In nuce

Freitag, 19. September 2008

Erst eine Finanzkrise stoppte das seit Jahren verkündete Märchen, wonach der Rente durch Kapitaldeckung die Zukunft gehöre und das Umlageverfahren ein Relikt vergangener Tage - manche meinte gar: aus den Tagen Bismarcks! - sei. Plötzlich geben einschlägige Vertreter der Massenmedien zu, dass ausgerechnet jene Renten sicher sind, die per Umlageverfahren ausgezahlt werden. Man darf nun freilich nicht hoffen, dass die BILD-Zeitung und heute.de zugeben werden, einst selbst - manchmal unterschwellig, nicht selten aber ganz ohne Maske - einen Irrtum zum Dogma erhoben zu haben. So weit geht die Einsicht dann doch nicht; vielmehr ist es nun so, dass die großen Verdummer vergangener Jahre so tun, als wäre nichts gewesen. Und besonders dreiste Vertreter der Massenmedien werden ein "Wir-haben-es-doch-immer-gesagt"-Verhalten an den Tag legen. Obwohl die kurz aufflackernde Einsicht erfreulich ist, ernüchtert sie dennoch sehr. Denn wenn Medien lautlos dazu übergehen, das Gegenteil dessen zu berichten, was sie Jahr für Jahr als geradezu sozialromantischen Kitsch verklärt haben, dann darf man getrost an der Aufrichtigkeit der Einsicht zweifeln. Man fühlt sich an das "Ministerium für Wahrheit" erinnert, wie es uns in Orwells Dystopie begegnet, und man fragt sich unwillkürlich, wo denn die zu öffnende Klappe ist, die in die Tiefen eines gigantischen Feuers hinabführt, in welche man die Wahrheiten von heute einwerfen und damit verbrennen kann, damit sie morgen für immer von der Bildfläche getilgt sind - so getilgt und vergessen wie die neue Einsicht, daß man mit dem Umlageverfahren sicherer fährt. Denn die Einsicht von heute ist der Irrtum von gestern...

Es gibt Menschen, die können tun, was sie wollen, sie machen es doch nie jemanden recht. So auch Andrea Ypsilanti, die machen und verkünden kann, was sie will - Anerkennung findet sie kaum. Nun hat man sie ja kürzlich mittels eines Imitators telefonisch verkohlt. Der Radiosender ffn ließ einen "Müntefering" bei der Landesvorsitzenden der Hessen-SPD anrufen. Zunächst hieß es, Ypsilanti hätte das sieben Minuten lange Gespräch, bei dem sie nicht erahnte, mit einem Schwindler verbunden zu sein, mit Humor aufgenommen; man hätte sich aber dahingehend geeinigt, das Gespräch nicht an die Öffentlichkeit weiterzureichen. Kurz darauf erschien aber dennoch ein kurzer Mitschnitt bei YouTube. Dort ist zu hören, wie der falsche Müntefering Ypsilanti Posten und Pöstchen in Berlin anbietet, sie aber sofort, ohne darüber auch nur nachdenken zu müssen, ablehnt. Nun ist es so, dass man Politikern gerne nachsagt, sie seien machtbesessen - das mag in den meisten Fällen wahrscheinlich auch auf die eine oder andere Weise zutreffen. Aber jetzt zeigt die hessische SPD-Vorsitzende, dass sie eben nicht auf Macht aus ist - zumindest nicht um jeden Preis -, sondern einen Wählerauftrag in Hessen zu erfüllen hat und prompt muß sie sich mit Schelte seitens der Massenmedien auseinandersetzen. Die BILD stichelt seit Tagen unheilschwanger und mit ominöser Fragerei, warum denn die SPD wohl dieses Gespräch verheimlichen wollte - nebenbei bemerkt ist der Axel-Springer-Verlag Anteilseigner des besagten Radiosenders.
Was hätten die Medien getan, wenn Ypsilanti einen möglichen Posten in Berlin, und sei dieser auch nur ein Hirngespinst des Imitators gewesen, angenommen hätte? Sie hat es aber eben nicht getan und muß sich dafür kritisieren lassen. Aus Verantwortungsgefühl ist sie nicht in Hessen geblieben, da ist man sich einig - warum dann, bleibt aber fraglich. Vielleicht würde sie an der Spree Grüne Soße und Spundekäs vermissen. Ja, womöglich könnten sich die üblichen verdächtigen Medien mit dieser Form kulinarischen Egoismus' anfreunden, um Frau Ypsilanti als egomanische Person zu stilisieren, die Berlin nur fernbleibt, um sich im Hessischen zu völlen. Denn jemand wie Ypsilanti hat kein Gewissen...

Kürzlich habe ich ein Profil erstellt, welches dem Betrachter erleichtern sollte, seinen Gegenüber zu erkennen. Darin wurde vom Begrüßungsritual der Asozialen berichtet. Komischerweise, so habe ich mich schon lange gefragt, haben die fotografierten Schwerenöter in der BILD-Zeitung, immer den Hang dazu, besonders böse und gehässig dreinzublicken oder mittels Stinkefinger aufzufallen.
Nun hat man die angebliche Sozialschmarotzerin (hier rechts im Bild) zur Rechenschaft gezogen. Vor einigen Tagen gab man sich noch ein wenig spießbürgerlich entrüstet, weil sie "hier pöbelt". Und nun betrachte man die beiden Bilder, die hier rechts abgebildet sind. Zwei verschiedene Bilder: Die Dame scheint identisch zu sein, die Aufnahmen sind es aber nicht! Das wirft freilich die Frage auf, ob die angebliche Schmarotzerin wirklich pöbelte. Oder hat man einfach von dieser Frau verlangt, sie möge sich ein paarmal mit Stinkefinger ablichten lassen? Und wenn wir dann schon dabei sind, denn wer einmal lügt und so weiter: Womöglich ist die unverantwortliche Person, die 15 Untermieter bei sich wohnen ließ - die genaue Geschichte hat man nie so richtig begriffen -, überhaupt nicht diejenige, für die sie ausgegeben wird. Am Ende ist sie BILD-Mitarbeiterin. Immerhin: Sie hat ja mit der BILD gearbeitet, als diese von ihr verlangte, sich einigemale stinkefingerzeigend fotografieren zu lassen.
Spekulation - freilich, beweisen kann man letzteren Tatbestand nicht. Aber dass die Stinkefingerei keine spontane Pöbelaktion einer spontan mit Journalisten konfrontierten Person war, sondern eine gestellte und wohl geplante Situation, ein Fototermin also, wird an den beiden Bildern überdeutlich und bestätigt einmal mehr die dreiste Masche, mit der Springer gegen die Ärmsten dieser Gesellschaft aufgewiegelt hat.

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP