Wir sind, was wir essen

Dienstag, 30. Juni 2009

„Der Mensch ist, was er ißt“, meinte Ludwig Feuerbach, sich dabei auf die Arbeit des Physiologen Jacob Moleschott stützend, der den Stoffwechsel im menschlichen Körper einer breiten Öffentlichkeit vermittelte. Moleschott indes war befruchtet von Feuerbachs atheistischen Materialismus, welcher nur die Natur als wirkendes Prinzip zuließ. Feuerbach fühlte sich durch Moleschotts Forschungen bestätigt, und ließ damit die Frage nach der Qualität von Lebensmitteln erwachen. Für Feuerbach war das Bonmot, wonach der Mensch sei, was er ißt, ein materieller Ausspruch. Wir, Zeitgenossen qualitätsarmer Massenlebensmittel, dürfen ihn aber durchaus moralisch auffassen.

Der Mensch ist, was er ißt – das gilt auch für den Verfasser dieser Zeilen, ausgesprochener Fleischliebhaber, Freund guter Küche, Interessierter in Sache Küchenhistorie und der „Evolution von Gerichten“. Für ihn spiegelt sich auch auf dem Speisentisch, sofern er traditionell gedeckt ist, die soziologischen Strukturen einer Region wider. Essen ist, so gibt er frei heraus zu, mehr als Lebenserhaltung, weitaus mehr als bloßer Nährstoffträger. Man sieht es ihm an, aber davon sollen diese Zeilen nicht handeln. Was ihn ausmacht, ist sein heiliger Zorn, seine Energie gegen jegliche Form fehlender Humanität, jeglicher zwischenmenschlicher Unmoral. Und gleichzeitig hat er, aus Mangel an Geld, immer wieder beispielsweise Fleisch aus Regalen diverser Supermärkte eingekauft. Die Liebe zum Fleisch trieb ihn dazu.

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Das Martyrium der unverstandenen Genossen

Sonntag, 28. Juni 2009

Jemanden, der sich in sektiererisches Verhalten verpuppt hat, innerhalb seines eigenen kleinen Kosmos lebt, dort auch noch hofiert und gefeiert wird, auf diverse Dummheiten seiner Aussagen hinzuweisen, ist wahrscheinlich ein hoffnungsloses Unterfangen. Auch jemand, der gerade dem inneren Druck der rechten Szene oder dem Umfeld von Scientology entflohen ist, wird trotz aller Fluchtgedanken nicht sofort dazu bereit sein, alle Lehren dieser sektengleichen Gruppen abzulehnen – womöglich bedarf es tiefgründiger Gespräche mit psychologisch geschulten Menschen; womöglich bleibt aber, um beim Beispiel zu verharren, ein NPD-Flüchtling dennoch immer Antisemit.

Wie also Müntefering auf den Stuß hinweisen, den er, gefangen in seiner kleinen Welt, in die Lande hinausposaunt? Eine Welt, die nicht SPD heißt, denn an der sozialdemokratischen Basis grassieren zuweilen ganz andere Sichtweisen, als dort oben, in großtuerischen Führungsgremien und blankpolierten Parteibüros. Es ist die Welt der ruinierten Führungsfiguren, die antraten, ihren Verein zu höheren Weihen zu geleiten, dabei aber bitterlich am eigenen Irrsinn und fehlender Standhaftigkeit scheiterten, letztlich zu Karikaturen ihrer selbst wurden, zu Witzfiguren der geheiligten Parteigeschichte. Es ist die Welt abgehalfterter Granden, die sich die politische Landschaft so zurechtbiegen und –drehen, wie es der verletzten Seele gerade genehm ist. Irgendwo erinnern Müntefering, Steinmeier und Steinbrück - andere Namen, die hier nicht genannt werden, sind noch unwichtiger als eben jene – an den ollen Honecker, wie er Staatsjubiläum feiert, an sich vorbeiparadieren läßt, während ihm der Staat unter den Füßen weggezogen wird. Konservative Westdeutsche haben der gesamten DDR ja immer wieder vorgehalten, sie wirke wie eine überdimensionale Marxisten-Sekte: aber das eigentliche Sektenverhalten war im obersten Parteibüro zuhause, innerhalb der Gespräche dieser Riege; zwischen den Zeilen der Verlautbarungen ans Volk konnte man das Sektiererische herauslesen.

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Wo bin ich erwacht?

Freitag, 26. Juni 2009

Ich erwache in einen neuen Tag hinein, Radionachrichten umgarnen mich in morgendlicher Roheit. Lassen mich blinzeln, rätseln, fürchten.

Eine sonore Stimme gesteht, dass ein Zensurgesetz mit beschönigendem Namen verabschiedet wurde, schützt die Kinder, schützt jenen Teil der Bevölkerung, der sich durch freie Meinung einer Gegenöffentlichkeit womöglich verhunzen ließe – doch im zensierenden Kuba scheine ich nicht erwacht.
Sie meldet des Kriegsministers Standfestigkeit, jetzt erst recht weiterkämpfen, verschärfte Einsätze, es lebe die Uniform, hoch die toten Helden des Vaterlandes – aber ich werde nicht von der frühen Sonne des militaristischen Nordkorea gekitzelt.
Jetzt berichtet sie vom ewigen Plan, dem Militär polizeiliche Aufgaben antragen zu wollen, für Sicherheit und Freiheit, zum Schutze des Volkes, das Militär als Friedenskorps im Inneren – ist es iranische Luft, die meine Lungen völlt?
Schwer verständlich wirft die klangvolle Stimme mit wirren Wortfetzen um sich, zu überwachten Rechnern, Ortung von Mobiltelefonen, Kameraüberwachung, überwachte Arbeitnehmer prominenter Unternehmen, machtloses Datenschutzgesetz, sei dessen gewahr Bürger, du bist sicher – hat es mich am Ende in die Zeit des NKWD zurückgeschleudert, ins stalinistische Rußland?

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Ridendo dicere verum

Donnerstag, 25. Juni 2009

"Ich bin zufrieden! Ja, ich bin zufrieden. Meine Stelle gefällt mir nicht, die Wohnung ist zu klein, die Miete ist ne Wuchermiete, Preise steigen ständig, die Löhne hinken ewig nach, Arbeitsplatz ist nicht gesichert. Man muß eben zufrieden sein. Ich bin zufrieden - ehrlich!
Deshalb bin ich auch gegen Sozialismus und so was. Zwar würde mir da vielleicht meine Stelle gefallen, die Wohnung wäre vielleicht nicht so klein, Miete niedrig, Preise konstant, Löhne steigen, langsam, aber steigen, Arbeitsplatz ist gesichert. Man muß eben zufrieden sein. Ich bin zufrieden hier - ehrlich.
Mit fünfzig bin ich kaputt, mit fünfundfünfzig geh’ ich stempeln, mit sechzig krieg’ ich eine niedrige Rente, mit fünfundsechzig sterb’ ich zu früh. Was will ich mehr?"
- Floh de Cologne, Bekenntnis der unpolitischen Väter -

Die letzte Zentrale

Einer der wesentlichsten Punkte der die undogmatische Neue Linke – K-Gruppen ausgeschlossen – ausmachte (und heute, als nicht mehr ganz so neue Linke immer noch ausmacht) war von jeher die Auflösung jeder Form von Zentralisierung. Auf anarchistische Klassiker zurückgreifend, dabei aber natürlich auch auf deutsche Geschichte schielend und über den Eisernen Vorhang hinwegspähend, sprach man sich dafür aus, in einem neuen Gesellschaftsentwurf so wenig Zentralismus als möglich zu fabrizieren. Kleine Selbstversorger-Projekte aus der Zeit der Studentenrevolte, mit einigen Abstrichen auch die Bewegung der Wohnkommunen, die allerdings in der bürgerlichen Presse als lasterhafte Heim-Bordelle der freien Liebe umschrieben wurden, resultieren aus dieser Zentralismusfeindlichkeit. Der Neuen Linken war, mit Rückgriff auf die jüngere europäische Geschichte, klargeworden, dass ein staatliches Ungetüm, eine Maschinerie, die Millionen von Menschen in ihre Listen notiert um sie zu verwalten, früher oder später immer ausarten muß. Der Mensch im Zentralismus steht eben nicht im Zentrum, denn dort steht der zentralisierte Apparat; der Mensch im Zentralismus wird zur Nummer, zur abstrakten Einheit ohne menschliche Attribute; menschliche Züge belasten die zentralisierte Gemeinschaft, hemmt sie in ihrem mittigen Verwalten, in dem Umwege nicht eingeplant sind, nur Kosten, aber wenig gemeinschaftlichen Nutzen hervorbringen. In einem solchen zentralistischen Gebilde gleichen sich Individuen an, Pluralismus und Vielfalt werden von der Zentrale nicht berücksichtigt, in einzelnen Fällen sogar bekämpft und unterdrückt. Die heutige Gesetzgebung in Fragen der Arbeitslosenverwaltung beruht auf diesem zentralistischen Weltbild, der Einzelne innerhalb des SGB II zählt wenig, er erhält nicht nach seinen Bedürfnissen, sondern nach einem vorkalkulierten, d.h. zentralisiertem Einkaufskorb Versorgung.

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Die bürgerliche Dialektik des Streiks

Dienstag, 23. Juni 2009

Nein, egoistisch ist es nicht, das verpartnerte, Vollzeit arbeitende, gut verdienende Bürgertum. Es wendet sich ja ausdrücklich nicht gegen Erzieherinnen und Erzieher. Nur diese antiquierte Form des Arbeitskampfes duldet man eben nicht. Um es mal ganz deutlich zu sagen: Man ist gegen eine veraltete Streikvariante, die Schaden anrichtet, die den nichtstreikenden Mitmenschen spürbar macht, dass die streikende Berufsgruppe wertvolle Arbeit tut; man ist gegen eine Art des Streiks, bei der überdeutlich wird, wie wichtig die bestreikte Aufgabe dieser arbeitsteiligen Gesellschaft doch ist. Nein, man ist doch demokratisch gesittet, man ist doch nicht egoistisch, man hat doch nichts gegen Streik - nur schaden darf er keinem, nicht zu Lasten derer gehen, die die Arbeitskraft der Streikenden notwendig brauchen.

Daheim, in der Freizeit, in den Pausen, ja, da darf man doch streiken, das wäre mal eine Abkehr von der antiquierten Form des Arbeitskampfes, bei der man so rücksichtslos seine gottgegebene Pflicht vernachlässigt. Man ist doch liberal, man ist doch in der Tiefe bürgerlichen Herzens auf der Seite der Erzieherinnen und Erzieher, man würde sich ja freuen, wenn man diesen Menschen auch ein wenig mehr aufs Konto überwiese, zumindest solange des Bürgers Konto dafür nicht mehrbelastet würde. Man ist doch nicht unmenschlich, will doch Wohlstand für alle, aber bitte nicht, indem man zwei werktätige Elternteile so drangsaliert, ihre berufliche Karriere geradewegs aufs Spiel setzt. Der Bürger hat doch Verständnis für die Sorgen der Erzieherinnen und Erzieher, warum hat das erziehende Völkchen aber so wenig Verständnis für die Nöte der Eltern? Hat es doch! Und genau deshalb setzt man hier den Streik an – so funktioniert effektiver Arbeitskampf. Was Eltern im bürgerlichem Geiste fordern: Man soll beißen, aber bitte vorher das Gebiss herausfummeln, sich bloß mit blankem Zahnfleisch verkeilen. Wie man so durchs Fleisch kauen will, bleibt deren Bürgertumsgeheimnis.

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In nuce

Wahrscheinlich grassiert in jeder politischen Partei ein Fünkchen Sektentum, irgendwie fühlt man sich immer als eingeschworene Gemeinschaft, die trotz aller Flügelkämpfe eine gemeinsamen Nenner besitzt: das Parteibuch. Warum man nun ausgerechnet der LINKEN vorwirft, sie sei eine "Partei der Sektierer und Spinner", bleibt ein offenes, in den Medien nicht tiefgründig erläutertes Rätsel. Wer, wenn auch noch so gemildert und im Rahmen der herrschenden Regeln wie im Wahlprogramm der LINKEN, an den Geldbeutel der Besserverdienenden herantastet, der wird pathologisiert. Das war nie anders, wurde von den Jakobinern ebenso praktiziert wie später von Stalin. Die Macht macht sich diese Methode oft zunutze, das ist also alter Käse.
Dabei hat man vor einigen Tagen erst eine wirkliche Sekte beobachten dürfen, wie sie einem grauhaarigen, bebrillten Messias ohne Charisma, dafür aber mit einer Rhetorik aus dem Schlafinstitut behaftet, zujubelte und hochleben ließ. Habemus papam! Vorab hat man ihn schon mal zum Kanzler vereidigt, obwohl sich in der wirklichen Welt abzeichnet, dass er seine Partei in ein noch tieferes Tief stürzen wird. Ein Tief, welches die Anhängerschaft des Gurus gar nicht befürchtet, weil der Gesalbte Wunder wirken kann, weil er im September seine Kräfte einsetzt, um das Unmögliche möglich zu machen. Ein bereits herrschendes Tief, welches fehlinterpretiert wird, denn man würde nur falsch verstanden, die Menschenmassen dieses Landes würden die tiefe Spiritualität messianischer Reformen nicht begreifen. Täten sie dies, sie würden frohlocken. Fanatisiertes Geschau, schweißtreibendes Geklatsche, hemmungsloses Hosianna-Geschrei, danach noch ein vereinend' Liedchen, eine geträllerte Selbstbeweihräucherung: wenn das nicht mal ein sektiererisches Treiben war, wenn da mal nicht Sektenluft verbreitet wurde!
Doch sowas nennt man dieser Tage nicht mehr Sektentum, sowas nennt man Optimismus. Sekte sind immer die anderen, die wirklich anderen, diejenigen, die anders denken und fordern - Sekte sind solche, die man nicht versteht, nicht verstehen will, nicht verstehen soll; die versponnene Sekte ist ein Kampfbegriff der herrschenden Sekte.

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Statement-Journalismus

Montag, 22. Juni 2009

Kaum bereichert eine Meldung wieder die Nachrichtenwelt dieser Republik, kaum dass „etwas passiert“ ist, melden sich auch schon Experten und Betroffene zu Wort, bekommen dabei auch noch ein Mikrofon unter die Nase gehalten, damit die flugs ersonnene Presseverlautbarung auch gesendet werden kann. Jeder darf einmal, jeder der einen Posten besitzt, sich ein wenig wichtig nehmen darf. Dazu bedarf es keines rhetorisches Talentes, nur Meinung ist gefragt, nur die Position zum abgehandelten Thema, und all das kann in ein, zwei Sätzen zum Ausdruck kommen.

„Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat gesagt...“, „Guido Westerwelle, Bundesvorsitzender der FDP, äußerte sich...“, „Karl-Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, meinte dazu...“, „Der Augsburger Bischof Walter Mixa schaltete sich in die Diskussion ein und erklärte...“! Name - Posten - Äußerung! Im Stakkato gebiert die Medienwelt verbalisierte Nichtigkeiten mehr oder minder bedeutender Personen. Derjenige, der in Zeitung, Radio oder Fernsehen nach Informationen forscht, der Konsument der Nachrichtenbranche, darf sich zu Gemüte führen, was solche Herrschaften sagen, meinen, glauben, finden, befürchten, loben, bedauern, erkennen, vermuten, einschätzen, behaupten und entkräften. All das geschieht nicht ausführlich, nicht nachvollziehbar detailiert für den Konsumenten, denn er erhält nur einen Satz vorgeworfen, in dem Herr Soundso, derzeit im Amt der Weißnichtwas, die Vorwürfe entkräftet, die seinem Herrn vorgeworfen werden. Warum, wie er die Entkräftung untermauert, das ist nicht Sache der Stakkato-Redner, die sich Kurzerklärungen zum Lebensinhalt gemacht haben.

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Facie prima

Sonntag, 21. Juni 2009

Heute: Der Unverfrorene, der gemeine Sozialschmarotzer

Während der brave Bürgersmann auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz ist, kuschelt er sich noch in warmen Federn. Sein Alltag ist von Ruhe und Gelassenheit gezeichnet, aber auch von Unverantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft, von der er sein Geld bezieht, nur um ihr dann ins Gesicht zu rufen, gar nicht arbeiten zu wollen - ihr könnt mich alle mal! Und damit es dem Lesenden ersichtlich wird, mit welcher Sorte Abschaum man es hier angeblich zu tun haben soll, schleudert der Hauptprotagonist moderner Entrüstungsliteratur, dem Leser einen gepflegten Stinkefinger entgegen. Dazu bleckt er die Zunge heraus, zeigt uns das ironische Lachen des ungerechten Siegers, der trotz seiner moralischen Unterlegenheit nicht unterlegen ist, sondern ganz im Gegenteil, einen großen Erfolg verbucht hat. Der Betrachter soll, noch bevor er den dazugehörenden Text gelesen hat, Hass in sich nähren, er soll den sogenannten Sozialschmarotzer gar nicht begreifen und verstehen, dafür jedoch hassen lernen. Der Abgebildete beleidigt den Betrachter, er begegnet ihm mit jeglichem Gebaren gedeuteter Beleidigung, damit sofort klar wird, mit welchem moralischem Abschaum man es hier zu tun habe.

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Ärztliche Diagnose

Freitag, 19. Juni 2009

Neulich beim Facharzt, harrend im Wartezimmer werfe ich Blicke auf die mit Plakaten tapezierte Wand. Visagen aus der Politik sind zu ertragen, dümmliche Fratzen, die jedes Wartezimmer zum Vorhof der Hölle machen, darunter prangert in großen Lettern, man möge der Gesundheitsministerin schreiben, jedenfalls mindestens seinen Abgeordneten auf die Mißstände der neuen Abrechnungspraxis für Fachärzte aufmerksam machen. Und natürlich, obligatorisches Muß, tun „wir das für den Patienten“, Seit' an Seit' gegen die Planwirtschaft im Gesundheitswesen!

Diesem Höllenvorhof bin ich entkommen, man entzog mich schnell dem dümmlichen Blick der Merkel und der verkrampften Schnute der Schmidt, holte mich, beinahe termingerecht, ins Sprechzimmer. Notwendiges Geplänkel, einige Notizen in die Krankenakte, wichtig sei, so meine geschätzte Ärztin, bei der ich als chronisch Kranker schon seit Jahren in Behandlung bin, dass man in der Akte auch notiert, ob mein Behandlungsmittel, welches ja nicht ganz billig ist, Erfolge zeitigt. Denn wenn es das tut, dann könne man jederzeit bei der Krankenkasse darlegen, dass hier kein Einsparpotenzial läge. Und Erfolge zeitigt es auch, bescheidene Erfolge, aber immerhin Erfolge. Ich nickte verständig, meinte, man wisse nicht, was da noch auf uns zurolle, daher ist es sicher sinnvoll die Wirkung des Medikamentes in der Akte zu verzeichnen. Noch ein Blick auf die Blutwerte, nichts was eines Gespräches wert wäre.

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Es eskaliert!

Donnerstag, 18. Juni 2009

Abgehalfterte und bald zum alten Eisen gehörende, gestrig werdende Politiker bezeichnen diejenigen, die bald einmal die Geschicke der Gesellschaft in die Hände nehmen sollen, als Gestrige; praktizieren diese immergleiche Methode der Diffamierung - so wie es rückständige und bornierte Ewiggestrige immer in ihrem eingebildeten Fortschrittseifer handhaben -, um die protestierende Jugend als irrgeleitete Wohlstandsrotznasen abzutun. Die Medienöffentlichkeit spricht großspurig und voreilig von Eskalation des Streiks, nur weil eine Handvoll junger Menschen zwei Bankfilialen besetzten, dort friedlich demonstrierten und ihre Finger in eine der tiefklaffenden Wunden dieser Gesellschaft steckten; einer Gesellschaft, die für Bildung und Sozialstandards kein Geld zur Verfügung haben will, aber für die Rettung der Bankenbranche Milliardensummen aus dem Nichts herbeizaubert. Wer in Wunden herumbohrt hat kein Anrecht darauf, als protestierendes Mitglied der Gesellschaft angesehen zu werden; wer in Wunden herumbohrt ist jemand, der Eskalation betreibt, ein Störenfried und Randalierer sein muß. Die Berichterstattung ist zögerlich, immerhin stehen da Deutschlands kommende Kunden, die zukünftigen Konsumenten halbwahrer Medienberichterstattung auf der Straße, aber zwischen den Zeilen ist lesbar, was in den oberen Etagen dieser Republik über die Unzufriedenheit der Jugend gedacht wird.

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Nomen non est omen

Mittwoch, 17. Juni 2009

Heute: "Bedarfsgemeinschaft"

"Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen."
- SGB II vom 24. Dezember 2003, § 2 "Grundsatz des Forderns", Seite 3 -

"Hausbesuch bei der Bedarfsgemeinschaft – Mit Hartz-IV-Kontrolleuren unterwegs"
- Schlagzeile im Handelsblatt vom 7. Juni 2005 -
Mit der Neuregelung des ALG II zum 1. Januar 2005 (auch Hartz IV genannt), wurde der Begriff "Bedarfsgemeinschaft" neu geprägt. Im technisch-funktionalen Bürokratendeutsch verschwindet der Mensch aus der Formulierung. Freunde, Ehepaare, Liebende, Geschwister – sie alle werden als eine "Gemeinschaft" klassifiziert, die sich nicht durch Individualität, Charakter oder Werte auszeichnet, sondern die schlichtweg einen finanziellen "Bedarf" hat. Der Mensch und sein soziales Umfeld als Kosten-Nutzen-Rechnung.

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Berichterstattung zur Berichterstattung

Montag, 15. Juni 2009

Der BILD-Zeitung guter Draht zu Ministerpräsidenten der Union, ist nicht erst seit Roland Kochs ausländerfeindlicher Kampagne bekannt. Schon Günter Wallraff berichtete Mitte der Siebzigerjahre, wie sich die Hannoveraner BILD-Redaktion dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht an den Hals warf. Immer wieder wurde seither mit den Unions-Landesvätern geklüngelt, geworben und deren Politik als das non plus ultra weitsichtiger Landesvaterschaft verkauft; immer wieder wurden in Bedrängnis geratene Schwarze, gerade dann wenn sie der jeweiligen Landesregierung vorstehen, von BILD gedeckt, geschützt und, falls man doch einmal fiel, wieder hochgeschrieben - man betrachte nur den Fall Dieter Althaus, dann weiß man, wie Hochschreiben in Reinkultur praktiziert wird. Kaum ist ein Unionspolitiker zum Landesvater geworden, sieht sich die BILD als Haus- und Hofberichterstatter, stellt keine kritischen Fragen - naja, das hat sie vor der Ministerpräsidentschaft auch kaum -, biedert sich an, berichtet vom privaten Idyll des Landesvaters. Ministerpräsidenten werden schöngeschrieben, wenn sie in der CDU oder CSU sind, dann sowieso.

Dass die Politik des Axel Springer-Verlages diejenige ist, die sich im konservativen und nationalistischen Dunstkreisen der Union niederschlägt, ist kein Geheimnis, erklärt vielmehr den Hang der BILD, zu Ehren gekommene Unionspolitiker zu veredeln. Wenn aber ein Ministerpräsident eine Liebesaffäre hat, eine wiederentflammte Flamme sozusagen, dann kann auch die BILD daran nicht vorbeigehen, dann muß auch sie, von jeher auf Skandalgeschichten getrimmt, auf den Zug aufspringen. Nur hat sie dann zaghafter, nicht zu kokett, mit Rücksicht auf die Angehörigen des Schwerenöters zu berichten. Wie man das macht, zeigt uns dieser Tage der Deutschen liebstes Blatt.

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Sit venia verbo

„Meine Denkweise, sagen Sie, kann man nicht gutheißen. Nun, was interessiert mich das! Derjenige ist schön verrückt, der die Denkweise der anderen übernimmt! Die meine ist die Frucht meiner Gedanken; sie hängt ab von meinem Dasein, von meiner körperlichen und geistigen Anlage. Ich habe es nicht in der Hand, sie zu ändern. Wenn ich es könnte, täte ich es nicht. Diese Denkweise, die Sie rügen, ist der einzige Trost meines Lebens. Sie allein erleichtert meine Qualen im Gefängnis, sie allein macht meine Freuden in der Welt aus, und mir liegt an ihr mehr als an meinem Leben. Nicht meine Art zu denken hat mich ins Unglück gestürzt, sondern die der anderen.“
- Donatien Alphonse Francois, Marquis de Sade in einen Brief an Madame de Sade, Anfang November 1783 -

Auffassungen eines Gewalttäters

Sonntag, 14. Juni 2009

Ja, ich gebe Ihnen ja uneingeschränkt recht, ich hätte nicht zuschlagen, ich hätte es so weit nicht kommen lassen dürfen. Aber was heißt eigentlich, ich hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen? Letztlich war sie es ja, die es bunt mit mir trieb, die es eskalieren ließ, meine letzten Reserven Contenance mit Füßen trat. Ich war nie gewalttätig, nie zuvor und ich behaupte kühn, ich werde es auch nicht mehr sein, wenn man mich nur halbwegs ordentlich behandelt. Sicher, in Gedanken habe ich schon manchen Leib ausgeweidet, mich in den Gedärmen meiner Peiniger gesuhlt; aber ich bitte Sie, im echten Leben wäre ich dazu eigentlich unfähig: wenn ich Blut sehe wird mir ganz flau im Magen und dessen Inhalt würde gerne auf dem Weg des Hereinkommens wieder an die Luft.

Neinnein, es war ein Moment der Schwäche, meine Fäuste ballten sich, ich spürte noch einen kurzen Moment der Besinnung, aber da flog die erste Faust schon Richtung Feind, prallte direkt auf die Nase der Dame, gleichzeitig sah ich die zweite Faust schon Richtung Wange heranschnellen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mit den Knien auf der Dame Schreibtisch aufhockte, der normalerweise ja soetwas wie eine natürliche Barriere darstellte. Für meine ununterdrückbare Wut war dieses Utensil meiner Entwürdigung, auf dem so viele Entscheidungen gegen mich, gegen meine Würde in die Wege geleitet wurden, kein Hindernis mehr. Ich kauerte auf der Schreibfläche, die mir zum Boxring geworden war, ließ einige Male die Fäuste herabschnellen, ich weiß nicht mehr wie oft, zweimal ganz sicher - aber ich denke, es war eine Schlagfolge, ich würde beinahe behaupten, die Anzahl der Schläge war zweistellig - und wusste hernach nicht sicher, was nun eigentlich geschehen war.

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