Moralische Garrotte
Dienstag, 7. Oktober 2008
In diesen Tagen ist häufig vom Wert oder Unwert menschlichen Lebens zu hören und zu lesen. Auch wenn man dieses menschenverachtende Sujet nicht immer unverblümt ausspricht, erkennt derjenige, der hinhört, mitliest, zusieht, dass es letztendlich lediglich um die Verwertbarkeit des Menschen geht, um den bloßen Kosten-Nutzen-Faktor, der herangezogen wird, um menschliche Individuen in Kategorien einzuteilen. Diejenigen, die nicht (mehr) verwertbar sind, die keinen offensichtlichen Gewinn für die Gesellschaft darstellen, die also in Nutzlosigkeit verharren, finden ihren Platz bei den Unwerten. Zwar spricht man nicht offen aus, dass der Unverwertete - drastisch formuliert - eine Form "unwerten Lebens" darstellt, aber immerhin darf seine Existenz angezweifelt werden - wenn nicht er als Ganzes, dann zumindest seine Rechte, seine Würde, sein Menschsein. Aus "einem von uns" wird "einer von denen"!
Zwischen den Zeilen ist der Unwert immer herauszulesen, die Ton- und Stimmlage des Reporters läßt die Anzweiflung gegenüber der wertlosen Lebensberechtigung erahnen, die gefilmten Bilder die ins Wohnzimmer transportiert werden, bilden schamlos den Ekel gegen die Wertlosen ab. Dabei begrenzt man die Wertlosigkeit nicht auf den Marktwert eines Menschen, was an sich schon schlimm genug wäre - vielmehr ist die Wertlosigkeit der rote Faden des gesamten Lebensentwurfes, wird zur Konstanten erhoben. Der Wertlose ist nicht nur am Arbeitsmarkt wertlos, weil er dort keinen Fuß in die Türen von Personalbüros bekommt, sein ganzes Dasein, seine Kinder, die Unkosten die er der Gesellschaft auferlegt, manifestieren sein Atmen zur unnötigen Tätigkeit, der man keinerlei Wert beimessen sollte.
Da ist die finanzielle Not, in die man den Wertlosen geworfen hat. Jene Not, die einen qualitativ dürftig essen, alte Kleider auftragen läßt, die einen des sozialen Lebens fernhält, ausschließt und an zu zahlenden Rechnungen verzweifeln läßt. Und doch ist dies nur die Spitze des Eisberges. Denn wenn man täglich lesen muß, zwischendrin aus dem Radio vernimmt, aus einem nachbarschaftlichen Plausch heraushört, im Fernsehen beobachten muß, wie eine ganze Gesellschaft dabei ist, das Leben des Geplagten zur wertlosen Existenz zu erklären, dann ist die Resignation ein immer wieder erscheinender Weggefährte, einer der in immer kürzeren Abständen zu Besuch kommt. Das eigene Leben erscheint ohne Wert, weil es Außenstehende immer und immer wieder vorbeten - und wenn man dem eigenen Leben keinen neuen Wert einimpfen kann, indem man verwertet wird von der Wirtschaft, scheint es nicht mehr lebenswert.
Man zieht sich zurück, meidet Nachbarn und Freunde, meidet irgendwann sogar Fremde, fühlt sich verfolgt, erkannt, entblößt, glaubt einen markierenden Stern auf der Kleidung zu tragen, der jedem ersichtlich werden läßt, welch inkarnierter Wertlosigkeit man gerade gegenübersteht. In den Blicken der Anderen glaubt man Vorwürfe zu erkennen, Empfehlungen, die einen nahelegen wollen, sich endlich das Leben zu nehmen, um die Solidargemeinschaft - die ja dann nurmehr ein toter Begriff ist - zu entlasten. Jedes Wort der Doppeldeutigkeit wird negativ aufgefaßt. Man beißt die Zähne und Lippen zusammen, wenn man sich an seiner Wertlosigkeit gemessen fühlt, will dem vermeintlichen Peiniger die Freude nicht bereiten, vor seinem Angesichte zu weinen. Erst zuhause liegt man dann in nassen Kissen, sehnt sich nach einem wertvollen Leben, selbst wenn es offensichtliche Werte im eigenen Leben, fern der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, gäbe. Irgendwann schwindet das Weinen, das Gefühl der Traurigkeit und man resigniert, verbittert, sieht in sich selbst keinen Wert, ist sich kein Selbstzweck mehr. Selbsthaß keimt auf, das Abbild im Spiegel widert einen an - man erkennt in sich selbst jenen Feind, den auch alle anderen in der personifizierten Nutzlosigkeit erkennen.
Während sich hoffnungslose Optimisten damit brüsten, dass hierzulande (noch) ein intaktes Sozialsystem installiert ist, wird zeitgleich das Schüren eines Klimas geduldet, in dem Menschen sich ihres Selbstwertes beraubt fühlen. Selbst wenn Regelsätze, Renten, Arbeitslosengelder und dergleichen mehr erhöht würden, wäre dies nur ein kleiner Schritt, der dieses Land zurückbringt in die Bahnen eines aufgeklärten Sozialstaates. Denn neben der finanziellen Guillotine ist auch die moralische Garrotte ein Folterinstrument inhumanster Sorte - der finanzielle Engpaß läßt materielle Not entstehen, aber die indokrinierte Wertlosigkeit, dieses Spiel mit den Gefühlen eines Menschen, erzeugt Minderwertigkeitskomplexe und läßt erlahmen. Es ehrt Sozialverbände, die ihrer Aufgabe doch einmal gerecht werden, indem sie höhere Bezüge für die Ausgestossenen fordern, aber solange es nur dabei bleibt, solange das Klima innerhalb dieses Landes - dieser westlichen Gesellschaft generell - nicht kritisiert und aktiv bekämpft wird, bleibt die materielle Forderung nur ein Ästchen, welches man beschneidet, während der Baum der Unmenschlichkeit an allen anderen Stellen maßlos wächst und wuchert.
Packt man nicht die Dominanz des Kosten-Nutzen-Denkens am Schopfe, um es aus dieser Gesellschaft herauszuwerfen, so sind alle gutgemeinten Ratschläge nur Beiwerk, Erleicherung zwar für die Betroffenen, aber nicht Lösung der Problematik. Solidargemeinschaft, für denjenigen der diese Tradition noch ernstnehmen möchte, beinhaltet mehr als die monatliche Überweisung eines Geldbetrages. Sie muß sich auch darin manifestieren, Menschen nicht in psychische Not zu stürzen, sie nicht ihrer Lebensfreude zu berauben. Sprüche, die dreist erklären wollen, dass Arbeitslose keine Lebensfreude in ihrer Situation verspüren sollten, stehen daher dem Solidarprinzip entgegen. Denn wenn der Hilfebedürftige auch noch seine Lebensfreude verlieren soll, die Freude an seinem Privatsein, warum sollte er überhaupt noch am Morgen das Bett verlassen wollen? Wer die Lebensfreude ächtet, der ächtet das menschliche Leben, der schürt das Tote...
Solange den Wertlosen nicht erklärt wird, dass sie genauso wertvoll sind, wie die vermeintlichen Wertvollen dieser Gesellschaft - (die es qua ihrer Funktion oftmals nicht sind; siehe Ingenieure, die an der Entwicklung von Hybridsaatgut mitwirken und damit Landwirte abhängig machen, Lebensmittel qualitativ verschlechtern, die also objektiv betrachtet geradezu wertlose Arbeit im Sinne einer aufgeklärten und gerechten Gesellschaft leisten) -, solange ist das Solidarprinzip aufgehoben. Was ist daran solidarisch, ganzen Bevölkerungsgruppen indirekt die Lebensberechtigung anzuzweifeln?
Zwischen den Zeilen ist der Unwert immer herauszulesen, die Ton- und Stimmlage des Reporters läßt die Anzweiflung gegenüber der wertlosen Lebensberechtigung erahnen, die gefilmten Bilder die ins Wohnzimmer transportiert werden, bilden schamlos den Ekel gegen die Wertlosen ab. Dabei begrenzt man die Wertlosigkeit nicht auf den Marktwert eines Menschen, was an sich schon schlimm genug wäre - vielmehr ist die Wertlosigkeit der rote Faden des gesamten Lebensentwurfes, wird zur Konstanten erhoben. Der Wertlose ist nicht nur am Arbeitsmarkt wertlos, weil er dort keinen Fuß in die Türen von Personalbüros bekommt, sein ganzes Dasein, seine Kinder, die Unkosten die er der Gesellschaft auferlegt, manifestieren sein Atmen zur unnötigen Tätigkeit, der man keinerlei Wert beimessen sollte.
Da ist die finanzielle Not, in die man den Wertlosen geworfen hat. Jene Not, die einen qualitativ dürftig essen, alte Kleider auftragen läßt, die einen des sozialen Lebens fernhält, ausschließt und an zu zahlenden Rechnungen verzweifeln läßt. Und doch ist dies nur die Spitze des Eisberges. Denn wenn man täglich lesen muß, zwischendrin aus dem Radio vernimmt, aus einem nachbarschaftlichen Plausch heraushört, im Fernsehen beobachten muß, wie eine ganze Gesellschaft dabei ist, das Leben des Geplagten zur wertlosen Existenz zu erklären, dann ist die Resignation ein immer wieder erscheinender Weggefährte, einer der in immer kürzeren Abständen zu Besuch kommt. Das eigene Leben erscheint ohne Wert, weil es Außenstehende immer und immer wieder vorbeten - und wenn man dem eigenen Leben keinen neuen Wert einimpfen kann, indem man verwertet wird von der Wirtschaft, scheint es nicht mehr lebenswert.
Man zieht sich zurück, meidet Nachbarn und Freunde, meidet irgendwann sogar Fremde, fühlt sich verfolgt, erkannt, entblößt, glaubt einen markierenden Stern auf der Kleidung zu tragen, der jedem ersichtlich werden läßt, welch inkarnierter Wertlosigkeit man gerade gegenübersteht. In den Blicken der Anderen glaubt man Vorwürfe zu erkennen, Empfehlungen, die einen nahelegen wollen, sich endlich das Leben zu nehmen, um die Solidargemeinschaft - die ja dann nurmehr ein toter Begriff ist - zu entlasten. Jedes Wort der Doppeldeutigkeit wird negativ aufgefaßt. Man beißt die Zähne und Lippen zusammen, wenn man sich an seiner Wertlosigkeit gemessen fühlt, will dem vermeintlichen Peiniger die Freude nicht bereiten, vor seinem Angesichte zu weinen. Erst zuhause liegt man dann in nassen Kissen, sehnt sich nach einem wertvollen Leben, selbst wenn es offensichtliche Werte im eigenen Leben, fern der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, gäbe. Irgendwann schwindet das Weinen, das Gefühl der Traurigkeit und man resigniert, verbittert, sieht in sich selbst keinen Wert, ist sich kein Selbstzweck mehr. Selbsthaß keimt auf, das Abbild im Spiegel widert einen an - man erkennt in sich selbst jenen Feind, den auch alle anderen in der personifizierten Nutzlosigkeit erkennen.
Während sich hoffnungslose Optimisten damit brüsten, dass hierzulande (noch) ein intaktes Sozialsystem installiert ist, wird zeitgleich das Schüren eines Klimas geduldet, in dem Menschen sich ihres Selbstwertes beraubt fühlen. Selbst wenn Regelsätze, Renten, Arbeitslosengelder und dergleichen mehr erhöht würden, wäre dies nur ein kleiner Schritt, der dieses Land zurückbringt in die Bahnen eines aufgeklärten Sozialstaates. Denn neben der finanziellen Guillotine ist auch die moralische Garrotte ein Folterinstrument inhumanster Sorte - der finanzielle Engpaß läßt materielle Not entstehen, aber die indokrinierte Wertlosigkeit, dieses Spiel mit den Gefühlen eines Menschen, erzeugt Minderwertigkeitskomplexe und läßt erlahmen. Es ehrt Sozialverbände, die ihrer Aufgabe doch einmal gerecht werden, indem sie höhere Bezüge für die Ausgestossenen fordern, aber solange es nur dabei bleibt, solange das Klima innerhalb dieses Landes - dieser westlichen Gesellschaft generell - nicht kritisiert und aktiv bekämpft wird, bleibt die materielle Forderung nur ein Ästchen, welches man beschneidet, während der Baum der Unmenschlichkeit an allen anderen Stellen maßlos wächst und wuchert.
Packt man nicht die Dominanz des Kosten-Nutzen-Denkens am Schopfe, um es aus dieser Gesellschaft herauszuwerfen, so sind alle gutgemeinten Ratschläge nur Beiwerk, Erleicherung zwar für die Betroffenen, aber nicht Lösung der Problematik. Solidargemeinschaft, für denjenigen der diese Tradition noch ernstnehmen möchte, beinhaltet mehr als die monatliche Überweisung eines Geldbetrages. Sie muß sich auch darin manifestieren, Menschen nicht in psychische Not zu stürzen, sie nicht ihrer Lebensfreude zu berauben. Sprüche, die dreist erklären wollen, dass Arbeitslose keine Lebensfreude in ihrer Situation verspüren sollten, stehen daher dem Solidarprinzip entgegen. Denn wenn der Hilfebedürftige auch noch seine Lebensfreude verlieren soll, die Freude an seinem Privatsein, warum sollte er überhaupt noch am Morgen das Bett verlassen wollen? Wer die Lebensfreude ächtet, der ächtet das menschliche Leben, der schürt das Tote...
Solange den Wertlosen nicht erklärt wird, dass sie genauso wertvoll sind, wie die vermeintlichen Wertvollen dieser Gesellschaft - (die es qua ihrer Funktion oftmals nicht sind; siehe Ingenieure, die an der Entwicklung von Hybridsaatgut mitwirken und damit Landwirte abhängig machen, Lebensmittel qualitativ verschlechtern, die also objektiv betrachtet geradezu wertlose Arbeit im Sinne einer aufgeklärten und gerechten Gesellschaft leisten) -, solange ist das Solidarprinzip aufgehoben. Was ist daran solidarisch, ganzen Bevölkerungsgruppen indirekt die Lebensberechtigung anzuzweifeln?
12 Kommentare:
Du hast völlig recht, es ist in erster Linie eine Frage des Klimas, das durch Hetzsendungen zum Beispiel bei SAT1 und Hetzberichte von BILD, die größtenteils auch noch gefälscht sind, erzeugt wird. Ich habe dieser Tage darüber nachgedacht, wie man Faschismus fassen könnte. Dieser war ein Extrem menschlicher Kälte: das Töten anderer, das möglich wird, weil man im anderen sich selbst nicht erkennt. Noch werden die arbeitslos Gemachten nicht kazeterniert und auch nicht vergast, aber die Tendenz wird massiv geschürt, in den von Arbeit Ausgeschlossenen den anderen zu sehen, der mit dem eigenen Lebensrecht nicht mehr all zuviel gemeinsam hat. Die Tendenz in Richtung Faschismus ist für mich unübersehbar. Wie eine Gesellschaft, die sich als christliche begreift, ohne zu begreifen, was das ist, wie eine solche Gesellschaft dann auch noch christlich und islamistisch gegenüberstellen kann, ist mir schleierhaft, da eine Gesellschaft, in der soziale Kälte dominiert, mit dem Christentum so viel gemein hat wie einst Alcatraz mit Zartheit.
Das Kosten-Nutzen Denken, das Vergöttern des Habens und Besitzens nicht nur von materiellen Gütern, sondern auch von Menschen - ist der Virus, der nicht nur unseren Sozialstaat Schritt für Schritt abbaut und aushöhlt, sondern auch unsere Demokratie und letztendlich den Frieden kaputt machen.
Was viele Herren Politiker wohl vergessen haben, ist, dass die Einführung des deutschen Sozialsystems nach dem zweiten Weltkrieg, nicht nur dazu gedient hat, die vermeintlich "Wertlosen" und "Schwachen" ruhig zu stellen - sondern er entspringt einer tiefen Überzeugung, dass Demokratie nur in Verbindung mit soziale Umverteilung, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden einhergehen kann. All diese Dinge werden zurzeit Schritt für Schritt demontiert. Was dann passieren kann, haben wir 1933 gesehen.
Die wertvollen der Gesellschaft sind immer diejenigen die sich gut verkaufen können. Ein Bänker schafft keine Werte er verteilt nur = wichtig. Derjenige der die Werte schafft ist unwichtig. Es erinnert stark an den Feudalismus. Dort war es auch so das die Begründung für die Macht des Adels einfach damit abgetan wurde, dass dies schon immer so war. Eben das findet auch jetzt statt. Es wird nicht diskutiert, sondern zementiert. Wenn man den Menschen fleißig einflüstert, dass dieses System der Ausbeutung das Einzige ist was funktioniert wird sich nichts ändern. Ein erster Schritt dem endgegenzuwirken wären Volksabstimmungen und Strafen für Politiker die sich nicht an regeln halten (wie Herr Schily zum Beispiel). Welcher Chef lässt seinen Angestellten alles durchgehen? Ich kenne nur einen und das ist das deutsche Volk.
(Mal wieder) ein sehr gelungener Beitrag.
Ein paar kleine Anmerkungen meinerseits:
"Man zieht sich zurück, meidet Nachbarn und Freunde ..."
Meinen Erfahrungen nach ist dieses Meiden zumeist kein Akt den man bewusst begeht, denn dann Bestände zumindest die Möglichkeit sich dem zu widersetzen. Es ist vielmehr so das Freunde und Nachbarn zumeist der gleichen sozialen Schicht angehören. Aus dieser wird man durch die "Enteignung der Lebensleistung", denn nichts anderes stellt Hartz IV dar, ad hoc herausgerissen. Nun kann man nicht mehr am gleichen sozialen Leben (wenn man überhaupt an EINEM sozialen Leben teilhaben kann) wie die Freunde\Nachbarn teilhaben. Gemeinsamkeiten und Gesprächsstoff gehen verloren, eine "Entfremdung" zu den einstigen Freunden\Nachbarn stellt sich ein, die dann zumeist zwangläufig in die soziale Isolation führt mit all den Konsequenzen die Sie beschreiben.
"Solidargemeinschaft, für denjenigen der diese Tradition noch ernstnehmen möchte, beinhaltet mehr als die monatliche Überweisung eines Geldbetrages. ..."
Wie sie richtig herausarbeiten beinhaltet der Begriff SolidarGEMEINSCHAFT, wenn er ernst gemeint sein will, das jemand, der diese in Anspruch nimmt, weiterhin volles Teil dieser Gemeinschaft ist und all die Vorzüge dieser in Anspruch nehmen KANN. Da die BA zuletzt selbst einräumen musste dass Hartz IV Empfänger die Teilnahme am sozialen Leben, sprich an dieser Gemeinschaft, verwehrt ist haben wir es nun bereits amtlich das die "Solidargemeinschaft" aufgehoben bzw. der Begriff zum Etikettenschwindel mutiert ist.
Insgesamt bleibt festzuhalten das ihre Beobachtungen sich nahezu komplett mit meinen decken, wobei ich persönlich vermutlich schon einen (oder mehrere) Schritt(e) weiter denke als Sie:
Wenn sich die Denke, das man eine Gesellschaft in "wertvoll" und "wertlos" einteilen kann erst einmal manifestiert, ist es nicht mehr weit den "Wertlosen" als Feind dieser Gesellschaft anzusehen und sich als Opfer zu wähnen das sich zur Wehr setzen muss. Das der Mensch sich in dieser Situation im Recht wähnt JEGLICHES MITTEL anzuwenden sollte jemanden der die deutsche Geschichte kennt nicht unfremd sein. Und wer nicht so weit in die Vergangenheit reisen möchte muss sich nur einmal die Haftbedingunge eines bestimmten amerikanischen "Gefängnisses" auf Kuba vor Augen führen.
Mit freundlichen Gruss
Ein Leser
Ich hoffe allerdings, dass sich im Zuge der jetzigen Finanzkrise einige Bürger darüber klar werden, dass eben nicht die bösen Hartz IV Empfänger an der Misere schuld sind, sondern die Ursachen woanders zu suchen sind.
So langsam dürfte wohl auch der Dümmste endlich aufwachen. Hoffentlich solange von unserem Grundgesetz wenigstens noch ein bisschen was übrig ist, und bevor die EU-Verfassung in Kraft tritt, die vorsieht, dass man Soldaten aus der gesamten Euro-Zone zu Hilfe rufen kann, um im Inneren für "Ordnung" zu sorgen...
Krisen können, so schlimm sie seien mögen, auch Wendepunkte zum Besseren sein. Und die Finanzkrise könnte ein solcher sein, der die Sozialschwachen vorläufig jedenfalls aus der Schußlinie des Kampagnenjournalismus nimmt.
Eine andere Krise erlebt zur Zeit die CSU in Bayern. Frage mich nur, ob der Ingolstädter Horst Seehofer die CSU wieder mehr auf soziale Themen wird leiten können. Beliebt soll der zum Arbeitnehmerflügel der CSU gehörige Seehofer ja sein beim Volk und der Parteibasis und damit vielleicht weniger abgehoben als die bislang in der CSU tonangebenden Technokraten und Wirtschaftslobbyisten. Aber was heißt Volksnähe heutzutage schon?
@Markus
Du sagst es, aber es könnten auch mehr Belastungen auf die sozial Schwachen zukommen, bei dieser ratlosen Regierung, die immer noch dem neoliberalen Dogma des Sparens anhängt:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=3497#more-3497
...man könnte auch sagen Merkel ist auf Hitlers Kurs, der da einmal hieß im Film "Der Untergang" - ich zitiere: "Und nach uns die Sintflut", d.h. weiter so mit dem Wirtschaftsfaschismus des Neoliberalismus bis irgendwann....
Da sieht der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz die Sache realistischer als unsere Regierungsbonzen:
http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,7385283,00.html?dr=1
Er sieht den neoliberalen Marktfundamentalismus - den ich als chilenischen(?) Wirtschaftsfaschismus bezeichne - als ebenso gescheitert an, wie den ehemaligen autoritären Staatskommunismus sowjetischer Prägung.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
PS: "Chilenisch" deswegen weil dieses Unheilsystem dort zum ersten Mal in der blutrünstigen Diktatur des Faschisten - in Deutschland würde man Nazi sagen - Pinoquet in der Praxis getestet wurde - mit all den furchtbaren Folgen, die er nun weltweit zeitigt....
Der Artikel ist zwar schwer zu lesen, aber er war es Wert. "Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger, alles zu werden, strömt zuhauf!" so heißt es in der Internationalen. Die Kommunisten haben versucht, den Entrechteten eine Identität zu geben, aber die Nazis haben es umgesetzt, beim "Kleinen Mann" die Illusion zu erzeugen, er sei wichtig (und sei es als Kanonenfutter). Dies war nach der Weltwirtschaftskrise zur Zeit brüningscher Notverordnungen. Allerdings mit unheilvollem Ausgang. Was kommt jetzt, wenn die Weltwirtschaft in die Knie geht?
Danke für diese Zeilen. Sie drücken genau das aus, was ich als H-IV-Empfänger (55) empfinde, wie es mir geht und ergeht im persönlichen Umfeld. Es geht immer so weiter, und kein Licht am Horizont. Dazu meine (eigenen) Zeilen:
Mein Lebenslauf ist so zahlreich ausgedruckt und verteilt, kommt beinahe in der Menge fast schon an die Bibel heran.
Schon morgens um Sechs sitze ich geschniegelt und gebügelt am Schreibtisch,
in der Linken das Handy erwartungsvoll ans Ohr gepresst,
den Kugelschreiber rechterhand über das ordentlich linierte Blatt Papier haltend,
den Ersatzkugelschreiber ob seiner Funktion sorgenvoll mit Blicken bedenkend.
Mich könnte nach dieser ganzen Vorbereitung doch jemand wollen!
Und, ja, ich bin dafür bereit, sogar ständig, Tag und Nacht. Genau, wie ich das schon bei den Jungen Pionieren gelernt und nicht vergesssen habe.
Über mein modisches Outfit hier wäre selbst ein Minister vor Neid erblasst.
...
Um Sechs habe ich solche Hoffnung, vibriere sogar in der Erwartung des mich rettenden Anrufs.
Ich bin mir ganz sicher: Ja, jetzt gleich, die nächste Minute, wird es endlich soweit sein.
...
Gegen Mittag, schon etwas müde und matt, überfliege ich ein x-tes Mal die Stellenanzeigen im Netz.
Moment, da habe ich mich doch schon dreimal drauf beworben und persönlich vorgesprochen.
Nun, da ist bestimmt was durcheinander geraten.
16:00 Uhr. Oh, ich war ja noch garnicht am Briefkasten - wie konnte ich nur.
Da! Ein Brief! Endlich!
...
Erwartungsvoll öffne ich das Couvert, aufgeregt zitternd. Das wird es nun sein!
'Ihre BKK: Wir möchten Ihnen Vorschläge zu Ihrer Sterbeversicherung unterbreiten...'
Danke, danke Leute, jetzt weiß ich Bescheid !!!
ciao Manfred
Hier ein trauriger Hinweis auf ein hochaktuelles Opfer der, von dir als "moralische Garotte" bezeichneten Hetze gegen Arbeitslose ist:
http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/velbert/2008/9/23/news-78747357/detail.html
Wieder einmal hat ein Arbeitsloser (64 Jahre alt) den Freitod gewählt....dank der Dauerhetze gegen Arbeitslose...wie sein Abschiedsbrief, den die Angehörigen veröffentlichen liesen, belegt.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Hallo Roberto!
deine Ausführungen habebn mich zu Tode gerührt. Es ist ja alles richtig was du sagst. Aber was bringt es sich dauernd "onanistisch" zu beweireuchern. Wie wäre es mal mit dem Aufruf zu konstruktivem Widerstand! Daran sind die 68er und die Grünen geseitert, daran wird auch Die Linke scheitern. Seid Ihr nicht in der Lage endlich mal den Rubikon zu überschreiten? Wir müssen - ob es uns passt oder nicht - die Systemfrage stellen! Der Alte läßt grüßen.
Zum Thema "Systemfrage stellen": ja. Aber: "sapere aude"!
Was ist das für ein (Werte-)System, das Mitmenschen "entwertet" bzw. zu sog. "Wertlosen" macht? Aus humanistischer Sicht: ein abzulehnendes.
Nicht die sog. "Wertlosen" sind das Problem, sondern die, die sie als solche (ab)qualifizieren.
"Niemand ist unnütz - er kann immer noch ein schlechtes Beispiel sein." So ähnlich lautete ein Sponti-Spruch der 1980er. In diesem Sinne sind die schlechten Beispiele derzeit - und im Grunde bereits seit Anfang der 1980er - die Vorbilder in der westlichen Kultur. Und seit den 1990ern vor allem die Markt-Fundamentalisten. Statt einem demokratischen Diskurs wollen sie "dem Markt" wichtige Entscheidungen überlassen.
Alle Mitglieder der Gesellscahft müssen die Möglichkeit bekommen, ihre Fähigkeiten zur Steigerung des Allgemeinwohl einzusetzen bzw. zu verwerten. "Der Markt" ist dafür ungeeignet. Im Grunde ist "der Markt" eine infantile Illusion. Btw.: was höre ich gerade in den Nachrichten? "... der [...]-Markt stürzt ab ...", "... der [...]-Markt trotzt ..." Grotesk! Das Konzept vom Markt setzt verwertbares voraus. Wer nichts wertvolles hat muss sich selbst als etwas verwertbares auf den Markt bringen? Wo bleibt da die Menschenwürde?
Ich meine: wer fordert, dass sich Besitzlose zur Verwertung auf den Markt bringen sollen, ignoriert den Art. 1 des GG und hat damit den Boden der FDGO verlassen. Aber wen interessiert schon, was im GG steht?. Bei Bedarf wird das eben geändert. Oder mit Hilfe der EU obsolet?
Es sollte einen - europaweiten - demokratischen Diskurs über die Werte geben, die uns wichtig sind bzw. die wir (er)leben wollen.
"Wertlose Lebewesen" - ein Widerspruch in sich. Denn: was könnte wertvoller sein als das (eigene) Leben?
D. Mokrat
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