Nomen non est omen

Mittwoch, 12. Mai 2010

Heute: "Protestwähler"

Die Wahlforschung unterscheidet vier Wählertypen: den Stammwähler, den Wechselwähler, den Nichtwähler und den Protestwähler. Während die ersten drei sich von selbst erklären, wird der Begriff des "Protestwählers" häufig instrumentalisiert, um Wähler einer bestimmten Partei zu unterstellen, sie würden diese nicht wegen den Inhalten wählen, sondern nur, um andere Parteien und Politikern zu schaden. Inwiefern kann man überhaupt Protest wählen? Nur weil man für keine große Partei stimmt, ist man automatisch ein Protestwähler?

Bei der NRW-Wahl am 9. Mai 2010 fiel der Begriff wieder in vielen Kommentaren der Berichterstattung. Die Linke habe in NRW nur knapp 6% und die Piratenpartei knapp 2% erreicht, weil viele Menschen Protest wählen würden. Auf die Idee, dass es tatsächlich Menschen gibt, welche die Linke und die Piratenpartei wegen ihren Inhalten gewählt haben, kommen die bürgerlichen Medien nicht. Einen Protest kann man veranstalten oder ihn organisieren, aber sicher nicht wählen. Denn hier gilt der alte Wahlspruch:
"Würden Wahlen wirklich etwas verändern, würde man sie verbieten."
Ein Ungültigmachen seiner Stimme könnte man vielleicht als Protestwahl bezeichnen. Insofern wird der Begriff häufig nur dazu verwendet, Wählergruppen zu diffamieren und einer Partei zu unterstellen, sie hätte keine Inhalte.

Zudem unterstellt das Schlagwort, dass jemand der eine große bzw. etablierte Partei wählen würde, automatisch kein "Protestwähler" sei, die Partei also wegen ihren Inhalten oder ihren Personen wählen würde. Und das wiederum suggeriert ja, dass diese Partei genau diese dann auch habe: glaubwürdige Inhalte und glaubwürdige Personen. Das diese Kausalität besteht, darf getrost bezweifelt werden. Die Grünen, die mittlerweile für Beliebigkeit, Machtgeilheit und Verrat an ihren Positionen stehen, sowie Schwarz-Gelb im Bund beweisen uns, dass solch ein Zusammenhang (etablierte Parteien = glaubwürdige Personen/Inhalte) kaum gegeben ist.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

4 Kommentare:

Enrico C. 12. Mai 2010 um 18:56  

Kein Wunder das sich immer mehr Wähler verweigern. „Was soll das Ganze. Das bringt ja sowieso nichts“ Aber hingehen muss man zur Wahl auch wenn’s einem nicht passt. 100% Wahlbeteiligung bei 10% gültigen Stimmen. Das wär mal ein Zeichen. Den Wahlzettel ungültig machen, zerknüllen. Von wegen das bringt nichts. Ein zerknülltes weggeworfenes Stück Papier kann ein Halbfinale bei der WM entscheiden.
Wenn man sich die Wahlbeteiligung mal anschaut, haben grad mal netto 21% der früh aufstehenden hart arbeitenden Leistungsträger dem bürgerlichen Lager ihr Herz geschenkt und davon über die Hälfte Rentner. Grad die Rentner machen doch fast alle Briefwahl. Jedem siechenden Senioren im Altenheim wird doch vom katholischen Sozialdienst die rechte Hand geführt.
Die Rentner sind nur ein Teil einer Verschwörung für die zukünftigen Generationen. Erst bestimmen die Rentner durch ihr Wahlverhalten den Kurs von Europa.
Wer ist denn der Wahl mehrheitlich ferngeblieben?
Die Jugend ist daheim geblieben.
Wer hat sich denn an die Urne geschleppt, so er noch konnte?
Eine plumpe überalterte, Merkel verblendete Landbevölkerung hat über die Zukunft von Europa abgestimmt. Eine Zukunft, die sie mehrheitlich gar nicht mehr erleben wird.
Also bitte geht wählen, auch wenn nichts wählbares dabei ist. Den Stimmzettel ungültig machen!!! Denn nicht wählen gehen, ist kein Protest. Sondern Protest ist, wenn mal trotzdem wählen geht. Auch wenn man nichts wählt.

Anonym 12. Mai 2010 um 22:52  

Stimme absolut zu. In den 90er Jahren, als die Flüchtlingsunterkünfte brannten, versuchten die Medien, den Wahlerzulauf von REP, NPD, als Protest zu verharmlosen. Doch Analysen zeigten, dass es denen (den Wählenden) genau auf die rassitischen Inhalte und die reaktionären Lebensstile dieser Parteien ankam.

carlo 13. Mai 2010 um 18:50  

@Enrico C.
Jedem siechenden Senioren im Altenheim wird doch vom katholischen Sozialdienst die rechte Hand geführt.
Da hast Du recht, man sollte das mal genauer beleuchten.

Anonym 13. Mai 2010 um 23:26  

@Enrico C.
Jedem siechenden Senioren im Altenheim wird doch vom katholischen Sozialdienst die rechte Hand geführt.

Das sehe ich entschieden anders, meiner Erfahrung nach arbeiten in eben jenen Sozialdiensten tendenziell eher links-orientierte Angestellte (die Chef-Etage ist auch hier ein anderes Thema). Die Menschen, die ich betreut habe, wollten von sich aus konservativ wählen, die Sozialarbeiter haben eher dazu angeregt, den Brei gewisser Zeitungen nochmal zu überdenken.

Diejenigen, die sich die "Finger schmutzig" machen, und somit in direktem Kontakt zu den Bewohnern stehen werden diese jedenfalls nicht in das rechts-politische Lager schieben - vielleicht abgesehen von kirchlichen Altenheimen, aber deren Klientel wird wohl guten Grund haben, dort zu wohnen.

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