Zu politisch?

Donnerstag, 20. August 2009

Ich und politisch? Ich ein politischer Mensch? Mit Verlaub, das ist Unsinn! Ich bekomme es ja immer wieder zu hören, dass ich ein sehr politischer Zeitgenosse sei, viele meiner alltäglichen Gesprächsthemen in ebendiese angebliche Richtung gleiten. Seien Sie doch nicht immer gleich so politisch! Sie sind mir zu politisch! Dabei bin ich es gar nicht - überhaupt nicht. Wenn mir jemand mit Parteigesülze kommt, das ja hierzulande als politisch an den Mann gebracht wird, wenn er seinen parteilichen Grabenkrieg in Gespräche bettet, dann bin ich gar nicht politisch inspiriert, gehe auf das Gerede auch gar nicht ein. Ich werde eher sauer, muß mich umdrehen und gehen, bevor sich was in mir umdreht und ich mich gehen lasse, mich hinreißen lasse, Nettigkeiten zu erdenken, die ich dem Parteisoldaten an den Schädel knalle.

Ich bin unpolitisch. Und das bekennend! Die Leute verwechseln da was, können nicht eins und eins zusammenzählen. Weil ich so unpolitisch bin, werde ich gezwungen, wie ein Politischer herumzulaufen. Ich bin politisch, weil ich unpolitisch bin. Dieses ganze Gequatsche über Wirtschaft und das dazugehörige Wachstum, Arbeitsplätze, Parteien und deren Visionen, die sowieso nie Realität werden, es sei denn, es handelt sich um düstere Visionen, denen immer Atem eingehaucht wird. Diese ganze unerträgliche Schwafelei! Kein Mensch kann das ertragen wollen, kein Mensch kann sich zwischen dem Herunterrattern von Worthülsen und parteilichen Parolen wohlfühlen, menschlich fühlen. Das was sich heute als Politik manifestiert ist weltfremde Wichtigtuerei, Bütteldienst für Wirtschaftsbarone. Soll ich also in politische Diskurse einsteigen, somit mitbütteln und deren eindimensionale Dialektik übernehmen? Soll ich etwa linke Sichtweisen über Wirtschaftswachstum vertreten, das heißt, Ansichten die von links her erklären wollen, wie man Wachstum erzielen und erweitern kann? Politik, egal von welcher Seite, spricht von Wachstum, Demographie und Schaffung von Arbeitsplätzen - ich halte das meiste davon für unwesentliches Geschwätz, für Alibilamentos, die an der Lebensrealität der meisten Menschen vorbeigehen. Innerhalb des politischen Diskurses will und kann ich mich nicht bewegen - ich bin eben unpolitisch.

Nein, mich trieb immer schon etwas anderes. Etwas, wovon mein Vater glaubte, es würde mir mal viele Sorgen bereiten, würde mir das Leben schwer machen. Mein Gerechtigkeitsempfinden war immer riesenhaft, schon als Kind konnte ich es oftmals kaum fassen, wie Menschen, damals vorallem meine Mitschüler, von anderen Menschen, damals von Lehrern, ungerecht behandelt wurden. Als Kind ließ ich daher mal einer ungerechten Lehrerin wissen, dass mein Vater sie besuchen, ihr säuberlich die Fresse polieren werde. Naja, ich habe es feiner, kindgerechter ausgedrückt, aber gemeint habe ich genau das. Mein Vater war in meinen Phantasien der heilige Zorn meiner selbst. Er nagelte die Dame an die Tafel und traktierte sie gleich George Foreman Muhammad Ali in Kinshasa. Phantasien eines jeden, der Gerechtigkeit als Mangelware kennenlernen durfte. Lächerliche Phantasien, denn wie einst Foreman doch noch unterlag, weil er sich wild an Alis Nehmerqualitäten abreagiert hatte und seine Kräfte schwanden, so hätte mein boxender Vater ebenso den Kürzeren gezogen. Im Gefängnis wären ihm sicherlich auch die Kräfte geschwunden. Dennoch denkt man so, nicht nur als Kind. Den Unterdrücker im Geiste zu verprügeln, das kann einem keiner nehmen. Welcher Hass muß sich da erst in Menschen aufbauen, die in Entwicklungsländern leben müssen, die Gerechtigkeit lediglich als Werbeslogan von industriestaatlichen Plakaten her kennen?

Zorn treibt mich an, verletzter Gerechtigkeitssinn. Alles was ich hier, in dieses Tagebuch schreibe, ist nicht politisch motiviert. Ich habe nicht den Anspruch, mich als Politologe zu verkappen, will mich nicht an verwissenschaftlichten Ausdrücken ergötzen, die nichts als leere Hülsen für Nichtigkeiten sind. Nein, diesen Anspruch habe ich nicht, das heißt, ich habe nicht die Tristesse dazu, mich politologisch zu betätigen. Obwohl Melancholiker, so traurig kann man gar nicht sein, um mit verwissenschaftlichen Floskeln um sich werfen zu wollen. Denn innerhalb dieser wissenschaftlichen Kategorie findet sich kein ethisches Maßband. Es wird zugunsten schöner Termini und wohlklingender Schlagworte verworfen. Wissenschaft darf doch nicht moralisch sein – das kennen wir ja. Ich bin viel zu unpolitisch, um die Moral über Bord werfen zu können. Was wiederum aber auch heißt: Moralist könnte ich sein, das gebe ich zu. Aber Moralapostel bin ich nicht, denn ich sündige selbst ja auch zuweilen - weil ich Mensch bin. Nichts Menschliches ist mir fremd. Moralisch und menschlich! Wer sich so einteilt, der kann kein politischer Mensch sein.

Ich glaube, eine perfekte Welt würde sich dadurch auszeichnen, dass kein Mensch mehr genötigt wäre, sich politisch hervorzutun. Wenn jeder Mensch auf Erden Teilhabe am Reichtum der Menschheit erlangen könnte, dann wäre das, was wir heute Politik nennen, keine Option mehr. Freilich hätten sich kleine Gruppen und Kooperationen über bestimmte Umstände zu besprechen, Regelungen zu treffen. Aber das wäre weniger politisch als familiär, es wäre gelebte Gemeinschaftlichkeit, kein abstraktes Politikum, ausgeführt von einigen stellvertretenden Wort- und Meinungsführern jenseits unseres Lebensumfeldes, irgendwo in einem Parlament. Indes ist mir bewusst, dass diese perfekte Welt nicht auf dem Spielplan des Menschheitstheaters steht. Oder noch nicht steht. Möglicherweise bin ich aber auch zu sehr Kind dieser Zeit, als dass ich mir vorstellen könnte, dass ein letzter menschlicher Akt friedvoll und unpolitisch aussehen könnte. Ich irre mich gerne, weil ich Mensch bin. Sich irren zu können beruhigt, es zeigt Menschlichkeit.

Freies Menschsein empfinde ich als unpolitische Zone. Und Menschen, die sich eine solche Zone erdenken können, selbst wenn sie zunächst noch nicht daran glauben können, die sind im Grunde ihres Handelns unpolitisch. Sie werfen sich nicht ins Politische, um dies Geschäft in die Unendlichkeit auszudehnen, damit auch ja immer Diskussionsstoff zurückbleibt, über den sich weiter und weiter politisieren läßt. Sie versuchen das Politische zu einem Ende zu bringen. Schon deshalb kann kein freiheitlich denkender Mensch wahrhaft annehmen, jemand aus dem „Berufsstand“ des Politikers würde eine Politik betreiben, die die Politik letztlich überflüssig mache. Was täten wir dann mit dem Reichstag? Der steht ja dann leer!

Ich bin unpolitisch, daher wirken meine Texte so politisch. Dafür kann ich nichts. Wäre die Ungerechtigkeit heute Geschichte, würde Teilhabe herrschen, würde Freiheit ohne staatliche Einflussnahme beschert, ich würde mich darüber freuen, hier nicht mehr schreiben zu müssen. Dann könnte ich über die schönen Dinge des Lebens schreiben, über berichtenswerte Dinge, über Umstände, die mir innerlichen Segen und nicht Magenverkrampfungen bereiteten. Ein politisch Getriebener! Das ich nicht lache! Das Unpolitische läßt mich handeln. Ich bin unpolitisch! Daher manchmal unbeliebt bei Politischen. Freilich wird man in politisches Land gesetzt, wenn man sich zu Fragen unserer Zeit äußert. Aber das tue ich nicht aus Leidenschaft, weil ich etwa gerne rhetorisch glänzte. Ich tue es, damit es getan ist - und damit es vielleicht Wirkungen zeigt. Ich wäre glücklich, wenn ich es nicht mehr tun müßte, weil mein Gerechtigkeitssinn verkündete: So, jetzt ist es vollbracht!

Aber bis dahin ist es ein weiter Weg, wenn es überhaupt einen Weg dorthin gibt. Zumal ich alles viel zu persönlich nehme. Noch lebe ich, noch bin ich Person, noch kann ich persönlich es persönlich nehmen - wer es nicht mehr tut... na, ich will nicht sagen, der sei schon tot, aber er ist auf dem besten Wege, probiert schon sein Leichenhemd, liegt schon Probe im polierten Eichenholz, liegt schon zur Ölung darnieder. Wer nicht mehr persönlich nimmt, verrät seine Person, verrät sich selbst, gibt sich auf. Tut mir leid, aber besonders lebensbejahend wirkt das nicht.

26 Kommentare:

Geheimrätin 20. August 2009 um 09:23  

Ach Roberto, ich kann dich sehr gut verstehen. Ich hab gerade auch dermaßen die schnauze voll, kannste mir glauben von dem ganzen Kladerradatsch. Trotzdem habe ich mich parteipolitisch geäußert um Positionen zu verdeutlichen. Die leere Phrasen sein mögen, jedoch auch Möglichkeiten in sich bergen.

Und das macht mir ebensowenig Spass, es befriedigt mich nicht im Geringsten, die Parteipolitik. Ich hätte mir gewünscht, dass sich einfach Menschen aus egal aus welcher Partei zusammentun und gemeinsam überlegen wie die Welt zu retten ist. Das tun sie nicht, sie schaffen es nicht. Die Parteipolitik macht dies unmöglich.

Und ich ertrage es nichtmeher wie sehr so vielen hierzulande es am Arsch verbei geht wie immer mehr Menschen verhungern und auf hoher See über Bord gehen.

Ich ertrage es keine Sekunde länger. Aber ich lebe. Ich lebe in einem Körper, habe eine Stimme, habe ein Hirn und ein Herz.

Was also kann ich tun?

Ich kann letzlich nur noch sagen: Schluss mit dem Morden, Schluss mit der Sklaverei, Schluss mit dem Lug und Trug, Schluss mit Vergewaltigung, Ausbeutung und Vernichtung.

SCHLUSS DAMIT!!!

epikur 20. August 2009 um 11:01  

Vielleicht ist es ja gerade die Motivation vieler linker Blogger, das Soziale, die Moral, die Gerechtigkeit und die Lebensrealität vieler Menschen wieder in die Politik zu holen?

Ob das nun als "politisch" zu bezeichnen ist oder nicht doch eben einem tief sitzendem Gerechtigkeitsempfinden entspringt, kann ich nicht beantworten.

Peinhard 20. August 2009 um 11:07  

"Ich glaube, eine perfekte Welt würde sich dadurch auszeichnen, dass kein Mensch mehr genötigt wäre, sich politisch hervorzutun. Wenn jeder Mensch auf Erden Teilhabe am Reichtum der Menschheit erlangen könnte, dann wäre das, was wir heute Politik nennen, keine Option mehr."

So lasst uns streiten für eine Welt ohne Menschenrechte, ohne Sozialklimbim, ohne Politik - einfach weil es sie dann endlich nicht mehr braucht. Wo ein Kind auf die Frage, was 'Freiheit', was 'Gleichheit' sei nach einem Blick in die Geschichtsbücher ausruft 'du meine Güte, was sollte denn der Krampf...?'. Wo es auch keine 'Vermittlungsprobleme' mehr gibt, weil Entscheidungen endlich wirklich gemeinsam getroffen werden...

Kurz, ein ausgezeichneter Text. Und wie sich tatsächlich auch die Lebensläufe gleichen... ;)

Frank Benedikt 20. August 2009 um 13:16  

Gut gebrüllt, Löwe ;-)
Ja, Gerechtigkeit wäre mal eine feine Sache und die ganze politische Phrasendrescherei ist für den Ort gedacht, an dem die Sonne niemals scheint.

Danke für den erhellenden Text - möge er viele verständige Leser finden!

aebby 20. August 2009 um 13:45  

Deinem Text ist kaum etwas hinzuzufügen, nur diesen Satz möchte ich noch hervorheben ... Ich glaube, eine perfekte Welt würde sich dadurch auszeichnen, dass kein Mensch mehr genötigt wäre, sich politisch hervorzutun.

Peinhard 20. August 2009 um 14:53  

"Vielleicht ist es ja gerade die Motivation vieler linker Blogger, das Soziale, die Moral, die Gerechtigkeit und die Lebensrealität vieler Menschen wieder in die Politik zu holen?"

Es spricht mE nichts dagegen, insoweit sozusagen zweigleisig zu verfahren, also natürlich jeder Ungerechtigkeit im 'hier und jetzt' entgegenzutreten. Von einer anderen Warte aus betrachtet ist es aber eben so, dass gerade in der Sphäre der Politik diese 'Werte' notwendigerweise immer wieder unter den Hammer kommen müssen, also sozusagen marktwirtschaftlich meistbeitend versteigert werden.

Deshalb ist jedenfalls für mich schon deshalb klar, dass das eigentliche, das Hauptaugenmerk darauf liegen muss, diese ganze Choose abzuschaffen, in dem Sinne, wie auch Roberto es hier andeutet. Und das können wir, wenn wir wollen. Nein, wir müssen.

Aber wie oft habe ich da schon zu hören bekommen 'Ja, schon, aber das ist doch illusorisch, weil...'. Freilich, wenn jeder potentielle Multiplikator - und das sind wir alle - von vornherein resigniert...

Es ist nicht illusorisch, es ist an der Zeit. Ansonsten erwartet uns mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit nur neue, weitere Barbarei - die Dämonen der Ausgrenzung und der 'Biologisierung' sind ja zB schon wieder fleissig am Ausschwärmen. Was gemeinhin als nächstes kommt, sollten wir aus der Geschichte kennen.

Und es wird kommen, denn in diesem System war noch nie Platz für alle, geschweige denn 'Wohlstand'. Und es wird vorhersehbar noch enger werden, die 'Finanzkrise' ist ja nur Symptom dafür, dass die 'schöne Maschine' schon immer weniger funktioniert. Immer weniger Menschen werden 'Arbeit haben', immer hungriger wird das weiterhin angehäufte 'Kapital'.

Geheimrätin 20. August 2009 um 15:21  

Peinhard, danke. Ich wollte eben schon Zigaretten holen gehen. Weil ich es schlicht nicht mehr ertrage. Mein Herz hört bald auf zu schlagen und das tatsächlich.

Wir müssen zweigleisig fahren, solange bis die sogenannten Menschenrechte keine Rechte mehr sind sondern eine natürliche Selbstverständlichkeit über die kein Wort mehr verloren werden muss

Danke Peinhard

Ansonsten hab ich dich sehr gut verstanden. Aber es bricht mir das Herz, wenn wir nicht zuallererst die Weichen umstellen. Wir können dann jederzeit den Zug anhalten und gemeinsam überlegen wohin die Reise geht. Stellen wir die Weichen aber nicht um, gibt es weder ein Ziel noch einen Weg, sonder nur noch eine Betonwand.

klaus baum 20. August 2009 um 15:31  

ich verstehe mich übrigens auch nicht als politisch. was seit langem hierzulande abgeht, beleidigt mein denkvermögen und mein mühevoll erarbeitetes wissen über notwendige ethische maximen, ohne die es kein humanes, befriedetes zusammenleben geben kann. über das, was adorno in der minima moralia richtiges leben nannte.

Jutta Rydzewski 20. August 2009 um 15:59  

Es ist immer wieder sehr beeindruckend und auch wohltuend, lieber Herr De Lapuente, wie Sie tief in sich hineinschauen lassen und in der Folge Ihren Frust, Ihre Wut, Ihren Zorn, aber auch Ihre Betroffenheit und Traurigkeit herausschrei(b)en. Ich möchte hoffen, dass es Ihnen danach, zumindest zeitweilig, etwas besser geht. Eine perfekte Welt, in der z.B. Gerechtigkeit durch gerechte(re) Teilhabe herrscht, wird es nie geben, sie steht in der Tat nicht auf dem Spielplan des Menschheitstheaters. Schon mit dem offenen bzw. öffentlichen Eintreten für (mehr) Gerechtigkeit, ist Hohn, Spott und Häme gesichert. Dann geht es los mit den Begriffsverunstaltungen bzw. -vergewaltigungen. Gutmensch grunzt es aus der einen, Sozialromatiker, oder spinnerter Moralist blökt es aus der anderen Ecke. Und das geschieht nicht nur an den berühmt, berüchtigten Stammtischen, sondern auf höchster politischer, aber auch journalistischer Ebene. Wenn diese Grunzer und Blöker dann ganz schlicht gefragt werden (was ich hin und wieder immer gerne tue), ob denn ein Bösmensch besser ist als ein Gutmensch, ein Unsozialromantiker angenehmer als ein Sozialromantiker, ein Unmoralist erträglicher als ein Moralist, der Gewaltkurs dem Kuschelkurs vorzuziehen sei, wird man/frau, statt einer Antwort, lediglich völlig verständnislos und entgeistert angestiert.

Was soll das eigentlich sein, politisches Denken? Bei tagesschau.de steht heute unter der Überschrift - Präsident Karsai verärgert die NATO - in der Einleitung zu dem anschließenden Artikel folgendes:

Vom Hoffnungsträger zum umstrittenen Amtsinhaber: Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist bei der NATO in Ungnade gefallen, weil er sich schützend vor Drogenbosse gestellt haben soll. Laut will im NATO-Hauptquartier in Brüssel aber niemand Kritik an dem Präsidenten üben. Der Grund: Es gibt keine Alternative zu ihm.

Ohne auf die NATO-Verbrechen mit großer, sogar immer größer werdender deutscher Mittäterschaft näher eingehen zu wollen, was soll daran politisches DENKEN sein? Es ist einfach unglaublich, was ein öffentlich-rechtlicher Sender so aus sich herausplumpsen lässt, und wie kritiklos die "Politik" dieser NATO-Verbrecherbande begleitet wird. Schon die zitierte Einleitung, erst recht der ganze Artikel, hat nichts mit politischem DENKEN zu tun, sondern ist eine politische und auch journalistische Bankrotterklärung. Diese Form politischer/journalistischer Offenbarungseide sind jedoch wahrlich nicht mehr die Ausnahme sondern mittlerweile die Regel. Eine derartige "politische Berichterstattung" ist bereits so normal, quasi Standard, dass sie schon gar nicht mehr auffällt.

Bevor ich mich jetzt auch noch in Rage schreibe, möchte ich mit Mark Twain abschließen, sofern ich seinen Rat noch richtig in Erinnerung habe: Trenne dich nicht von deinen Wünschen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben. Ich vermute mal, lieber Herr De Lapuente, damit können auch Sie gut leben.;-)

mfg
Jutta Rydzewski

Anonym 20. August 2009 um 16:57  

Es spricht mE nichts dagegen, insoweit sozusagen zweigleisig zu verfahren, also natürlich jeder Ungerechtigkeit im 'hier und jetzt' entgegenzutreten. Von einer anderen Warte aus betrachtet ist es aber eben so, dass gerade in der Sphäre der Politik diese 'Werte' notwendigerweise immer wieder unter den Hammer kommen müssen, also sozusagen marktwirtschaftlich meistbeitend versteigert werden.

Es mag nur eine Floskel sein, aber wo ist dieses HIER und JETZT?

Es ist doch schon parteilich und ungerecht, weil davon alle die nicht HIER und JETZT sind, ausgegrenzt werden. Sei es durch Problemverschiebung, die heutiger Konsum für die Zukunft brächte, sei es durch Benachteiligung der Aussstehenden. Ist das Hier! Deutschland? Leben wir dann in Saus und Braus auf Kosten anderer? Der Exportweltmeister als Europalohndumper windet sich so seit Jahren am Boden herum, bis der Export nicht mehr mitspielt.

Was ist mit diesem HIER! und JETZT! also gemeint? Würden wir das HIER! als Klasenschranke sehen, das HIER! als eine Mitgliederversammlung einer Netzwerkgesellschaft der oberen 1000?
Wo ist die Grenze für das Hier?

Genauso kann es nicht funktionieren, im Grunde kann es überhaupt nicht funktionieren. Denn das sagt auch Robertos Text: Irren ist menschlich, versagen und Fehler machen. An der jeweils eigenen gescheiterten Menschlichkeit scheitert die Gesellschaft!

Und genau das ist der Grund, der so klug in der Bibel beschrieben ist: Erst muss der Mensch sich selbst ändern, dann ändert sich die Gesellschaft. Anders funktioniert es nicht. (Das ist woran sich größtenteils der antireligiöse Frust heutiger Tage v.a. entzündet)

Leider haben sich alle Versuche einer Veränderung immer wieder nur darauf beschränkt, "die Anderen" zu verändern oder die Bedingungen so anzupassen, das "WIR" unter akzeptablen guten Bedingungen wirken können.
Dieses "Wir" steht für jede erdenkliche Interessengruppe einst und heute und könnte durch das moderne egozentrische "ICH" ersetzt oder ergänzt werden. Genauso durch Bundesland, Nation, Stadtstaat, gesellschaftliche Gruppe oder Kaste etc.
Wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte, teile und herrsche!

Wie sich die Grundlagen allen Mißerfolgs menschlicher Gesellschaft auf so einfache Formeln bringen lassen, ist immer wieder ernüchternd aber auch beruhigend, wie ich meine.

Peinhard 20. August 2009 um 17:53  

@Geheimrätin

Dank zurück. Aber ich bezweifle, dass dieser Schienstrang überhaupt wirklich über Weichen verfügt, die nicht nur auf Parallelstränge oder gleich nur auf Ausweichstücke führen. Ansonsten hätte ja der politische Ansatz einen Sinn.

Aber wir können immerhin versuchen, dem Zug in's Getriebe zu greifen, ihn langsamer zu machen, ihn zu sabotieren. Ziviler Ungehorsam, Dienst nur noch Vorschrift, Renitenz vor allem gegenüber Behörden und Konzernen. Das ist nicht wenig. Und kann sogar noch Spaß machen... ;)

Dazu noch ein Zitat aus Peter Hoegs 'Das stille Kind': 'Man kann einem Menschen vieles nehmen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Dann ist er frei'.

@Anonym 16:57

'Hier und Jetzt' umfasst für mich schon die Welt zum jetzigen Zeitpunkt. Ansonsten kann ich dir nur recht geben - natürlich fängt es immer mit einem selbst an - und das kann bzw wird kein leichter Weg werden. Und natürlich darf es kein rein technisch-theoretischer Weg sein. Ich schrob bereits hier:

Ohne eine gewisse Spiritualität, ohne Liebe und auch etwas so scheinbar vollkommen antiquiertes wie Demut kann es nicht gelingen. Dann baut man auch nur wieder irgendeine ’schöne Maschine’, in der Mensch und auch – nochmal scheinbar antiquiert – Schöpfung letztlich wieder keinen Platz haben. Das bedeutet aber auch wieder nicht, dass man unbedingt ‘religiös’ im gängigen Sinne sein müßte.

Bin ich schließlich auch nicht. ;)

Marlies 20. August 2009 um 18:57  

Aber das Private ist doch politisch!

Manul 21. August 2009 um 00:14  

Danke für diesen Text, der mir irgendwo aus dem Herzen gesprochen hat. Auch ich suche letztlich nur die Gerechtigkeit, staune immer wieder wie einfach die Mittel doch wären, um diese herzustellen, aber irgendwie tut es niemand. Und so versinkt die Welt in einer Hölle aus Gewalt, wo es eigentlich nur darum geht irgend jemandem zu unterdrücken, was wiederrum jegliche Autonomie im Keim erstickt und damit die gesellschaftlichen Selbstheilungskräfte, die jeder Verbund, in dem die Menschen leben, in sich trägt.

Aber da man auch mal träumen kann und es mit Musik immer mal ganz gut geht, ein schöner Song für alle, die von einer besseren Welt träumen:
http://www.youtube.com/watch?v=DLDU8J7A6MQ

rauskucker 21. August 2009 um 01:04  

Ich hatte eben beim Lesen deines Textes das gleiche Gefühl wie letztes Jahr, als ich "Planet der Habenichtse" von Ursula K.LeGuin las (seither mein Lieblingsbuch). Ein Gefühl, das mich jedesmal zum Weinen bringt, und das mit Sehnsucht, Hoffnung und gleichzeitig Verzweiflung zu tun hat.
Ich kann es schwer beschreiben. Die Idee, daß der Traum von einer guten (nicht perfekten!) Welt irgendwann, irgendwo kein Traum sein kann, sondern Wirklichkeit. Keine Utopie.
Das plötzliche Begreifen und Verstehen: es muß Alles nicht so sein. Daß es so ist, ist dadurch aber noch entsetzlicher.

Ich will es nicht beschwören, aber ich meine, in dem Buch war ein Absatz, der genau deinen Gedanken (Politik ist bei uns überflüssig, ist ein Ding aus schlimmen Zeiten) enthielt. Und da die beschriebene Welt eben nicht perfekt war (nicht sein kann), gab es auch dort Erscheinungen, die wir Politik nennen würden, die eben immer wieder entstehen, immer wieder neu behandelt werden müssen. Aber nicht so dringend wie hier und jetzt.

Frank Benedikt 21. August 2009 um 03:56  

Liebe Marlies,

genau das ist es ja. Darauf wies ich ja gestern auch hin und verlinkte Robertos feinen Artikel: http://hanniballektor.wordpress.com/2009/08/20/das-private-ist-das-politische/
Deshalb versuche ich ja auch neuerdings, "mein Privates" ein wenig öffentlich zu machen. "Exhibitionistisch" bin ich nämlich nicht veranlagt und habe lieber meine Ruhe ;-)

otti 21. August 2009 um 07:32  

Links schlägt das Herz, rechts die Gier.

Kein Wunder, dass der Anteil der FDP-Wähler, die einen Mindestlohn ablehnen, gerade bei den (Neo-)
Liberalen am höchsten ist.

Links heißt Mensch.
Rechts Unmensch.
Kapitalismus.
Ausbeutung!

endless.good.news 21. August 2009 um 07:47  

Ein sehr schöner Artikel. Ich kann das absolut nachvollziehe. Spricht man die Dinge so aus wie sie sind, wird häufig abgewiegelt. Als Argumente kommen, dass sind doch nur ein paar die Steuern hinterziehen oder ähnliches. Schaut man sich aber den Einfluss an die diese wenigen besitzten wird daraus wieder ein großes Problem. Zeigt man solche Sachen auf ist man neidisch oder Sozialist. Komisch finde ich am Ende immer nur drei Dinge.

1. Warum glauben die Menschen das die Reichtums (Machtverteilung) so sein muss wie sie ist. Gibt es keine besseren Methoden, bei denen es keine solche Machtkonzentration gibt?

2. Warum sind die Argumente von wirtschaftsliberalen Blogs, Artikeln, etc. meist so unglaublich kurz? Warum funktioniert Basta so ist es besser als Erklärungen und Argumente?

3. Der Dritte Punkt ist ganz einfach. Wir alle sollen neidisch sein, weil wir Reichtum nicht gönnen. Erst einmal ist mir das herzlich egal und zum anderen Frage ich mich wer gönnt denn dem armen Menschen seine Steuererleichterung nicht und will sie durch abstruse Reformen zerstören? Es gibt wahrscheinlich eine Neiddebatte in Deutschland aber wie bei den Schmarotzern sitzen sie auf der anderen Seite.

Auf jeden Fall ein super Artikel.

Anonym 21. August 2009 um 16:28  

Lieber Roberto J. de Lapuente,

du sprichst mir aus der Seele, den auch mir - als Nachdenkseiten-Leser - geht die Politik der neoliberalen Einheitspartei in Berlin am A... vorbei. Ich würde mich nicht einmal dafür interessieren, wenn ich nicht, manchmal zumindest, persönlich davon betroffen wäre. Das Problem ist, dass eben nichts unpolitisch ist, sondern nur als unpolitisch verkauft wird - der reinste Kulturimperialismus eben.

Ich seh schon harmlose Tiersendungen nicht mehr an. Der Grund? Schau mal rein, der reinste neoliberale Sozialdarwinismus - survival of the fittest.

Ich bin sicher, wüßte Darwin was heute mit seiner Theorie so getrieben wird, dann würde er sich im Grabe umdrehen ;-)

Ich habe übrigens den selben Gerechtigkeitssinn wie du, und mich nervt, dass unsere selbsterannten "Eliten" uns diesen nun neubegrifflich definieren wollen.

Vor 20 Jahren dachte ich nicht, dass wir mal in einem derart orwellschen Gemeinwesen leben, da PolitikerInnen damals die Bevölkerung nicht "reformieren" wollten, mit Wortverdrehungen und auf Teufel komm raus.

Wie schon gesagt, ich bin selbst auch unpolitisch, aber mich nervt, dass uns die neuen Bevormunder, und Marionetten der Großindustrie und der Banken, auch PolitikerInnen genannt, uns in ALLEN Lebensbereichen reinregieren wollen - sogar in die intimsten hinein, wie Hartz IV beweist.

Ohne davon betroffen zu sein, sollte man ahnen wohin die Reise geht. Ich hab da übrigens meine eigene Theorie, die Residenzpflicht z.B. gab es zuerst für völlig wehrlose Asylanten/-innen. Die soll es jetzt auch für Hartz IV empfänger geben, und wann gilt die für alle Unangepaßten - via Fußfessel?

Fazit: Politik gibt es in Deutschland eh nicht mehr, und wer etwas anderes behauptet, der hat keine Ahnung von heutigen Zuständen, wo z.B. ein Wirtschaftsminister - völlig unpolitisch - Gesetze für alle von Anwaltskanzleien schreiben läßt.

Wäre es noch Politik, dann wäre so etwas nicht möglich? Oder?

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 21. August 2009 um 16:30  

Noch was:

Hartz IV, und der Rest der Agenda 2010, waren die berühmten trojanischen Pferde wo man Zumutungen ausprobiert hat, die nun alle treffen sollen, und in Deutschland fällt dies - mangels Widerstandskultur - natürlich auf fruchtbaren Boden. Leider :-(

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 21. August 2009 um 16:35  

1. Warum glauben die Menschen das die Reichtums (Machtverteilung) so sein muss wie sie ist. Gibt es keine besseren Methoden, bei denen es keine solche Machtkonzentration gibt?

Das ist eine gute Frage. Dabei möchte ich annehmen, daß die Gesellschaft als solches eben nicht einer konkreten Kreation unterworfen ist, sondern einer Entwicklung unterworfen war, die einzelne Stützen der heutigen Gesellschaft nach und nach implementierte, was jeweils seine Folgen hatte und heute zu dem Gesamtbild verschmolzen ist, das wir so weit unser "Auge" reicht kennen.
Aus diesen Schemata auszubrechen, alleine nur in dem Punkt, daß das Geldsystem auf eine Alternative gestellt würde, hätte zur Folge das einmal geschaffene Machtstrukturen diese Veränderung bekämpfen werden. Das ist der Hemmschuh für Veränderung. Einmal erreichte Macht löst sich nicht selbst auf und nur diese Zentren der Macht könnten m.E. eine solche Veränderung überhaupt bewirken. Sei es z.B. ein neues Geldsystem einzuführen z.B. ohne Zins. Da werden die Mächtigsten Staaten und Kapitalisten alle Mittel gegen einsetzen und dem Bürger, der die Zusammenhänge nicht durchschaut beeinflussen und andere, die den Blick für diese Dinge haben, werden zu Zaungästen degradiert oder kämpfen für ihren eigenen Vorteil in einem solchen Prozess. Das heißt: Jede Neuerung ist immer die Neuerung, die bestehende Machtverhältnisse nicht grundsätzlich verändert und daher ist Erhalt so gut wie Wandel ein und dasselbe.

Anonym 21. August 2009 um 16:36  

2. Warum sind die Argumente von wirtschaftsliberalen Blogs, Artikeln, etc. meist so unglaublich kurz? Warum funktioniert Basta so ist es besser als Erklärungen und Argumente?

Die vereinfachte Darstellung der Dinge wird gerne auf die Religionen allein geschoben. Tatsache ist allerdings, das der Mensch ein einfaches Weltbild begrüßt, weil es Stabilität mit sich bringt. Eine feste vorgegebene Struktur im Kopf, wie die Dinge sind und wie sie sein werden ermöglicht Handlungssicherheit. Das ist in jedem Menschen verankert, bei dem einen stärker, dem anderen weniger, aber grundsätzlich ist die Tendenz Beständigkeit zu wünschen und schaffen zu wollen immer vorhanden. Nur sehr wenigen gelingt die Dinge zu revoltieren durch ganz neue Blickrichtungen. Nicht umsonst wird gern davon gesprochen, daß es oft fachfremde oder Neulinge eines Fachgebietes sind, die Veränderungen im Fachbereich hervorbringen. Oft ist es auch nur der Zufall, der dies bewirkt und somit sich neue Erkenntniss nur durch Glück aufdrängelt und sich oft noch gegen die bestehende Lehrmeinung durchsetzen muss. Die Muster im Denken entfalten diesen Fallstrick in allen Bereichen unseres Lebens. Wir vereinfachen gerne, weil vereinfachen ein Überebensprinzip ist. Es ist die Konzentration auf
Wesentliches um sich selbst das Fortkommen zu sichern.
Hinzu kommt die Wortgewalt jener Kräfte, die eine offene Diskussion und eine Erziehung zur allgemeinen Reflektion aus Eigeninteresse ablehnen. Denn wenn Volkssport das Hinterfragen wäre, hätte der Verwertungsprozess des Individuums Hindernisse zu überwinden, die er Präventiv abwehren kann, wenn diese Art des Denkens untergraben wird. Wer sich entschließt, wie viele Leser dieses Blogs vielleicht, sich dem Resultat der Beobachtungen nicht zu entziehen , der muss mit Handlungseinschränkenden Folgen leben. Diesen Preis ist nicht jeder bereit zu zahlen. Wer geht noch gerne arbeiten, wenn er nicht mehr glauben kann, das er damit etwas positives Bewirkt? Wer will noch etwas in der Gesellschaft erreichen, die er für so falsch hält? Bei Menschen, die die Karotte des Systems, die den Menschen antreibt kritisieren, verbleibt eine indivivuell mehr oder weniger schwerwiegende Blockade sich über die Kritik hinaus einzubringen.
So verharren viele Menschen vor der Erkenntniss lieber in Unwissenheit und fürchten ihr Weltbild zu verlieren, wenn sie davon kosten.
Dazu kommt vielleicht auch die hündische Unreife, die seit vielen Jahren um sich greift. Brot und Spiele heißt nichts anderes, daß Menschen in ihrer Entwicklung auf einer Vorstufe hängen bleiben sollen und sich um Spass kümmern, während andere die Dinge nach ihrem Gutdünken regeln.

Anonym 21. August 2009 um 17:22  

Vor etwas längerem las ich übrigens mal einen Text, dass es tatsächlich nichts unpolitisches mehr in Deutschland gibt:

"[...]"Gerade das vermeintlich Unpolitische ist in höchstem Grade politisch"

Reinhard Jellen 02.01.2008

Interview mit dem Soziologen Bernd Hamm über die zunehmende Ideologisierung der Medien
[...]"

Quelle und kompletter Text:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26857/1.html

Hier habe ich übrigens auch den Begriff es "Kulturimperialismus" abgekupert, und hier geht es darum, dass es keinen Bereich in der Gesellschaft mehr gibt den man "unpolitisch" nennen könnte, da überall hineinregiert wird ;-) :-(

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 21. August 2009 um 19:36  

Man kann Politik nicht allein den Politikern und Fachleuten überlassen.
Das funktioniert nicht und dafür ist Demokratie nicht gemacht.

Auch wenn man sich dafür nicht interessiert oder nur am Rande, muß man sich dennoch einmischen.
Politik beherrscht unser ganzes Leben, dem kann sich keiner entziehen.


Der Eurohasenbär, SZ-Leserforum

Anonym 21. August 2009 um 19:36  

Wie privat und politisch zusammen passen hat heute die Berliner Zeitung berichtet.

Überschrift:

"Firmen spähen Bewerber online aus"

...der entscheidende Satz:

"[...]Besonders kritisch bewerten es Arbeitgeber, wenn sich Bewerber im Internet abfällig über ihre gegenwärtige oder vergangene Jobsituation äußern. 76 Prozent gaben an, dies wirke sich negativ auf ihr Bild vom Kandidaten aus.[...]"

Quelle und kompletter Text:

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/0821/seite1/0046/index.html

Fazit:

Macht man - politisch - seinen Unmut über die Zocker und die Wirtschaftskrise Luft, und ist so dumm dies im Internet unter richtigem Namen zu tun, dann kann man sich gleich von der Jobsuche verabschieden.

Stasi 2.0 eben....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Peter A. Weber 22. August 2009 um 01:52  

Lieber Roberto,

mit diesem Geständnis hast Du mir aus der Seele gesprochen, so dass man von einem Bruder im Geiste sprechen kann. Es ist für mich wohltuend, wenn ich feststellen kann, dass ich mit meinen Empfindungen und Erfahrungen doch nicht alleine da stehe!

Wenn ich meine Emotionen, Wut, persönliche Betroffenheit und Gegenwehr zeige und mir Menschen mit betont sachlicher, gelassener und unbeteiligter Note noch als Vorbild dargestellt werden, dann bin ich froh, dass ich so bin, wie ich bin: nämlich noch am Leben. Sollte ich einmal zum Gleichgültigen und Angepassten mutieren, dann sollte man den Sargdeckel über mir zufallen lassen.

romano 24. August 2009 um 10:50  

Danke für dieses Plädoyer für die Politik.
Ein Streich, der den Menschen gespielt wird, ist nämlich der, sie glauben zu machen, die Politik ist ein Drecksgeschäft, das am besten abgeschafft gehörte. Das ist das Innere der neoliberalen Ideologie. Darauf laufen die massiven Angriffe auf kleinen Fronten hinaus. Das Zermürben politischer Handlungsmöglichkeiten vor dem immer heller beleuchtenden Spiegel des Freiheitsmarktes. Wie eine Flurbereinigung wird der freie Markt immerzu in die undurchsichtigen Gänge der politischen Apparatur eingespielt, wie ein verstopftes Betriebssystem, dem das Cleaningtool angeboten wird, das einen haufen üll verspricht, das per Knopfdruck löscht, Freiräume schafft, Agilität ermöglicht, Fluidität erträumen lässt. Nach dem Cleaning ist der Mensch frei wie vor dem Brottresen. Semmel oder Kornspitz, so kann er sich im flurbereinigten Marktleben sein ganzes Leben gestalten. Ein Ich mit gigantischem Gestaltungspotential ist er geworden, der Marktmensch.
Die größte Ungerechtigkeit ist denn auch in den inhibitorischen Regeln der Politik zu sehen. Inhibtion ist bei den meisten Menschen aber nur durch Ungerechtigkeit verursacht, die gerade durch inhibitorische politisch erzeugte Regeln gemildert werden könnte, Regeln, die die Ungerechtigkeit inhibieren. Stattdessen wird alles verdreht. Die Inhibierung der Ungerechtigkeit wird als Inhibierung der Gerechtigkeit verkauft. Ungerechtigkeit erzeugende politische Arrangements werden in massiver Präsenz in den öffentlichen Reden als Heil gepriesen. Und es braucht scheinbar einen enormen Kraftakt, eine extrem stark abgeschlossene, unbelehrbare und teilweise aggressive, repressive Denkweise, dies immerzu und in aller Irre zu wiederholen. Die Repression hat aber ihre Wirkung: die Repressierten übernehmen die Logik der Repression. Sie wünschen sie sich. Sie wählen Schwarz-gelb. Antipolitik und Nachtwächterstaat.
Der Politik abschören heißt, der Gerechtigkeit abschören, heißt der Ungerechtigkeit huldigen, heißt die Logik der apolitisch Herrschenden verinnerlicht zu haben und an der eigenen Unterdrückung unter Argumentationsanstrengung mitzuarbeiten, zu folgen, so zu sein, wie es die Herrschenden gerne hätten, sich nämlich um Gerechtigkeit nicht zu scheren und sich auf die eigene Leistungsbilanz im Marktgeschehen einzubunkern, nicht sehen zu wollen, dass dort das Startkapital und das Glück die Parameter des Erfolgs sind, nicht sehen zu wollen, dass nicht die Marktverhaltensweisen die einzig legitimen der Menschen sind, dass nicht die Marktkonformen intersubjektiven Institutionen und Regeln die einzig legitimen sind, dass der Mensch in Freiheit keine Sachzwänge im sozialen Leben zu fürchten braucht, für die er sich nicht auch selbst entscheiden kann.

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