Zur Meinungsmache

Donnerstag, 11. September 2008

Manipulation und Meinungsmache, die Verfestigung vorgefertigter und ausgearbeiteter Werte und Vorstellungen, Einhämmern von Sinnsprüchen, die dann zur allesumspannenden Wahrheit, zur kunstvoll indoktrinierten gesellschaftlichen Konvention werden - dies alles ist nicht letzter Schrei der Massenführung, nicht als Neuigkeit auf dem Markt der Massenpsychologie anzusehen, mit der wir uns in unserer Zeit auseinanderzusetzen haben. Manipuliert wird und wurde auf die eine oder andere Weise in jeder Massengesellschaft, wenngleich die Intensität variert und nicht in jeder Gesellschaft gleich hartnäckig Meinungen in die Gehirnwindungen geprügelt werden. Und wenn wir uns für einen kurzen Moment allen Idealismus ersparen, dann müssen wir zugeben, dass es nie Motiv sein konnte, die Manipulationen seitens der freien Medien - die nicht so frei sind, wie sie es gerne von sich behaupten, da sie ja an finanziellen Interessen gekettet sind - vollkommen aufzuheben, sondern das mal latente, mal ganz offensichtliche Einhämmern von "herrschenden Binsenweisheiten" auf ein erträgliches Maß herunterzufahren und gleichzeitig zu ermöglichen, dass es neben der etablierten Medienlandschaft, eine für das Massenpublikum frei zugängliche Gegendarstellung, eine mediale Opposition folglich, gibt. Denn nur in einer demokratisch gesitteten Medienlandschaft, einer die keine Gleichschaltung kennt und Opposition zuläßt, kann die Massenverdummung ertragen und bekämpft werden.

Die Bereiche, in denen medial gelenkt und verdreht wird, sind ins Uferlose gewachsen. Hat man es einst der Schlagerindustrie unterstellt, mit ihr vielleicht auch gerade der deutschen Filmindustrie, dass sie nur dazu da sind, in politisch angespannten Zeiten ein "Heile-Welt-Gefühl" zu erzeugen, so ist die Manipulation und Einflußnahme heute an vielen Fronten zu erkennen. Als mir vor kurzem ein politisches Interview des ZDF - aus den Siebzigerjahren - in die Hände fiel, in welchem zwei Journalisten sich mit Herbert Marcuse auseinandersetzten, da wurde offenbar, wie sehr sich der deutsche Journalismus gewandelt, wie sehr er sich zum Schlechten verändert hatte. Tatsächlich hatten die beiden Herren Interesse am Gesagten, wollten Marcuse nicht ködern oder verlocken, nicht dazu animieren, etwas Verwerfliches zu sagen, sondern Analysen abfragen, seine Denkweisen und Analysen begreifen, mit ihm diskutieren und damit das Publikum über diesen bemerkenswerten Denker informieren. Würde er heute mit einem der sogenannten Journalisten sprechen müssen, würde man ihn als den pseudo-philosophischen Teufel der Revolte verklären, als freundlich dreinblickenden Großvater, der es faustdick hinter den Ohren hat, der zu Mord und Totschlag aufrief, weil er maßvolle Gegengewalt gegen maßlose staatliche Gewalt toleriert - kurzum: Marcuse wäre heute, wenn man ihn überhaupt wahrnähme, der zu Fleisch gewordene Vordenker linken Straßenterrors, ein "Stalin der Feder".

Was sich hier im Journalismus gewandelt hat, findet sich auch anderswo. Diskussionsrunden mutierten zum Hort der Meinungsmache; politische Wahlkämpfe wirken oberflächlicher denn je, auch weil nurmehr mit Schlagworten hantiert wird, politische Inhalte scheinbar nicht mehr von Relevanz sind; in seichten Vorabendserien, vornehmlich für junge Menschen konzipiert, werden Sinnsprüche von Arbeitgeberinitiativen angebracht; der Boulevard ringt um Themen aus der Sozialpolitik, um daraus allabendlich eine Stammtischstimmung in die Wohnstuben zu transportieren - überall wird verdummt, geformt, hingebogen.

Auch die Musikbranche, nicht neuerdings, aber mehr denn je, vorallem in einer anderen Qualität als einst, ordnet sich der Manipulation unter. Musiker - oder solche, denen man sagt, dass sie nun Musiker zu sein haben - plappern Hetztiraden nach, nehmen kritiklos an Verdummungskampagnen teil, suchen sich nur sonnige Plätzchen im Gesellschaftsgefüge und kritisieren nichts und niemanden, um ihren ergatterten Platz bloß nicht zu verlieren. Überhaupt: Ihre Musik, der Inhalt des Gesungenen und Gegröhlten ist belanglos, widmet sich der Liebe und des Schmalzes, kritisiert wenn dann nur dezent, ist eben in Nichtigkeit gefangen. Der Schlagerbranche von einst unterstellt man das auch - wohl im Großen und Ganzen mit Recht! Aber betrachten wir doch einmal, in welcher Weise die damaligen Texte sinnfrei waren. Roy Black sang mit der damals kleinen Anita, dass es schön sei auf der Welt zu sein. Und drei Zeilen des Textes lauteten: da "Das Beste am ganzen Tag, das sind die Pausen." und "Das Schönste im ganzen Jahr, das sind die Ferien." und "Das Schönste im Leben ist die Freiheit." - das sind natürlich keine philosophischen Aussprüche, sondern dahingesungene Liedgut-Passagen, unterlegt mit stimmungsvoller Musik, zur Unterhaltung für das damalige Publikum, zum Zeitvertreib erdacht, freilich auch zu Verdrängung des damals schwierigen politischen Alltags. Aber man stelle sich vor, heute würde jemand aus der Musikbranche über Freiheiten, Ferien und Pausen, über frei verfügbare Zeit also, singen. Nein, heute wird davon gesungen, dass es fein wäre, dass man froh sein müsse, wenn man eine Ausbildungsstelle hat und dass man dafür auch auf freie Zeiten verzichten sollte, wenn einem schon dieses unermeßliche Glück in den Schoß fällt. Heute singt niemand von freier Zeit; heute wird gesungen, dazu bereit zu sein, auch einmal den Gürtel enger zu schnallen, abzugeben, nicht an der Scholle der Freiheit zu kleben. Anders gesagt also: Die Art der Verdummung hat sich drastisch verändert. War einst ein kleines Idyll besungen, um abzulenken und zu kaschieren, so schwört man heute auf vorgefertigte Weltbilder ein und will von subjektiver Freiheit, individuellen Bedürfnissen nach freier Zeit etc. nichts mehr verlauten lassen. Die einstige Verdummung, so könnte man schlußfolgern, findet sich heute mit Sinngebung - Sinngebung aus herrschenden Kreisen! - ausgestattet als knallharte Meinungsmache wieder.

Und genau hier zeigt sich der qualitative Unterschied der Meinungsmache, von der am Anfang gesprochen wurde. In jeder Gesellschaft gibt sich Indoktrinierung zu erkennen, wenn man nur genau genug hinsieht. Frei davon ist keine Gesellschaft, lehrt uns jede historische Betrachtungsweise. Aber die Intensität unterscheidet sich, die Art der Botschaften können milde schwelgend oder aber hart und verdrossen sein. Man kann behaupten: Je totalitärer sich ein Staat gibt, je größer seine Schritte sind, sich eines neuen Totalitarismus zu nähern, desto erschlagender, plumper, allumfassender ist die Meinungsmache; desto enger, kollektiver, subjektverweigernder sind die postulierten Botschaften. Bedacht sei auch: Vielleicht konnte sich der Kapitalismus im Angesicht des Gegenentwurfes, der kommunistischen Welt, nicht so schamlos zeigen, wie er es heute tut; vielleicht waren die damaligen Verdummungsmechanismen deshalb so zögerlich und bescheiden.

Ob wohl heute ein Roy Black von frei verfügbarer Zeit singen würde? Wahrscheinlich würde er genauso unüberlegt Texte herunterleiern, wie eben diesen damaligen Text - er war ja kein Freiheitsjünger, sondern eben Schlagersänger. Genauso unüberlegt wie seine heutigen, posthumen Kollegen aus der breiten Öffentlichkeit neoliberale Glaubensbekenntnisse herunterbeten. Womöglich würde ein moderner Roy Black von den Segnungen eines Ausbildungsplatzes trällern, für den man sein Ich aufzugeben habe, um ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden und - ganz wichtig! - kein Hartz IV-Empfänger zu werden, der dem Steuerzahler die letzten Geldreserven kostet.

16 Kommentare:

Anonym 11. September 2008 um 13:12  

Glückwunsch zu diesem Text. Was mir an Deinen Beiträgen gefällt, ist der Wille, der aus Deinen Texten zu spüren ist, der Wille zur begrifflichen Durchdringung der geradezu übermächtigen Welt der Lüge und des Falschen, ihrer Inhumanität.

Anonym 11. September 2008 um 14:10  

Was für ein Glück dass es unter all den schrottigen Retorten-Pop-Musikern auch noch welche gibt, die das Genaue Gegenteil von dem bieten, was du hier zurecht anmahnst.

Kleiner Hör- und Schautipp: Die neue Single "Freiheit" des deutschen Rappers Curse

http://vids.myspace.com/index.cfm?fuseaction=vids.individual&videoid=41028918

Anonym 11. September 2008 um 15:52  

Tja, Kulturimperialismus eben.

Es soll bald ein neues Buch zum Thema erscheinen, dein Beitrag nehme ich als Anfang einer Gegenbewegung zum neoliberalen Einheitsbrei, das soll im neuen Buch das Thema sein - eben der kultururelle Imperialismus, der auch die harmlosesten Lebensbereiche durchdringt. Du bringst es in punkto Pop auf den Punkt - auch Vorabendserien... Ich sah vor kurzem eine SWR-Doku über Fischzucht, eigentlich harmlos bis zu folgendem Satz: "In der Natur geht es eben darum, dass nur der Stärkste sich durchsetzt".

Angewidert machte ich den Fernseher ab, da mir da schlagartig bewußt wurde, dass der falsche Sozialdarwinismus sich schon so in den Köpfen meiner Mitbürger festgesetzt hat, dass ein Fischzüchter vom angeblichen Überleben der Stärksten fabulieren konnte. Darwin übrigens hat diese Ansicht selbst korrigiert, er meinte die am besten an das Lebensumfeld angepaßten - nicht immer die Stärsten - überleben.

Zum Abschluß, ich wies - glaube ich - bereits darauf hin, der Neoliberalismus bekommt auch aus der Evolutionswissenschaft Konkurrenz, denn der Sozialdarwinismus ist megaout seit sich eine neue Theorie mit dem "kooperativen Gen" (Zitat der Wissenschaftsjournalistn Joachim Bauer) breit macht....Die Frage ist nur: Wie lange braucht unser Land, um sich von der uralten Theorie des neoliberalen Sozialdarwinismus zu entfernen? Oder bleibt die neoliberale Dogmatik auf ewig? Ich hoffe doch nicht....

ad sinistram 11. September 2008 um 16:39  

Zunächst, lieber Klaus, möchte ich mich herzlich für Deine doch sehr lobenden Worte bedanken. Ich glaube eben, dass keine Lüge ersonnen werden kann, die nicht durchschaubar wäre, wenn man nur die dazu aufgewendeten Begriffe heranzieht. An den Worten sollt ihr sie messen...

Zur Evolutionslehre: Man war lange der Ansicht, dass der Stärkere den Kampf ums Dasein überlebte, während das Schwache ausgemerzt wird. Dies bedeutete aber schon damals, als man dieser Annahme war, dass das Schwache nicht vom Starken direkt ausgemerzt würde - was sich die Nationalsozialisten in ihrem vulgären Sozialdarwinismus zu eigen machten -, sondern indirekt im natürlichen Wettbewerb sozusagen.

Heutige Evolutionswissenschaftler gehen davon aus, dass es eben nicht das Starke ist, was sich auf Dauer durchsetzt. Prinzip der Evolution ist ein ständiges Verbessern, Ausfeilen und Anpassen an neue oder schon länger herrschende Lebensumstände. Der Stärkste seiner Nische aber, hat in vielen Fällen gar keine Veranlassung mehr - d.h. das evolutionistische Prinzip hat keine Veranlassung mehr - ein verbessern und Anpassen umzusetzen. Die Anpassung an das Stärkere geschieht von unten, vom Schwächeren herauf, weshalb das Starke, gefestigt in seiner Nische und mehr und mehr unflexibel im Anpassen werdend, langsam aber sicher abstirbt. Es ist also nicht der Konkurrenzkampf, der den Starken hervorgehen läßt, sondern ein ständiges Aufschließen zu den Enteilten, ein Rennen der Schwächeren, das zur Fortentwicklung führt.

Kurt aka Roger Beathacker 11. September 2008 um 16:52  

nebenbei bemerkt ...

Darwins "Survivel of the fittest" hat nie den Staerksten gemeint, sondern stets den bestmoeglich Angepassten.

- okay, aufs Soziale uebertragen ist auch das nicht gerade troestlich ...

:-(

Anonym 11. September 2008 um 17:09  

Hallo Roberto J. De Lapuente,

tja, Du sagst es, bin hier ganz deiner Ansicht - betreff Evolutionsbiologie.

Dennoch bin ich gespannt wann sich die Einsicht, die wir - und evtl. andere - hier haben, auch bei der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland breit macht.

Ich hoffe bald, bevor es zu spät ist, denn der neoliberale Marktradikalismus als Glaubenssystem ist ein Irrglaube - nicht nur in punkto Sozialdarwinismus.

Anonym 11. September 2008 um 18:16  

Nachdenkseiten-Leser:

Dazu paßt folgendes, dass so eben auf Nachdenkseiten zur Sendung von gestern mit dem Titel "Hart aber fair" (wohl eher unfair?) erschien:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=3451#more-3451

Ich verweise insbesondere auf die treffende Analsyse, die Albrecht Müller zitiert:

"[...]P.S:
Weil es so gut zum Thema passt und die NachDenkSeiten etwas ermuntert (was sie gelegentlich auch brauchen), hier noch eine gerade eingetroffene Mail:

… Die veröffentlichte Meinung hierzulande ist langsam auf dem geistigen Niveau der früheren Propaganda in der DDR angekommen (das sage ich als Wessi) und damit unerträglich dämlich. Leider fallen immer wieder viel zu viele BürgerInnen darauf herein. Ein kleines Korrektiv wie Ihres ist der Anfang, eine kritische Gegenöffentlichkeit zu schaffen.
MfG
A.G. (Politikwissenschaftlerin)[...]"

Der Vergleich mit der DDR ist mir auch geläufig, denn als jemand, der noch zum Jahrgang 1970 gehört, ist mir die Propaganda des ehemaligen Ostblocks, auch der Ex-DDR, noch bestens in Erinnerung, ebenso wie der folgende Satz: "Die siegende Partei hat schon immer Sachen der besiegten Partei übernommen..." (ich weiß nicht mehr wo ich den aufgeschnappt habe, aber er ist zutreffend, der Neoliberalismus kopiert einfach Propaganda-Instrumente des Ostblocks um die, mit kapitalistischem statt sozialistischem Inhalt, weiterzugeben....)

Ein neuer Totalitarismus eben - nur diesmal global statt regional (Ostblock + DDR)...

Anonym 11. September 2008 um 20:54  

Hallo Roger Beathacker,

du sagst es, aber immer noch besser als "Der Stärkste/die Stärkste" bzw. "survival of the fittest".

Wie schon erwähnt, die Wissenschaften haben eine neue Theorie, die im angelsächsischen Raum um sich greift, und auch in Deutschland mittlerweile ankommt - Im "kooperativen Gen" (Buchautor Joachim Bauer) wird beschrieben warum Darwins Theorien relativ sind - die Menschen sind eben nicht nur mit einem "egoistischen Gen" (Zitat der große Wissenschaftler und "Darwinist" Dawkins mit gleichnamigem Buch) ausgestattet sondern auch von Geburt an auf Mithilfe, Mitgefühl etc. getrimmt. Darauf wollte ich hinaus als ich schrieb der Sozialdarwinismus ist von vorgestern....Menschen sind eben nicht nur reine Egoisten sondern kooperiieren - aus diversen Gründen - auch mit anderen Menschen, als ursprüngliche Herdentiere. Salopp ausgedrückt, wären wir schon zu Urzeiten sozialdarwinistische Egoisten gewesen, dann wäre die Menschheit schon längst ausgestorben, aber zum Glück sind Menschen eben reine "Herdentiere", und werden sich, dank neuester Forschungsergebnisse und Alltagserfahrungen, immer mehr dessen bewußt ;-)

Anonym 12. September 2008 um 10:31  

Noch ein Zusatz:

Der Autor, und Evolutionsbiologe, Richard Dawkins gibt selbst zu, dass er mit seinem Buch "Das egoistische Gen" mißverstanden wurde. Er meinte damit ausdrücklich eben nicht, dass das Leben ein ständiger Kampf ums Dasein ist wo nur der Stärkste bzw. ichbezogenste Überlebt, d.h. auch Dawkins ist mittlerweile - dank neuer Erkenntnisse in der Evolutionsbiologie - auf der Höhe der Zeit und korrigiert seine Thesen von vor 30 Jahren...., die er im "egoistischen Gen" aufgestellt hat. Er hat wohl von der falschen Seite - z.B. Marktradikale usw. - Beifall bekommen?

Anonym 12. September 2008 um 18:19  

Geschichtsinteressierter:

Hallo? Ich wollte hier mal ein Thema zum Nachdenken anregen, dass auch mit Meinungsmache zu tun hat. Der - vor Jahren schon verstorbene erzkonservative Historiker Sebastian Haffner hat es mal so gesagt, ich interpretiere frei, auch die Historiker-Zunft besteht aus Menschen welche ihre jeweilige Weltsicht (=Ideologie) mit in die Forschung bzw. Veröffentlichung von Geschichtswerken bringen. M.E. ist - auch dank der neoliberalen Meinungsmache? - dieser Punkt immer mehr in Vergessenheit geraten, denn würde die Mainstream-Öffentlichkeit darüber aufgeklärt, dass dem so ist, dann wüßte man das Guido Knopp, Götz Aly & Co. eher rechtskonservative Geschichtsbilder vertreten, die Sie dank Mainstream an ihren Mann/ihre Frau bringen wollen - aus was für welchen Gründen auch immer.

Gruß
ein geschichtsinteressierter Mensch, der einsehen mußte, dass unsere Historiker leider auch immer mehr dem neoliberal-rechten Menschenbild anhängen, dass sie in ihre Veröffentlichungen (z.B. in Film oder Buchform) mit einbringen.

Anonym 12. September 2008 um 21:14  

hallo anonym,

von walter benjamin gibt es einen kurzen text mit dem titel: geschichtsphilosophische thesen.
der text ist aus den zwanziger jahren.
darin heißt es u.a., daß die historiker sich immer in die sieger einfühlen, daß die geschichtsschreibung einen wesentlichen teil der tradition verdeckt, ihn zum verschwinden bringt.
vielleicht ist dieser text von benjamin etwas?

Anonym 12. September 2008 um 23:35  

Hallo Klaus Baum,

danke für den Hinweis.

Gibt es da einen Link zum Text - aus den zwanziger Jahren? Oder wo finde ich den sonst im kompletten Wortlaut? Sebastian Haffner ist ja 1999 gestorben. Ich geh mal davon aus, dass Haffner den Text bestimmt auch gekannt hat, da er ja aus den zwanziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts stammt.

Er ist übrigens zeitlos gültig - der von dir beschriebene Textausschnitt - auch heute überwiegen die rechtskonservativ-neoliberalen Historiker. Bei marxistischen oder linken Historikern mußt du schon im Internet suchen, die tauchen weder bei den renomierten Bertelsmann-Imperien noch im TV auf - die "Sieger" bestimmen eben was gesendet wird.

Auch der berühmte George Orwell hat in "1984" schon in diese Richtung aufgeklärt.

Der Satz fällt mir leider nicht mehr sinngemäß ein - irgendetwas mit "Lüge die als Wahrheit verbreitet wurde, und in die Geschichtsschreibung einging, worauf die als wahr galt" oder so ähnlich....

Gruß
Anonym

PS: Zum Thema Geschichtsfälschung gibt es auch schon Bücher, aber leider beziehen die sich alle auf historische Beispiel frühestens ab der napoleonischen Zeit. Das Totschweigen der neoliberalen "Sieger-Geschichtsschreibung" hat also System....

Dominik Hennig 13. September 2008 um 16:23  

Übrigens, von der "Schlagerschnulzenschlampe" DDH (so hat mich mal ein neoliberaler Bastard genannt) noch eine kleine Randnotiz: Roy Black selbst träumte ein Leben lang von anderen Texten, anderer, rockigerer Musik, einem Leben in Freiheit, wild side of life. Er zog Wohlstand und Sicherheit aber letztlich der Freiheit vor, vermochte nicht, nach SEINER Facon selig zu werden und starb an gebrochenem Herzen. Zum Schluß mußte er sich auch noch entwürdigen und in einer billugen RTL-Serie den Grüß-Gott-August vom Wörthersee spielen.

FREIHEIT ist MEHR als SICHERHEIT!

Anonym 13. September 2008 um 22:46  

Hallo Anonym,

die GESCHICHTSPHILOSOPHISCHEN THESEN von Benjamin sind über google nicht auffindbar, weil der Suhrkamp-Verlag noch ein aktuelles Copyright auf dessen Texte hat.
Ich weiß nicht, wo Du wohnst, wenn ihr eine Bibliothek im Ort habt. Nach dem krieg sind sie zuerst erschienen entweder in dem Band Angelus Novus oder Illuminationen. Genau weiß ich es nicht, kann auch nicht nachsehen, da meine sämtlichen Bücher im Keller verpackt sind.
DIE ZEIT ist für mich seit langem schon ein Blatt der Sieger geworden, in denen nur noch solche zu Wort kommen, die oben dazu gehören. Mir fiel das auf mal Ende der neunziger Jahre an einer Titelgeschichte: da hieß es: Ignaz Bubis beklagt die Ausgrenzung der Juden in Deutschland.
Mein Gedanke war damals, für Klagen über Ausgrenzung sind nur noch Prominente zugelassen - in Analogie zu einer Äußerung von Jürgen von Manger. Er äußerte sich über Werbung auf Plakaten und im Fernsehen wie folgt:
Für Hühneraugen und Hämorrhoiden sind nur noch schöne menschen zugelassen.

Anonym 14. September 2008 um 16:54  

Hallo Klaus Baum,

danke für die guten Hinweise - ich werde die mal suchen ;-)

Eigentlich ist ja auch - ohne Buchlektüre - klar, dass die Historiker eben nicht unparteiisch sein können. Sind auch Menschen, die im jeweiligen System leben, dessen "Geschichtsschreibung" diese Menschen prägt. Ein gutes Beispiel ist die Geschichtsprägung der Zeit von 1933 - 1945 - da wird doch mittlerweile verharmlost, dass sich die Balken biegen. In diesem Fall schreiben nicht die "Sieger" in Deutschland Geschichte sondern die "Verlierer" des II. Weltkrieges, die mittlerweile wieder Kriegspartei sind - auf der vermeintlich "richtigen Seite" - und da stört eben, dass auch Deutschland - wie ich noch als Jahrgang 1970 auf der Schule lernte - in der NS-Zeit nichts anderes war als das man heute einen so genannten "SCHURKENSTAAT" bezeichnet. Diese Tatsache paßt heute nicht mehr, ergo - nur als Beispiel - müssen die Guido Knopp und Konsorten umdrehen und aus Tätern Opfer machen....

Gruß
Anonym

Anonym 31. August 2009 um 00:07  

Und Schlagersänger werden von "den Mächtigen" zu ihren Texten gezwungen? Die finden m.E. viel eher ein Bedürfnis nach Ablenkung und schöne heile Welt (wenigstens im Kopf) vor, das sie nur noch bedienen. Es wird ihnen auch gedankt. Opium des Volks eben, nicht fürs Volk.

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