In eigener Sache

Donnerstag, 29. April 2010

oder: versucht euch einige Tage ohne mich an der Nicht-Veränderbarkeit dieser Gesellschaft!

Aus familiären Gründen bin ich gezwungen, einige Tage stillzuhalten. Ich bitte meine Leserschaft um Verständnis.

Mir ist klar, dass diese Tage Themen böten, die durchaus mehrerer Zeilen wert wären. Jedoch bin ich nicht imstande, auch nicht willens, meine derzeit zum löchrigen Quäntchen geschrumpfte Kraft, für ad sinistram aufzuwenden. Erst die meinigen, dann die Nöte der Welt - ein manchmal notwendiger Egoismus!

In einigen Tagen werde ich zurückkehren und mein Scherflein Machtlosigkeit zur Nicht-Veränderung an den Zuständen beitragen. Es soll nachher ja keiner sagen können, ich hätte es nicht vergebens probiert.

Mit der Bitte um Säue...

Mittwoch, 28. April 2010

Es ist doch nur eine geringfügige Bitte. Ihr könntet sie erfüllen! Menschlicher geworden seid ihr sicherlich nicht, sodass man davon ausgehen könnte, ihr würdet uns keinen Stoff mehr anbieten. Mit der Bitte um Säue trete ich vor euch und spreche für meinen Stand, meine Kollegen. Ruhe ist eingezogen in das, was man Blogosphäre nennt. Wenig liest man, weniger bleibt haften. Einer ist sogar schon so müde, dass es ihm zum Kotzen ist. Und ihr tut nichts! Daher stehe ich hier, ich kann nicht anders, und schnorre um eine übersichtliche Herde Säue, die er für uns durch die Dörfer jagen sollt, damit unsere Müdigkeit, unsere Langeweile vergeht, dadurch unsere Finger nicht rosten, unser Geist nicht verfault.

Ihr Medien, ihr Diekmänner, ist denn ein Rudel Säue für uns nicht realistisch? Wie sieht es mit Ferkeln aus? Da hockt ihr zusammen und schweigt; und wenn ihr doch redet, dann nur immer denselben Quatsch, verliert euch im täglichen Kriegsgebrüll und schafft uns ansonsten nur wenig Stoff herbei - für uns habt ihr kein Verständnis. Wir können uns doch nicht täglich Trauerzeremonien widmen und des Dünnschiss' der Guttenbergs und Merkels erbarmen. Was waren das für Zeiten, wo ihr uns Widerlinge und Scheusale an die Gurgel gehetzt habt. Damals, als Sarrazin täglicher Gast war, Clement seinen Darmkatarrh in eure Gazetten schiss und allerlei zynische Ökonomen ihren Minderwertigkeitskomplex durch gehässige Kolumnen und Artikel kurierten. Das waren Säue! Clement meldete sich ja kürzlich zu Wort: oh, was hat der abgebaut, seine eigene Karrikatur ist er geworden, nicht wert, überhaupt noch beachtet zu werden. Ja, das waren noch Säue damals! Nicht sie selbst: in ihrer Funktion, in ihrer Rolle als Thema des Tages, der Woche, des Monats! Säue, die durchs Dorf gehetzt werden konnten. Damit konnte man arbeiten, seine Wut und Verachtung in Worte pferchen, Gift und Galle brechen und sich ein wenig wie ein Schweinehirte fühlen, der die tollgewordene Sau an der Hinterhaxe gepackt und gezügelt hatte.

Hier weiterlesen...

De dicto

Dienstag, 27. April 2010

"Eines hat die erste türkischstämmige Ministerin offenbar nicht verstanden: Dass es bei uns so tolerant zugeht, das ist das Erbe unserer christlich-abendländischen Tradition.
[...]

Darüber sollte Frau Özkan noch vor ihrer Vereidigung nachdenken."
- Hugo Müller-Vogg, BILD-Zeitung vom 25. April 2010 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Was von Aygül Özkans Forderung zu halten ist, soll nicht expliziter Gegenstand folgender Buchstabenreihen sein. Streitbar ist es allemal, einerseits Kruzifixe, andererseits Kopftücher unterbinden zu wollen - damit löst man religiöse Intoleranz nicht, fördert man nicht einmal einen abgeklärten Atheismus: man läuft lediglich vor der Problematik weg anstelle damit zu konfrontieren, anstatt anerziehbare Toleranz zu protegieren. Zwar muß die Schule keinen Bezug zur Religion herstellen - hängt im Klassenzimmer aber ein Stück gekreuztes Material, dieser stille Brocken Gehölz, so kann man als aufgeklärter Muslim oder Jude, als Atheist gar, durchaus darüberstehen und muß sich nicht gleich in seinem Ehrgefühl beleidigt fühlen. Dasselbe gilt gleichwohl umgedreht! Auch am Kopftuch muß sich ein christliches Gemüt nicht gekränkt und in seiner abendländischen Haltung entwürdigt fühlen. Religionsfreiheit ist, auch wenn es viele heute lieber anders hörten oder läsen, nicht die Freiheit, Religionen und den dazugehörigen Tand einzuschränken und zu unterbinden - obwohl man das vielleicht persönlich bevorzugen würde und insgeheim davon träumt: einer aufgeklärten und liberalen Gesellschaft ist derlei Denkweise allerdings schädlich. Im freiheitlichen Denken ist auch die Freiheit inbegriffen, sich einen Gott ersinnen und ihn anbeten zu dürfen.

Hier weiterlesen...

Wer den Schaden hat...

Montag, 26. April 2010

Sie rechnen sich noch mehr Tote aus, sagten Sie bei jener beschämenden Kriegerbeisetzung in Ingolstadt, bei der auch Sie Ihren Sermon dazugeben wollten und selbstverständlich auch durften. Davon wird tatsächlich auszugehen sein, denn während die Vereinigten Staaten einen Rückzug aus Afghanistan für Mitte 2011 festsetzen, herrscht hierzulande diesbezüglich erdrückende Stille. Über die Zukunft deutscher Besatzungspolitik wird kein Wort verloren. Fast dünkt es, als wollten Sie, werter Guttenberg, mit Ihrem kriegsbefürwortenden Parlament, dieser selbstüberschätzten Feldherrnhalle, zu einem gewagten historischen Schritt ansetzen. Einen jener Schritte, ja Ritte vielmehr, Parforceritte genauer, für das Geschichtsbuch, die im ersten Augenblick aus dem geschichtssüchtigen Hauptprotagonisten einen Heroen machen, um ihn nachträglich, aus geschichtlicher Ferne und mit der Reserviertheit historischer Betrachtung begutachtet, zum Trottel des damaligen Zeitpunkts zu klassifizieren. Man könnte vermuten, Sie träumen von einem Deutschland, das wieder alleine seinen Mann in der Welt steht; man könnte annehmen, Sie wollen von den USA die gesamte Verantwortung erben, um Ihren Feldherrenallüren die nötige Gefälligkeit zu erweisen. Gut möglich, dass Sie nicht nur die Wahrheit sprachen, sondern eine leise Botschaft eröffneten: es werden noch mehr sterben, weil noch mehr Krieger nach Zentralasien verfrachtet werden müssen, um den rückziehenden Bundesgenossen, der den Brand seinerzeit entfacht hat, adäquat zu ersetzen.

Doch warum Ihnen böse Absichten unterstellen, warum Ihnen Geschichtsträumereien und zwergenhaften Größenwahn attestieren? Immerhin haben Sie sich entschuldigt, war allerorten zu lesen - entschuldigt bei den Hinterbliebenen. Aber das haben Sie ja gerade nicht getan! Die Heuchelei solcher Abbitten außer Acht lassend, ist es terminologisch nicht dasselbe, ob sich jemand entschuldigt oder nur, wie Sie, um Verzeihung bittet. Dem Verb das Präfix ent- vorangestellt, wird es negiert, befreit, ins Gegenteil gekehrt - das was dann eben noch wurzelte, kann mit der kurzen Vorsilbe schon wieder entwurzelt sein. Wer sich entschuldigt, möchte sich von einer Schuld befreien, möchte die Schuld zur Antithese machen, sie ins Gegenteil gehievt bekommen, möchte Vergebung seiner Schuld erlangen, von ihr enthoben werden. Sich entschuldigen bedeutet somit auch, ein Schuldeingeständnis abzuliefern - ein Eingeständnis, von dem man sich Vergebung erhofft. Doch Sie, werter Guttenberg, baten um Verzeihung; zeihen, dieses heute nurmehr gelegentlich angewandte Wörtchen, steht für verdächtigen oder bezichtigen. Anders formuliert, Sie baten darum, dass die Hinterbliebenen ihren Verdacht, ihre Bezichtigung aufgeben, verwerfen - von Schuld ist hierbei jedoch keine Rede. Um Verzeihung zu bitten verlangt die Einsicht des Geschädigten ohne konkrete Schuldzuweisung - eine Entschuldigung ist der Kniefall des Schadensstifters, bei dem er seinen Fehler, sein Versagen, seinen Verstoß eingesteht. Das ist ein Unterschied, den jene, die täglich mit Worten hantieren, eigentlich kennen müssten - und Sie, wortreicher Guttenberg, Sie haben sich eben nicht entschuldigt, Sie haben die Schuld von sich und Ihrer Klientel gewiesen.

Hier weiterlesen...

Hysterisches Klima

Samstag, 24. April 2010

Als Mann alleine am Rande eines Spielplatzes zu sitzen, mag heute zuweilen schon ein gefährliches Unterfangen sein. Blitzartig beginnen die anwesenden Mütter oder Paare, die mit ihren Kindern zugegen sind, mit einer optischen Abtastung der sexuellen Befindlichkeit, schwenken von der Unschuldsvermutung ab und verdächtigen vorab. Lächelt man dann einem drolligen Kind zu, scherzt mit ihm, scheint der Verdacht halbwegs beglaubigt. Niemand würde nun die Polizei rufen, wahrscheinlich nicht mal ein Wort verlieren - aber der Spielplatz würde freigegeben, würde geräumt, um den Perversling in spe mit seinen Absichten alleine zurückzulassen. Einer vereinzelten Frau würde so etwas nie widerfahren: das ist eine ganz besondere Note von Gleichberechtigung.

Natürlich ist dem sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken. Aber nicht erst diese gebündelte Flut an bekanntgewordenen Fällen der letzten Monate, schürt eine Überspanntheit, die beinahe krankhafte Formen annimmt. Schon vormals bahnten sich voreilige Schlüsse und Misstrauen ihren Weg. Nun wird am Runden Tisch gegen Missbrauch so manches diskutiert, Sinnvolles auch, Notwendiges natürlich - doch bestimmte Punkte spiegeln die verstiegene Überreiztheit wider, mit der diese Gesellschaft reagiert. Überschüttet von endlosen Missbrauchsmeldungen und Horrorberichten, scheint eine weniger emotionalisierte Debatte gar nicht mehr möglich. Und langsam schleicht sich eine Prüderie in das Alltagsleben, die eigentlich seit den Fünfzigerjahren ausgetrieben schien.

Hier weiterlesen...

Jeden Tag ein bisschen mehr zu den Waffen

Freitag, 23. April 2010

Jeder Soldatenleichnam: ein Stückchen Rückzug mehr, ein bisschen mehr geordneten Ausweichmanövers; jede Leiche pflastert die schmale Rückzugsstraße, macht eine Heimkehr aus diesem völkerrechtswidrigen, betrügerischen Krieg greifbar; jeder dieser Soldatentode hatte damit zuletzt doch noch einen Sinn - würde man meinen: doch genau so ist es nicht! Nichts ist fahrlässiger als die Hoffnung; nichts ist leichtfertiger als dem Glauben nachzuhängen, Kriegsherren würden menschliche Verluste imponieren.

Was droht, läßt sich schon heute ermessen und erahnen, läßt sich jetzt schon oftmals im Alltag beobachten. Eine durchweg nationalisierte Medienlandschaft transportiert kriegsromantische Botschaften. Sie sind für uns gefallen!, hallt es aus dem Äther. Wir verneigen uns vor ihrem Heldenmut!, animieren sie ihre Leser und Zuhörer und Zuschauer. Der Held hat Konjunktur - der Held, der hinterhältig gemeuchelt, während ein Schuss aus seiner Büchse zum lobenswerten Einsatz für Heimat und Vaterland geadelt wird. Militärs rücken ins Blickfeld, Uniformierte belagern die öffentlichen Debatten - PR-Uniformierte, die gelernt haben, politisch korrekt und vernünftig vor Kameras zu treten, während sie dieselbe Branche beackern, wie allerlei Vorgänger aus anderen Zeiten.

Hier weiterlesen...

Nomen non est omen

Mittwoch, 21. April 2010

Heute: "Notlüge"
"Wenn die Wahrheit nur verletzen und entmutigen würde, ist man zum Lügen verpflichtet."
- Sozialwissenschaftler Peter Stiegnitz -
Das Free Dictionary bezeichnet die Notlüge, als eine Lüge, die eine peinliche Situation bzw. etwas Unangenehmes abwenden oder Nachteile vermeiden möchte. Eine Lüge, die durch eine vermeintliche Not entsteht bzw. die eine Not vermeiden möchte, gilt insofern als weniger schwer, als eine "normale" Lüge. Der Begriff wird häufig verwendet, um eine Lüge zu rechtfertigen, sie weniger lügend aussehen zu lassen. Dabei bleibt die Unwahrheit immer die Unwahrheit.

Hier weiterlesen...

Ganz ausgezeichnet!

Oh, so ein ausgezeichneter Sozialrassist! Ganz ausgezeichnet! Gustav-Heinemann-Bürgerpreis! Ein denkwürdiger Moment! Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, ist nun ein ausgezeichneter Scharfmacher und Provokateur. Eine klare Sprache sprechen, nennt man das heute - nennt Parteikollege Gabriel das. Dieser sei stolz darauf, einen Anpacker und Unbeugsamen in seiner Mannschaft zu haben - auch eine Art, dessen scharfmachende Qualitäten, die natürlich ausschließlich gegen Ausländer und Arbeitslose zum Einsatz kommen, ein wenig aufzupolieren. Und wer könnte es leugnen: schließlich packt er jene Klientel ruppig an und ist unbeugsam gegen jene, die dem artigen Bürger die letzten Groschen aus den Hosentasche schmarotzen. Sein Engagement zur Integration von Einwanderern, sei besonders lobenswert, heißt es weiter - gar kein Zweifel, er meint das mit der Integration durchaus ernst, denn wer sich nicht einreiht, den würde er gerne drastisch bestraft sehen. Er tut wirklich alles für Integration - alles und noch mehr!

Hier weiterlesen...

Die Regierung tut was!

Dienstag, 20. April 2010

Jungen Arbeitslosen, die weniger als ein Vierteljahrhundert auf den Buckel haben, soll nun geholfen werden - was in Duktus despektierlicher Nachrichtensprache soviel heißt wie: es soll ihnen an den Kragen gehen. Denn das "verpflichtende Job-Angebot" von dem nun allerorten gequasselt wird, es klingt ein wenig nach Rute, nach Peitsche, die man schwingen muß, um den trägen Jungspunden flinke Beine zu machen. Das liest sich nicht nur zwischen den Zeilen, es liest sich unmittelbar und unverfroren in den Zeilen, in Worte und Buchstaben gestanzt, und das in gut allen Gazetten.

Verpflichtendes Job-Angebot: das kann sich doch hören lassen. Endlich tut die Regierung was! Endlich wird dem Lotterleben ein Ende gesetzt! Zeit ist es geworden! Wieviel Gehalt eine solche Maßnahme allerdings hat, ist dabei unerheblich. Und die von den Medien abgetretenen Informationen, die diese neue Maßnahme des Bundesarbeitsministeriums, erklärbar machen sollen: sie bieten ja auch kaum neue Ansatzpunkte, eben das übliche Blabla von Aktivierung und Integration, von geprüftem Arbeitswillen und dem Einrichten ins untätige Lotterleben. Betrüblicher ist da nur, dass alles, was man da im erstaunlichen Maßnahmeneifer feilbietet, nicht einmal ansatzweise neu ist.

Hier weiterlesen...

Facie prima

Montag, 19. April 2010

Heute: Die Gnadenvolle, Ursula von der Leyen


Die Ministerin, so wie sie für uns abgelichtet wird, ist eine Person strotzend vor Gestik. Ihre Hände sind ihr eigentliches rhetorisches Mittel, ersetzen ihr die ihr abwesende Redegewandtheit. Sie ist also Handwerkerin und wird als solche auf Bilder gebannt. Wo der Kopf der von der Leyen zu sehen ist, da rücken beinahe automatisch, auch ihre Hände ins Blickfeld. Beschwörende Handflächen, die das Gesagte unterstreichen und von dem, was zwischen den Zeilen wuchert, ablenken sollen. Fast wirkt es, als wolle sie mit den Händen bedecken, was sie zeitgleich ausspricht. Sie reckt die Hände empor, wenn sie im biederen, adrett-liebenswerten Klang, über die Sanktionierung fauler Arbeitsloser salbadert; wenn sie Kinderpornographie bequem unter eine Käseglocke stecken will, anstatt sie ungemütlich mit allen Mitteln des Rechtsstaates auszumerzen; wenn sie Leistungen für Eltern so stutzt, dass am Ende mehr für Bessergestellte und weniger für Bedürftige herausschauen. Dann tritt sie auf, erklärt mit überlegener, leicht herabschauender Noblesse ihre Standpunkte, dabei händeringend, händefuchtelnd von dem ablenkend, was hinter ihrer politischen Route lagert.

Hier weiterlesen...

Mehrheit ist kein Maßstab

Samstag, 17. April 2010

Nur weil die Mehrheit es wünscht? Mehrheiten sind das Blut der Demokratie - fürwahr. Aber zur Grundlage eines militärischen Rückzugs taugt sie nicht. Darf sie nicht taugen! Die Mehrheit darf nicht allseligmachende Essenz der Demokratie sein, selbst dann nicht, wenn sich die romantische und schwärmerische Verzückung beim Lobpreisen des Majoritätsprinzips, landauf landab als unantastbare oppositionelle Haltung herauskristallisiert hat. Opposition zu sein bedeutet nicht, wie es heute viel zu oft der Fall ist, der Regierung mit dem Willen der Mehrheit in die Parade zu fahren - das ist unzulänglich, reicht nicht aus. Die vox popoli heranzuziehen ist populistisch im buchstäblichen Sinne.

Freilich sind basisdemokratische Strukturen erwünscht und auch auf Mehrheiten zu bauen ist per se nicht zu verurteilen. Doch in Tagen, da Mehrheiten vorallem deswegen Mehrheiten heißen, weil sie sich mehrheitlich manipulieren lassen, kann das Majoritätsprinzip nur mit Skepsis beäugt werden. Die Intelligenz der Masse, die von Francis Galton experimentell bewiesen schien, ist natürlich nicht ausgestorben - sie schlägt hin und wieder durch. Aber in großen Fragen der Wirtschaft oder Politik, wo objektive Berichterstattung heute nicht mehr eingeplant wird, ist die Mehrheit nurmehr eine manipulierte Grundlage demokratischen Handelns. Die Intelligenz der Masse heißt eben auch, dass Trommler, wie jener trostlose Ex-Senator aus Berlin, Applaus einsammeln, wenn sie muslimischen Mitbürgern verbal ins Gesicht spucken. Zwar waren es lediglich die Mehrheiten von BILD, Spiegel, Stern und Konsorten, die dem schnieken Herrn gratulierten und beipflichteten - aber die Tendenz einer politischen Mehrheit war zu riechen, stank himmelweit. Und die deutsche Mehrheit, die sich als Intelligenz der vernünftigen Sozialstaatswahrer wähnte, als sie manierlich die Agenda 2010 als gelungenen Einfall zur Rettung eines sozialen Gemeinwesens abnickte, ist noch immer im Gedächtnis - diese gesellschaftliche Mehrheit, die widerstandslos den Sozialabbau duldete und befürwortete, darf als fahrlässiges Bekenntnis zur manipulierten Majoritätshörigkeit empfunden werden.

Hier weiterlesen...

Wir würden nicht weinen!

Donnerstag, 15. April 2010

Es rühmt dich ja, werte Bundesregierung, dass du betrunken vor Sorge bist, weshalb du in Zukunft getrennte Flüge planen willst, damit das Land nicht führungslos wäre, sollte doch einmal ein Unglück geschehen. Diese leicht hysterische Haltung muß man verstehen, denn die deutsche Medienlandschaft hat lang und breit von einem trauernden Volk berichtet, das wie benommen durch diese schmerzvollen Tage taumele, nicht wissend, wie es weitergehen soll. Sowas muß dich natürlich ehren, liebe Bundesregierung; soetwas ehrt jede Regierung. Ein paralysiertes Volk, das sich den Scharfblick aus den Augenhöhlen heult, ob der Abberufung des Kabinetts: sowas schmeichelt jeden, mit so einer Reaktion seiner Hinterbliebenen liebäugeln letztlich alle Menschen und alle Regierungen, die aus Menschenfleisch gemacht sind; sie wollen vermisst, wollen bejammert werden, möchten Zähren in den ausgehobenen Schacht niedergehen sehen.

Und obzwar es dir schmeichelt, verehrte Bundesregierung, obgleich dieses fiktive Ereignis dir ein Gefühl von Geliebtwerden einflüstert, möchtest du kein trauerndes Volk hinterlassen im schlimmsten Fall. Es schmerzt dir in der Seele, wenn du an deine Kinder denkst, wie sie sich gleich polnischer Leichenzüge, den Verstand aus dem Kopf weinen. Eine fürsorgliche Regierung plant vor; wahre Fürsorge kennt keine Eitelkeiten, verzichtet auf ehrende Tränen und Trauergemeinden, die schier verrückt werden vor Gram. Selbstlos, wie du bist, soll dies dem deutschen Volk nie widerfahren; barmherzig wie du bist, läßt du es dir knappes Geld kosten, um Hinterbliebenenschmerz vorab zu lindern, zu vermeiden.

Hier weiterlesen...

Die, die so anders sind

In den Fünfzigern strebte er die Atombombe an, um den Bolschewismus zu zähmen; in den Sechzigern geriet er mit der Meinungsfreiheit auf Kriegsfuß; in den Siebzigern wollte er in Haft befindliche RAF-Mitglieder standrechtlich erschießen lassen; und in den Achtzigern erwog er risikobehaftetes CS-Gas gegen die Anti-Atomkraft-Bewegung einzusetzen. Daher erntete er zeit seines Lebens Nazi!-Rufe, wurde er zum Faschisten erklärt. Seinen mit einem Doppel-S endenden Nachnamen mußte er häufig mit zwiefachen Runen ausstaffiert ertragen. Ihn in die braune Ecke gestellt zu haben, so würde seine Tochter Jahre nach seinem Tode offenlegen, hat ihm besonders geschmerzt. Zwar waren alle Geschichten, die er vom Widerstand vor 1945 preisgab, nichts weiter als ausgeschmückte, selbstbeweihräuchernde Märchen - doch damals war er wirklich kein Anhänger Hitlers, auch wenn er seine "gottverdammte Pflicht" in der Wehrmacht tat. So wie viele seiner politischen Kollegen oder seiner Spezln, seiner Amigos in der freien Wirtschaft auch. Er fühlte sich verkannt, verleumdet, witterte stets kommunistische Kampagnen, wenn man ihn zum Abkömmling der Nationalsozialisten machte.

Franz Josef Strauss war exemplarisch für dieses heimtückische Gebrechen, an dem der bundesrepublikanische Staat stets litt. Exemplarisch dafür, nicht sein zu wollen, wie der Rechtsvorgänger war, gleichzeitig aber in dessen Tradition zu stehen. Selbst heute, da die politische Oberschicht keine persönlichen Schutzstaffel- oder Landser-Erfahrungen mehr aufzuweisen hat, läßt sich die Seuche, anders sein zu wollen, jedoch nicht anders sein zu können, nicht einfach abschütteln. Etliche faschistoide Bekundungen der letzten Monate und Jahre legen beredt Zeugnis davon ab; es gibt bekanntlich mannigfache Aussagen, die von zeitlich begrenzter Alimentierung wirtschaftlicher Ballastexistenzen und Minderleistern, bis hin zum Arbeitszwang unter der Knute eines modifizierten Reichsarbeitsdienstes, reichen.

Hier weiterlesen...

Sit venia verbo

Mittwoch, 14. April 2010

"Der Puritaner wollte Berufsmensch sein – wir müssen es sein. Denn indem die Askese aus den Mönchszellen heraus in das Berufsleben übertragen wurde und die innerweltliche Sittlichkeit zu beherrschen begann, half sie jenen mächtigen Kosmos der modernen ... Wirtschaftsordnung erbauen, der heute den Lebensstil aller einzelnen, die in dieses Triebwerk hineingeboren werden ... mit überwältigendem Zwange bestimmt und vielleicht noch bestimmen wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist."
- Max Weber, "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" -

Aus dem Drama lernen

Dienstag, 13. April 2010

Was für ein Nekrolog! Er liest sich wie ein Who is Who der polnischen Gesellschaft. Da regnete es Händevoll Politiker vom Himmel, Ökonomen und Theologen, Militärs und Journalisten, Funktionäre sowieso. Selten schäumte eine Totenliste vor soviel Prominenz über. Das gefallene Gefolge des polnischen Präsidenten Kaczynski, es raubt einem ganzen Land die Führungsebene.

Verantwortungslos! Das britische Königshaus, liest man hie und da, schicke seine beiden jüngsten Sprosse in zweierlei Maschinen um den Globus, damit bei einem möglichen Absturz, zumindest einer im Leben zurückbleibt und die Thronfolge gesichert ist. Das ist der überlebensnotwendige Pessimismus des Hauses Windsor. Kaczynski war Optimist. Der Nekrolog etikettiert diese Zuversicht und dieses Zutrauen. Aus dem roten Teppich polnischer Hautevolee wurde ein schwarzer, wurde ein Schaulaufen berühmter Erscheinungen, die nicht mehr in Erscheinung treten werden. Man lerne daher von Königshäusern!

Hier weiterlesen...

Ich nicht!

Sonntag, 11. April 2010

Muß ich mich der kommenden Zeilen schämen? Ich neige dazu, mir diese Frage mit Ja zu beantworten. Ja, es könnte pietätlos, es könnte schändlich wirken. Aber wie dem auch sei, manchmal muß auch sowas gesagt werden; mitunter wird es notwendig, etwas zu verkünden, auf das man nicht unbedingt stolz sein muß. Verschiedentlich muß man sich zur Wehr setzen, auch wenn es eine Wehrhaftigkeit ist, bei der es an Manieren mangelt.

Mit Ihnen trauert ein ganzes Land!, hat er vorgestern die Hinterbliebenen getröstet. Natürlich wollte er aufrichten, Seelenbalsam in finsterer Stunde auftragen - aber auch sich und seine Klientel reinwaschen, ganz nebenbei erklärt haben, dass jene Soldaten im Auftrag eines ganzen Landes, nicht nur einer Minderheit, gefallen sind. Ein ganzes Land! Wie kommt dieser selbstdarstellerische Zirkel eigentlich dazu, für ein ganzes Land sprechen zu wollen? Ich weiß nicht, wie andere das wahrnehmen, aber ich, in diesem Lande lebend, trauere nicht; ich will damit nichts zu tun haben. Man spreche nicht an meiner Statt! Das verbitte ich mir!

Hier weiterlesen...

De dicto

Samstag, 10. April 2010

"Zuversichtlicher stimmen hingegen Beispiele von Haupt- und Realschulen, denen es gelingt, ihre Schüler erfolgreich in die Ausbildung zu vermitteln. Ihr Erfolg beruht auf der Erkenntnis, dass Jugendliche viel besser lernen, wenn sie schon in der Schulzeit die Berufspraxis intensiv kennenlernen."
- Lisa Becker, Frankfurter Allgemeine vom 8. April 2010 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Wenn dem wirklich so ist, dass Schulabgänger heute dümmer sein sollen als früher - und es ist nicht gesagt, dass es so ist, weil erstens, die Presse zur maßlosen Übertreibung neigt und, zweitens, jammervolles Gestöhne zum Flickzeug der Unternehmer gehört - wenn dem also so ist, so muß man sich fragen, woher diese Umstände rühren und wie man dem entgegenwirken kann. Man hat sich zu fragen, wie man jungen Menschen Bildung so verabreicht, dass sie Freude daran haben - dies muß aber unabhängig vom zukünftigen Berufsleben geschehen, denn Bildung ist nicht alleine Grundlage von Ausbildung: sie ist Menschenrecht, gemäß Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Und sie ist Grundlage der gesamten Gesellschaft, nicht nur des Produktionsprozesses, nicht nur Basis für die Berufswelt.

Hier weiterlesen...

Herren zweier Epochen

Freitag, 9. April 2010

Mensch, Thilo! Carl! Ihr habt euch ja gar nicht verändert. Ihr gleicht euch immer noch! Hätte nie gedacht, dass ihr zum Jubiläum unserer schönen Schule, zum Festtag unserer alterwürdigen Lehranstalt erscheint. Dass ihr unserem geliebten Gymnasium akkurater Herrenmänner mit eurer Anwesenheit einen besonders gleißenden Glanz verleiht. Schön, dass ihr erschienen seid. Stolz war ich, euer Lehrer gewesen zu sein; fast schon hochmütig, den Lehrstoff, den ich nun seid ichweißnichtwieviel Jahrhunderten in die Köpfe meiner Schützlinge pauke, so unverfälscht in eurem späteren beruflichen Wirken wiederentdeckt zu haben. Des Lehrers Herz muß dabei einfach bersten vor Glück. Dabei hegte ich Zweifel. Ihr seid ja aus zweierlei Epochen in meinem Klassenzimmer gesessen. Carl kannte noch den Katheder, von dem ich gleich einem Despoten herabschaute auf die Scholaren; Thilo wurde der damaligen Zeit angepasst, schon etwas lockerer zum Übermenschen herangebildet. Rahmenbedingungen nur, die nichts am Lehrstoff änderten.

Damals, wie gesagt, zweifelte ich an euch. Kränklich dreinblickende Bürschlein seid ihr gewesen; seid ihr immer noch, wie ich über die Jahre feststellen durfte, als ich euch in Tageszeitungen abgelichtet und später im Fernsehen erblickt habe. Sage noch einer, das Aussehen scheide den Herren von seiner Dienerschaft! Darauf kam es noch nie an! Nah am Wasser gebaut hattet ihr auch, war jedenfalls mein Eindruck damals, als ich euch bei mir hatte. Muttersöhnchen vielleicht, aber das kann und will ich nicht behaupten. Im Grunde waren standet ihr unter schlechten Vorzeichen. Und dann las ich später von dir, Carl, dass du im fernen Afrika Karriere gemacht hast. König seist du geworden, der kleine, wenn auch inoffizielle König aller Neger im deutschen Ostafrika. Ein Despot, der den Wilden Furcht und Ordnung lehrte, der auspeitschen und Schlingen um Hälse legen ließ. Hängepeters haben sie dich damals getauft. Was war ich erfüllt von Glück: da stand einer meiner Schüler, ein Absolvent unserer herrlichen, herrischen, herrenmenschlichen Lehranstalt, im Mittelpunkt reißerischer Aufmacher, erntete hier Applaus dort Hass, war also gesund im Geschäft. Einmal sah ich eine Fotografie, wie dich einige Mohren über einen Fluß trugen - ein köstlicher Anblick, ein Anblick der unserer Schule Ehre machte. Und als ich dann noch las, dass du manche schwarze Bestie abgeknallt hast, war ich entzückt. Carl, ich wollte zu der Zeit schon in den Vorruhestand gehen, aber dieser Anblick eines weißen Herrenmenschen, der sich zwischen den wilden Kreaturen dieser Erde aufführt, wie es ihm, wie es seinem Stand als Krone der Schöpfung zukommt, er hat mich zur Besinnung gelangen lassen. Da schwante mir wieder, dass mein Wirken doch einen Sinn hat.

Hier weiterlesen...

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP