Nomen non est omen

Mittwoch, 10. September 2008

Heute: "Humankapital"
„Unser Club will ein Stück dazu beitragen, die Unternehmen der Zukunft als Humankapitalgesellschaften zu führen.“
- Aussage des Human-Capital-Club e.V. -
„Wir wehren uns dagegen, Humankapital als Unwort des Jahres zu verunglimpfen. Diese Wahl zeigt nur das Unverständnis der Jury für wirtschaftliche Zusammenhänge in unserer Gesellschaft.“
- Tim Stuchtey, wissenschaftspolitischer Sprecher der FDP Berlin, am 18. Januar 2005 -

"Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die Talente jedes Menschen fördern und sich entfalten lassen. Bisher geschieht das längst nicht im möglichen Umfang, und das stellt eine unentschuldbare Ungerechtigkeit gegenüber den Betroffenen und eine Vergeudung von Humanvermögen dar."
- Bundespräsident Horst Köhler, bei der Eröffnungsrede des "Forum Demographischer Wandel des Bundespräsidenten", am 29. November 2007 -
Der Begriff wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Unwort des Jahres 2004 gewählt. Begründet wurde die Auszeichnung damit, dass der Begriff den Menschen auf eine Ware und eine rein ökonomische Größe reduziere und damit menschenverachtend sei. Normen und Werte, persönliche Lebensentwürfe sowie Erfahrungen eines Menschen spielen bei der Definition des Schlagwortes nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig sei demnach vor allem, die Verwertbarkeit des Menschen, seines Wissens und seiner Fähigkeiten, für Unternehmen und Wirtschaft. Trotz der berechtigten Kritik hat der Begriff mittlerweile Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Unternehmen und Wirtschaftswissenschaftler sprechen von Humankapital und von human ressources. Sozialwissenschaftler von der sogenannten Humankapitaltheorie und erweitern das ökonomische Kapital eines Menschen, nach Pierre Bourdieu, um das soziale, symbolische und kulturelle Kapital. Allen gemein ist die Vorstellung, der Wert und die Nutzbarkeit eines Menschen solle gemessen und verfügbar gemacht werden. Der Mensch wird hierbei als Ware, Rohstoff oder Produktionsfaktor und eben nicht als ein selbstbestimmtes Lebewesen definiert. Auch wenn immer wieder öffentlich phrasiert wird, dass die Wirtschaft für die Menschen da sei und nicht umgekehrt, so offenbart die Benutzung des Schlagwortes das glatte Gegenteil: die oftmals unwürdige Verwertung des Menschen im kapitalistischen Produktionsprozess. Humankapital, Sozialkapital, Bildungskapital – die zunehmende Ökonomisierung der Sprache spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen nicht nur wider, sie konstruiert sie zugleich.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

2 Kommentare:

Anonym 11. September 2008 um 04:49  

Das ist doch gerade das Prinzip des Kapitalismus: Der Proletarier hat keine eigenen Produktionsmittel und kann nur seine Arbeitskraft verkaufen. Die Arbeitskraft produziert mehr als sie an Lohn kostet. Deshalb macht der Kapitalist Gewinn. So funzt Kapitalismus. Sacht Marx.
Die Arbeitskraft ist eigentümlicherweise nicht vom lebendigen Menschen zu trennen. Im Tausch gegen Lohn
wird sie als Sache betrachtet.
Daß die Kapitalisten jetzt auch noch den Anschein erwecken, als wäre die Arbeitskraft der Beschäftigten Kapital (das mehr Profit bringt, wenn qualifiziert) eröffnet eine neue Runde an Unverschämtheiten. Die Qualifizierung soll Privatsache werden. Die Arbeiter sollen darüber in Konkurrenz zueinander treten. Das ist das eigentlich neue daran.

Anonym 19. September 2008 um 08:56  

Passend dazu Stichwort: Wissensgesellschaft
Seine von mir beoachtete Verwendung im Journalismus zusammen mit dem lebenslangen Lernen weist auf einen immensen Bildungsmarkt hin, wenn von Privatschulen ausgehend gesellschaftliche Bildung - d.h. angemessene Teilnahme an der Gesellschaft und Teilhabe an kulturellen Gütern - nur noch bar und privat einen Marktwert unter dem Humankapital summiert!

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