Der gebräuchliche Kniff eines Unnahbaren

Montag, 31. Mai 2010

Es ist schon ein dreistes Stück, dass er als Tragödie letzter Akt veranstaltet. [Die Kritik] läßt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen! Ein Paukenschlag zum Abgang - einer, der an Frechheit eigentlich kaum zu überbieten ist. Denn wie verkündete er neulich erst: ...dass ein Land unserer Größe [...] auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.

Und nun mangelte es ihm also an Respekt. Unnahbar gab sich dieser selbsterklärte Bundespräsident von Volkes Gunst ja gerne; unnahbar ist selbst sein Rücktritt. Denn er tritt nicht ab, weil er in seinen Aussagen unglaubliche Großmannssucht verwob: er tritt von der Schaubühne, weil man ihn abschätzig beurteilte. Während aus der Rolle purzelnde Granden aus Politik und Wirtschaft zurücktreten, weil sie dies oder jenes kundgaben, tritt Köhler zurück, weil die zögerlichen Kritiker ihm nicht beipflichteten. Anders formuliert: Sein offensichtlicher Ausrutscher ist eigentlich der Ausrutscher derer, die ihn und seine kruden Thesen kritisch hinterfragten. Er hat sich gar nichts zu Schulden kommen lassen - Schuld sind eine kleine Handvoll Journalisten, die des höchsten Staatsmannes Verkündigung nicht absegneten und als frohe Kunde in die Lande trugen.

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Semester der Qualen

oder: einige persönliche Zeilen.

Ein sich windender Körper, schmerzdurchdrungen, randvoll mit Wucherungen. Verkrampfte Glieder, ein schier zerberstender Brustkorb, um Luft bettelnd, sich schwer plagende Lungenflügel. Aufgeblähte Arme, aufgeschwemmte Beine, ein Torso geschwollen von Einlagerungen und Metastasen. Und Schmerz, immer wieder, ständiger, beharrlicher, nicht endender Schmerz. Es gibt keine Worte, die solcherlei Schmerz gerecht umschreiben würden. Opiatunterdrückte Qualen, die den Körper in Verschleiß, die den Geist in Verwirrung verfallen ließen. Körper bloß mehr, Mensch nur noch wenig - ein Paket aus gemarterten Fleisch, aus pulsierenden, schmerzübermittelnden Nervenimpulsen: Konkursmasse eines Menschen, Restbestände eines sich ausgelebten Lebens.

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Wollt ihr den totalen Fußball?

Sonntag, 30. Mai 2010

Alle hopsen sie auf den Zug auf, was eigentlich heißt: alle springen sie auf das Leder, tänzeln darauf, einem dressierten Hündchen gleich, balancesuchend herum. Kein Unternehmen, kein Geschäft, keine Sparte, die momentan nicht gen Südafrika deutet, die Fußball-Weltmeisterschaft zum Verkaufs- und Konsumschlager modelliert. Alle wollen sie ihr Scherflein an jener Episode hinzuverdienen, bauschen daher dieses weltgeschichtliche Beiwerk zum kolossalen Bacchusfest auf, erklären ein sportliches Turnier zum Event, dem man dringlichst beiwohnen muß, sofern man auch nur halbwegs bei Verstand ist.

Neben dem üblichen Tand wie Trikots, Fahnen, Käppis, finden sich allerlei andere, etwas eigenartig anmutende Reliquien auf den Wühltischen: Fan-Kerzen, sündhaft teurer Käse im zweidimensionalem Lederballformat oder Schokoküsse schwarz und weiß, fußballmäßig glasiert. Ein ehemaliger Fußballer aus Hamburg starrt als Pappmaché-Bildwerk Kunden einer bundesweiten Supermarktkette an, dabei Tröten, Schals und Duschgel mit aufgedrucktem Leder feilbietend. Besonders kurios jene Tiernahrungskette, die Hundefußbälle und Hundetrikots ans besonders dämliche Herrchen bringen will. Oder jenes Klopapier, von dessen Verpackungsfolie ein rennender Comic-Fußballer herabblickt, neben ihm der Schriftzug "Halbzeit-Edition" - denn wisse, lieber Kunde, der Fußballer von Format, wischt sich in der Spielpause nur damit seinen schwitzig-nassen Arsch!

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Sit venia verbo

Samstag, 29. Mai 2010

"Alles Unglück des Menschen ist auf einen einzigen Umstand zurückzuführen: dass er unfähig ist, still in seinem Zimmer zu bleiben."
- Blaise Pascal, "Les Pensées" -

Kritische Berichte?

Freitag, 28. Mai 2010

Deutschlands am meisten zitierte Tageszeitung schildert in ungewohnter Ausführlichkeit - in einem Zehnzeiler - Vorwürfe, die der SPD-Vorsitzende Gabriel gegen Merkel, damit indirekt auch gegen die BILD-Zeitung erhob. Merkel hätte BILD-Zeitung stoppen müssen!, verkündete dieser in der ZEIT. Die Diekmännische Verallgemeine berichtet hingegen folgendermaßen darüber: "Nach Meinung von SPD-Chef Gabriel hätte Kanzlerin Merkel die kritischen Berichte der BILD-Zeitung über die Finanzkrise Griechenlands stoppen müssen."

Die kritischen Berichte! Gabriel als Feind kritischen Journalismus'? Dabei hat weder die ZEIT noch Gabriel etwas von "kritischen Berichten" geschrieben, sie begrifflich gar nicht in den Mund genommen - das Wort "kritisch" kommt im ZEIT-Artikel überhaupt nicht vor. Da muß also eine Verwechslung vorliegen, da muß sich die BILD tatsächlich getäuscht haben. Niemand hat etwas gegen kritische Berichterstattung der BILD. Das heißt, niemand hätte etwas dagegen - man muß schon standhaft im Konjunktiv zurückbleiben. Mit "Gegenteil von aufklärerisch", so läßt Gabriel sich zitieren; und mit "antiemanzipatorisch" wartet er auf - das sind aber laut Thesaurus keine Synonyme für "kritische Berichte".

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Schuld und Schulden

Donnerstag, 27. Mai 2010

Die einzig wahrhafte Sparleistung sei es, so liest man dieser Tage hie und da, wenn man dafür Sorge trüge, dass sich Arbeit wieder stärker lohne. Wie genau das aussehen soll, bleiben die Freunde leistungsträgerischer Sparfreuden allerdings gewöhnlich schuldig; sie bieten nur selten konkrete, greifbare Lösungswege an. Und wenn es doch mal über das Rezitieren von Schlagworten hinausgeht, dann sind es die üblichen Ansätze, die sie anbieten - und diese offerieren sie zu allem Überdruss auch wieder als Slogans: mehr Netto vom Brutto! oder Lohnabstandgebot wahren!

Arbeit lohne sich dann wieder, wenn man weniger ans Finanzamt überweist, oder aber, wenn man die Sozialleistungen kürzt - im letzteren Falle mag der Niedriglohn von prekär Beschäftigten dann auch nicht ausreichen, aber dann lohnt es sich dennoch zu arbeiten, denn dann hungert man nachhaltiger, kann seinen Hunger über längere Zeit verteilen, während der Transferbezieher schneller an seine asketischen Grenzen stößt. Das ist die Logik von Perverslingen, von liederlichen Menschen, die ein geringschätziges Menschenbild haben - Peitsche als Anreiz, Peitsche als Sparempfehlung. Mit vehementer Nötigung, mit kurzer Leine, so glauben sie, könne man Menschen zur Arbeit treiben - ob nun durch steuergesenktes Ausbluten von Sozialleistungen oder durch die direkte Kürzung der Transferleistungen: Arbeit schafft sich für solche Wächter des sparenden, spärlichen Staates nur mit finanziellem Halseisen.

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Nomen non est omen

Mittwoch, 26. Mai 2010

Heute: "Sozialstatus"

Klassifikationssystem, das Menschen in wertvolle und weniger wertvolle Personen einteilt, ähnlich dem Kastensystem in Indien. Genauer: subtiles Herrschaftsinstrument zur Unterstützung und Stabilisierung der vorhandenen gesellschaftlichen Ungleichheiten. Der Sozialstatus bestimmt den Umgang der Menschen unter- und miteinander. Wer einen angesehenen Beruf nachgeht, viel Geld und gesellschaftlichen oder sozialen Einfluss hat, große Besitztümer sein Eigen nennt, darf sich als Herrenmensch fühlen und gebaren. Alle anderen haben ihm - direkt oder indirekt - zu dienen oder zumindest ehrfürchtig zu ihm aufzublicken.

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Wortreich geschwiegen

Dienstag, 25. Mai 2010

Ich weigere mich unerbitterlich den Rücktritt dieser demokratischen Charaktermaske, dieser Charakterfratze zu kommentieren. Bockig und störrisch mag man mich nennen - mir einerlei! Was kümmert mich seine in Aussicht gestellte Amtsaufgabe? Was kümmert es uns allesamt eigentlich? Wenn sich die Korruption und die Menschenverachtung aus der Politik verabschieden würde... ja dann, dann wäre das erregend, dann könnte ich mich begeistern. Aber so? Was gibt es mir? Was soll ich dazu schreiben?

Es ist ja unverfroren, mit welchen Vokabeln man diesen Zurücktretenden bezeichnet: Eisprinz und Angreifer! Und fehlen werde er uns! Nur noch Ja-Sager blieben zurück! Man möchte sich jene Haare raufen, die man sich zuvor aus Frust schon ausgerissen hat. Da wird ein Märtyrer beschrieben, ein Verkannter, ein Genie, ein Opfer des politischen Unkulturbetriebes - etwelche Typen werden dargestellt, nur der Zurückgetretene nicht. Ein komischer Heiliger, der sich quer durch Parteispendenaffären lispelte und Demokrat wie er war, sein abgewähltes Amt als Geschäftsführer beibehielt, um seine damalige politische Konkurrentin aus einer Position der Stärke und Macht heraus zum Abschuss freizugeben.

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Rupft die Reichen!

Montag, 24. Mai 2010

Alle müssen solidarisch zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen! Und gerade die Begüterten, die das meiste Geld in dieser Gesellschaft haben, sollen auch bluten müssen. Das ist doch Ehrensache! Wo sonst, wenn nicht an den Wohlhabenden, soll man sich gesundsparen? Dort, bei den Kapitalkräftigen, muß man den Riemen festzurren - dort, im Ressort Arbeit und Soziales, döst Sparpotenzial, dort tummeln sich die wirklichen Reichen, die versteckten und unterschätzten, die verheimlichten Finanzstarken.

Arbeit und Soziales - mit 143,2 Milliarden Euro ist es das größte, kostenintensivste Ressort; fast mit absoluter Mehrheit dominiert man den Staatshaushalt. Die Reichtümer einer ganzen Gesellschaft stecken da drin. Und bei den Reichen muß man sparen, bei denen gibt es etwas zu holen. Man muß nur beherzt genug sein, den wirklichen Reichen die Maske vermeintlicher Armut vom Gesicht zu reißen. 143 Milliarden! Hat etwa ein Karl Albrecht (23,5 Milliarden) so viel Geld auf seinem Konto? Nicht mal mit seinem Bruder Theo (16,7 Milliarden) zusammen erreicht er diese Summe! Susanne Klatten (11,1 Milliarden) und Stefan Quandt (5,7 Milliarden) sind geradezu Hungerleider im Vergleich zu denen, die sich mit 143 Milliarden an dieser Gesellschaft schadlos halten.

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Millionengehälter sind nicht unmoralisch

Sonntag, 23. Mai 2010

Eine Ende der Sittenlosigkeit wird in heiterer Beständigkeit gefordert. Bietet die Welt nicht genug Nachrichten, stürzen sich Gazetten in ihrer Langeweile prompt auf Grundsatzfragen wie jener, dass Millionen für Manager endgültig der Geschichte angehören sollen und wünschen sich Vorstandsgehälter, die die Republik verkraftet. Unterdes liegt es gar nicht an den Gehältern, die die Republik röcheln lassen - es ist der fehlende Schneid, solche Millionensummen auch ordentlich zu besteuern.

Was da so verhalten als Vernunftspostulat und moralische Besonnenheit in Druckerschwärze prangert, ist die laue Bemühung, ein wenig Gerechtigkeitsmakulatur walten zu lassen. Nicht der Zugriff der Allgemeinheit auf Millionengehälter findet Anklang - die Millionengehälter selbst sollen verschwinden, damit ein solcher Zugriff gar nicht erst dringlich wird. Ein lasches, halbherziges Unterfangen, welches an der habsüchtigen Realität scheitert - ein Unterfangen, beruhend auf eben jener Habgier: denn lieber weniger im Säckel des Managers als höhere Besteuerung eines solchen prallen (Pfeffer-)Säckchens.

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De dicto

Samstag, 22. Mai 2010

"Mütter brauchen Sicherheit
[...]
Politik kann Frauen nicht zum Schwangerwerden „überreden“. Das hat etwas mit Liebe, mit dem richtigen Mann und der wirtschaftlichen Situation zu tun."
- Marion Horn, BILD-Zeitung vom 18. Mai 2010 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Wiederholt eine dieser springerschen Gleichstellungsbeauftragten am Werk; eine, die von Gleichstellung ebensoviel hält wie vom ästhetischen Schönheitssinn der Burka. Frauen, die ja potenzielle Mütter sein könnten, bräuchten Sicherheit. Stimmt! Und Männer, mögliche Väter? Das ist eindeutig herauszulesen: die gehören zu den Utensilien, die eine Frau braucht, damit die Schwangerschaft auch gelingt. Liebe, Mann, wirtschaftliche Situation - der Mann als befruchtender Gebrauchsgegenstand! Wäre er das für jene Gleichstellungsbeseelte nicht, würde sie als Titel ihres Elaborats festhalten: Familien brauchen Sicherheit! oder Eltern brauchen Sicherheit!

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Deutschland ist ein toleranter Ort, steht in der Zeitung

Freitag, 21. Mai 2010

Es ist schon arg bedenklich, wenn ein Sachverständigenrat auf Initiative einiger deutscher Stiftungen tätig wird. Stiftungen: diese Feigenblatteinrichtungen, die so barmherzig, so karitativ, so unerhört sinnstiftend klingen, die aber letztlich nichts weiter als eine Kapitalunterbringungsapparatur für gutsituierte Dynastien sind. Wer sein Vermögen schützen, der Erbschaftssteuer entziehen will, der steckt es in seine Stiftung, der teilt dem Fiskus mit, dass sein Geld nun stiften gegangen ist. Dass Stiftungen daher nicht strikt die Absicht hegen, kritisch zu beobachten und zu analysieren, wenn sie Sachverständige bestellen und bezahlen, liegt damit auf der Hand - dass sie hingegen Impulse geben wollen, wie sie es auch in ihrer Selbstauskunft offen darlegen, ist schon eher wahr. Im Gewand der Gemeinnützigkeit, in dem die Stiftung ja letztlich aufläuft, tut man sich gleich noch viel leichter, der Gesellschaft dahingehend Impulse zu verpassen, wo man sie zum eigenen Vorteil verwandelt wissen möchte. Stiftungen sind, um es mit Albrecht Müller zu sagen, "Kräfte, die außerhalb öffentlicher Verantwortung stehen" ("Meinungsmache", Seite 63) - verantwortungslos jonglieren sie mit ihrer selbstauferlegten Verantwortung.

Wie gesagt, ein solcher Sachverständigenrat, der zwangsläufig das Lied seiner Herrn trällert, ist eine kritisch zu beäugende Sache. Zumal dann, wenn er Studien vorlegt, die wesentliche Probleme des bundesrepublikanischen Alltags ausklammern und für nichtig erklären. So wie jene, erst kürzlich erschienene Studie, in der erläutert wird, dass es um die Integration in Deutschland viel besser bestellt ist, als man das gemeinhin annimmt. Dass nicht der pure, der blutige Hass regiert, wie man deutlich herauslesen kann, das darf man getrost unterschreiben - ob man aber von einem pragmatischen Umgang mit Multikulturalität sprechen kann, darf arg bezweifelt werden. Sicher, wenn man damit meint, nach dem Beipflichten der rassistischen Ausländerschelte eines Sarrazin, schnell zum Döner-Verkäufer um die Ecke zu gehen: ja, dann darf man das Pragmatismus nennen. Denn an diesem Umstand geht die Studie offensichtlich vorbei: Während sie von Sonnenschein kündet, applaudiert man den neuen Volkstribunen, die sich nicht zu schade sind, neben sozial Schwachen auch rassisch Schwache verbal zu ohrfeigen. Gleichwohl damals fast die gesamte BILD-Leserschaft den Sarrazinaden zustimmte, waren es bei den seriöseren Revolverblättern nur sechzig, siebzig Prozent.

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Die schlimmste aller möglichen Krisen

Mittwoch, 19. Mai 2010

Es ging uns ja schon seit Wochen, seit Monaten, eigentlich irgendwie immer schon dreckig. Krisen allerorten, Mord und Totschlag, Gewalt und Unterdrückung an allen abgerundeten Ecken der Weltkugel. Derzeitig hier Griechenland, dort das obligatorisch gewordene Weiter so! der politischen Kaste - und irgendwo am nebligen Horizont befehdet sich Thailand untereinander. Und nun das Krönchen, das i-Tüpfelchen, das saure Sahnehäubchen des gesamten Elendes! Wenn auch alles Vorherige schon schlimm, schon garstig war - das was uns nun ereilt hat, sprengt das letzte Fünkchen Zuversicht: denn Michael Ballack wird im Juni nur Zuschauer sein!

Ballack! Ausgerechnet Ballack! Dieser einäugige Messias zwischen erblindeten Jüngern; dieser Virtuose des gepflegten Fehlpass- und Versteckspiels! Ausgerechnet jener Ballkünstler, der stets gerade dann zwischen den Halmen des gesegneten Rasens auf Tauchgang geht, wenn es um etwas geht; der allweil dann ein Gigant seiner Zunft ist, wenn seine Mannschaft zum spielerischen Gigantismus aufläuft; der ebenda Führungspieler wäre, wenn seine Kollegen keinen Anführer brauchen, weil sie sich selbst führen. Ausgerechnet Ballack, der schnörkellose Techniker ohne Technik, mit seinem ebenso schnörkellosen uncharismatischen Charisma. Dieser funktionalisierte Werbe-Einfaltspinsel und Interview-Simpel, ausgestattet mit dem Unterhaltungswert und dem Charme eines vor sich hinschimmelnden Weißkohls. Ballackballackballack, dieser personifizierte Hoffnungsschimmer großdeutsch-pandemischer Fußball-Teutonitis!

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Von der Vernunft überrumpelt

Dienstag, 18. Mai 2010

Mit Bitte haben Sie Verständnis! endet der Aushang. Verständnis, dass wir in unserer Arztpraxis keinen Handschlag mehr anwenden. Schließlich würden Infektionskrankheiten auch von Hand zu Hand übertragen. Patient!, so steht da pathetisch zu lesen, auch wenn es dort nicht lesbar ist: Patient! Sei doch vernünftig! Es ist zu deinem Wohl, zu unser aller Wohl! Für die Gesundheit muß das Begrüßungsritual über Bord gehen.

Dafür kann man doch auch auf diesen Happen Verbundenheit verzichten, den man mit dem Händeschütteln eingeht. Für das Wohlbefinden wird auch anstandslos mal auf gutes Benehmen gespieen - muß das Band zwischen Arzt und Patienten, das im gegenseitigen Reichen der Hände seine Bildlichkeit erhält, auch mal kommentarlos zurückstehen. Patient, zeig' Vernunft! Mensch, sei doch gescheit! Und natürlich ist er das, natürlich gräbt er seine Hände ins Hosentaschenfutter, nickt stattdessen zögerlich, betritt unkörperlich, unbetastet das Sprechzimmer - wer drängt schon gerne seine Hand auf, wer zwängt seine Hand schon gerne mittels brachialer Etikettensucht in die Händfläche eines anderen?

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Sit venia verbo

Montag, 17. Mai 2010

"In der Überflußgesellschaft herrscht Diskussion im Überfluß, und im etablierten Rahmen ist sie weitgehend tolerant. Alle Standpunkte lassen sich vernehmen: der Kommunist und der Faschist, der Linke und der Rechte, der Weiße und der Neger, die Kreuzzügler für Aufrüstung und die für Abrüstung. Ferner wird bei Debatten in den Massenmedien die dumme Meinung mit demselben Respekt behandelt wie die intelligente, der Ununterrichtete darf ebenso lange reden wie der Unterrichtete, und Propaganda geht einher mit Erziehung, Wahrheit mit Falschheit. Diese reine Toleranz von Sinn und Unsinn wird durch das demokratische Argument gerechtfertigt, daß niemand, ob Gruppe oder Individuum, im Besitz der Wahrheit und imstande wäre zu bestimmen, was Recht und Unrecht ist, Gut und Schlecht. Deshalb müssen alle miteinander wetteifernden Meinungen „dem Volk“ zur Erwägung und Auswahl vorgelegt werden.
[...]
In der gegenwärtigen Periode wird das demokratische Argument zunehmend dadurch hinfällig, daß der demokratische Prozeß selbst hinfällig wird. Die befreiende Kraft der Demokratie lag in der Chance, die sie abweichenden Ansichten auf der individuellen wie gesellschaftlichen Ebene gewährte, in ihrer Offenheit gegenüber qualitativ anderen Formen der Regierung, Kultur und Arbeit – des menschlichen Daseins im allgemeinen. Die Duldung der freien Diskussion und das gleiche Recht gegensätzlicher Positionen sollte die verschiedenen Formen abweichender Ansichten bestimmen und klären: ihre Richtung, ihren Inhalt, ihre Aussichten. Aber mit der Konzentration ökonomischer und politischer Macht und der Integration gegensätzlicher Standpunkte einer Gesellschaft, welche die Technik als Herrschaftsinstrument benutzt, wird effektive Abweichung dort gehemmt, wo sie unbehindert aufkommen konnte: in der Meinungsbildung, im Bereich von Information und Kommunikation, in der Rede und der Versammlung. Unter der Herrschaft der monopolistischen Medien – selber bloße Instrumente ökonomischer und politischer Macht – wird eine Mentalität erzeugt, für die Recht und Unrecht, Wahr und Falsch vorherbestimmt sind, wo immer sie die Lebensinteressen der Gesellschaft berühren."
- Herbert Marcuse, "Repressive Toleranz" -

Im Konsumismus

Samstag, 15. Mai 2010

Überbleibsel ist nicht der Kapitalismus. Nein, er ist nicht als Sieger aus dem Kalten Krieg herausspaziert, hat nicht den Sozialismus darniedergerungen, um sich zum einzigen Sonnenkönig der Welt zu krönen - Kapitalismus ist nur eine Wirtschaftsform: und für Wirtschaftsformen reißen geknechtete Völkerschaften keine Mauern und Eisernen Vorhänge nieder. Zum Sieger wurde, wenn man das überhaupt so nennen kann, eine Synthese aus beiden Gegenspielern. Nicht strikt eine, die die Vorzüge beider Seiten verbandelte; eher eine, die den innersten Trieb der arbeitsteiligen Massengesellschaft, der ja auch in den Agenden der Ideologien als Recht auf Glück, auf Arbeit oder auf Teilhabe seinen Niederschlag fand, Entfaltungsraum bot: dem Bestreben nach Konsum.

Es war nicht die Liebe zu Adam Smith oder Mill und Malthus, die die Menschen der sozialistischen Welt zum Einreißen von Umfriedungen und Umzäunungen trieb. Natürlich vernimmt man das oftmals gegenteilig bei den Parteimännern der reinen Lehre, die glauben, der Menschen Lebensrealität lasse sich kapitalistisch vermessen; sie beteuern mit der Hoffart der geschichtlichen Sieger, Rudiment des Kalten Krieges zu sein, jene Seite des Konflikts also, der sich als überlebensfähig erwies, während der Kontrahent jämmerlich erlosch - und die Menschen, die drinnen im moribunden Rumpf litten, sie kletterten auf Mauern, weil sie einsahen, dass der Kapitalismus gesünder, zäher und loyaler sei. Als wären Völker ideologische Massen, die mit Lehrbuch unter dem Arm geklemmt, ihre Lebensbedingungen verändern wollten!

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Köhler lehrt demokratisches Einmaleins

Freitag, 14. Mai 2010

Oh, dieses Volk von Klägern! Aus hohem Munde, aus höchstem deutschen Munde sogar, sprüht es Schelte. Dass das Bundesverfassungsgericht zur politischen Instanz geworden sei, so schmachtet Köhler, sei als Symptom demokratischen Verfalls zu werten. Richtig so!, möchte man ausrufen. Gut erkannt!, will man schreien. Und fast hätte er sogar den wahren Umstand, den wahren Missstand auf dem Kopf getroffen. Fast! Denn für Köhler ist es kein Skandal, dass Karlsruhe überhaupt erst angerufen werden muß, um verfassungswidrige politische Entscheidungen zu revidieren - für ihn döst der Eklat bei denen, die ihr Recht einklagen, die nicht stillhalten wollen, wenn die Politik wieder und immer wieder im Namen ihrer wirtschaftlichen Geldgeber, knallharte Partikularinteressen wahren und vergesetzlichen.

Das Bundesverfassungsgericht, so schwadroniert der Bundespräsident majestätisch-überheblich, sei nicht dafür konzeptioniert, überstimmten Minderheiten ein Recht auf Gehör zu verleihen. Weniger vornehm ausgedrückt: parlamentarische Minderheiten, die einen Gesetzesentwurf für verfassungswidrig erachten, sollten trotzdem schweigen, mit ihrer Niederlage würdevoll umgehen - oder, etwas plumper gesagt: mögliche Verfassungswidrigkeit ist dann aus der Welt geschafft, wenn eine parlamentarische Mehrheit ihr zugestimmt hat. Demokratie bedeutet demnach in seinen Augen nicht, sich an Verfassung und deren moralische Werte zu binden, sondern loyal gegenüber Mehrheitsentscheidungen zu sein, selbst dann, wenn diese Mehrheiten auf zweifelhaften Fundamenten, nicht mehr auf grundgesetzliche Füßen stehen.

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Hilf Dir selbst...

Donnerstag, 13. Mai 2010

Frau Daunheimer, ich will es Ihnen spornstreichs und in aller gebotenen Barschheit mitteilen: Sie sind eine Jammernudel, eines jener ichsuchtstobenden Klageweiber, die diese Gesellschaft zuhauf aus ihrem Enddarm zwängt. Und wer hilft mir?, fragen Sie in den trauten Leserkreis Ihrer Hauspostille hinein. Wer? Sie haben es doch beantwortet. Sie helfen sich selbst. Und warum? Weil Sie und Ihr Mann von Fortuna geküsst sind, immer noch Arbeitsplätze besitzen, die Ihnen ein Auskommen sichern. Keine Millionärsvilla - aber doch ausreichend, um nach Abzug aller Kosten, wie Sie anklingen lassen, noch über 1.000 Euro im Monat zu verfügen. 1.000 Euro zum Leben, wie Sie das nennen. Mancher schwelgt bei 1.000 Euro schon im Luxus - Sie leben nur davon, wo andere schon in Labsal verfallen würden, weil sie eigentlich drei Monate von dieser Summe zehren müßten.

Auf die küssende Fortuna wurde angespielt, auf das Glück hingewiesen. Sicherlich hat Sie das geärgert. Glück!, werden Sie ausrufen, wie kann er nur meinen, wir hätten Glück gehabt? Fleißig waren wir!, werden Sie einwenden. Wir reißen uns den Arsch auf und der fabuliert vom Glück! Andere, Frau Daunheimer, haben sich selbigen aufgerissen, so sehr, dass sie nicht mehr auf ihm hocken können, weil er so brennt und sticht und juckt - aber sie stehen armselig da, verarmt und ausgegliedert von der Gesellschaft. Glück muß man haben; Glück und die fehlende Courage, sich im Arbeitsleben für seine Interessen einzusetzen. Nur das hören Sie, das hören die braven und biederen Leute aus der Mitte der Gesellschaft, zu denen Sie gehören, nicht besonders gerne - denn Glück ist Zufall, aber Ihr Fleiß, auf den Sie Ihr Dasein gebaut wissen wollen, ist Ihr Verdienst, Ihr Einsatz, Ihre Anstrengung.

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Nomen non est omen

Mittwoch, 12. Mai 2010

Heute: "Protestwähler"

Die Wahlforschung unterscheidet vier Wählertypen: den Stammwähler, den Wechselwähler, den Nichtwähler und den Protestwähler. Während die ersten drei sich von selbst erklären, wird der Begriff des "Protestwählers" häufig instrumentalisiert, um Wähler einer bestimmten Partei zu unterstellen, sie würden diese nicht wegen den Inhalten wählen, sondern nur, um andere Parteien und Politikern zu schaden. Inwiefern kann man überhaupt Protest wählen? Nur weil man für keine große Partei stimmt, ist man automatisch ein Protestwähler?

Bei der NRW-Wahl am 9. Mai 2010 fiel der Begriff wieder in vielen Kommentaren der Berichterstattung. Die Linke habe in NRW nur knapp 6% und die Piratenpartei knapp 2% erreicht, weil viele Menschen Protest wählen würden. Auf die Idee, dass es tatsächlich Menschen gibt, welche die Linke und die Piratenpartei wegen ihren Inhalten gewählt haben, kommen die bürgerlichen Medien nicht. Einen Protest kann man veranstalten oder ihn organisieren, aber sicher nicht wählen. Denn hier gilt der alte Wahlspruch:

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Sichere Mehrheitsverhältnisse

Dienstag, 11. Mai 2010

Das ist eine Lüge! Von wegen es gäbe keinerlei Mehrheiten mehr. Was für ein Schwindel, welch Irreführung! Es gibt Mehrheiten - und die nicht zu knapp. Es ist schon wahr: man könnte annehmen, es gäbe keine konstruktiven Mehrheitsverhältnisse mehr, wenn man so das Wahlgebaren belauert, wie sie um entscheidungsfähige Mehrheiten rangeln und raufen. Aber das ist eine Verdrehung der Tatsachen. Mehrheitsverhältnisse existieren! Und wie!

Es ist eben nicht die Partei um Lafontaine und Gysi, die sich im bundesrepublikanischen Politikalltag festgesetzt hat. Nein, es ist eine ganz andere Bewegung, eine Massenbewegung, die wirklich angekommen ist im politischen Mitwirkungsprozess. Das heißt: eigentlich ist es keine Bewegung, denn gerade am Bewegen scheitert es. Man hält sich zurück, ist die Bewegung der Bewegungslosigkeit. Wo andere zur Urne pilgern, bleiben sie zurückhaltend, bleiben sie faul. Keine Partei ist so mächtig, so erschlagend potent, wie jene der Nichtwähler. Seit Jahren keine Landtags- oder Bundestagswahl mehr, bei der nicht mehrheitlich nichtgewählt wurde. Die wahre, die mittlerweile einzige Volkspartei, die haushohe Prozentpunkte hortet, ist jedenfalls jene der Nichtwähler.

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Immer dasselbe

Montag, 10. Mai 2010

Siech geht eine außerparlamentarische Opposition am Stecken, wenn sie in Jubelarien einstimmt, nur weil die schwarz-gelbe Allherrlichkeit an den Wahlurnen einen milden Dämpfer erhielt. Geistige Brache dort, wo aufgrund der Wahlniederlage der amtierenden Koalition mit Superlativen und Paradigmenwechseln um sich geschleudert wird. Pflegebedürftig jenes oppositionelle Denken, welches nun im Wechsel der Volksparteien, einem Abgesang des herrschenden Zeitgeistes, seiner Jünger und seiner Moden entgegenfiebert.

Vergessen ist die Ebenbürtigkeit derer, die nun als Wahlsieger und Change-Anstimmer emporgereckt werden. Die Ebenbürtigkeit der Roten und Grünen, die sich gleichrangig neben den schwarz-gelben Koalitionären positionieren. Verschollen das Wissen, dass es eben eine rot-grüne Koalition war, die mit der schamlosen Abkehr vom Sozialstaatsgedanken loslegte. Entschwunden all die der Realität entrückten Weisheiten derer, die nun als Wahlhelden und Reformer durch die Öffentlichkeit rauschen. Und dazwischen diese trostlose sozialdemokratische Marienerscheinung, die dem Namen Hannelore lauscht, die als heilige Mutter Juso, als Zukunftsmodell und Gebärerin neuen sozialdemokratischen Elans fungieren soll. Eine Hannelore, die im Wahlkampf von der Aktivierung Arbeitsloser sprach, sich dabei auf die üblichen, auf die rot-grünen Prämissen, die schon im Schröderianismus wüteten, stützend: das Problem ist der Arbeitslose, nicht seine Arbeitslosigkeit; es fehlt nicht an Arbeitsplätzen, es fehlt am Arbeitseifer. Und ohne Lohnarbeit auch glücklich sein zu können, das geht ihr gar nicht in den Sinn: dass das gar nicht sein kann, ist der Grundkonsens aller politischen Parteien. Lafargue hat von denen keiner gelesen, den wahren Motor des Fortschritts, nämlich erst gar nicht arbeiten zu müssen, kennen sie nicht, wollen sie nicht kennen. Da sind sie sich ausnahmsweise mal einig in ihrer hinter Zerstrittenheit verborgenen Einigkeit.

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De omnibus dubitandum

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wählten...
  • ... 40,7 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 20,2 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 20,2 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 7,1 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 3,9 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 3,3 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
Mit großem Abstand hat die Partei der Nichtwähler die Wahl für sich entscheiden können. Selbst eine fiktive Große Koalition brächte es nicht auf mehr Prozentpunkte. Eine mögliche Koalition aus SPD, Grünen und LINKE schlüge nur mit 30,6 Prozent aller wahlberechtigten Stimmen zu Buche.

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