Der gebräuchliche Kniff eines Unnahbaren

Montag, 31. Mai 2010

Es ist schon ein dreistes Stück, dass er als Tragödie letzter Akt veranstaltet. [Die Kritik] läßt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen! Ein Paukenschlag zum Abgang - einer, der an Frechheit eigentlich kaum zu überbieten ist. Denn wie verkündete er neulich erst: ...dass ein Land unserer Größe [...] auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.

Und nun mangelte es ihm also an Respekt. Unnahbar gab sich dieser selbsterklärte Bundespräsident von Volkes Gunst ja gerne; unnahbar ist selbst sein Rücktritt. Denn er tritt nicht ab, weil er in seinen Aussagen unglaubliche Großmannssucht verwob: er tritt von der Schaubühne, weil man ihn abschätzig beurteilte. Während aus der Rolle purzelnde Granden aus Politik und Wirtschaft zurücktreten, weil sie dies oder jenes kundgaben, tritt Köhler zurück, weil die zögerlichen Kritiker ihm nicht beipflichteten. Anders formuliert: Sein offensichtlicher Ausrutscher ist eigentlich der Ausrutscher derer, die ihn und seine kruden Thesen kritisch hinterfragten. Er hat sich gar nichts zu Schulden kommen lassen - Schuld sind eine kleine Handvoll Journalisten, die des höchsten Staatsmannes Verkündigung nicht absegneten und als frohe Kunde in die Lande trugen.

Eine unverschämte Lesart unhaltbarer Aussagen. Köhler geht nicht, weil er auch nur im Ansatz etwas Anrüchiges in seiner Bemerkung wittert - er geht, weil ihm der Respekt, der notwendige Respekt gar, fehlt. Solche Kritiker haben einen Bundespräsidenten wie mich gar nicht verdient, läßt er damit anklingen. Solche Untertanen muß ich mir nicht gefallen lassen, vermutet man hinter seiner Erklärung. Das ist keine "persönliche Integrität": es ist der selbstgerechte und großspurige Abtritt der figurierten Unnahbarkeit, die gebräuchliche und bewährte Tour eines Unschuldslamms, dass stets über die Sorgen dieses Landes räsonierte, an der Sorgenbildung oder -verschärfung aber rege mitfuhrwerkte - man beachte beispielsweise nur seine Beteiligung an der Finanzierung der Wiedervereinigung und dem Raubzug durch die Kassen der staatlichen Rente.

Dies war seine herkömmliche Masche, der übliche Kniff. Die Würde des Köhler galt stets als unantastbar. Der Unberührbare bot sich porentief rein dar, als Saubermann in allen Lagen. Und selbst jetzt, da er tiefer ins Fettnäpfchen stiefelte als je zuvor, da er seine wirklichen Denkmuster preisgab, räumt er nicht demütig seinen Stuhl: nein, er schiebt das Motiv denen zu, die seine Worte zurecht analysierten. Und die sollen die Wut der Bürger ernten, die ihren geliebten Bundespräsidenten, ihren Volkstribun durch unlautere Methoden aus dem Amt gejagt glauben - unlautere Methoden, die ein wenig nach Frevel riechen: nach kritischem Journalismus - das was davon übrig ist! - nämlich. Köhler hat zwar Angriffskriege verniedlicht und für legitim ernannt, aber er ist frei von Sünde. Versündigt haben sich lediglich die Respektlosen, die ohne Weitsicht des Volkes Bürgerpräsidenten deinstallierten. Schlimm, was diese Rotte mit ehrbaren Politikern und Denkern so anstellt!

10 Kommentare:

Anton Chigurh 31. Mai 2010 um 23:13  

Erst kürzlich - es ist kaum zwei Wochen her - überraschte uns Dr. Köhler mit der unglaublichen Nummer, dass man das BVG gefälligst nicht mit dem Kinkerlitzchen der Wahrung der Grundrechte behelligen sollte.
Dann stapfte der Mann bei seinem Afghanistanausflug schnurstracks in den nächsten Haufen - was ihm bei Freund und Feind eine Menge Schläge einbrachte - aus unterschiedlichen Gründen natürlich.
"Mann, Horst - Du kannst doch nicht einfach so die Wahrheit sagen !" schallte es aus einigen Ecken.
So, nun haben wir den Salat - jetzt isser weg und die Anderen sind schuld. Nur nicht er selbst. Wie immer also.
Damals, als Leiter des IWF hat er munter mitgeholfen Strukturen aufzubauen, die es den Jongleuren später ermöglicht haben, die Weltwirtschaft an den Rand der Katastrophe zu bringen. Als gefühltes Staatsoberhaupt geißelt er dann plötzlich diejenigen, denen er vorher den Weg geebnet hat.
Respekt kann man vor vielem haben, nicht aber vor diesem Mann. Entweder weiß er nicht was er sagt, oder er sagt nicht was er alles weiß - und wenn er mal was sagt, dann biegt sich die eine Hälfte der Zuhörer vor Lachen und die andere Hälfte vor Schmerzen.
"Mann Horst, paß´ auf, was Du sagst!!"
Aber jetzt hat er ja fertig - dem Gehörnten sei Dank...

Anonym 1. Juni 2010 um 00:01  

Offenbar hat man versäumt, Herrn Köhler zu erklären, dass er nicht absolutistische Majestät, sondern nur ein demokratisch gewähles (hahaha - der war gut oder?) Staatsoberhaupt ist. Unerträglich fand ich schon die Arroganz bei seiner Wiederwahl, nicht mit den anderen Kandidaten im Plenum auf das Ergebnis zu warten, sondern erst nach der Wahl in der Staatskarosse vorzufahren (von seinen verbalen Entgleisungen mal ganz abgesehen - wir haben ALLE über unsere Verhältnisse gelebt und anderen Schwachsinn). Wobei es natürlich schon sehr sehr böse und total gemein war, ihm diese paar verfassungsfeindlichen Bemerkungen so derart unter die Nase zu reiben. Ein bisschen Verfassungsfeindlichkeit kann man einem deutschen Politiker schon zugestehen, oder? Die Verfassungsfeindlichkeit der bürgerlichen CDUCSUFDPSPDGRÜNEN Blockparteien ist regierungsfähig und die Verfassungsfreundlichkeit der Linken ist bähbäh! Eigentumsverpflichtung! Sozialstaatlichkeit! Verbot von Angriffskriegen! Pfui Teufel, was für ein Gutmenschengedöns! Soll etwa unser heiliges Wirtschaftswachstum wegen der Sozialromantik der Verfassung leiden? Nein, also wirklich nicht. Die Verfassung ist geeignet für Sonntagsreden, aber sie ist genausowenig ernst zu nehmen, wie bei der SPD das eigene Grundsatzprogramm.

Egal - toll dass diese ständige Beleidigung meines Intellekts endlich weg ist. Geniessen wir die Zeit bis die Hornissen, die rotlackieren neoliberalen Schlechtmenschen und die Olivgrünen einen Nachfolger aus dem Hut zaubern. Mir schwant da Schlimmes....

Tim 1. Juni 2010 um 01:22  

Ich war schon sehr überrascht über die Dreistigkeit dieser Rücktritts-Erklärung.

Anonym 1. Juni 2010 um 04:58  

Obwohl ich hier immer gern zustimme: diese Deutunng ist mir nun doch zu normalsterblich; solche kämen doch gar nicht erst soweit, mit so menschlichen Schwächen?

Systemfrager 1. Juni 2010 um 09:01  

Ja, endlich jemand, der für die Ereignisse wirklich richtige Worte findet

Aber das haben wir hier auch erwartet ;-)

Christian Klotz 1. Juni 2010 um 09:06  

Das ist schon mal mindestens die halbe Miete. Da fehlt aber noch was zur Vervollständigung des Porträts eines selbstbewußten Demokraten: er hat nach seiner geäußerten Auffassung durch "mißverständliche" Worte in seiner Person die Hehrheit des AMTES beschmitzt.
Der Trick der Trennung von fallibler Person und heiligem Amt ist gut. Man kann sie nämlich ignorieren, oder aber auch schon mal für die Präsentation von Integrität mitten in der üblichen Schweinerei benutzen.
Irgendwem werden schon die Schauer des Sakrosankten den Rücken runter rieseln.

Die Katze aus dem Sack 1. Juni 2010 um 11:59  

Dann bin ich gespannt, welcher Grüss-August sich als nächstes, ins präsidiale Amt bequemen darf.

http://www.youtube.com/watch?v=AOZ4BzFlAow

carlo 1. Juni 2010 um 13:33  

Haargenau erfasst: "Das ist keine "persönliche Integrität": es ist der selbstgerechte und großspurige Abtritt der figurierten Unnahbarkeit, die gebräuchliche und bewährte Tour eines Unschuldslamms, dass stets über die Sorgen dieses Landes räsonierte, an der Sorgenbildung oder -verschärfung aber rege mitfuhrwerkte - man beachte beispielsweise nur seine Beteiligung an der Finanzierung der Wiedervereinigung und dem Raubzug durch die Kassen der staatlichen Rente."
Rainald Grebe hat das Niveau dieses Köhlerbuben genau getroffen.
Präsident

allesisneufürmich 1. Juni 2010 um 18:23  

Es ist schon beleidigend und verletzend. Bekommt seine Unnahbarkeit, die er offenbar mit
der Würde des Amtes, der Respekt gebührte, verwechselt, Risse und Löcher, knallt er sie uns zusammen mit dem höchsten Amt im Staate wie eine nun lästige, abgenutzte, inzwischen durchsichtige Zweithaut vor die Füße. Peinlich, diese Bloßstellung von eigener Hand, die trotzige Schamlosigkeit und Arroganz, die für mich beleidigend und verletzend sind, der ich zwar keine große Idee vom Respekt gegenüber einem Amt habe, jedoch mich in meiner Würde als Bürger in einer Demokratie verletzt und beleidigt fühle, wenn auf diese Weise das Tönen kritischer Stimmen abgewürgt werden soll.

Ein Brandenburger 2. Juni 2010 um 11:19  

Ich möchte an dieser Stelle an weitere großartige Leistungen und Reden erinnern die wahrscheinlich bereits wieder in Vergessenheit geraten sind.

Horst Köhler und die „Friedliche Revolution“

http://womblog.de/2009/10/14/8938/

Köhler lügt

http://www.sabelleck.net/12_10_2009__Kohler_lugt_Ta.pdf

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