Fördern und Fordern

Dienstag, 21. Oktober 2008

Man sollte nicht zu lange zögern, die von Wirtschaftsminister Glos eingeforderte Demut der Banker, auch in einen Gesetzestext zu gießen - nur so kann man Demut auch wirklich erwarten, muß nicht auf eine vage Möglichkeit hoffen, sondern weiß diese rundum gesichert. Dies entspricht übrigens dem herrschenden Menschenbild, das seit Jahrzehnten klarmacht, dass der Mensch eben nicht aus freien Stücken hilfsbereit und gut ist, sondern nur unter Androhung verschärfter Sanktionen. Im Hartz-Konzept nennt man sowas "Anreize schaffen", was soviel heißt wie: den Arbeitslosen mit finanziellem Würgeeisen reizen, ihm die existenzielle Daumenschraube anlegen. Überhaupt wäre das Ausarbeiten eines Demutsgesetzes gar kein großer Aufwand, vielmehr Anpassung als Ausarbeitung, bietet doch das Sanktionierungsrepertoire des Hartz-Konzeptes bereits Grundzüge einer möglichen Verfahrensweise an - man muß also das Rad nicht neu erfinden, hat es im Wesentlichen schon entdeckt.

Zunächst ist der Verzicht auf die Boni freilich ein selbstloser Akt, den wir moralisch honorieren wollen - aber auch nicht zu sehr, denn es ist nur zu selbstverständlich, dass man nach dem Fördern nun auch das Fordern großschreiben sollte. Und dementsprechend erlaubt uns das Hartz-Konzept die Anrechnung von Vermögen. Im § 12 SGB II wird dargelegt, welche Freibeträge zu gelten haben - diese sollen Bemessungsgrundlage sein. Um konkreter zu werden, ziehen wir "das Beispiel Josef Ackermann" heran, und errechnen, wieviel Vermögen diesem Banker bleiben darf, bevor er überhaupt wieder ein Gehalt beziehen dürfte. Da Herr Ackermann knapp nach der Bestandsschutzgrenze (1. Januar 1948) geboren ist, darf er pro Lebensjahr anstatt 520 nur 150 Euro einbehalten. Dementsprechend kämen wir auf ein berechtigtes Vermögen von 9.750 Euro - alles was darüber liegt, muß in den nächsten Monaten - wohl eher Jahren - aufgebraucht werden, bis ihm wieder ein Jahresgrundgehalt zusteht. Bevor Herr Ackermann diese Vermögensobergrenze nicht erreicht hat, ist er also als "nicht anspruchsberechtigt" einzustufen.

Sollte Herr Ackermann wider aller Erwartungen tatsächlich unter dieser Vermögensgrenze liegen, so muß folgend überprüft werden, ob er nicht über seinen Verhältnissen lebt. Dazu wird berücksichtigt, ob Herr Ackermann einen "angemessenen Hausrat" besitzt, ein "angemessenes Kraftfahrzeug (Höchstwert von 7.500 Euro)" und "angemessenen Wohnraum im Privatbesitz" - sollte hierbei unangemessene Verhältnisse vorgefunden werden, z.B. ein Kraftfahrzeug, welches mehr als 7.500 Euro wert ist, so ist der Mehrwert als Vermögen zu berechnen. Dem Hilfebedürftigen wird demnach nahegelegt, sein Kraftfahrzeug zu verkaufen, um sich eines zuzulegen, welches unter der Wertgrenze liegt.

Würde auch nach dieser Prüfung die Obergrenze unterschritten - wider Erwarten natürlich -, so hätte Herr Ackermann Anspruch auf Fortzahlung seiner Gehaltsbezüge. Allerdings abzüglich seiner Nebentätigkeiten und des Gehalts derer, die mit ihm in der Bedarfsgemeinschaft leben. Sollte Herr Ackermann erklären, in keiner Bedarfsgemeinschaft zu leben, so hat er den Beweis hierfür zu erbringen - dies deckt sich natürlich mit dem negativen Menschenbild, wonach der Mensch nur durch Pression zur Ehrlichkeit und Verantwortungsbewußtsein getrieben werden kann. Hierfür bietet das SGB II die Beweislastumkehr an - dieses ist problemlos auch auf das neue Demutsgesetz anwendbar. Anzumerken sei auch: Falls Herr Ackermann meint, er müsse sein spärliches Gehalt durch Nebentätigkeiten aufpolieren, sind diese umgehend den Behörden zu melden, damit diese sein zugesprochenes Gehalt um den in Nebentätigkeit erzielten Verdienst reduzieren. Hierbei gilt, dass 100 Euro/Monat nicht angerechnet werden, während ein Gehalt von 100 bis 800 Euro/Monat mit 80 Prozent, bzw. ein Gehalt zwischen 800 und 1500 Euro/Monat mit 90 Prozent angerechnet würden. Die Behörde behält sich vor, stichprobenweise zu überprüfen, ob der Bedürftige Schwarzarbeit betreibt.

Generell sollte das Demutsgesetz klar regeln, dass Kontrollen in allen möglichen Bereichen des Bankerlebens stattfinden dürfen - ganz im Sinne der Solidargemeinschaft, die nicht betrogen sein will. Dies bedeutet auch, dass die Privatwohnungen der Bedürftigen durchsucht werden dürfen, Zuwiderhandlungen diesbezüglich mit einer "Sanktion wegen einer Pflichtverletzung" (Mitwirkungspflicht) geahndet werden. Sollte "Sozialmißbrauch im Sinne des Demutsgesetzes" durch eine Wohnungsdurchsuchung nachgewiesen worden sein - eventuell durch gehortete Vermögensbestände oder aufgefundenen Lohnzetteln von nicht angegebenen Nebentätigkeiten -, so hat der Bedürftige ebenso mit einer Gehaltsminderung von 30 Prozent zu rechnen. Bei einer erneuten Pflichtverletzung sogar mit 60 Prozent - ab einer Minderung von 30 Prozent können allerdings bei der Behörde Sachleistungen - z.B. Lebensmittelgutscheine - beantragt werden, die auch erteilt werden, sofern in der Bedarfsgemeinschaft Kinder leben. Zusätzlich sollen "Verstösse gegen die Mitwirkungspflicht" durch Strafanzeigen wegen Leistungsbetruges geahndet werden.

Dies soll nur ein kleiner Rahmen sein, in welchem sich ein solches Gesetz einbetten ließe. Nun liegt es an der Politik, ebenso schnell tätig zu werden, wie beim Beschluss, das Milliardenpaket zur Verfügung zu stellen. Lange Vorarbeit müßte gar nicht geleistet werden, denn die Hartz-Kommission von 2002 hat hervorragend vorausgearbeitet - viele Passagen des SGB II könnten 1:1 übernommen werden. Warum also nur an den guten Willen appellieren, wenn man diesen mit allerlei Pressionsmittelchen erzwingen kann? Dieses Hartz-Konzept könnte in vielen Bereichen gelten - auch bei der Grundsicherung für Banker. Man hat gefördert, nun soll auch noch verbindlich gefordert werden. Nicht um Demut bitten, sondern abnötigen; nicht vom Guten und Vernünftigen im Menschen ausgehen, sondern vom Verschlagenen und Hinterlistigen in ihm; nicht Freiwilligkeit, sondern Zwang - das SGB II könnte dafür Pate stehen!

7 Kommentare:

Anonym 21. Oktober 2008 um 14:19  

Sehr schöner Artikel. Ich bin absolut dafür solche Arten von Sanktionen anzuwenden. An die Verursacher wird man nicht kommen, da sie sich hinter den Unternehmen verstecken können. Wie gereizt der Ackermann auf den Spruch er solle eingesperrt werden zeigt wie blank die Nerven liegen. Er schreit nach Demokratie. Genau nach dem was er kontinuierlich mit zerstört. Schon lustig. Es ist also ein Scheideweg. Kommen die Manager zu schlecht weg können sie ihre Macht nicht weiter ausbauen und sich nicht mehr selber legitimieren. Es ist wie im 19 Jahrhundert. Dort hat sich der Adel durch seine Existenz gerechtfertigt. Metternich sah es so. Ähnlich ist es bei unserem heutigen Managementadel. Das Volk hat die Macht, macht aber nichts und vergisst es nach und nach.

Anonym 21. Oktober 2008 um 18:14  

Nach Erscheinen dieses Beitrages, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich die ersten Manager - persönlich vertreten durch Anwälte - bei den, im linken der beiden Gebäude der Deutschen Bank eingerichteten, Demuts-Agenturen anmelden werden. Jedenfalls sind die VIP-Lounges bereits in Betrieb genommen und der Heli-Landeplatz auf dem Dach wurde ebenfalls ausgebaut.
Eine Anmerkung habe ich allerdings zum Beitrag: Es sollte auch erklärt werden, dass das Demutsgesetz das so aus den angepassten Hartz-Gesetze entstanden ist - und um der unterschiedlichen Denkweise des Präkariats und der Leistungsträger Rechnung zu tragen - die Zahlen im Demutsgesetz als TE angegeben sind (TE=TausendEuro), drei Nullen müssen also vor dem Komma gesetzt werden, wohingegen die Zahlen im original Hartz-Gesetz wirklich nur mit den Nullen hinter dem Komma der Geschichte versehen sind.

M.G.

ad sinistram 21. Oktober 2008 um 18:23  

"Es sollte auch erklärt werden, dass das Demutsgesetz das so aus den angepassten Hartz-Gesetze entstanden ist - und um der unterschiedlichen Denkweise des Präkariats und der Leistungsträger Rechnung zu tragen - die Zahlen im Demutsgesetz als TE angegeben sind (TE=TausendEuro), drei Nullen müssen also vor dem Komma gesetzt werden, wohingegen die Zahlen im original Hartz-Gesetz wirklich nur mit den Nullen hinter dem Komma der Geschichte versehen sind."

Werter Leser,

dies ist doch selbstverständlich. Alleine dass Sie das hier erwähnen, läßt in mir die Vermutung reifen, dass Sie womöglich der göttlichen Ordnung skeptisch gegenüberstehen. Wenn Sie die Nullen für die Nullen als selbstverständlich und gerecht empfunden hätten, hätten Sie diesen Einwand hier gar nicht formulieren müssen - es hätte sich von selbst verstanden. Hören Sie, an der göttlichen Ordnung rüttelt man nicht!

Anonym 21. Oktober 2008 um 20:07  

"[...]Wenn Sie die Nullen für die Nullen als selbstverständlich und gerecht empfunden hätten, hätten Sie diesen Einwand hier gar nicht formulieren müssen - es hätte sich von selbst verstanden.[...]"


Werter Autor,

die Nullen habe ich ohne Skepsis - eher mit Resignation mittlerweile - als Nullen angesehen, obgleich ich zugegebenermassen den göttlichen Aspekt ausgeblendet habe. Ad-hoc würde ich dies der Tatsache zuschreiben, dass scheinbar elementare Gesetze der Physik - wie das der Imponderabilität beispielsweise - in meinem Geiste nicht sehr tief verwurzelt sind.

"[...]Hören Sie, an der göttlichen Ordnung rüttelt man nicht!"
Genaugenommen, wäre so etwas sogar unmöglich: Die Herde ist zu groß.

M.G.

Anonym 21. Oktober 2008 um 20:58  

Finde den Vorschlag auch sehr gut.

Ich befürchte nämlich leider, dass diese 500 Milliarden sozialisiert, sprich auf die Allgemeinheit übertragen werden. Auch wenn die ersten bösen Wolken sich jetzt verziehen und bald immer weniger von der Finanzkrise sprechen werden, wird es, bei anhaltender Ideologie-Gläubigkeit des Marktes, noch sehr sehr viele bittere Pillen und soziale Grausamkeiten geben.

Nicht sofort und nicht demnächst. Ersteinmal ist noch die Wahl 2009. Aber danach wird es nur noch heißen: sparen, sparen, sparen und Schulden abbauen...und wenn sie da wie immer verfahren wird es (hoffentlich!) endlich mal einen Aufstand des Mobs geben. Denn genug ist genug!

Ackermann und co wird dies alles herzlich wenig kümmern. Gerade deshalb: an die Leine mit ihm!

Unknown 22. Oktober 2008 um 09:28  

Wieder mal ein sehr schöner Beitrag.
M.E. müsste aber das Demutsgesetz, von den Managern und er ihnen zuarbeitenden Journaille von BILD bis FAZ, von RTL bis ZDF inzwischen als "Demütigungsgesetz" verunglimpft, ausgedehnt werden auf die sich ständig auf Volkskosten bereichernden, völlig unfähigen und nur auf die Stimme ihrer Herren in der Welt des Kapitals hörenden Politiker ausgedehnt werden....
Ach, geht ja nicht. Da müsste sich unserer Politiker-Kaste ja selber realistisch beurteilen.
Und das wäre ja das allerletzte, was sie können! Sie leisten ja, Schulter klopfend, "gute Arbeit". Und das weiß ja dank der Gewerkschaftsseite jedes Kind: gutes Geld für gute Arbeit!
Und Köhler würde als ehemaliger Sparkassenangestellter solch ein Demutsgesetz, ob erweitert für alle, oder nur für seine ehemaligen Kollegen nie und nimmer unterschreiben:
aus Gewissensgründen.

P.S.: Über die grandiose Karriere des H.K. aus Berlin habe ich selbst vor einiger Zeit einen launigen Artikel geschrieben:
http://ungenannter.wordpress.com/2008/05/19/kohlerglaube/

Anonym 22. Oktober 2008 um 16:04  

Demut ist das Resultat von Demütigung. Anders geht's halt nicht ...

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