Intakter Pluralismus

Montag, 31. August 2009

Mit den Landtagswahlen des Wochenendes scheint der Pluralismus nun endgültig die Sitzordnung in Landtagen und Senaten vorzugeben. Kaum ein Landesparlament, in dem nicht mindestens vier Fraktionen lungern - oft sind es gar fünf oder sechs, die dort ihrem Geschäft und den Geschäften ihrer Finanzgeber nachgehen. Natürlich ärgern sich darüber viele lupenreine Demokraten, weil die unkomplizierte Drei- oder Vier-Parteien-Übersicht perdu ist, man am Wahlabend nicht mehr zu Bett gehen könne, ohne zu wissen, welcher Landesvater wohlig in den Schlaf summt. Wenn Demokratie umfangreich wird, dann wird sie zum Ballast. Der zeitgemäße Demokrat, der seine Demokratie als einstudierten Ritus zelebriert, sehnt sich nach einer starken Hand, die ein Heer an Fraktionen unnötig machen würde.

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De omnibus dubitandum

Bei der Landtagswahl im Saarland wählten...

  • ... 32,4 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 22,9 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 16,3 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 14,1 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
  • ... 6,1 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 3,9 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
Eine Koalition aus SPD, LINKE und Grünen hätte damit einen Rückhalt von 34,3 Prozent aller Wahlberechtigten. Eine Große Koalition könnte 39,2 Prozent aller Wahlberechtigen auf sich vereinen.


Bei der Landtagswahl in Thüringen wählten...
  • ... 43,8 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 17,2 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 15,1 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
  • ... 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 4,2 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 3,4 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 2,4 Prozent aller Wahlberechtigten die NPD.
  • ... 2,1 Prozent aller Wahlberechtigten die Freien Wähler.
Eine rot-rote Koalition würde auf einer Wahlgrundlage von 25,3 Prozent aller wahlberechtigen Thüringer basieren. Gäbe es eine Nichtwähler-Fraktion in diesem Landtag, wäre der Block mit den leeren Stühlen mit Abstand der größte.


Bei der Landtagswahl in Sachsen wählten...
  • ... 47,8 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 20,6 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 10,5 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
  • ... 5,3 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 5,1 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 3,3 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 2,9 Prozent aller Wahlberechtigten die NPD.
Die wahrscheinliche schwarz-gelbe Koalition, souverän gewählt, hat lediglich einen Rückhalt von 25,7 Prozent aller Wahlberechtigen in Sachsen. Eine Große Koalition stünde nur unwesentlich "souveräner" da, würde lediglich um 0,2 Prozentpunkte höher liegen.

Hättest du nur Teitelbaum ermordet...

Samstag, 29. August 2009

Wenn er nur Goldstein geheißen hätte, oder Weizman oder Teitelbaum. Dann wäre der Fall schon lange abgeschlossen. Aber Buback! Einen Fall Buback kann man nicht einfach ad acta legen. Ein Buback hat Anrecht darauf, nie vergessen zu werden! Es darf nie wieder, nie wieder geschehen!

Hätte er sich nur Oury Jalloh genannt, wäre versehentlich in Polizeigewahrsam verbrannt, oder hätte er in Asylbewerberheimen geglüht oder damals in Mölln und Solingen gelitten. Heute wäre er vergessen, heute wäre er weit, ganz weit unter den Teppich deutscher Nachteilungsgeschichte geschoben. Aber Buback! So einen hymnischen Namen vergisst man nicht, da bleibt man ermittelnd immer am Ball.

Einen Ohnesorg kriminalisiert man, einen Dutschke macht man zum Extremisten. Die haben nur ihr Fett weggekriegt, weil sie frech die Straßen belagerten und einen Dreck auf die Staatsmacht gaben. Aber ein Buback, der faire Prozesse für Terroristen für eine Fahrlässigkeit der Demokratie hielt, der Linke kriminalisieren, abhören, isolieren, weiß foltern, verfolgen, aus ihren Arbeitsverhältnissen werfen ließ, an diesen Mann mit jenem Namen, der wie eine Maschinengewehrsalve klingt, wie ein Buback ...back ...back ...back, erinnert man sich noch heute liebevoll und voller Hochachtung.

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De dicto

Donnerstag, 27. August 2009

"Angela Merkel hatte entschieden, einen führenden Bankier unseres Landes ins Kanzleramt einzuladen...
[...]
Ein Blick über die Grenze zeigt: Eine solche Diskussion wie in diesen Tagen in Deutschland wäre in keinem anderen demokratischen Nachbarland vorstellbar."
- BILD-Zeitung, Béla Anda am 27. August 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Da könnte Anda recht haben, es könnte zutreffen, dass in Nachbarstaaten nicht diskutiert, sondern gleich randaliert, gleich gegen die Staatsmacht vorgegangen würde. Man beachte hierbei Andas Wink mit dem Zaunpfahl: unsere demokratischen Nachbarländer. Demokratisch! Als wäre die Diskussion um das große Fressen dieser illustren Runde eine undemokratische, als wäre es der Demokratie schädlich, wenn man sich fragt, warum ein Bankier eine Geburtstagsparty auf Staatskosten erhalten muß. Als dürfe man davon nicht sprechen, wer alles geladen war; als dürfe man also nicht darüber sprechen, wie Politik, Wirtschaft, Medien und "Kulturbetrieb" (der Patron der Altherrenwitzigkeit Frank Elstner war auch zugegen) verschmolzen sind; als dürfe man vorallem nicht davon sprechen, dass Springer auch vertreten war - sogar doppelköpfig wie man hört (Friede Springer und Mathias Döpfner).

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Nomen non est omen

Mittwoch, 26. August 2009

Heute: "Jobcenter"
"Die Zusammenarbeit von Stadt und Arbeitsagentur in der Arbeitsgemeinschaft Jobcenter, kurz ARGE genannt, funktioniert. Sie funktioniert so gut, dass es gelungen ist, die Arbeitslosenquote bei den unter 25-Jährigen auf 3,6 Prozent zu drücken."
- Mitteilung von Stadtrat Joachim Horner aus der Gemeinderatsfraktion der SPD Mannheim vom 9. Februar 2009 -
Die Bezeichnungen des sogenannten "Jobcenters", der "Arbeitsgemeinschaft" (ARGE) oder auch der "Agentur für Arbeit" sind klassische Euphemismen. Das zu deutsch "Zentrum für Arbeit" suggeriert eine Institution, in der es Lohnarbeit zu verteilen gäbe. Quasi ein Hort der Arbeit für Arbeitssuchende. In Wahrheit wird Arbeitslosigkeit, werden die Arbeitslosen verwaltet, schikaniert und herumgestoßen. Das gleiche gilt für die "Agentur für Arbeit". Dieses Marketing-BWL-Neusprech soll dem Arbeitslosen klar machen, dass dort vermittelt und nicht verwaltet wird.

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Drastische Worte: ein Nachtrag

Dienstag, 25. August 2009

Ist das Aufgreifen drastischer Worte zielführend? Bringt eine drastische Ausdrucksweise, unter die Gürtellinie gehende Fäkalsprache, Unterdrückte weiter?

Wenn man Scheiße nicht mehr Scheiße nennen darf, weil man in aller Sachlichkeit auf Sachlichkeit pocht, dann verliert sie ihren charakteristischen Gestank. Aus der Scheiße werden Nahrungsrückstände, werden wohlklingende Termini vielerlei Art, die den Dreck nicht beim Namen aufgreifen. Dann klingt das Beschriebene fast melodiös, ein wenig erhaben, werden die olfaktorischen Zumutungen getilgt. Die Nasenklammer kann in die Schublade gepackt, die Nase muß sich nicht mehr zugehalten werden. Man kann bedenkenlos atmen, kann tief Luft holen, kann Geruchloses in die Lungen saugen.

So läßt sich sachlich über Nahrungsrückstände diskutieren, deren Gerüche finden aber im Gespräch nicht mehr statt. Wohlklingendes riecht nicht. Man spricht über Beschriebenes, zersetzt aber dabei die Charakteristika, kehrt sie unter den Teppich, man stülpt dem Kothaufen eine Käseglocke über, damit er nicht duftet. Nach und nach vergisst man, dass Scheiße stinkt. Man spricht über sie, man macht sie zum Sujet, man behandelt sie thematisch, analysiert sie, aber man erfasst sie nicht als Ganzes, weil der Gestank nicht besprochen wird, weil er nicht Sujet ist, weil er thematisch nicht behandelt wird, weil er in der Analyse nicht müffelt. Man behandelt die Sache zwar in der Diskussion, setzt sich mit der Sache folglich auseinander, macht so, als sei man bei der Sache, steckt sachlich im Disput. Aber in Wirklichkeit bleibt die Sache reduziert, entbehrt um den eigenen natürlichen Charakter; man ist der Sache nicht vollends gewachsen, kann sie nur teilweise begreifen, wird halb-sachlich, viertel-sachlich, un-sachlich: weil die Sache nicht in ihrer Gesamtheit erfasst wird.

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Das Privileg der Unterdrückten, drastische Worte zu finden

Montag, 24. August 2009

Im Rahmen eines 3sat-Thementages luden Elke Heidenreich und Dietmar Schönherr zu einem Rückblick in die 1970er-Jahre ein. Die Sendung war zwar aufgezeichnet, scheinbar schon ein Paar Jahre alt, passte aber dennoch vortrefflich ins Themenkonzept. Retrospektiv wurde das zu behandelnde Jahrzehnt mit Einspielern unterlegt, dazwischen hatten die beiden Moderatoren mal mehr mal weniger zu kommentieren. Auftritt der jungen Alice Schwarzer. Auf einem Podium sitzend rechtfertigt sie den oft rüden und drastischen Ton der Frauenbewegung. Unterdrückte, so argumentiert sie, hätten das Recht, ihrer Empörung mit drastischen Worten Nachdruck zu verleihen. Man dürfe dies Unterdrückten nicht streitig machen, denn der Schrei der Unterdrückten zeugt von selbsterteilter Würde. Rücksprung zum Moderatorenpaar. Schönherr mokiert sich. So könne man das nicht machen, das sei nicht korrekt. Er wisse, was Unterdrückung heiße, er habe es in Südamerika mit eigenen Augen gesehen, haben dort erfahren, wie sich wirkliche Unterdrückung abzeichnet. Man könne für Rechte kämpfen, auch für Emanzipation, aber nicht mit diesen Mitteln. Die junge Alice Schwarzer konnte ihm nichts entgegensetzen, sie konnte ja nicht in die Zukunft hineinwettern.

Möglicherweise bedarf es eines kurzen Exkurses. Alice Schwarzer. Sie erntete schon damals Kritik, weil sie den Befreiungskampf der Frauen vom Klassenkampf abtrennte. Aus ihrer Warte, mit Blick auf den real existierenden Sozialismus, bedacht auf die dortige Klassenkampf-Rhetorik vorallem, mag das sinnvoll gewesen sein. Im Osten schien zwar die Frau vom Manne emanzipiert, aber dem Staat war die Frau dennoch nur Arbeits- und Gebärmaschine. Doch darum ging es Schwarzer nie, sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn Frauen den Männerweg gegangen wären, einen Weg der gesellschaftlichen Anpassung, des Karrierismus, der Ellenbogenmentalität. Die Frau sollte sich nur vom Mann, nicht aber von staatlicher Allmacht emanzipieren. Und genau das war der Vorwurf vieler Linken an Schwarzer und die Ihren. Heute ist sie von diesen Vorwürfen erlöst; heute weiß man, dass Schwarzer zum Establishment dieses Landes gehört, relativ unkritisch geworden ist, eine banale Randerscheinung emanzipatorischer Wirkkraft darstellt. Für sie war es 2005 ausreichend, dass der neue Kanzlerkandidat der Union eine Gebärmutter besaß, eben eine Kandidatin kein Kandidat war. An Geschlechtsmerkmalen glaubte sie eine Veränderung in der bundesdeutschen Politik wahrzunehmen. Politische Inhalte - was soviel heißt wie: politische Inhaltslosigkeiten - der besagten Kandidatin waren ihr zweitrangig. So betrachtet war es jene unstreitbare Koryphäe der Frauenpower, die die Frau auf Gebärmutter reduzierte, ihre möglichen intellektuelle Fähigkeiten aber am Rande liegen ließ. Wenn man im Staatsapparat angekommen ist, wenn die Rolle der Aufrührerin zum Markenzeichen wurde, wenn man vom revoltierenden Ruf lebt und ihn kultiviert, hegt und pflegt, dort gießt, da düngt, dann wandelt sich die einstige Passion zum schauspielerischen Akt. Wie weit es mit dem "Befreiungskampf" gekommen ist, war vor einigen Jahren zu sehen, als eine Unterorganisation der Emma Prekärbeschäftigte suchte - die Vision der Befreiung wurde zur Realität der Unterdrückung anderer Gesellschaftsgruppen. Der Klassenkampf der gealterten Diven fand nun von Oben statt, aus den Unterdrückten wurden Unterdrücker.

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Der gute Wille

Sonntag, 23. August 2009

"Gratuliere, mein lieber Herr B., Ihr medizinisches Gutachten ist abgeschlossen. Und ich gratuliere, weil ich Ihnen einen positiven Befund mitteilen darf", säuselte der Sachbearbeiter mit hervortuender Scheißfreundlichkeitsfassade.
"Befund? Mich hat kein Arzt nicht gesehen. Wie kann es einen Befund meines Krankheitszustandes geben, wenn ich nie untersucht wurde", erwiderte B. ohne sich einer überflüssigen Fassade hingeben zu wollen.
"Nach Aktenlage steht auf dem Kopf des Gutachtens. Und weiter steht hier, Sie sind vollschichtig einsatzfähig, Einschränkungen gibt es keine, sind demnach für jede Arbeit zuteilbar", ratterte es wie einstudiert hervor. "Damit wäre Ihr Gesundheitszustand geklärt, nun wissen wir, dass wir Sie jeder Arbeit zuteilen können."
B. lächelte dämlich, schüttelte den Kopf, setzte zu einer Antwort an: "Ich habe nur ein Bein. Wie soll ich da vollschichtig arbeiten können? Wie soll ich jede erdenkliche Arbeit tun können? Steht in dem Gutachten überhaupt etwas von einer amputierten Extremität?"
"Hier steht, dass nach vorgelegten Unterlagen des Hausarztes begutachtet wurde. Nach medizinischer Begutachtung haben Sie beide Beine."
"Schauen Sie doch mal über Ihren Schreibtisch hinweg, machen Sie sich doch mal diese Mühe."
Scheu lugte der Sachbearbeiter über den Tisch, blinzelte dreimal ungläubig, steckte dann seine Nase wieder in Papier, griff sich einen Stift und notierte einige undefinierbare Worte auf ein seitlich liegendes Notizzettelchen.

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Sit venia verbo

"Es ist nicht genug, den Menschen ein Spezialfach zu lehren. Dadurch wird er zwar zu einer Art benutzbarer Maschine, aber nicht zu einer vollwertigen Persönlichkeit. Es kommt darauf an, dass er ein lebendiges Gefühl dafür bekommt, was zu erstreben wert ist. Er muß einen lebendigen Sinn dafür bekommen, was schön und was moralisch gut ist. Sonst gleicht er mit seiner spezialisierten Fachkenntnis mehr einem wohlabgerichteten Hund als einem harmonisch entwickelten Geschöpf."
- Albert Einstein -

Entlastet Hitler!

Samstag, 22. August 2009

Jener geschichtsträchtige Schuss, hallend in den Niederungen der Reichskanzlei, als der Führer seinem Leben einen letzten Paukenschlag schenkte, sich vergiftete und erschoss, weil er sich gleich Rasputin für schwer tötbar hielt, dieser wohl bekannteste Selbstmord jüngerer Geschichte, ist der Vermächtnis des Herrn an sein dann führerloses Volk. Der Krieg war zuende und die Bestie Hitler geboren, eine Bestie, die zum Alleinverantwortlichen taugte. Auch die Mitverantwortlichen, über die man in Nürnberg zu Gericht saß, hatten erkannt, dass es möglicherweise lebensrettend wäre, die Schuld in die Schuhe des Toten zu kippen. Und das deutsche Volk der Nachkriegszeit wusste es sowieso: Die Bonzen des Regimes waren schuld, vorallem dieser Österreicher, vorallem Hitler war der teuflische Kopf dieser Bande. „Wenn das der Führer wüsste“, hieß es in der Hitler-Zeit; nach dem Krieg war man sich sicher, er hat nicht nur alles gewusst, sondern alles in die Wege geleitet, das Gas selbst eingekauft, angeschlossen, aufgedreht und nachbestellt.

Dies ist nicht der Ort um Adolf Hitler zum Unschuldslamm zu küren. Unschuldig ist er ja gerade nicht. Aber die Bestie, die dem gigantischen Heer von Mitläufern, Mitwissern, Stillschweigern, Gutheißern, Antreibern ein Alibi lieferte, die ist er eben auch nicht. Wäre er seinerzeit mit Eichmann rattenlineal nach Südamerika geflüchtet, um dort irgendwo untertauchen zu können mit diesem „banalen Hanswursten“, wäre er dann Jahre später vom israelischen Geheimdienst entführt und vor Gericht gestellt worden: man hätte der Welt gezeigt, wie eine Bestie aussieht. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre ein verstockter, unsicherer Tölpel hinter Glas gesessen, jemand den man seine Komplexe von der Nasenspitze hätte ablesen können, der unfähig für soziale Kontakte und emotionale Reaktionen gewesen wäre. Die Bestie wäre entzaubert gewesen, die Bösartigkeit des Teufels dahingeschwunden. Man hätte sich fragen müssen, wie ein Drittes Reich entstehen konnte, mit einem solchen seelisch verkrüppelten Trottel an der Spitze; man hätte sich fragen müssen, ob an Hitlers fiktionaler Verteidigungsrede in Jerusalem, wonach er nur tat, was das Volk von ihm verlangte (jedenfalls der größte Teil des Volkes), nicht ein Fünkchen Wahrheit zu finden sei.

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Zu politisch?

Donnerstag, 20. August 2009

Ich und politisch? Ich ein politischer Mensch? Mit Verlaub, das ist Unsinn! Ich bekomme es ja immer wieder zu hören, dass ich ein sehr politischer Zeitgenosse sei, viele meiner alltäglichen Gesprächsthemen in ebendiese angebliche Richtung gleiten. Seien Sie doch nicht immer gleich so politisch! Sie sind mir zu politisch! Dabei bin ich es gar nicht - überhaupt nicht. Wenn mir jemand mit Parteigesülze kommt, das ja hierzulande als politisch an den Mann gebracht wird, wenn er seinen parteilichen Grabenkrieg in Gespräche bettet, dann bin ich gar nicht politisch inspiriert, gehe auf das Gerede auch gar nicht ein. Ich werde eher sauer, muß mich umdrehen und gehen, bevor sich was in mir umdreht und ich mich gehen lasse, mich hinreißen lasse, Nettigkeiten zu erdenken, die ich dem Parteisoldaten an den Schädel knalle.

Ich bin unpolitisch. Und das bekennend! Die Leute verwechseln da was, können nicht eins und eins zusammenzählen. Weil ich so unpolitisch bin, werde ich gezwungen, wie ein Politischer herumzulaufen. Ich bin politisch, weil ich unpolitisch bin. Dieses ganze Gequatsche über Wirtschaft und das dazugehörige Wachstum, Arbeitsplätze, Parteien und deren Visionen, die sowieso nie Realität werden, es sei denn, es handelt sich um düstere Visionen, denen immer Atem eingehaucht wird. Diese ganze unerträgliche Schwafelei! Kein Mensch kann das ertragen wollen, kein Mensch kann sich zwischen dem Herunterrattern von Worthülsen und parteilichen Parolen wohlfühlen, menschlich fühlen. Das was sich heute als Politik manifestiert ist weltfremde Wichtigtuerei, Bütteldienst für Wirtschaftsbarone. Soll ich also in politische Diskurse einsteigen, somit mitbütteln und deren eindimensionale Dialektik übernehmen? Soll ich etwa linke Sichtweisen über Wirtschaftswachstum vertreten, das heißt, Ansichten die von links her erklären wollen, wie man Wachstum erzielen und erweitern kann? Politik, egal von welcher Seite, spricht von Wachstum, Demographie und Schaffung von Arbeitsplätzen - ich halte das meiste davon für unwesentliches Geschwätz, für Alibilamentos, die an der Lebensrealität der meisten Menschen vorbeigehen. Innerhalb des politischen Diskurses will und kann ich mich nicht bewegen - ich bin eben unpolitisch.

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Allein wie eine Mutterseele

Mittwoch, 19. August 2009

Ein Gastbeitrag des Kreisler-Begeisterten Seldon.

Vor einigen Tagen hat Roberto einen Text von Georg Kreisler veröffentlicht. Das hat mich sehr gefreut, denn ich glaube nicht, dass er allzu vielen noch ein Begriff ist. Und das ist schade. Wie kaum ein anderer Kabarettist und Liedermacher versteht es Kreisler nämlich, politische, soziale, kulturelle Erscheinungen nicht nur bissig zu kommentieren, sondern sie zu analysieren, auf den Punkt zu bringen, und das mit einer Sprachgewandtheit und einem Witz die ihresgleichen suchen.

Kreisler ist mittlerweile 87 Jahre alt und seit über 50 Jahren tätig: als Musiker, Komponist, Sänger, Dramaturg, Regisseur, Schriftsteller. Als Wiener Jude mußte er in der Nazi-Zeit in die USA emigrieren, wo er für den Film Musik schrieb und spielte (seine Klavier spielenden Hände "doubelten" mal die Hände Chaplins). Wer sich näher mit seinem Leben befassen möchte, findet in seinen Büchern oder folgenden Webpräsenzen sicher genug Stoff. Was Kreisler so einzigartig macht, ist die Mischung aus bitterbösen, makaberen Humor, einem Sarkasmus der weh tun soll, einem gerechten Zorn und einer poetischen Kraft, einer Feinfühligkeit, einer Verletzlichkeit, die Kreislers Lieder so unter die Haut gehen lassen.

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De dicto

Dienstag, 18. August 2009

"Sänger Jan Delay (32) macht super Musik, redet aber Blech! Er hat Verständnis für Kriminelle, die Autos anzünden. „Jeder braucht wohl sein Ventil und muss mal Druck ablassen. Für 50 Prozent der Leute ist es Entertainment und für die anderen wirkliche Agitation“, sagte der Hip-Hop-Musiker aus Hamburg „welt.de“.

BILD meint: Gewalt gegen Menschen fängt mit Gewalt gegen Sachen an!"
- BILD-Zeitung, Verlierer des Tages vom 17. August 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Bloß nicht verstehen, bloß nicht begreifen wollen! Wer versucht die Ursachen für Gewaltakte frustrierter Menschen, das Verhalten gewalttätiger Jugendlicher zu ergründen, der verbrüdert sich aus Sicht der BILD mit den Gewalttätigen selbst. Dem geht es nicht um Erkenntnis, dem geht es um Legitimation. Wer darlegt, weshalb Menschen derart die Schnauze voll haben könnten, so sehr, dass sie sogar dazu übergehen, ihre Aggressionen an Gegenständen abzureagieren, der macht den Akt der Vernichtung erklärbar, der entweiht ihn der reinen Boshaftigkeit, macht ihn verständlich.

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Wer behindert, wird verbehindert

Montag, 17. August 2009

Es mag ja noch nicht der Regelfall sein, doch zeigt jener (Einzel-)Fall, in dem man eine Erwerbslose nach Aktenlage für geistig behindert erklärte, das ganze Menschenbild derer auf, die sich je für jene Reformen der Menschenverachtung einsetzten. Es ist genauer besehen auch gar kein Menschenbild, dem hier hörig und pflichtversessen gefolgt wird, es ist ein Gegenstandsbild, denn der Mensch wurde getilgt, ausgemerzt, weil er unkalkulierbar ist, weil er fehlerhaft sein kann. Er wird zum nummerierten Gegenstand, ein Objekt behördlicher Begierde. Die Person erhält eine behördliche Kundennummer, ist dabei soviel Kunde wie Wellensittich - wobei letzterer ein Lebewesen wäre und keine nummerierte Karteileiche, die zufällig auch in einem menschlichen Körper schlummert -, wird nurmehr als Anreihung von Zahlen wahrgenommen, wird schlicht zu Papier, zu Karton, zur Karteikarte. Der Mensch wird zur Aktenlage, wird nach Aktenlage bewertet, nach Aktenlage kategorisiert, nach Aktenlage fallengelassen. Er ist zur Nummer heruntergesetzt, ist zum Objekt verschiedenster Verwaltungsakte verwandelt, zur toten Materie aus Druckerschwärze und Papier.

Das für sich wäre schon tragisch, aber was nebenher aus dieser toten Materie gemacht wird, nämlich eine genetische Fehlkonstellation, ist um Längen schlimmer, auch gefährlicher. Soziale Hemmnisse, gesellschaftliche Barrieren, wenn beispielsweise fehlende Arbeitsplätze uminterpretiert werden, folglich aus äußeren Einflüssen innere werden, wenn die Tatsache, seit Jahren keinen Arbeitsplatz zu finden, zu einer genetischen Ursache umgedeutet wird, dann bewegt man sich in den höchsten Sphären des Sozialrassismus. Unfähigkeit, Pech, falsche soziale Herkunft, lange Arbeitslosigkeit: all das sind sozio-ökonomische Wurzeln, die bestimmte Umstände beeinflussen und manifestieren. Diktaturen neigten häufig dazu, jemanden der zu viele solcher schlechten Einflüsse auf sich vereinte, zu pathologisieren. Dann war er kein Pechvogel, sondern ein Geistesgestörter. Die Herren dieser Gesellschaft sind stolz darauf, einem Staat vorzustehen, der keine Diktatur ist: Deswegen ist bei uns auch niemand geistesgestört, deswegen sind unpassende Charaktere geistig behindert - an den Worten werden sie gemessen.

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Vom Mischen der Farben

Samstag, 15. August 2009

Dass die deutsche Sozialdemokratie ebenso unschuldig ist an einer inhumanen, militaristischen und weltfremden Politik wie Deutschlands unierte Christen, ist an allen bundesrepublikanischen Stammtischen klar analysiert und ausgewertet worden. Beide Fraktionen tragen keine Schuld, beide Fraktionen sind partnerschaftlich gehemmt. Nur daran lag und liegt es. Wie herrlich wäre deutsche Politik, müßte die Union nicht auf die SPD oder die SPD nicht auf die Union achten! Was aber seit Jahren aus dem Darmbereich der Gesetzgebung bläht, sind Kompromisse, die niemand nützen, sind nichts Halbes und nichts Ganzes. Und ethisch ist es schon dreimal nicht. Aber beide Parteien können dafür nichts - die Koalition trägt Schuld daran. Die Koalition, dieser in Zahlen gegossene Wille des Wählers, muß als Schuldiger herhalten. Denn hemmte die SPD die Union nicht, würde die Union nicht der SPD ins Handwerk pfuschen, dann wäre alles besser und gerechter und in Sonnenschein gehüllt.

Die Koalition ist das Schutzbiotop regierender Parteien. Alleine wären sie geheiligte Einrichtungen, die ihre Visionen am Land abreagieren könnten - aber wenn sich die Bevölkerung noch einen manisch-repressiven Kandidaten ins Boot holt, dann zerfleischt man sich naturgemäß nun mal. Jedenfalls stellt man das in der Öffentlichkeit gerne so dar. Es wirkt professionell, wenn zwei Parteien so tun, als würden sie sich zwar grundlegend unterscheiden, aber dennoch zueinanderfinden, um dem Land zu dienen. Dieses Pathos verehren viele Menschen, das gibt der Politik einen idealistischen Anstrich, eine beinahe göttliche Aura. Dann ist Politik eben doch nicht das ungeliebte Handwerk herrschender Interessen, doch nicht Zurechtbiegeapparatur, in der herrschende Interessen zu angeblichen Interessen des Volkes gebogen und geklopft werden. Wenn zwei so unterschiedliche Kandidaten sich aus Vernunftgründen ehelichen, muß es sich um eine hehre Einrichtung handeln, um der Profanität enthobene Liebe am Nächsten, denn man verbindet sich unter Schmerzen mit dem Feind, um den Menschen dieses Landes dienlich zu sein. Wer so selbstlos handelt, der nährt Vertrauen und zerschlägt das eigentlich angebrachte Misstrauen.

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