Wir sind, was wir essen
Dienstag, 30. Juni 2009
„Der Mensch ist, was er ißt“, meinte Ludwig Feuerbach, sich dabei auf die Arbeit des Physiologen Jacob Moleschott stützend, der den Stoffwechsel im menschlichen Körper einer breiten Öffentlichkeit vermittelte. Moleschott indes war befruchtet von Feuerbachs atheistischen Materialismus, welcher nur die Natur als wirkendes Prinzip zuließ. Feuerbach fühlte sich durch Moleschotts Forschungen bestätigt, und ließ damit die Frage nach der Qualität von Lebensmitteln erwachen. Für Feuerbach war das Bonmot, wonach der Mensch sei, was er ißt, ein materieller Ausspruch. Wir, Zeitgenossen qualitätsarmer Massenlebensmittel, dürfen ihn aber durchaus moralisch auffassen.
Der Mensch ist, was er ißt – das gilt auch für den Verfasser dieser Zeilen, ausgesprochener Fleischliebhaber, Freund guter Küche, Interessierter in Sache Küchenhistorie und der „Evolution von Gerichten“. Für ihn spiegelt sich auch auf dem Speisentisch, sofern er traditionell gedeckt ist, die soziologischen Strukturen einer Region wider. Essen ist, so gibt er frei heraus zu, mehr als Lebenserhaltung, weitaus mehr als bloßer Nährstoffträger. Man sieht es ihm an, aber davon sollen diese Zeilen nicht handeln. Was ihn ausmacht, ist sein heiliger Zorn, seine Energie gegen jegliche Form fehlender Humanität, jeglicher zwischenmenschlicher Unmoral. Und gleichzeitig hat er, aus Mangel an Geld, immer wieder beispielsweise Fleisch aus Regalen diverser Supermärkte eingekauft. Die Liebe zum Fleisch trieb ihn dazu.
Damit steht er nicht alleine da, daraus eine Staatsaffäre machen zu wollen, wäre nur ein übertriebenes Getue, zudem ein Fall von Millionen, ein aufgebauschter Fall von pars pro toto. Aus dem Trieb nach billiger Ware, aus der Gier täglichen Fleischkonsums, könnte man aber wirklich eine Staatsaffäre machen, eine globale Affäre eher gar – denn was auf dieser Erde täglich geschieht, wie respektlos die Kreatur Mensch seine Mitkreaturen zurichtet, müßte einen Aufschrei der Entrüstung zur Folge haben. Hühner werden powergemästet, können sich nach kurzen Wochen ihrer Existenz kaum mehr auf ihren Füßchen halten, Schweine verlassen niemals ihre enge Lebensbox, werden ebenso im Schnellverfahren zur schlachtreifen Fettleibigkeit gefüttert. Allerlei Schlachtvieh wird mit qualitativ mangelhaftem Futter gemästet, Tiermehl und ähnliches Pulver als Grundlage unserer Ernährung, Kannibalismus als anerzogenes Fehlverhalten von Pflanzenfressern. Die Rechnung wurde dezent bereits serviert, wird täglich immer noch bezahlt, auch wenn niemand mehr davon berichtet – BSE ist kein Thema mehr, ist aber immer noch Thema in den industrialisierten Ställen dieser Welt.
Vegetarier zu werden, war dem Schreibenden nur ein kurzer Gedanke. Er fühlte sich dann sicherlich moralisch befreiter, aber Fleisch ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Ernährung. Und überhaupt ist er davon überzeugt, dass im vegetarischen Lebensstil die gleichen moralischen Fallen lauern, wie man im Falle von Tofu unschwer erkennen kann. Das servierte Tofu-Stückchen, dieses geschmacklose Irgendwas, wäre mit den Auswüchsen gierigen Abrodens von Regenwäldern schmierfilmhaft überzogen. Hunger für diejenigen, die neben Sojabohnenfeldern leben, sich dort aber nicht sättigen dürfen, weil die geschmacksneutrale Bohne für europäisches Vieh gedacht und angebaut ist. Außerdem ist das Verspeisen von Fleisch menschlich; wir wären nicht, was wir sind, hätten unsere Vorfahren nicht reichlich Fleisch gefressen. Der Mensch ist eine besondere Art von Raubtier, moralische Fragen hin oder her.
Das Töten von Leben ist aber auch dann natürlich eine ethische Kategorie, wenn es zum Stillen von Hunger geschieht. Doch auf Fließbändern Kreaturen industriell zu erlegen, sie innerhalb einer Zehntelsekunde zu zerteilen, dabei zu kleine oder mangelhafte Fleischstücke einfach aus ökonomischen Gründen auszusortieren und wegzuwerfen, das ist eine andere Kategorie als die Schlachtung eines Tieres, so wie es Menschen seit Jahrtausenden tun. Aus der Schlachtung KZ-Zustände zu machen, die Kreatur, die uns als Lebensmittel dienen soll, ohne Ehrfurcht und Dankbarkeit zu betrachten, das ist unentschuldbar. In einigen Kulturen, beispielsweise bei den Buschmännern, ist es Brauch, sich beim erlegten Tier zu bedanken, welches nun dafür starb, um einer menschlichen Familie das Leben zu ermöglichen. Was für europäische Augen seltsam wirkt, zeugt aber von Respekt vor dem, was die Natur dem Menschen bereitstellt. Unserer Gesellschaft geht jegliche Art von Respekt am Lebensmittel ab. Wir nehmen es in Kauf, dass unter himmelschreienden Mißständen Leben getötet, Leben zum reinen ökonomischen Wert degradiert wird, so sehr, dass man Tiere quält, zwangsmästet, sie mit Medikamenten aufbereitet, „mangelhafte“ Exemplare selektiert, tötet und respektlos verfeuert.
Man kann durchaus Fleischesser sein, sich aber einen moralischen Impuls bewahren, auch wenn dann der Mord als Begleiter am Essenstisch sitzt. Dieser Mord an der Mitkreatur ist uns als Menschen immanent, wenn wir als Spezies überleben wollen. Er fand immer statt, wird wohl auch nie vollkommen auszuschließen sein. In diesem Falle verhalten wir uns unmoralisch, auch wenn die gelehrte Moral großer Philosophen eine rein menschliche, eine zwischen Mensch und Mensch ist, und damit das Verhältnis Tier und Mensch amoralisch beläßt. Töten wird ein notwendiges Übel bleiben, durchaus ein Frevel am Leben – und genau dieses fast masochistische Eingestehen menschlicher Schuld an der Mitkreatur ist hervorzuheben und zu kultivieren, denn darin schlummert der Respekt vor den Tieren, die uns zu Lebensmittel werden. Wer sich immer vor Augen führt, dass es keine Selbstverständlichkeit sein darf, wenn uns ein Schwein oder ein Rind Fleisch liefert, wenn wir eine Art stiller Dankbarkeit empfinden lernen, dann entsteht auch Nähe zum ernährenden Produkt, dann wird nicht wahllos im Akkord getötet und das Tier wie ein Stück Eisenerz oder Holz behandelt, sondern mit verdienter Ehrfurcht. Dann wird aus dem Lebensmittel wieder ein Mittel des Lebens, ein Mittel zum Zweck, keine Frage, aber dadurch, dass uns dies bewusst ist, dadurch, dass wir wissen, dass das Schlachten notwendiges Zweckmittel ist, wird es in quasi-ritueller Form zum Akt der Dankbarkeit. Dann vergisst man nicht, wie das Stück Fleisch zustandekam, dann ist man sich immer der Umstände gewahr, wird kein sich völlender Ignorant, sondern ißt mit Bedacht.
Nochmal zurück zu Feuerbach. Für uns hat sein berühmter Ausspruch zwar auch materielle Aspekte, aber er dient uns auch als moralische Grundlage. Wir sind, was wir essen. Essen wir ehrfurchtslos dahingemetzeltes Fleisch, das Filet überfetteter Tiere vielleicht, mit Kraftfutter getrimmte Riesenbrüste vom Huhn, dann ernähren wir uns unkritisch und zur schnellen Sättigung. Schmecken soll es zwar, aber das Produkt kann ruhig aus der Hölle kommen.
Wir sind, was wir essen – essen wir respektlos, sind wir respektlos. Gegenüber wen? Gegenüber dem Leben von Tieren. In erster Instanz. Aber letztlich unterscheidet sich Leben dann kaum mehr. Wo man Nutztiere ohne Ehrfurcht zerstückelt, wo das Lebensmittel reine Ware geworden ist, da wird auch das menschliche Leben früher oder später auf den Prüfstand ökonomischer Verwertbarkeit gelegt. Sich respektlos zu sättigen, undankbar und selbstverständlich, auch im Hinblick auf jene, die nichts zu essen haben, bedeutet der Respektlosigkeit dazu zu verhelfen, Herr über die gedachten Gedanken zu werden.
Wir sind, was wir essen – wir essen undankbar, daher sind wir Undankbare. Selbstverständlich wird gevöllt, selbstverständlich, als wäre es eine Ehre für das Tier, geschlachtet werden zu dürfen. Wir danken uns selbst dafür, ausreichend zu verdienen, um uns am Supermarktregal bedienen zu können. Die Säkularisierung des Lebens, die Abkehr von einem Alltag, der sich an Gott orientierte, hat viel Befreiung gebracht, auch viel Leid und Resignation von uns genommen, aber das Tischgebet als Ausdruck von Dankbarkeit, wenn auch nur an ein Abstraktum im Himmelreich gerichtet, fehlt unserer heutigen Essenskultur vollständig.
Wir sind, was wir essen – wir essen unkritisch. Diese fehlende Kritik durchzieht unseren gesamten Lebensablauf. Es wird nicht hinterfragt, nicht in der Politik, nicht beim Gebaren von Unternehmen, schon gar nicht, woher das Stück Steak herkommt, auch nicht, wer unter meiner Sojabohne gelitten hat.
Wir sind eben nicht nur, was wir essen – vorallem sind wir, was wir wie essen.
Dem Verfasser ist bewusst, dass es zukünftig weniger Fleisch verzehren wird, weil das Produkt des Metzgers, bei dem er nun ausschließlich kauft, teuerer ist. Aber der Verzicht ist es ihm wert. Nebenbei darf er sich besserer Fleischqualität erfreuen. Darin, im Verzicht, dessen ist er sich bewusst, ist der neue, bessere Weg zu suchen. Warum jeden Tag Fleisch? Und spinnen wir den Gedanken weiter: Warum Erdbeeren im Winter, Spargel im Herbst, Kirschen im Januar? Wir sind, was wir essen – jeder von uns. Essen wir den Jahreszeiten entfremdet, sind wir entfremdet – und diese Entfremdung ergreift nicht nur auf dem Teller von uns Besitz; wir entfremden uns in allen Variationen, gegenüber jedermann. Kurzum, die gezielte Askese am Produkt, nämlich, dass ein bestimmtes Produkt nicht immer verfügbar sein kann, ist die notwendige Einsicht in bessere, ethischere, ökologischere, auch sozialere Zustände – auch wenn der das hier Schreibende wahrlich nicht den Eindruck eines Asketen macht.
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Der Mensch ist, was er ißt – das gilt auch für den Verfasser dieser Zeilen, ausgesprochener Fleischliebhaber, Freund guter Küche, Interessierter in Sache Küchenhistorie und der „Evolution von Gerichten“. Für ihn spiegelt sich auch auf dem Speisentisch, sofern er traditionell gedeckt ist, die soziologischen Strukturen einer Region wider. Essen ist, so gibt er frei heraus zu, mehr als Lebenserhaltung, weitaus mehr als bloßer Nährstoffträger. Man sieht es ihm an, aber davon sollen diese Zeilen nicht handeln. Was ihn ausmacht, ist sein heiliger Zorn, seine Energie gegen jegliche Form fehlender Humanität, jeglicher zwischenmenschlicher Unmoral. Und gleichzeitig hat er, aus Mangel an Geld, immer wieder beispielsweise Fleisch aus Regalen diverser Supermärkte eingekauft. Die Liebe zum Fleisch trieb ihn dazu.
Damit steht er nicht alleine da, daraus eine Staatsaffäre machen zu wollen, wäre nur ein übertriebenes Getue, zudem ein Fall von Millionen, ein aufgebauschter Fall von pars pro toto. Aus dem Trieb nach billiger Ware, aus der Gier täglichen Fleischkonsums, könnte man aber wirklich eine Staatsaffäre machen, eine globale Affäre eher gar – denn was auf dieser Erde täglich geschieht, wie respektlos die Kreatur Mensch seine Mitkreaturen zurichtet, müßte einen Aufschrei der Entrüstung zur Folge haben. Hühner werden powergemästet, können sich nach kurzen Wochen ihrer Existenz kaum mehr auf ihren Füßchen halten, Schweine verlassen niemals ihre enge Lebensbox, werden ebenso im Schnellverfahren zur schlachtreifen Fettleibigkeit gefüttert. Allerlei Schlachtvieh wird mit qualitativ mangelhaftem Futter gemästet, Tiermehl und ähnliches Pulver als Grundlage unserer Ernährung, Kannibalismus als anerzogenes Fehlverhalten von Pflanzenfressern. Die Rechnung wurde dezent bereits serviert, wird täglich immer noch bezahlt, auch wenn niemand mehr davon berichtet – BSE ist kein Thema mehr, ist aber immer noch Thema in den industrialisierten Ställen dieser Welt.
Vegetarier zu werden, war dem Schreibenden nur ein kurzer Gedanke. Er fühlte sich dann sicherlich moralisch befreiter, aber Fleisch ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Ernährung. Und überhaupt ist er davon überzeugt, dass im vegetarischen Lebensstil die gleichen moralischen Fallen lauern, wie man im Falle von Tofu unschwer erkennen kann. Das servierte Tofu-Stückchen, dieses geschmacklose Irgendwas, wäre mit den Auswüchsen gierigen Abrodens von Regenwäldern schmierfilmhaft überzogen. Hunger für diejenigen, die neben Sojabohnenfeldern leben, sich dort aber nicht sättigen dürfen, weil die geschmacksneutrale Bohne für europäisches Vieh gedacht und angebaut ist. Außerdem ist das Verspeisen von Fleisch menschlich; wir wären nicht, was wir sind, hätten unsere Vorfahren nicht reichlich Fleisch gefressen. Der Mensch ist eine besondere Art von Raubtier, moralische Fragen hin oder her.
Das Töten von Leben ist aber auch dann natürlich eine ethische Kategorie, wenn es zum Stillen von Hunger geschieht. Doch auf Fließbändern Kreaturen industriell zu erlegen, sie innerhalb einer Zehntelsekunde zu zerteilen, dabei zu kleine oder mangelhafte Fleischstücke einfach aus ökonomischen Gründen auszusortieren und wegzuwerfen, das ist eine andere Kategorie als die Schlachtung eines Tieres, so wie es Menschen seit Jahrtausenden tun. Aus der Schlachtung KZ-Zustände zu machen, die Kreatur, die uns als Lebensmittel dienen soll, ohne Ehrfurcht und Dankbarkeit zu betrachten, das ist unentschuldbar. In einigen Kulturen, beispielsweise bei den Buschmännern, ist es Brauch, sich beim erlegten Tier zu bedanken, welches nun dafür starb, um einer menschlichen Familie das Leben zu ermöglichen. Was für europäische Augen seltsam wirkt, zeugt aber von Respekt vor dem, was die Natur dem Menschen bereitstellt. Unserer Gesellschaft geht jegliche Art von Respekt am Lebensmittel ab. Wir nehmen es in Kauf, dass unter himmelschreienden Mißständen Leben getötet, Leben zum reinen ökonomischen Wert degradiert wird, so sehr, dass man Tiere quält, zwangsmästet, sie mit Medikamenten aufbereitet, „mangelhafte“ Exemplare selektiert, tötet und respektlos verfeuert.
Man kann durchaus Fleischesser sein, sich aber einen moralischen Impuls bewahren, auch wenn dann der Mord als Begleiter am Essenstisch sitzt. Dieser Mord an der Mitkreatur ist uns als Menschen immanent, wenn wir als Spezies überleben wollen. Er fand immer statt, wird wohl auch nie vollkommen auszuschließen sein. In diesem Falle verhalten wir uns unmoralisch, auch wenn die gelehrte Moral großer Philosophen eine rein menschliche, eine zwischen Mensch und Mensch ist, und damit das Verhältnis Tier und Mensch amoralisch beläßt. Töten wird ein notwendiges Übel bleiben, durchaus ein Frevel am Leben – und genau dieses fast masochistische Eingestehen menschlicher Schuld an der Mitkreatur ist hervorzuheben und zu kultivieren, denn darin schlummert der Respekt vor den Tieren, die uns zu Lebensmittel werden. Wer sich immer vor Augen führt, dass es keine Selbstverständlichkeit sein darf, wenn uns ein Schwein oder ein Rind Fleisch liefert, wenn wir eine Art stiller Dankbarkeit empfinden lernen, dann entsteht auch Nähe zum ernährenden Produkt, dann wird nicht wahllos im Akkord getötet und das Tier wie ein Stück Eisenerz oder Holz behandelt, sondern mit verdienter Ehrfurcht. Dann wird aus dem Lebensmittel wieder ein Mittel des Lebens, ein Mittel zum Zweck, keine Frage, aber dadurch, dass uns dies bewusst ist, dadurch, dass wir wissen, dass das Schlachten notwendiges Zweckmittel ist, wird es in quasi-ritueller Form zum Akt der Dankbarkeit. Dann vergisst man nicht, wie das Stück Fleisch zustandekam, dann ist man sich immer der Umstände gewahr, wird kein sich völlender Ignorant, sondern ißt mit Bedacht.
Nochmal zurück zu Feuerbach. Für uns hat sein berühmter Ausspruch zwar auch materielle Aspekte, aber er dient uns auch als moralische Grundlage. Wir sind, was wir essen. Essen wir ehrfurchtslos dahingemetzeltes Fleisch, das Filet überfetteter Tiere vielleicht, mit Kraftfutter getrimmte Riesenbrüste vom Huhn, dann ernähren wir uns unkritisch und zur schnellen Sättigung. Schmecken soll es zwar, aber das Produkt kann ruhig aus der Hölle kommen.
Wir sind, was wir essen – essen wir respektlos, sind wir respektlos. Gegenüber wen? Gegenüber dem Leben von Tieren. In erster Instanz. Aber letztlich unterscheidet sich Leben dann kaum mehr. Wo man Nutztiere ohne Ehrfurcht zerstückelt, wo das Lebensmittel reine Ware geworden ist, da wird auch das menschliche Leben früher oder später auf den Prüfstand ökonomischer Verwertbarkeit gelegt. Sich respektlos zu sättigen, undankbar und selbstverständlich, auch im Hinblick auf jene, die nichts zu essen haben, bedeutet der Respektlosigkeit dazu zu verhelfen, Herr über die gedachten Gedanken zu werden.
Wir sind, was wir essen – wir essen undankbar, daher sind wir Undankbare. Selbstverständlich wird gevöllt, selbstverständlich, als wäre es eine Ehre für das Tier, geschlachtet werden zu dürfen. Wir danken uns selbst dafür, ausreichend zu verdienen, um uns am Supermarktregal bedienen zu können. Die Säkularisierung des Lebens, die Abkehr von einem Alltag, der sich an Gott orientierte, hat viel Befreiung gebracht, auch viel Leid und Resignation von uns genommen, aber das Tischgebet als Ausdruck von Dankbarkeit, wenn auch nur an ein Abstraktum im Himmelreich gerichtet, fehlt unserer heutigen Essenskultur vollständig.
Wir sind, was wir essen – wir essen unkritisch. Diese fehlende Kritik durchzieht unseren gesamten Lebensablauf. Es wird nicht hinterfragt, nicht in der Politik, nicht beim Gebaren von Unternehmen, schon gar nicht, woher das Stück Steak herkommt, auch nicht, wer unter meiner Sojabohne gelitten hat.
Wir sind eben nicht nur, was wir essen – vorallem sind wir, was wir wie essen.
Dem Verfasser ist bewusst, dass es zukünftig weniger Fleisch verzehren wird, weil das Produkt des Metzgers, bei dem er nun ausschließlich kauft, teuerer ist. Aber der Verzicht ist es ihm wert. Nebenbei darf er sich besserer Fleischqualität erfreuen. Darin, im Verzicht, dessen ist er sich bewusst, ist der neue, bessere Weg zu suchen. Warum jeden Tag Fleisch? Und spinnen wir den Gedanken weiter: Warum Erdbeeren im Winter, Spargel im Herbst, Kirschen im Januar? Wir sind, was wir essen – jeder von uns. Essen wir den Jahreszeiten entfremdet, sind wir entfremdet – und diese Entfremdung ergreift nicht nur auf dem Teller von uns Besitz; wir entfremden uns in allen Variationen, gegenüber jedermann. Kurzum, die gezielte Askese am Produkt, nämlich, dass ein bestimmtes Produkt nicht immer verfügbar sein kann, ist die notwendige Einsicht in bessere, ethischere, ökologischere, auch sozialere Zustände – auch wenn der das hier Schreibende wahrlich nicht den Eindruck eines Asketen macht.