Wer ist wer?
Sonntag, 5. Oktober 2008
Nun soll es auch den Kranken an den Kragen gehen, nicht denjenigen Kranken, deren ganze Krankheit aus Faulheit und fehlender Motivation besteht - die hat man ja schon vor einigen Wochen durch das Land gejagt! Nein, nun soll es solche Kranke betreffen, denen laut SGB II ein Mehrbedarf zusteht, weil sie aus "medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung" benötigen. Bis dato betraf das unter anderem Diabetiker und Menschen mit erhöhten Fettwerten. Dieser Mehrbedarf könnte nun wegfallen, bzw. wird von offizieller Seite angezweifelt. Wenn es doch nur von offizieller Seite wäre! Denn wer die Kürzung quasi einfordert sollte eigentlich auf der Seite derer stehen, die Hilfe benötigen, die innerhalb dieser Gesellschaft schwach sind - es ist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, die Dachorganisation der Wohlfahrtsverbände, die diesen Schritt zur Kürzung empfiehlt.
Begründet wird diese Empfehlung dadurch, dass bei Diabetes und anderen Volkskrankheiten, nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, keine Diät mehr erforderlich sei. Ausreichend sei demnach eine gesunde Ernährung. Nun soll an dieser Stelle aber nicht darüber gestritten werden, ob ein Diabetiker nicht doch einen Mehraufwand aufbringen muß, wenn er sich zuckerfreie Lebensmittel leisten möchte, die freilich teuerer sind. Und auch die medizinische Analyse der Empfehlung soll hier nicht diskutiert werden - vielmehr soll an dieser Stelle erneut die Frage gestellt werden, wie weit die Gleichschaltung schon vollzogen ist? Denn wenn eine Organisation, die eigentlich für die Schwachen dieser Gesellschaft einstehen soll, nun diesen Schwachen auch noch die Feindschaft ins eigene Haus trägt, dann kann doch nicht mehr von Interessensvertretung gesprochen werden. Dann ist selbst eine Wohlfahrtsorganisation nicht mehr als einer der zahlreichen Büttel der Wirtschaftsinteressen, ohne Rücksicht gegenüber der eigentlichen Klientel.
Die Frage lautet also (wieder einmal), ob wir es mit Schwein oder Mensch zu tun haben?
Wenn die Menschen keinen Unterschied mehr zwischen den verschiedenen Interessensverbänden erkennen, weil deren namentlichen Vorstreiter Ähnliches predigen, wie diejenigen, die diametral entgegengesetzte Interessen vertreten, dann vollzieht sich eine Gleichschaltung, ein Hand-in-Hand-gehen verschiedenster Organisationen, zugunsten eines gemeinsamen Zieles, das sich hierzulande in entfesselten Profit und "Vorfahrt für Wachstum" niederschlägt. Alles was an sonstigen Interessen herrscht, sei es Mitmenschlichkeit, Verantwortungsgefühl und/oder Gemeinschaftlichkeit, hat unter diesen "Urzielen" keinerlei Rechte mehr. Erst Profit, erst die vermeintliche wirtschaftliche Vernunft, erst Funktionalität, dann der Mensch - das ist die immer wieder durchschlagene Parole des Zeitgeistes. Du bist nichts, das Ziel ist alles!
Und wenn sie dann beieinandersitzen, hier die Gewerkschafter, dort die Arbeitgeber; oder hier die Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, dort diejenigen, die in der Wohlfahrt den Untergang des guten Geschmackes sehen; oder hier die Delegierten einer Ärztevereinigung, dort die Vertreter des Totsparens, die Krankenkassen also - wenn sie zusammensitzen und Kompromisse suchen, wenn sie sich dabei auf die Schultern klopfen und ihr dortiges Tun eigentlich nur als Beschäftigung sehen, die in ihr Privatleben nicht hineinreicht, wenn also zwischen den Kontrahenten eine Verbrüderung im Geiste stattfindet - wenn sie nicht sogar schon vor Jahren stattfand -, dann ist es für solche, die von Außen zuschauen, unmöglich zu erkennen, wer nun also Schwein und wer Mensch sei.
Bei Orwell verwandelten sich die Schweine zu Menschen, waren dann nicht mehr vom menschlichen Antlitz zu unterscheiden, weil sie durch Kleidung und Verhalten vermenschlicht wurden. Blickt man aber heute auf jene, die eigentlich die Interessen der Schwachen vertreten sollten, um sie dann feige hinterrücks zu erdolchen, so hat man das Gefühl, dass nicht beide Parteien menschlich geworden sind, sondern dass sich beide benehmen wie Schweine.
Begründet wird diese Empfehlung dadurch, dass bei Diabetes und anderen Volkskrankheiten, nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, keine Diät mehr erforderlich sei. Ausreichend sei demnach eine gesunde Ernährung. Nun soll an dieser Stelle aber nicht darüber gestritten werden, ob ein Diabetiker nicht doch einen Mehraufwand aufbringen muß, wenn er sich zuckerfreie Lebensmittel leisten möchte, die freilich teuerer sind. Und auch die medizinische Analyse der Empfehlung soll hier nicht diskutiert werden - vielmehr soll an dieser Stelle erneut die Frage gestellt werden, wie weit die Gleichschaltung schon vollzogen ist? Denn wenn eine Organisation, die eigentlich für die Schwachen dieser Gesellschaft einstehen soll, nun diesen Schwachen auch noch die Feindschaft ins eigene Haus trägt, dann kann doch nicht mehr von Interessensvertretung gesprochen werden. Dann ist selbst eine Wohlfahrtsorganisation nicht mehr als einer der zahlreichen Büttel der Wirtschaftsinteressen, ohne Rücksicht gegenüber der eigentlichen Klientel.
Die Frage lautet also (wieder einmal), ob wir es mit Schwein oder Mensch zu tun haben?
Wenn die Menschen keinen Unterschied mehr zwischen den verschiedenen Interessensverbänden erkennen, weil deren namentlichen Vorstreiter Ähnliches predigen, wie diejenigen, die diametral entgegengesetzte Interessen vertreten, dann vollzieht sich eine Gleichschaltung, ein Hand-in-Hand-gehen verschiedenster Organisationen, zugunsten eines gemeinsamen Zieles, das sich hierzulande in entfesselten Profit und "Vorfahrt für Wachstum" niederschlägt. Alles was an sonstigen Interessen herrscht, sei es Mitmenschlichkeit, Verantwortungsgefühl und/oder Gemeinschaftlichkeit, hat unter diesen "Urzielen" keinerlei Rechte mehr. Erst Profit, erst die vermeintliche wirtschaftliche Vernunft, erst Funktionalität, dann der Mensch - das ist die immer wieder durchschlagene Parole des Zeitgeistes. Du bist nichts, das Ziel ist alles!
Und wenn sie dann beieinandersitzen, hier die Gewerkschafter, dort die Arbeitgeber; oder hier die Mitglieder der Wohlfahrtsverbände, dort diejenigen, die in der Wohlfahrt den Untergang des guten Geschmackes sehen; oder hier die Delegierten einer Ärztevereinigung, dort die Vertreter des Totsparens, die Krankenkassen also - wenn sie zusammensitzen und Kompromisse suchen, wenn sie sich dabei auf die Schultern klopfen und ihr dortiges Tun eigentlich nur als Beschäftigung sehen, die in ihr Privatleben nicht hineinreicht, wenn also zwischen den Kontrahenten eine Verbrüderung im Geiste stattfindet - wenn sie nicht sogar schon vor Jahren stattfand -, dann ist es für solche, die von Außen zuschauen, unmöglich zu erkennen, wer nun also Schwein und wer Mensch sei.
Bei Orwell verwandelten sich die Schweine zu Menschen, waren dann nicht mehr vom menschlichen Antlitz zu unterscheiden, weil sie durch Kleidung und Verhalten vermenschlicht wurden. Blickt man aber heute auf jene, die eigentlich die Interessen der Schwachen vertreten sollten, um sie dann feige hinterrücks zu erdolchen, so hat man das Gefühl, dass nicht beide Parteien menschlich geworden sind, sondern dass sich beide benehmen wie Schweine.
5 Kommentare:
Man faßt es nicht. Jetzt ist diese Nachricht auch in den diversen Medien präsent, die mal wieder unkommentiert nachplappern. Allein die Formulierung, man müsse sich nur gesund ernähren, ist bereits Verhöhnung, weil der Hartz-IV-Satz für eine ausgewogene Ernährung mit Obst und Gemüse nicht ausreicht.Hinzu kommen die Praxis- und Rezeptgebühren und unter Umständen sogar der volle Betrag für rezeptfreie Medikamente, die dringend nötig sind.
Hallo,
lese ihren Blog bereits seit einiger Zeit und wollte Ihnen auf diese Weise mal ein generelles Lob dazu aussprechen. Ich hoffe auch in Zukunft noch viele weitere anregende Beiträge von Ihnen lesen zu dürfen.
Zu diesem Beitrag:
Auch ich nehme besorgt zu Kenntniss das es Parteien und Interessensverbände immer mehr zu einer Politik hinzieht die sich diametral zu DEN Menschen befindet als deren Vertretung man sich immer wieder ausgibt. "Interessant" ist dabei das es sich hierbei ausschliess um "InteressensverTRETER" handelt die (angeblich) das Wohl sozial Schwacher im Auge haben. Da sich eben jene Vertreter ihre "Schizophrenie" zumeist fürstlich entlohnen lassen, trifft es der Orwellsche Vergleich leider absolut.
Ein Leser
Hallo lieber Leser,
in Zeiten wie diesen, in der man sich als Oppositioneller am Zeitgeist abplagt, neigt man oft dazu, seine eigenen Sichtweisen zu hinterfragen. Sieht man alles richtig? Warum sieht es die Masse nicht ebenso? Wenn die Mehrheit einer andere Linie folgt, ist dann der Pluralismus nicht Ausdruck der Vernunft? Anders: Irre ich, während der Zeitgeist richtig liegt?
Mit solchen Fragen hat man zu kämpfen. Mal resigniert man, mal baut es einen auf. Was aber immer aufbaut, was mir immer wieder Mut zuspricht, dass sind jene Leser, die auch mal loben und einem beistehen. Da mich Ihr Lob wieder einmal in einen meiner Verzweiflungsanfälle erreicht hat, bin ich Ihnen dafür doppelt dankbar.
Die deutsche Sprache erlaubt keine Zweifel: Wir sprechen, wie Sie richtig sagen, von VerTRETERN. Wieder entblößt die Sprache, was ein Begriff eigentlich ausdrücken will. Vom Volksvertreter zum Volkszertreter ist es nicht nur sprachlich ein kleiner Schritt.
"[...]Anders: Irre ich, während der Zeitgeist richtig liegt?"
Nein, lieber Roberto J. De Lapuente sie irren sich nicht, und irre sind sie auch nicht. Ist eine beliebte Ausrede KritikerInnen, wie Sie und andere, mit der Psychologisierung in eine gewisse Ecke (="irre") stellen zu wollen.
Ich denke wie Sie, und hoffe, dass ihr Blog weiterbesteht, da auch sie - wie die Nachdenkseiten - zu einem wichtigen Teil der Gegenöffentlichkeit gegen den neoliberal-konservativen Medienmainstream in Deutschland gehören.
Übrigens, wenn hier jemand "irre" ist, dann sind es meist diejenigen die KritikerInnen mit dem Argument mundtot machen wollen, d.h. die Neoliberalen übertragen die eigene Verrücktheit auf ihre KritikerInnen.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
PS: Ist übrigens schon vor 40 Jahren eine beliebte Taktik gewesen, die KritikerInnen am damaligen Staat mittels dem Argument - "du bist ja irre du Langhaariger" - mundtot zu machen...hat nichts gefruchtet, aber die Taktik selbst ist wohl ein zeitloser Wiedergänger...
Schöner Beitrag bis auf den letzten Satz - der Vergleich zwischen Menschen und Schweinen ist eine Beleidigung für jedes Schwein.
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