden, andere wurden hinzugefügt. Manchmal wurden Feste total aufgegeben. Aber: Selten wurde ein Fest völlig neu aufgenommen.
Alle traditionellen Feste, die am Niederrhein gefeiert werden, sind entweder mit dem Jahres- und Lebenslauf verknüpft oder wurzeln im Christentum. Ein vorzügliches Beispiel für den Wandel von Festen im Laufe der Zeit bietet das Weihnachtsfest. Christbaum und Weihnachtsbescherung, ohne die wir uns heute das Weihnachtsfest kaum noch vorstellen können, kannte man um die Wende zum 20. Jahrhundert am Niederrhein genau so wenig wie das Sternsingen der Kinder am 06. Januar. Überlieferte Schilderungen belegen, dass der Weihnachtsbaum erst um 1900 Einzug in den Wohnzimmern am Niederrhein hielt. Der mit Kerzen geschmückte Weihnachtsbaum ist ein relativ junger Brauch, der sich erst im 19. Jahrhundert und zwar in evangelischen Kreisen entwickelte. Bis ca. 1930 war Weihnachten am ganzen Niederrhein ein unbedeutendes Fest, an dem nur Kinder und Gesinde beschert wurden. Vielmehr war von alters her der Nikolaustag von großer Bedeutung. Nach dem 11. November, dem Martinstag, warteten alle Kinder auf das Kommen des Nikolaus, auf „Tsenter Kloas“. Begleitet wurde er von Hans Muff, der die mitgebrachten Gaben in einem Sack trug. Er war gefürchtet (bekannt ist er in anderen Gegenden auch als Knecht Ruprecht), rasselte mit der Kette oder drohte mit der Rute. In den letzten Jahren verschwand er mehr und mehr aus der Erinnerung der Kinder und Erwachsenen. Dafür erlangt der Weihnachtsmann immer größere Bedeutung.
Ein anderes Beispiel ist das Brauchtum, das mit dem Flachsanbau am Niederrhein verknüpft war. Nach der Flachsernte, bei der die Stengel ausgerauft, zu Bündeln gebunden und aufgesetzt wurden, begann das Riffeln (Reäpe), das Abkämmen der Samenkapseln von den Stengeln. Bei dieser Arbeit, die nicht bezahlt wurde, sondern auf gegenseitiger Hilfe beruhte, kann man fast von einer spielerischen Inszenierung sprechen, denn es wurden die Rollen getauscht: Die Arbeiter wurden zu Herren und die Zuschauer zu Bauern. Kam jemand an der festgestampften Riffelbahn vorbei, so musste er sagen: „Jot heläp üch, ör Heäre!“ – Gott helfe euch, ihr Herren. Sagte er es nicht, so bekam er einen unsanften Schlag mit einem Bündel Flachs verabreicht. Die Antwort der Arbeitenden war vorgeschrieben und lautete: „Jot dank üch, ör Beäre!“ – Gott danke euch, ihr Bauern! War die Arbeit getan, begann das Reäpfest. Wenn das Reäpfest dem Ende zuging wurde einer der jüngeren unerfahrenen Leute beauftragt, bei einem Nachbarn die „Feärchreäp“ - ein nicht existentes Werkzeug - zu holen, um angeblich die Raufe zu reinigen. Das ganze war ein Neckscherz und war der gutgläubige Neuling in die Falle gegangen, so goss der Nachbar den Hereingelegten nass, indem er ihn an der Treppe warten ließ, um angeblich den Phantasiegegenstand zu holen; oder aber er schickte ihn mit der Ausrede weiter zu einem Nachbarn, er habe das Werkzeug an diesen verliehen. Dies Spiel ging oft, bis der Neuling in der ganzen Nachbarschaft gewesen war. Ein Mitleidiger bereitete dem Spiel ein drastisches Ende, indem er ihm einen Eimer Wasser über den Kopf goss.
Doch nun zu Halloween. Gibt es irgendwelche sachlichen Hintergründe wie Religion oder bestimmte jahreszeitliche Arbeitsabläufe für das Aushöhlen der Kürbisse, einen Lampion-Umzug und den anschliessenden Bittgang von verkleideten und geschminkten Kindern von Haustür zu Haustür um Süßigkeiten? Wohl kaum, dafür freuen sich aber Industrie und Handel ob der Nachfrage nach Kostümen, Schminke und Süßigkeiten. Dabei können sie sich auch des Kaufdruckes sicher sein, welchen die Kinder auf ihre Eltern ausüben. Die Mischung aus Karneval, Walpurgisnacht und Silvester ist ein Partygag, der mit rheinischem Brauchtum absolut nichts zu tun hat.
Und deshalb muss Skepsis gegenüber Halloween erlaubt sein, zumal ein Lichtergang durch die Straßen, verbunden auch mit dem anschließenden Gripschen an den Haustüren, allerdings ohne Verkleidung, schon längst gepflegt wird. In wohl allen niederrheinischen Orten ziehen traditionell Kinder und Erwachsene am Abend des 11. November –dem Patronatstag des Heiligen Martin- mit Laternen durch die Straßen. Schön, wenn es Kindern und Eltern Spaß macht, zu Ehren des Soldaten und späteren Bischofs am rheinischen Brauchtum teilzunehmen.
Bis spät ins 19. Jahrhundert nutzte man für den Laternenumzug auf dem Lande Kürbisse und Runkelrüben. Dazu wurde ein Deckel abgeschnitten, die Frucht ausgehöhlt, ein Gesicht in die Außenhaut geritzt, eine Kerze eingesetzt, mit dem Deckel wieder geschlossen und auf einen Stock gesteckt. Von der Stadt ausgehend wurden diese selbstgebastelten Lichthalter von an einen Stock gehängten Laternen aus Papier abgelöst.
Die Kinder ziehen mit diesen im Kindergarten oder in der Schule selbstgebastelten – vielleicht auch gekauften - Laternen mit ihren Eltern von der örtlichen Kirche durch die abendlichen Straßen des Ortes bis zur Kirche zurück, singen Lieder (die bekanntesten sind gewiss: „St. Martin, St. Martin, St. Martin ritt durch Schnee und Wind“ und „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne ...“) und ehren damit sowohl den Heiligen Martin als auch den Gedanken des Teilens mit anderen. Nach symbolischer Mantelteilung zwischen St. Martin und Bettler und einigen Liedern am Martinsfeuer erhalten die Kinder „ihre Tüte“ mit Weckmann (selbstverständlich mit Tonpfeife), Obst und Süßigkeiten.
Über der Arbeit der Martinsvereine oder –komitees könnte als Leitwort: „DURCH TEILEN ZUSAMMENWACHSEN“ stehen. Sie wollen das Fest des Heiligen Martins als ein Fest feiern und begehen, das Menschen jeglichen Glaubens - gleichgültig ob Christen, Angehörige anderer Weltregionen oder Konfessionslose - zusammenführt im Geiste echter Brüderlichkeit und Mitmenschlichkeit.
Vergleicht man die Anlässe Halloween und St. Martin, dann fällt eigentlich die Entscheidung zwischen beiden nicht schwer. Wir müssen keine keltischen Gespenster (Halloween ist dort das Fest des Fürsten des Totenreiches) am Niederrhein vertreiben. Viel besser wäre es, Kinder zu bestärken, sich einen wachen Blick für das Teilen mit Bedürftigen zu bewahren. Dafür ist das Fest des Heiligen Martin ganz sicher der geeignetere Brauch.
Wem dies zu stark vom christlichen Glauben aus argumentiert ist, dem sei folgendes gesagt: Muss dieses Fest der leuchtenden Kinderaugen und der schönen Kindheitserinnerungen bei Erwachsenen wirklich durch Götzenkult um Fratze – Verzeihung - Maske und Kürbis ersetzt werden? Ich bleibe dabei: Die wohlig-angenehme, ja auch romantische, Stimmung bei jedem Einzelnen der dabei ist, egal ob Kind oder Erwachsener, die spannende Neugier auf den Gottesmann hoch zu Ross und den gespannt-milden Freudenglanz in den Kinderaugen gibt es nur am Ehrentag des Heiligen Martin. Welch ein Unterschied zu Monsterfeten und Gruselpartys! Welch ein stimmungsmäßiger Unterschied auch zwischen einem Martinszug in historischen, engen gemütlichen Altstadtgassen niederrheinischer Kleinstädte und den Halloween-Partys irgendwo draußen im Gewerbegebiet vor den Toren der Stadt in einer kalten Leichtbauhalle oder einer schummrigen Disco. Welch ein Unterschied nicht zuletzt zwischen den aus Kinder- und Erwachsenenkehlen vielstimmig mit spürbarer Freude am eigenen Gesang in den Strassen unseres Ortes erschallenden – ja tatsächlich live gesungenen – alten oder auch neueren Martinsliedern und dem synthetischen Tecno-Gewumme aus bis zum äußersten Rand i(h)rrer Volumen aufgedrehten Lautsprecher-Boxen auf den Halloween-Partys. Während das Fest des Heiligen Martin ein Fest für die ganze Familie ist weil die Eltern an der Freude der Kinder teilhaben trägt Halloween dazu bei, die Familie weiter in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen. Während die Jugend feiert können die Eltern mit dem Fest überwiegend nichts anfangen.
St. Martin ist – davon bin ich fest überzeugt – dass schönste Kinderfest im Jahreslauf. Wirklich nur für Kinder?
Wir laden deshalb alle, wirklich alle, ja auch Jugendliche und Erwachsene, ein, sich von der Atmosphäre des Martinsfestes einfangen zu lassen. Trauen Sie sich: Kommen Sie, seien Sie mit dabei und teilen Sie mit den Kindern die Freude an diesem Tag. Jeder, wirklich jeder, ist herzlich willkommen. St. Martin ist auch ein Kinderfest – aber nicht nur. Der geteilte Mantel – er weist jedem, unabhängig vom Alter, die Richtung.
Ihr macht aus den Halloween-Kids aber niedliche Wesen. Stimmt aber nicht. Da gehts zur Sache. Die ziehen Blutspuren und verunreinigen Autos. Polizei sollte mal durchgreifen.
Lieber Roberto de Lapuente,
so eben auf:
http://www.israeli-art.com/satire/halloween.htm
gefunden.
Die sehen es ähnlich, und haben einen netten Carton zum Thema gestaltet...
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Die Ideologie des Halloween-Feierns ist in diesem Artikel sicher gut getroffen, aber die des Martinsfestes und seines Mythos ist wohl kaum so menschlich, altruistisch: Zwar wird das Geben als ein lobenswerter Akt gezeigt, aber die ungerechten Verhältnisse, die das Geben nötig machten werden weiter in Kauf genommen: Wer einen Menschen nicht erfrieren lässt, ist ein Heiliger. Nun sind die meisten Menschen keine Heiligen. Dann erfrieren die Bettler halt. Zu einer wirklich sinnvollen Botschaft fehlt dem Martinsmythos die Aussage, dass die praktizierte Hilfe selbstverständlich sein sollte und nicht die Ausnahmetat eines Helden, die noch Jahrhunderte später gefeiert wird.
"[...] M
Martin, Sankt: einer der bis heute beliebtesten Heiligen, ist sein Festtag (→ Martinstag) doch mit feierlichen Umzügen und Zuckerbrezeln (für die Kinder) und Glühwein (für die Eltern) verbunden. „Sankt Martin war ein guter Mann“, singen die Kinder während des Laternenumzugs und viele von ihnen bewundern aufrichtig den römischen Soldaten, der da auf einem hohen Ross reitend, die abendliche Prozession anführt. Meist haben sie schon im Kindergarten die rührselige Geschichte vom barmherzigen Heiligen gehört, der einem frierenden Bettler angeblich die Hälfte (Frage: Warum eigentlich nur die Hälfte?) seines Mantels gab. Der heilige Martin war der Legende nach ein großer Spezialist in Wunderdingen, der nicht nur Tote erwecken konnte, sondern seine enormen Wunderkräfte beispielsweise auch einer kranken, von einem „bösen Geist besessenen“ Kuh angedeihen ließ. (Die Kuh sank daraufhin übrigens auf die Knie und küsste dem Heiligen die Füße [vgl. Deschner, Kriminalgeschichte, Bd. 3, S. 222].) Nicht so recht ins barmherzige Legendenbild passt, dass der hl. Martin von Tours (316-397) als Bischof 20.000 Sklaven für sich schuften ließ und in aller Brutalität die Evangelisierung der gallischen ‘Heiden’ vorantrieb. So können wir annehmen, dass der heilige Martin sein Schwert weit weniger zur mildtätigen Zerteilung seines Mantels benutzt hat als zur Vernichtung von Kulturen und Menschen, die nicht ins christliche Konzept passten. Kurzum: Ein Heiliger, wie er im Buche steht.[...]"
Quelle: http://hpd.de/node/2501 - Überschrift: "Das ABC des Christentums (3)"
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Kommentar veröffentlichen