Dem Ende entgegen

Donnerstag, 31. Dezember 2009

Das alte Jahr neigt sich dem Ende zu und es folgt ein nächstes, ein anderes, ein neues Jahr; dem Jahresende folgt kein Anfang, es folgen neue Enden. Das weitere Beenden von Solidarität, das Vollenden der Entsolidarisierung, das endgültige Ende von Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe, das Verenden von Humanität und Nachsicht.

Ein neues Jahr nimmt seinen Anfang und wir verabschieden uns vom zurückgelassenen, vom vergangenen, vom alten Jahr; dem Jahresanfang schritt kein Ende voran, es waren alte Anfänge die vorwegmarschierten. Der ehemals genommene Anfang von Entsolidarisierung, das lange schon angefangene Spiel von Entmenschlichung und verratener Nächstenliebe, das anfangs so erlesene Auftreten getöteten Gemeinsinns und erdolchter Fürsorglichkeit.

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Sich zu helfen wissen

Mittwoch, 30. Dezember 2009

oder: Bekenntnis eines Anständigen!

Ich kann mich nicht beklagen. Will mich nicht beklagen! Grund hätte ich ausreichend dazu, nur widerspricht das meinem Naturell. Und im kommenden Jahr wird eh alles besser. Ich bin optimistisch; ich glaube nicht daran, aber ich bin optimistisch - man hat optimistisch zu sein! Nein, ich beklage mich nicht. Ich habe Arbeit. Keine großzügig bezahlte Arbeit - aber Arbeit. Arbeitslohn, der gerade noch reicht, um nicht aufstocken zu müssen, um nicht aufstocken zu wollen. Ich könnte jammern, es gäbe genug Anlass - aber ich tue es nicht, ich tue optimistisch, bin optimistisch.

Oh ja, ich bin optimistisch, auch wenn ich, wie erwähnt, nicht an eine Besserung glaube. Trotzdem bin ich optimistisch. Ich blicke unverzagt ins neue Jahr, weil ich zuversichtlich bin, dass es vorangeht - auch wenn ich eigentlich nicht glaube, dass es vorangeht. Die Ritzen und Risse der brüchigen Fassade meines Zweifels, dichte ich mit angerührtem, wasserabweisenden Optimismus ab. Im nächsten Jahr wird angepackt, dann geht es aufwärts. Weiter aufwärts, weil ich Arbeit habe. Arbeit in einem kleinen Betrieb. Unser Geschäft, welches unserem Arbeitgeber gehört, brummt ordentlich. Überstunden in Hülle und Fülle. Und ausbezahlt werden die Überstunden auch - irgendwann, wenn der Chef flüssiger ist. Vom Lohn lebt man zwar nicht üppig, aber man lebt lebenswert. Es reicht aus. Vorallem jetzt, da ich zum Rauchen aufgehört habe, es eingestellt habe, einmal in der Woche ins Kino zu gehen, da ich meinem Leibgericht Rinderfilet abschwor. Es reicht aus. Man muß sich nur zu helfen wissen!

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De dicto

Montag, 28. Dezember 2009

"Unter uns leben potenzielle Mörder. (...) Flugpassagiere meckern gerne über den umständlichen Sicherheitscheck. Der „Nacktscanner“ wird nach vielerlei Protesten nicht eingesetzt. Aber mit seiner Hilfe kann am Körper befestigter Sprengstoff entdeckt werden."
- BILD-Zeitung, Hugo Müller-Vogg am 27. Dezember 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Um es nicht eindösen zu lassen, beschwört Müller-Vogg wiederholt jene Furcht, wonach unter uns, mittendrin im emsigen Geschäftstreiben dieser Gesellschaft, Mörder leben. Genauer: Potenzielle Mörder - Menschen, die möglicherweise, vermutlich, höchstwahrscheinlich, mutmaßlich und nach unscharfer Anwendung der Formel Pi mal Daumen, vielleicht, eventuell und gegebenenfalls zur Waffe, zum Bombengürtel (wahrscheinlich und womöglich), greifen könnten. Und weil in diesem Klima aus Wahrscheinlichkeiten und Mutmaßungen Aktionismus gefordert ist, stehen damit alle Bürger unter Generalverdacht, denn immerhin leben die (potenziellen) Mörder unter uns - und weil wir alle unter uns leben, leben wir alle potenziell mordend.

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Züchtig züchtend

Sonntag, 27. Dezember 2009

Seit geraumer Zeit sind alleinstehende Eliten und solche, die sich dafür halten (für elitär, nicht für alleinstehend!), via Fernsehen angesprochen, ihr Niveau in die Liebeswelt abzuspritzen. ElitePartner nennt sich die niveauvolle Reinzuchtanstalt, in der elitärem Samen versprochen wird, auf elitäre Eier zu treffen. Singles mit Niveau werden versprochen, Bilder von Dolmetschern, Juristen, Designern und Architekten präsentiert - hier gibt sich die Elite, das hohe Niveau, die unbegrenzte Kultiviertheit, die Klinke in die Hand.

Niveau, so wird schnell ersichtlich, bedeutet jenen kommerziellen Zuchtmeistern, einen bestimmten Füllgrad des Geldbeutels vorweisen zu können, durch üppig bezahlten Beruf zu einem halbwegs sorgenfreien Leben gelangt zu sein. Da solche Menschen, so macht es die Fernsehwerbung schmackhaft, wenig Zeit besäßen, beharrlich am Volltanken des Geldbeutels arbeiteten, nehme ihnen ElitePartner die aufreibende Partnersuche ab. Vorbei die Zeiten, in denen man zunächst selbst nachforschen mußte, wie es um das Niveau des Partners steht, um das Finanzniveau - drum prüfe wer sich ewig bindet, auf dass das Geld zum Gelde findet!

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Bekenntnis der unpolitischen Unterschicht

Samstag, 26. Dezember 2009

Mir geht es doch gut. Was kann ich mich denn beklagen? Welchen Grund hätte ich dazu? Ich bin zufrieden - geradeheraus: ich bin zufrieden! Mir geht es ja noch gut.

Ich habe eine zu kleine Wohnung, die mir jedoch bezahlt wird; bekomme einen unzureichenden Regelsatz, von dem immerhin knapp 1,30 Euro am Tag der Kultur zugeteilt sind; darf unter besseren Menschen leben, wenn ich auch von denen nicht geliebt werde; erhalte eine medizinische Grundversorgung, die zumindest palliativ, wenn schon nicht kurativ oder prophylaktisch ist; kann ohne Aufpreis Lebensmittel beziehen und tafeln; muß die Tageszeitung (die ab einem gewissen Niveau allerdings mehr kostet als die erwähnten 1,30 Euro für Kultur), in der über meinesgleichen hergezogen wird, nicht kaufen - niemand zwingt mich dazu; brauche mich nicht fürchten, dass mir Sanktionen bei Zuwiderhandlung sämtliche existenziellen Grundlagen rauben - man würgt nur in Prozentschritten; kann meine Meinung laut ausposaunen, auch wenn sie niemand interessiert und in Form eines Leserbriefes keinen Platz in einer Tageszeitung ergattert; manchmal finde ich überdies Arbeit, Hauptsache Arbeit, mache mich arbeitend frei, unregelmäßig zwar und ohne Anspruch auf Sozialstandards, meist nur temporär, oft auch durch spontane Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses beendet, wenn die Arbeit langsam zur Neige geht - aber immerhin, es war Arbeit.

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Poetische Unvereinbarkeitsbeschlüsse

Freitag, 25. Dezember 2009

Eine Rezension von Christian Klotz.

Roberto J. de Lapuente: Unzugehörig. Skizzen, Polemiken & Grotesken. Renneritz Verlag. Sandersdorf 2009.


Der Titel von Lapuentes kleiner Sammlung von Blogeinträgen, die sich seit 2008 zu Gott und seiner – von Menschen schlecht eingerichteten – Welt meldeten, ist Programm.
Die Wahl des "Unzugehörig" lässt offen, wer da spricht. Der Autor über sich und sein Selbstverständnis? Oder ein missvergnügter Leser, der gerade noch an einem „Unzuständig“ vorbeigeschrammt ist?

In nuce hat man damit auch schon das zentrale Merkmal und das poetologische Geheimnis seiner Texte. Sie schillern in ihrer Ironie zwischen dem sarkastischen Aufschrei eines existenziell-pathetisch formulierenden Thersites und der satirischen Selbstdemontage des faschisierten Alltagsbewusstseins, das seine Ruhe in der "eingezäunten Welt" haben möchte.
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Ridendo dicere verum

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte Euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch Eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bißchen durch die Straßen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
Macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen -
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
Denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht -
Weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt für’s Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit . . . .
Ach, du liebe Weihnachtszeit!
- Erich Kästner, "Weihnachtslied, chemisch gereinigt" -

In Ruhestellung

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Zuunterst, obgleich Kerzen glimmen, Tannenbäume schimmern, die ganze Erde juchzt und feiert, zuunterst, brütet selbst zum Liebesfest die Wut. Weihnacht ist und alle Welt tut so, als denke sie an die Gosse, an diejenigen, die im Rinnstein verwesen, die aus dem Raster gefallen sind, die nun in der Jauchegrube bemüht sind, ihren Scheißegeruch zu tilgen. Weihnacht ist und der Gosse wird gedacht, all der armen Kretins wird gedacht, die sich waschen und waschen und immer wieder waschen, nur um diesen penetranten Geruch nach Stuhl und Harn auszuradieren. Waschen waschen, um am Ende nie aus dem gestankspendenden Abfluß der Gesellschaft zu enteilen, um endgültig darin eingezogen und wohnhaft geworden zu sein.

Zwischen Stank und Brodem, tief drunten, zuunterst, ist es Weihnacht. Und einmal im Jahr, nur ein einziges Mal im Jahr, wird nicht dorthin geschissen und geschifft, wo der gesellschaftliche Menschenabfall döst. Wenn Weihnacht ist, wird aus dem Penner, dem Erwerbslosen, dem Ausländer, dem prekären Arbeitsnomaden ein Mensch - ganz kurzfristig und nur kurzzeitig, ein Mensch mit Antlitz. Er mag in Schwaden aus Abgasen und Abfällen leben, eine Bruchbude sein Heim nennen, monatlich, wöchentlich die Gosse vor den Hütern und Vermittlern der Drangsalsanstalten kennenlernen und einatmen - doch zur Weihnacht darf er sich, soll er sich Mensch rufen. Ein Mensch, den man anlächelt, dem man hilft, dem man Fressen in den Napf spuckt, mit dem man in einem wirren, irrationalen Moment der Leutseligkeit womöglich sogar an einem Tisch speisen würde. Ein richtiger, ein wahrer, ein menschlicher Mensch!

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Unverbindliches Naturgesetz

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Putzig sind sie, regelrecht goldig, wie sie sich seit einigen Tagen ereifern, wie sie wüten, ihre possierlichen Fäustchen gen Kopenhagen erheben, um der Bande dort bläuliche Augenringe anzudrohen. Herzallerliebst, wie sie der feilschenden und schachernden Meute Regeln und Gesetze abluchsen wollen, damit sie mit dem Umweltschutz, mit einem bewussteren Leben beginnen können. Ohne Regelwerk, bar jeglicher Diktate, fern von Statuten und Paragraphen, kommt der Bürger der westlichen Demokratien nicht von der Stelle.

Drollig, wie sie ihre Nasen aus Zeitungsartikeln erheben, nur um zu maulen, schimpfen, sich zu erbosen, den geostrategischen Kriegen jedoch jede Berechtigung gewähren, auf Grundlage von Öl Blut schürfen. Köstlich ist die Erregung, wenn sie sich überschwänglich wähnen, oben in Dänemark das Nest der Urheber entdeckt zu haben. Sie sind so reizend, wenn sie jeden kurzen Gang zur ausgiebigen Autofahrt krönen, mit dem umklammerten Lenkrad die Klima- und Naturvernichter scheltend, die Berserker am Galgen ihres Ingrimms aufknüpfend. Sie würden ja so gerne eine bessere Welt besitzen, aber wenn ihnen keiner eine bessere Welt verfügt, eine bessere Welt, die in Verträgen und Vorschriften festgehalten und herbeiverordnet wird, dann resignieren sie motzend und zeternd. Schwarz auf weiß will man es gedruckt haben! Ohne Papier und bürokratischem Gepräge, keine bessere Welt!

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In eigener Sache

Dienstag, 22. Dezember 2009

oder: es hat sich ausgebloggt!


Nun also, mitten in der Tristesse und Unzulänglichkeit dieser Welt, hat sich ein lange stiller, später leise geäußerter Traum erfüllt. Endlich halte ich ein Buch in Händen, von dessen Deckel nicht fremde Namen schimmern, sondern mein eigener, mein spanischer Name, De Lapuente, gedruckt ist. Ob er indes schimmert, wird sich herausstellen, noch, so möchte ich in aller Bescheidenheit feststellen, glänzt er lediglich matt. Möglich, dass ich in einiger Zeit ebenso bescheiden festhalten darf: Manchmal schimmerts, ganz zaghaft, ganz schüchtern, aber immerhin.

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Für mehr Eigeninitiative!

Sonntag, 20. Dezember 2009

Eigeninitiative ist eines jener Zauberworte der Bürgergesellschaft, die den schlanken Staat schmackhaft machen sollen. Der eigeninitiierte Gesellschaftsentwurf sieht vor, dass Menschen ehrenamtlich Tätigkeiten übernehmen, wo vorher vielleicht bezahlte Arbeitskräfte tätig waren. Mit Kelle und neongrellem Jäckchen ausgestattete Eltern, die vormals von der Kommune bezahlte Schülerlotsen oder patroullierende Polizeikräfte ersetzen, gelten wohl als berühmtestes Alltagsbeispiel dieser Form von neuer Gesellschaft. Was die Bürgergesellschaft dem Erwerbslosen als Eigenverantwortung und -initiative einimpft, wird an dieser Stelle absichtlich übergangen.

Kurz erklärt, eine Gesellschaft, in der Alltagszivilisten allerlei Aufgaben übernehmen, Verantwortung und Engagement zeigen, ist sicherlich nicht das Schlechteste aller Modelle. Nur wird es problematisch, wenn das kostenlose Engagement dazu missbraucht wird, andere Mitmenschen existenziell zu schaden, ihnen die Würgschraube des ökonomischen Zwangs anzupassen. Und vorallem wird es lächerlich, wenn Eigeninitiativen von größerem Maßstab gerichtlich, wenn nicht verboten, so doch erschwert werden. Nämlich solche, die den Einzelnen wirtschaftlich stärken, autonomer, selbstbewusster machen wollen, solche folglich, die bessere Arbeitsbedingungen und ein größeres Maß an Mitbestimmung und Teilhabe mit durchschlagenderen Mitteln erwirken.

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Zwischen den Zeilen

Samstag, 19. Dezember 2009

Der reichste Mann der Welt, sei der Meinung, er habe zu viel Geld, berichtet Deutschlands renommiertestes Revolverblatt dieser Tage. Mehr Steuern wolle er bezahlen, Milliardensummen spenden und gerade mal zwanzig Promille seines derzeitigen Vermögens an seine Erben überweisen. Gates noch?, fragt das Blatt daraufhin den reichen Bill spöttisch.

Eigentlich ist dieser Bericht, wenn er denn überhaupt als Bericht bezeichnet werden kann, kaum der Rede wert. Doch spiegelt sich darin die Dogmatik jener hier ungenannten Zeitung wider, wird die rhetorische Doktrin des Hauses blankgelegt. An den Worten kann man sie messen! Natürlich ist es unverkennbar, dass die Doktrin einen spöttischen Ton immer dann vorschreibt, wenn jemand sich für eine nachhaltige Erbschaftssteuer ausspricht, auch dann, wenn dieser Jemand seine "Besteuerung" selbst in die Hand nimmt, um die Erben nicht im grenzenlosen Reichtum zu ersticken. Aber darauf sollten diese Zeilen nicht hinauslaufen, denn dass jemand, der sein Vermögen von seinem Konto herunterschippt, für jene Gazette nicht mehr ganz bei Trost ist, versteht sich von selbst.

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Sit venia verbo

"Für Sarrazin wie seine Parteigänger aus allen Parteien sind Leistungsträger nicht Krankenpfleger und Kindergärtnerinnen, sondern Leute mit einem Jahresgehalt von hundert- bis fünfhunderttausend Euro netto, in sozial wertvollen Berufen wie dem des Investmentbankers und seines Insolvenzverwalters. Der bürgerliche Zwangscharakter nämlich verachtet noch als Greis, wundgelegen in seiner Scheiße, den Pfleger, der es zu nichts Besserem gebracht hat als zu seinem Wohltäter."
- Hermann L. Gremliza, Konkret, November 2009 -

Kriegstreiber!

Freitag, 18. Dezember 2009

Vaterlandsloser Geselle, hör endlich auf! Hast du wohl endlich genug! Vaterlandsloser Geselle, hör auf unseren Einsatz zu torpedieren, beende deinen Kriegseinsatz gegen unsere Friedensmission! Was du dir erlaubst ist eine Kriegserklärung, gerichtet an die Soldaten des Vaterlands, an die wackeren Burschen und Maiden, die unsere Farben in der Welt repräsentieren. Es ist genug, wir sind des Krieges leid, den du in Quartiere und Lazarette trägst. Wir können deine kriegerische Friedfertigkeit nicht mehr ertragen, die du auf Plakate kritzelst und durch Kundgebungen und mittels Feldzugsrhetorik anheizt.

Geselle, was du in unser Vaterland trägst ist der Krieg! Du bist Kriegstreiber, du bist, was du uns unterstellst. Wer spaltet denn die Nation? Wer fällt uns ins Kreuz? Öffentlich stellst du dich hin, redest von friedlichen Welten und erklärst nebenbei, im Vorbeigehen quasi, unseren Soldaten den Krieg. Du erklärst unserem Friedenspersonal dreist und verschlagen, einfach so mir nichts dir nichts den Krieg! Auf einer Schlachtplatte richtest du das Militär an, und all jene, die das Militär auch politisch stützen. Wer ist denn der Schlächter? Wer der kriegsgeile Feldherr? Du zeigst keine Verantwortung! Du bist Individualist, machst auf Friedenstaube, romantisierst von Pazifismus, während wir uns Individualität nicht leisten können. Die Verantwortung erlaubt sie uns nicht, Vaterlandsloser! Wir stehen für ein Kollektiv, für diese Nation, für jenes Land, in dem du leben darfst, das du aber mit deiner Kriegseloquenz hinterrücks meuchelst. Wir sind kollektiv dem Luxus der Individualität skeptisch gesinnt. Wir sind nichts, unser Land alles!

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Unterwanderte Arbeitswelt

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Da haben sich Horden von Angestellen des Öffentlichen Dienstes aber ein dolles Ding erlaubt! Jahrelang, womöglich sogar mehr als eine Dekade, haben sie sich verdoppeltes Kindergeld eingestrichen. Das sind Raubzüge, die man in dieser Republik bisher nur von Langzeitarbeitslosen kannte. Arbeitslose, salopp: Hartz IV-Empfänger, kannte man bis dato hierzulande als Abzocker, Betrüger, Hinterzieher und Schmarotzer. Als gefährliche und ruinöse Parasiten, die das tranige Mark des tattrig gewordenen Knochengestells dieses siechenden Sozialstaates aussaugen.

Vermutlich haben die sündigen Angestellten in ihrer Arbeitszeit mit solchen Parasiten zu tun gehabt, waren ihnen gegenübergesessen, haben deren Anträge angenommen, Absagen und Bescheide verteilt, Sanktionsdrohungen ausgestoßen. Ja, vermutlich, ist es da geschehen, im Alltag, beim Dienst am Schmarotzer. Schlagartig waren die besten Absichten dahin, die bürgerliche Bravheit abgelegt, die staatsbürgerlichen Bedenken verflogen und hat sich überdies an einem unbekannten Typus des Stockholm-Syndroms infiziert. Unvermittelt duzte man die räuberischen und auspressenden Praktiken der Hartz IV-Abzocker, solidarisierte sich mit deren Unwesen. Ein Öffentlicher Dienst, der fortwährend dem schlechten Einfluss unterworfen ist, muß letztlich unanständig werden, wird fast selbstverständlich in Abgebrühtheit und Arglistigkeit gestossen.

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Nomen non est omen

Heute: "Personenschaden/Antipersonenminen"
"Liebe Fahrgäste. Wegen eines Personenschadens verzögert sich die Weiterfahrt. Bitte haben Sie etwas Geduld."
- Ansage der Deutschen Bahn -

"Etwa 70 Prozent der heimtückischen Waffen (Antipersonenminen) treffen unschuldige Opfer."
- das Rote Kreuz zu Antipersonenminen -
Als "Personenschäden" werden getötete oder verletzte Menschen bezeichnet. Ob im Verkehr, auf dem Arbeitsplatz oder bei Bahn-Suiziden – der Begriff klammert den Menschen aus und macht ihn zu einer Sache. Ähnlich verhält es sich bei dem Terminus der "Antipersonenminen". Menschen, die von Minen verkrüppelt, entstellt oder getötet werden, sind semantisch "Antipersonen". Beide Begriffe verschweigen sprachlich den Bezug zum Menschen und versuchen rein funktionell zu wirken. Schließlich soll eine normative oder gar moralisch-negative Assoziation vermieden werden.

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Handwerkliches Geschick

Dienstag, 15. Dezember 2009

Ein verwirrter Mann! Natürlich, wer denn sonst außer ein verwirrter Mann? Welche normale, gesunde, denkende Person würde denn ansonsten Berlusconi ins Gesicht boxen? Für das italienische Medienregime ist damit alles im Reinen, alles ausgesprochen. Obzwar es demnach tragisch ist, wenn der wichtigste Mann des Staates seine symmetrische Miene einbüßt, aber warum daran stören, wieso sich an dieser unerfreulichen Bagatelle aufhängen, wenn es doch letztlich nur das Werk eines Kranken war? Und für die Gegner des lächelnden und sanften Tycoons ist damit auch alles abgehakt, denn der demokratischen Gesinnung steht es nicht besonders gut zu Gesichte, in eingedroschene Gesichter zu blicken und zu applaudieren. Aber ein Verrückter, mit dem kann man leben, da kann man abwinken, kann sich demokratisch damit arrangieren, muß sich nicht tausendfach dafür entschuldigen, sich rausreden, dass ein Oppositioneller, ein faustdicker Widersacher des Allmächtigen, ein Unzufriedener, ein Freund demokratischen Faustrechts ausgerastet ist.

Mit einem verwirrten Mann leben alle Seiten zufrieden. So war es immer, Überzeugungstäter gab es in Regimes nie. Attentäter waren immer krankhaft, irrsinnig, geistig ruiniert. Hier schlug ich rein, ich konnt' nicht anders, haben sie nie verkündet, ließen uns Regimesprachrohre wissen, sie brabbelten wirr, ich wollte einfach prügeln, irgendwen, einfach drauflos, ich wußte nicht mal, dass der Typ berühmt ist. Attentäter! Man muß aufpassen, nicht den Jargon der öffentlichen Berichterstattung zu übernehmen, diese nichtssagende Redeweise aus trockener, durchaus wohlwollender Toleranz, der jedes Faustargument wie einen undemokratischen Akt hinstellen will. Ach, ist es auch? Ein Demokrat boxt nicht? Sicher, eine pazifistische Grundhaltung ist des Demokraten Ehre, gar keine Frage. Aber als letztes Mittel, als allerletztes Mittel, sowieso in Notwehrsituationen, ist ein gewalttätiger Befreiungsakt bekömmlich und notwendig, ja entspricht nur der menschlichen Vernunft, ist damit kein Atavismus aus Höhlentagen mehr. Es war keine Notwehr? Unmittelbar sicher nicht, aber es käme schon darauf an, mit welcher Motivation gezüchtigt wurde, ob vielleicht die Gewaltschürung des Regimes gegen Studenten, Rumänen und Sinti und Roma ausschlaggebend war. Hätte der Irrgewordene einst die Knute des Regimes gespürt, es wäre mehr als Notwehr, es wäre ein Akt individuellen Widerstands.

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De auditu

Montag, 14. Dezember 2009

Dass Deutschland in Afghanistan Krieg führt, würde die deutsche Öffentlichkeit bereits wahrnehmen, nur bekennen will es die Bundesregierung nicht. Häufig hört man in diesen Wochen, dass die Regierung nun endlich den Mut aufbringen solle, den Einsatz der Bundeswehr zu adeln, indem man ihn als das bezeichnet, was er ist: nämlich ein Kriegseinsatz. Das gebiete nicht nur die Wahrheit, sondern auch der Respekt vor dem Engagement der deutschen Soldaten. Um den Hut auch mit terminologischen Flankenschutz ziehen zu können, sei es unabwendbar, das Kriegshandwerk deutscher Jungs im Mittleren Osten zu honorieren.

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Im Dreck

Sonntag, 13. Dezember 2009

In der Unterschicht, dort wo das karge Leben in fleckiger und dreckiger Blüte steht, wird das Dasein nicht zu knapp zur Kette. Eine Kette, die an der Existenz hält, die das Enteilen aus misslichen und betrüblichen Zuständen vorenthält. Das Leben wird zum bedrückenden Angekettetsein, zum Unverlassbaren - beharrlich liegt zuviel Dasein in der Luft, erschlägt einen die wuchtige Unabänderbarkeit der notdürftigen Existenz. Existieren als Bürde, nicht als Gnade. In der Unterschicht, wo das Leben brummt, brummt vor Sorge und Not, sich grämt vor Zukunftsangst und Unsicherheit, sich übergibt vor Druck und Ausgrenzung, dort ist Leben eine Serie ineinandergefügter Glieder, schier undurchtrennbar, stählern im Widerstand.

Ganz unten, in der Gosse, wo in maroden Wohnungen und engen Gemächern gehaust wird, wo selbst unbefristete Arbeitsverträge nicht länger als sechs Monate Geltung haben, wo Arbeitsvermittler zu alten Bekannten emporsteigen, entkommt man der Bürde des Atmens nicht. Die Gosse, heute mehr als Kloake, viel mehr als Mulde und Rinne. Sie zeigt sich in ruinierten Haushalten, in Wohnverhältnissen der untersten Sorte, in Lebensentwürfen, die niemand freiwillig für sich entworfen hat, die ihm jedoch entworfen wurden. In der Gosse, dort wo das Leben nach Angst stinkt, nach Hetze von denen, die Hochdruckreiniger als probates Mittel der Gossenspülung einzusetzen gedenken, wo Scheiße und Kotze gleich neben Erwerbslosen und Ausländern was gelten, in dieser Gosse wird zwar emsig gelebt aber sich simultan gegen die Fessel dieses Daseins kaum mehr aufgelehnt.

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Jeder für sich ein ganzes Schwein

Freitag, 11. Dezember 2009

Schatz, ich bitte dich, vergib mir. Ich weiß ja selbst nicht, wie es dazu kommen konnte, wie mir da geschah. Schatz, ich verstehe dich, ich kann es nachvollziehen, dass du die Scheidung willst. In so einem Moment ist man zu drastischen Schritten bereit, nur danach bereut man es dann. Komm, Schatz, laß mich dich ansehen, dreh' dein Köpfchen zu mir, ich will nur einen Blick drauf werfen. Ach Schatz, keine Angst, ich berühr' dich auch nicht. Mensch, ich lieb' dich doch. Versprochen, ich gucke mit den Augen, nicht mit den Fingern. Gut so, vernünftig von dir! Nein, da kann ich entwarnen, gebrochen ist wohl nichts. Aber ein blaues Auge könnte es werden, es ist ziemlich angeschwollen. Du solltest es kühlen.

Doch, ich begreife ja, dass du mir Vorwürfe machen mußt. Nur dass ich eine patriarchalische Drecksau bin, das lasse ich nicht gelten. Schatz, hör endlich auf mit diesem ewigen Feminismuskram! Das geht jetzt seit Jahren so, seitdem du diese verstockte und vertrocknete Alice aufgegabelt hast. Anfangs meinte ich noch, die meint das spaßig. Später habe ich erst bemerkt, dass es ihr todernst war mit ihrem Geschwafel. Und als ihr beiden angefangen habt, mich auf mein Machogehabe hin zu analysieren, da hat sich dieser traurige Faustschlag von eben bereits vorbereitet, in jenem Moment, der bereits einige Jährchen zurückliegt, lag bereits der Faustschlag parat. Als du dich dann mit Alice überworfen hast, hoffte ich ja, du würdest wieder zurückfinden in gemäßigtere Bahnen. Ich war ja immerhin kein Monster, habe dir alle Freiheiten gegeben, dir eigentlich keine Vorschriften gemacht, außer jene, die man sich eben als Ehepartner in idealistischer Ausformung gegenseitig auferlegt. Schatz, aber du hast nicht abgelassen. Immer weiter hast du meine angeblich so patriachalisch untermauerten Verhaltensformen bloßgelegt, hast mich dazu gedrängt, Frauen als eine Art gemächtlose Kopie von Männern zu betrachten.

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Für eine Handvoll Almosen

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Kürzlich berichteten einige Medien vom Friendly Service, einer Firma, deren freundlicher Service darin besteht, Mitarbeiter nicht zu entlohnen, sondern sie der Spendierlaune ihrer Kunden auszusetzen. Dabei handelt es sich um eine besonders dreiste Form des Parasitismus. Die Firma vermittelt junge Menschen, bevorzugt gebildete Jungspunde an Supermärkte, staubt eine kleine Prämie ab und läßt den Vermittelten nicht daran teilhaben. Dafür dürfen die im Polo-Shirt Uniformierten die Waren vom Fließband der Supermarktkassen grabschen und fein ordentlich in Tüten verstauen. Wer besonders demütig zu Werke geht, seinen Dienst leise und kompetent verrichtetet und auch das obligatorische Lächeln nicht verbummelt hat, dem ist ein kleiner Groschen als Symbol der Anerkennung sicher - oder auch nicht. Die Willkür der Kundschaft ist gnadenlos, zumal sie nicht immer weiß, dass diese Arbeitskräfte keine Lohnempfänger des Supermarktes sind, sondern von der Straße geholte Bettelstudenten.

Als deutsche Wiege dieser freundlichen Leistung gilt die oberbayerische Stadt Ingolstadt, Heimatstadt des Autors dieser Zeilen und leider auch Heimatstadt der besagten Firma. Dem Autor fielen diese oft naiv dreinblickenden Jünglinge schon vor einigen Jahren auf, jedoch wußte er nicht, dass es sich dort um kostenlose Arbeitskräfte von Trinkgelds Gnaden handelte, denen nicht einmal ein Grund- oder Basislohn zusteht. Eine Weile munkelte man in Ingolstadt, es handelte sich um Ein-Euro-Arbeitskräfte, vermittelt von der Behörde. Doch natürlich bahnte sich die Wahrheit behäbig ihren Weg - schnell bahnt sich nur die Lüge Wege, die Wahrheit ist immer eine Schnecke. Aber erst seitdem einige einflussreichere Medien davon berichteten, seitdem die Praxis von Friendly Service nachteilig dargestellt wurde - wie auch sonst? -, entrüsteten sich immer mehr Menschen.

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Sit venia verbo

"Was würde Cäsar mit seinem Armeen machen, wenn er keine Unteroffiziere hätte, die auf der ersten Sprosse der Leiter zum Generalfeldmarschall stehen? Unteroffiziere, die von oben kommen, sind nicht zu gebrauchen; sie müssen von unten kommen, gestern noch geprügelt worden sein, dann sind sie gut zu gebrauchen, die können am besten prügeln."
- B. Traven, "Das Totenschiff" -

Auf in die Suppenküche!

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Oh, was für ein himmlischer Gängelungs- und Entwürdigungsmechanismus da ersonnen wurde! Himmlisch für die Herolde des Sozialabbaus, die immer schon grundsätzlich der Ansicht waren, dass jeder Bezieher von staatlicher Leistung ein Bettler sei, sofern er keinen oder kaum einen Groschen selbst erwirtschaftet. Hoch lebe die Bürokratie, die dem Erwerbslosen oder dem Aufstocker das Leben erschwert, vielleicht dazu anspornt, dass die windigen Schnorrer, diese schamlosen Klinkenputzer erst gar nicht mehr an die Türen etwaiger Leistungsabteilungen klopfen.

Wenn der favorisierte Umbau der Jobcenter Wirklichkeit wird, wenn unterschiedliche Berater und unterschiedliche Antragsformulare in unterschiedlichen Büroräumen abgeklappert werden müssen, Unterkunftskosten und Regelsätze säuberlich separiert sind, dann mag mancher Leistungsberechtigte schluchzenden Herzens fernbleiben. Mancher wird es nicht ertragen können, anstatt eine, nun zwei selbstherrliche Gruselgestalten begrüßen, wie ein Bettelbruder vor ihnen sitzen zu müssen. Die Würde ging bis dato einmal flöten, wenn man, gleich einem Hausierer um eine milde Gabe bat, bürokratisch korrekt freilich, milde Gabe nach Einreichung eines ausgefüllten Antragsformulars - jetzt soll sie zweimal, vielleicht auch dreimal, immerzu flöten gehen, solange in die Mangel genommen werden, bis von Würde nichts mehr übrig ist, bis der Antragssteller von chronisch würdeloser Statur gebeutelt wird.

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