Unterhaltungspogrom: Nachtrag

Samstag, 6. September 2008

Als ich meine Gedanken schweifen ließ, mir erdacht habe, dass bei Jauchs oberflächlichen RTL-Bildungsfernsehen Fragen über den Parasitismus von Kuckuck und Arbeitslosen gestellt, Prominente statt in den Dschungel, in ein Jobcenter gesteckt werden könnten, da spielte ich kurz mit dem Gedanken, ein übertriebenes Bild vor meinem geistigen Auge zu malen - besser gesagt, ich tat es auch, gab mich einen Moment diesem Bild hin. Eines jener Bilder, wie es in der Realität kaum hätte stattfinden können, weil der letzte Rest Verstand, der dieser Gesellschaft immanent ist, es schlicht und ergreifend nicht zuließe. So unterließ ich es, weil ich nicht naiv-utopisch sein wollte, nicht zu verträumt, nicht unrealistisch eben.

Ich habe dies Bild verworfen, zunächst aus meinen Gedanken verbannt, weil ich an dem, was medial über den gemeinen Arbeitslosen, diesem faulen Gesellen, gesagt wird, genug zu kauen habe - mich an die Grenze des Zumutbaren heranärgere. Welches Bild mich erfüllte, wovor ich zurückschrak? Mir schwebte vor, wie eine Tageszeitung, deren Namen ich in den letzten Tagen zu oft lesen und schreiben mußte, dazu übergeht, aus dem arbeitslosen Mitmenschen einen Terroristen zu entwerfen. Jemanden, der seine mickrigen Groschen dazu aufwendet, eine Bombe zu bauen oder dergleichen Terroristenspielzeug mehr. Dabei brütete ich darüber, wie man wohl die Schlagzeile gestalten, ob man wohl von Sozialmißbrauch sprechen würde. Aber nein, ich wagte nicht, dieses Bild niederzuschreiben. Nicht, weil ich es für unmoralisch hielte, denn Unmoral zeichnet das Geschäft dieser Zeitung aus, sondern eher, weil ich es für unmöglich, für derart plump hielt, dass es nicht hätte glaubhaft wirken können. Wenn Satire zu offensichtlich wird, wenn sie die Tür ins Haus hineinschleudert, dann wird sie weder augenöffnend noch aufklärend, sondern im besten Falle "nur" peinlich.

Hätte ich doch diese Peinlichkeit nur beschritten, so hätte ich gewonnen, hätte den Ruf des mutigen Visionärs als meinen Gewinn entgegennehmen dürfen! Denn, wer sonst als die BILD-Zeitung, titelt heute: "Bomben-Pläne mit Hartz IV finanziert!" Ein sogenannter "Saar-Terrorist" - nicht Lafontaine, obwohl es nicht wundern dürfte, wenn man ihn auch noch ins Umfeld des Terroristen hineinschriebe - hat demnach 650 Euro pro Monat für Attentate beigesteuert. Was fraglich bleibt ist: Verurteilt BILD den Bombenbau, die Attentate, das terroristische Treiben also? Oder doch eher den Sozialmißbrauch? Was wiegt schwerer? Fast ist man angehalten zu glauben, dass ein ehrlicher Terrorist mit Lob überhäuft würde, vielleicht eine Art Auszeichnung erhalten müßte, weil er den Bombenbau aus Privatgeldern finanzierte. Aber ein alimentierter Terrorist? Das geht nun wirklich nicht!

Freilich, diese Art von Manipulation ist derart dreist, dass man nicht annehmen kann, viele Menschen damit zu verdummen. Doch darum geht es der BILD-Zeitung auch nicht. Sie will damit sicherlich nicht zum Ausdruck bringen, dass ein Großteil aller Hartz IV-Empfänger terroristisch begabt sei - auch wenn man den Terror von Seiten der herrschenden Klassen, mit dem diese Menschen konfrontiert werden, vermutlich gelegentlich gerne mit Gegenterror beantworten würde. Hier wird nach einem anderen Prinzip gehandelt: Semper aliquid haeret - etwas bleibt immer hängen! Deshalb gilt es für die Erzeuger von Volkszorn, kühn zu verleumden, rücksichtslos Konnotationen zu schaffen, die dann dazu führen, den Leser unbewußt Begriffe wie "Arbeitsloser" oder "Hartz IV" mit "Terrorismus" oder "Bombenbau" zusammenzubringen und zu verquicken. Natürlich glaubt niemand ernsthaft, zumindest nicht bewußt, dass "Hartz IV" und "Terror" ein unlösbares Duo seien, aber der Ruch des Widerlichen, des Gefährlichen, des Unanständigen haftet dann beiden Positionen an. Hauptsache ist also: Es bleibt etwas hängen...

2 Kommentare:

Anonym 7. September 2008 um 12:22  

Danke für den Beitrag, aber ich empfehle dringendst sich einmal mir der Ausgrenzungsgeschichte von Arbeitlosen in Deutschland seit der Weimarer Republik zu beschäftigen - damals gab es den "Schwarzen Winkel" für KZ-Insassen die "kriminell" und "asozial" waren - schon zu Brünings Zeiten. Unter Hitler landeten die Betroffenen in KZs. Mehr darüber erfährt der/die Interessierte in folgendem Buch eines Sozialwissenschaftlers "Asoziale" im Nationalsozialismus von Wolfgang Ayaß. Ich las dieses Buch vor längerer Zeit, Herr De Lapuente, und hielt es auch für längst überholt, und historisch, aber die Springer-Presse, und im Verein die Bertelsmann-Clique, belehrt mich eines besseren. Das es zu Arbeitslosen-KZs kommt glaube ich nicht, dafür gibt es heute andere Methoden der Ausgrenzung, aber es ist schon unheimlich wie uralte Rezepte aus der Weimarer Spätzeit/dem Anfang des Hitler-Regimes neuerdings als "Reformen" für HartzIV-Empfänger empfohlen werden - da bekommt der Begriff "HartzIV-Verbrecher" eine ganz neue Bedeutung. Übrigens, Dr. Peter Hartz ist vorbestraft, d.h. sollte man allein aus diesem Grund diese menschenverachenden Gesetze nicht abschaffen? Ich denke, dass unter Steinmeier-SPD da nix mehr läuft, die sind so weit rechts abgedriftet, dass in einem anderen Blog sogar Merkel als links eingestuft wird...ich bin eigentlich nur noch wütend und sehe in der Linkspartei, so lange die noch in der Opposition nicht neoliberal ist, eine echte Alternative zu den anderen marktradikalen Parteien....

Anonym 7. September 2008 um 12:31  

Noch was, die mit dem "Schwarzen Winkel" waren sogar im KZ Außenseiter, d.h. mit "Asozialen" (meist Obdachlose, Bettler und Langzeitarbeitslose - schon damals so bezeichnet) wollte nicht einmal ein Mithäftling was zu tun haben - auch im KZ damals schon ein "teile und herrsche" in Deutschland. Alles nachzulesen in dem von mir beschriebenen Buch mit dem Titel ""Asoziale" im Nationalsozialismus".

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