Sit venia verbo

Sonntag, 26. Oktober 2008

"Sogar Experten mit großem Fachwissen beschreiben Nordkorea gern als "Land jenseits der Spiegel", wie eine Szene aus "Alice im Wunderland" oder eine "Kreuzung" zwischen Lewis Carroll und George Orwell. Diese Art der Analyse nährt die Auffassung, Nordkorea sei der böse Gegenspieler und es handele sich bei ihm um eine Art "orientalische" Tyrannei.
Natürlich hat Nordkorea ein paar Besonderheiten, wie jedes andere Land auch. Aber viele Dinge, die als besonders ungewöhnlich gelten, verlieren einen großen Teil ihrer Eigenheit, wenn man sie in drei sich überschneidenden Kontexten betrachtet: der koreanischen Geschichte, den kommunistischen Systemen und der ostasiatischen Gesellschaft. Nehmen wir zum Beispiel die Juche-Zeitrechnung, die mit der Geburt Kim Il Sungs beginnt. Sie ist nicht ungewöhnlicher als die Zeitrechnung nach den Regierungsdevisen der Tenno, die in Japan auch heute noch Verwendung findet. Kim Il Sungs Mausoleum lässt sich mit Lenins Grab vergleichen und sollte im Rahmen desselben Konfuzianismus betrachtet werden, der dem Bau der Gedächtnisstätte für den Antikommunisten Chiang Kai-Shek in Taipeh zu Grunde liegt. Die riesigen Museen für die Geschenke, die Kim Il Sung und Kim Jong Il gemacht wurden, werden vor dem Hintergrund vieler hundert Jahre obligatorischer Tributzahlungen Koreas an den chinesischen Kaiser verständlich: Wer wahrhaft unabhängig ist, dem wird Tribut gezollt, sagen die Nordkoreaner. Eine staatlich gelenkte Wirtschaftsentwicklung, wie sie nach dem Koreakrieg so erfolgreich war, ist nicht nur sinnvoll, was die kommunistische Strategie des Aufbaus einer Schwerindustrie angeht, sondern auch angesichts der staatlich gelenkten Wirtschaftsentwicklung in Japan, deren Beispiel auch Südkorea folgte."
- John Feffer, "Nordkorea und die USA" -

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP