Mit der Bitte um Säue...

Mittwoch, 28. April 2010

Es ist doch nur eine geringfügige Bitte. Ihr könntet sie erfüllen! Menschlicher geworden seid ihr sicherlich nicht, sodass man davon ausgehen könnte, ihr würdet uns keinen Stoff mehr anbieten. Mit der Bitte um Säue trete ich vor euch und spreche für meinen Stand, meine Kollegen. Ruhe ist eingezogen in das, was man Blogosphäre nennt. Wenig liest man, weniger bleibt haften. Einer ist sogar schon so müde, dass es ihm zum Kotzen ist. Und ihr tut nichts! Daher stehe ich hier, ich kann nicht anders, und schnorre um eine übersichtliche Herde Säue, die er für uns durch die Dörfer jagen sollt, damit unsere Müdigkeit, unsere Langeweile vergeht, dadurch unsere Finger nicht rosten, unser Geist nicht verfault.

Ihr Medien, ihr Diekmänner, ist denn ein Rudel Säue für uns nicht realistisch? Wie sieht es mit Ferkeln aus? Da hockt ihr zusammen und schweigt; und wenn ihr doch redet, dann nur immer denselben Quatsch, verliert euch im täglichen Kriegsgebrüll und schafft uns ansonsten nur wenig Stoff herbei - für uns habt ihr kein Verständnis. Wir können uns doch nicht täglich Trauerzeremonien widmen und des Dünnschiss' der Guttenbergs und Merkels erbarmen. Was waren das für Zeiten, wo ihr uns Widerlinge und Scheusale an die Gurgel gehetzt habt. Damals, als Sarrazin täglicher Gast war, Clement seinen Darmkatarrh in eure Gazetten schiss und allerlei zynische Ökonomen ihren Minderwertigkeitskomplex durch gehässige Kolumnen und Artikel kurierten. Das waren Säue! Clement meldete sich ja kürzlich zu Wort: oh, was hat der abgebaut, seine eigene Karrikatur ist er geworden, nicht wert, überhaupt noch beachtet zu werden. Ja, das waren noch Säue damals! Nicht sie selbst: in ihrer Funktion, in ihrer Rolle als Thema des Tages, der Woche, des Monats! Säue, die durchs Dorf gehetzt werden konnten. Damit konnte man arbeiten, seine Wut und Verachtung in Worte pferchen, Gift und Galle brechen und sich ein wenig wie ein Schweinehirte fühlen, der die tollgewordene Sau an der Hinterhaxe gepackt und gezügelt hatte.

Was ist mit euch los? Sind euch die Säue ausgegangen? Ihr seid doch nicht menschlicher geworden - so eilig wird aus Säuischem nicht Menschliches. Säue gehen doch nie aus, es gibt sie, solange es Menschen gibt. Von was soll die Presse denn ihre Stromrechnung bezahlen, wenn es keine repräsentablen Säue mehr gibt? Ich kann nicht glauben, dass ihr in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zur Vernunft gekrochen seid - ich kann es einfach nicht fassen, dass ihr keine Sozialrassisten mehr in petto habt. Neinnein, ihr macht uns da was vor! Ihr habt noch ausreichend davon; viel zu viele, herdenweise, wie weiland Büffelherden die Prärie zudeckten. Aber jetzt vor den Wahlen, jetzt da man Einheitsfronten für Zentralasien schmiedet, da laßt ihr sie grunzend und quiekend im verrammelten Stall. Dabei wäre es doch eure Aufgabe, euch um dieses Gezücht zu bemühen, es so weit zu domestizieren, dass es auf euren Seiten erscheinen kann - und dann kämen wir ins Spiel, wir Schreiber ohne Tintenfass und Druckerpresse, wir Pixelfärber und Tastaturpoeten. Aber wo keine Sau, da keine Schweinehirten. Müde und ohne Anreize sind wir - arbeitslos sind wir - die Lebensgeister entfleuchen uns. Es ist überhaupt nicht saugeil, wenn es keine Säue mehr gibt, die wir durch unser Dorf wildern können. Nur eine Sau, nur eine einzige für den Anfang! Das kann so schwer doch nicht sein. Mehr wollen wir augenblicklich gar nicht!

Wir geben es ja zu: wir wären gar nichts ohne euch! Wir sind nichts - ihr alles! Ist es das, was euch verärgert hat? Waren wir undankbar für all die Säue, die ihr uns geschickt habt? Wenn ja, glaubt uns doch, wir sind euch dankbar. Ohne euch gäbe es doch nichts, worüber wir uns erbosen, uns erhitzen könnten. Ihr habt das Monopol der Säue, ihr nennt es nur agenda setting - laßt uns Teilhaber an eurem Alleinanspruch sein: gebt uns eine Sau! Keine Ablenkungsmanöver mehr, kein Kruzifixstreit, keine Schulden-Griechen mehr, genug von der Kriegsberichterstattung - bringt Säue, denn sie sind das ungelogene Antlitz unserer Zukunft, sind die personengewordenen Werte der bürgerlich-liberalen Utopie, die immer wirklicher, vom ou-tópos zum Topos wird. Ein Satz von einem Sozialrassisten, dazu die abgeernteten Ovationen seines Publikums: das ist das Tuch, aus dem die Leistungsträgergesellschaft gewebt ist - das sagt mehr über diese Gesellschaft aus, als jeder einschläfernde Berichte, jeder analytische und wissenschaftliche Flankenschutz für die Leistungsträgerschaft und ihr vorschwebendes Gemeinwesen. Säue brauchen wir; Säue zeigen uns, wohin wir schwimmen; Säue animieren uns, gegen den Strom zu rudern - alles andere ist Narretei, Blendwerk!

Es wird Zeit für neue Widerborste. Ihr Diekmänner, schleicht euch an den Rand unseres Dorfes und laßt eine Sau los. Dann heizt euer Publikum zur Treibjagd an - bis wir Schweinehirten aus unseren Verschlägen stürmen, um die ärmliche Sau an den Hinterläufen zu grabschen - die Hiebe der Treiber nehmen wir hin: das gehört zum Geschäft. Mit der Bitte um Säue trete ich vor euch - einsichtig, dass nur ihr uns solche verkaufen könnt. Wenn schon nicht Säue, so doch eine Sau: eine kleine Sau wenigstens. Wir brauchen Säue, die ihr durchs Dorf jagt, damit wir einen Grund haben zu schreiben - damit wir schreibend Perlen vor die Säue schmeißen können. So kann es jedenfalls nicht weitergehen! Ihr schläfert uns ja ein. Füttert uns! Oder halt: Füttert erst eine Sau heran, die ihr uns dann als Futter zuwerft! Aber macht schnell, damit aus dem müden Kollegen keine kollegial-kollektive Müdigkeit wird.

6 Kommentare:

Anonym 28. April 2010 um 08:36  

Wut, Kraftlosigkeit und zu guter Letzt: Resignation. Verständlich? Ja. Zumindest die ersten beiden Punkte. Letzterer, eine Art Selbstkasteiung.

Noch ein Abgesang: http://hanniballektor.wordpress.com/2010/04/28/und-das-war-es-dann/

Warum gibt man plötzlich etwas auf wovon man überzeugt war? Höhlt doch schließlich steter Tropfen den Stein. Doch dieser Vorgang geht nicht schnell genug. Die fehlende Geschwindigkeit zermürbt. Die Gewinner? Jene gegen die wir unseren Kampf aufnahmen. Jene die wir wachrütteln wollten. Doch versuch mal ein Tier aus einer Winterstarre zu erwecken. Es hat Angst sterben zu können und diesen Tod schätzt man sehr real. Einziges was zum überleben nötig wäre: den Kreislauf wieder in Schwung bringen. Doch wie?

Und etwas zum Thema Geduld: http://www.duckhome.de/tb/archives/7925-Geduldsprobe.html

Und wenns mal wieder länger dauert? Nimmt man die Essenz: http://blog.pantoffelpunk.de/brechmittel/heute-nur-die-essenz

Tim 29. April 2010 um 03:08  

Der Kollege hier hat leider auch schon länger dicht gemacht:
http://www.messitschbyburns.de/archives/839

Mit großem Vergnügen las ich seine Polemiken über einige Journalisten der "bürgerlichen" Presse... sehr schade.

In erheiterter Erinnerung:

http://www.messitschbyburns.de/archives/category/tagesspiegel-medien/lehming-tagesspiegel-medien-medien

http://www.messitschbyburns.de/archives/category/medien/dummdeutsch

...und viele weitere.

Anonym 29. April 2010 um 04:22  

Nicht unterkriegen lassen, die nächste mediale Sau wartet schon.

Apropop "mediale Sau", der SPIEGELFECHTER hat etwas über die aktuellste mediale Sau geschrieben:

"[...]Wulffs Migrantencoup[...]"

Quelle und kompletter Text:

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2481/wulffs-migrantencoup

Es scheint so, nachdem die Rechtslastigkeit z.B. der Jungen Union bei http://www.nachdenkseiten.de aufgeflogen ist, dass man nun die Vorwärtsstrategie der Verteidigung sucht, und ausgewählte Migranten in die Reihen der CDU/CSU aufnimmt, um eben davon abzulenken, dass sich das Programm der CDU streckenweise so liest wie das von Rechtsextremisten.

Da hat die CDU wohl von der FDP gelernt? Während die in Honduras und Thailand über die fdp-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung rechtslastige "Eliten" stützt wird in Deutschland eben ein vietnamesischstämmiger Adoptivsohn als Gesundheitsminister "gehalten".

Sorry für meinen Zynismus, aber ich wundere mich auch, dass diese Strategie, die so glasklar vor meinen Augen liegt von anderen einfach ignoriert wird, außerhalb des Internets.

Ich nenne die eben "soziale Apartheid", seit ich von Südafrika aus von diesem Begriff gehört habe, der besagt, dass man eben durchaus "anders sein" kann global, wenn man zur "Elite" gehört.

Die Mittel- und Unterschichten der globalen Welt läßt man im Namen der neoliberalen Internationale weltweit eben nicht als Menschen gleicher Klasse behandeln, wie z.B. FRONTEX an den EU-Außengrenzen jeden Tag mit beweist.

Ich bin übrigens für gleiche Menschenrechte für alle Menschen, nicht nur für die "Eliten" der neoliberalen Internationale....

Ich frage mich schon seit Jahren - Wo bleibt eigentlich die Internatiole der Neoliberalismusopfer?

Ich bin nun 40 Jahre alt, und ehrlich gesagt, auch am resignieren.....

Es scheint doch wirklich so zu sein, während die Mittel- und Unterschichten mittels "teile und herrsche" regiert werden, gibt es bei denen kein Klassenbewußtsein, aber bei den selbsternannten "Eliten" global eben schon...wie auch die Finanzkrise glasklar offenlegt...nur wo bleibt der Widerstand weltweit gegen diese neoliberalen Taliban?

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 29. April 2010 um 07:09  

Lieber Roberto, man sollte nicht darum bitten. Sonst kommen riesige Herden, die alles niedertrampeln, was sich ihnen in den Weg stellt... auch noch den letzten Rest der schönen Rasenflächen, die ja noch Dank Menschen wie dir existiert.
Zum Thema "Geduld" bei Duckhome habe ich 2 Kommentare geschrieben. Mag für manch einen sehr zynisch klingen, dabei war es nur sarkastisch gemeint.

Zoran

Pöbelrocker 6. Mai 2010 um 04:33  

Generelle Anmerkung, nicht speziell zum Artikel:

Was kümmert Ihr euch so um den Pöbel? Wenn der könnte würde er genauso die Sau rauslassen wie die Eliten. Das Pack soll man ruhig ausnehmen und weiterhin verdummen.

Ich applaudiere all den Ackermännern und Diekmännern dieser Welt. Für den Urnenpöbel, dieses naive, treudoofe und selbstbezogene Massenpack habe ich nur noch Verachtung übrig. Es ist keinen Deut besser und verhält sich sehr ähnlich wie die Kapitalismus Eliten. Nur auf niedrigem Niveau.

Anonym 8. Mai 2010 um 01:20  

Robero, ich hoffe es geht dir eingermaßen. Wollte nur einen Gruß senden und dich drücken.
Zoran

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