Mehr Geld für alle ist Utopie

Freitag, 12. Juni 2009

Das überlagerte und daher ausgetrocknete Dörrfleisch der SPD sieht sich erneut dazu genötigt, eine neue Strategie zu kreieren, um bei der Wählerminderheit vielleicht noch ein bisschen Eindruck herausschinden zu können. Was früher Strategien waren, die die 40 Prozent sichern, oder danach die 30-Prozent-Grenze als realistisches Ziel bewahren sollten, sind heute bloße Überlebensstrategien mehr - es geht nicht mehr darum, einen bestimmten Wahlwert erzielen zu wollen, um sich eine gute Ausgangsposition für die kommende Legislaturperiode zu schaffen; heute zählt nur noch das Überleben. Zynisch könnte man festhalten, dass es der realpolitisch gewordene Gesichtszug jener führenden Altherrenriege ist, der die Partei kontinuierlich, quasi mit dem eigenen greisen Zipperleindasein, mit in den Abgrund zieht.

Um zu überleben, so vernimmt man nun dezent, müsse man das Verhältnis zur LINKEN überdenken und normalisieren. Der Ton macht auch hier die Musik, man fühlt sich zurückgeworfen in sein Azubi-Dasein, wenn man lesen muß, wie verächtlich und "von oben herab" der Geselle SPD mit dem Azubi LINKE umzugehen gedenkt. Selbst jetzt noch, kurz vor dem politischen Niemandsland, kann man die arrogante Gebärde nicht ablegen - zu lange war Arroganz und Überheblichkeit der Schlüssel zur politischen Macht, zu lange hat man in arroganter Manier mit politischen Gegnern erfolgreich umzuspringen gewusst. Sowas legt man nicht einfach ab, man hat es derart kultiviert, dass letztlich nicht einmal mehr bemerkt wird, wann man arrogant ist. Der Duktus der heutigen SPD offenbart, dass eine herabblickende Arroganz (wobei nicht mehr ganz klar ist, ob sie herab oder hinauf blickt) als Normalisierung begriffen wird - alleine an der Sprache läßt sich ermessen, wie tief die Agenda-Politik, das schröderianische Zeitalter, Wurzeln geschlagen hat, bis ins Mark dieser Partei.

Einer dieser neuen Strategie-Unterpunkte ist der, dass man grundsätzlich alle Vorschläge der LINKEN als zu teuer ablehnen wolle. Quasi kategorisch. "Mehr Geld für alle ist eine Luftbuchung!" - Und, man muß es in aller Deutlichkeit hervorheben, die SPD trifft hier den Nagel auf den Kopf. Man muß es deswegen hervorheben, weil die SPD ansonsten selten Nägel auf den Kopf trifft, meist nicht einmal genau weiß, wo genau der Nagel einzuschlagen sei. Gerade für Kritiker, die immer wieder den Wachstums- und Expansionsdrang des Kapitalismus geißeln, diese Urgewalt des Systems, ohne der ja das Kapital nicht mehr wäre was es letztlich ist, für alle Kritiker also, die diese Säule der Menschenverachtung verdammen, die zur Umkehr mahnen, muß die sozialdemokratische Erkenntnis, wonach "mehr Geld für alle" utopisch sei, geradezu als Offenbarung begriffen werden. Ja, man möchte der SPD dafür einen kleinen Preis überreichen, weil sie den ersten Schritt zur Erkenntnis getan hat, wenngleich sie noch nicht ans Ende gedacht hat. Sie ist noch nicht im Besitz der vollen Erkenntnis, aber optimistisch könnte man hoffen, sie ist auf dem Wege dorthin. Und der gemeine Sozialdemokrat ist ja Optimist, er hofft schon seit Jahrzehnten, für ihn ist seine Partei Keimzelle des Besseren, auch wenn es doch so selten aufkeimt.

Nein, lassen wir das, die SPD ist sich selbst Witz genug. Lassen wir das Geschwafel von einer SPD auf dem Erkenntnisweg, denn die gibt es nicht. Nicht mit dem heutigen Personal, nicht mit dem unverbrüchlichen Greisen-Potpourri an der Spitze, nicht solange der Geist des Schröder durch die Parteibüros spukt. Aber hier setzt im Grunde die Kritik an der LINKEN an. Wenn die SPD darlegt, was sie ja immer wieder tut, dass es "mehr Geld für alle" nicht geben kann, dann sollte sie - die LINKE - diesen dankbaren Ansatz ruhig einmal aufgreifen. Ja, sollte sie, sollte ein Vertreter dieser Partei sagen, genau mein lieber sozialdemokratischer Kollege, ich pflichte Ihnen bei, Sie haben vollkommen recht. Es kann nicht "mehr Geld für alle" geben, das ist ausgeschlossen. Und weil dem so ist, muß es, lieber Kollege von der SPD, halten Sie sich gut fest, auch "weniger Geld für manche" geben. Ja, zetern Sie ruhig, Herr Kollege, Ihre Partei postuliert seit Jahren das "weniger für viele", man betrachte nur diese unheilvolle Agenda 2010, Hartz IV und so weiter, aber wenn man vom "weniger für manche" spricht, dann kippen Sie beinahe vom Stuhl - Sie wissen schon, wer mit diesen "manchen" angesprochen sein soll, nicht wahr? Wohl wahr, mehr Geld für alle kann es nur geben, wenn es wieder weniger Geld für manche gibt, das heißt, wenn die Besteuerung jener Konzerne wieder forciert wird, die sich im Welthandel eine güldene Nase verdient haben, wenn man höhere Löhne generell wieder höher besteuert, um den Umverteilungsprozess des Sozialstaates wieder zu ölen, damit er wieder in Schwung kommt. Auch angemessene Managergehälter gehören dazu. Wir sollten indes auch nicht zu kleinlich sein, ein Ackermann kann doch gerne zwölf Millionen Jahressalär erhalten, solange er jährlich mindestens zehn Millionen an den Fiskus abführt. Zehn Millionen, die vielleicht direkt in den Rententopf fließen könnten; zehn Millionen, die einem Gesundheitssystem zu dessen Genesung überreicht werden sollten; zehn Millionen, die die Bildungsdebatte vom Sockel herabsteigen lassen könnte, um endlich nicht mehr zu debattieren, sondern mittels Mittel auch reale Projekte zu gestalten. Und es wären ja nicht nicht nur zehn Ackermann-Millionen, es wären Millionen, vielleicht Milliarden von allerlei Ackermännern, die uns allen helfen würden - zehn mal zehn mal zehn Millionen...

Aber, was vernehmen wir bei derlei Diskussionen von Seiten der LINKEN? Viel Palaver, viel Mäßigung, viel Rücksicht auf gesellschaftliche Gesamtinteressen. Mäßigung in Zeiten der Maßlosigkeit ist verheerend, Rücksicht auf gesellschaftliche Gesamtinteressen, das heißt, auch auf solche Rücksicht zu nehmen, die ein Millionengehalt einschieben, nur um sich als politische Partei nicht an der Besitzstandswahrung solcher Kreise zu versündigen, oder klassenkämpferischer ausgedrückt, solche maßvoll zu berücksichtigen, die seit Jahren keinerlei Rücksicht auf die Gesamtgesellschaft nahmen und relativ maßlos auf Kosten vieler Hunderttausender von Menschen ihr Dasein fristeten - wer in dieser Form Zurückhaltung wahrt, den muß man fragen dürfen, inwiefern er wirklich als Alternative auftreten möchte. Zwar postuliert man dezente Steuererhöhungen für Besserverdienende im Parteiprogramm, aber ein offensives Auftreten einzelner Politiker der LINKEN gibt es kaum. Und darin liegt, so darf vermutet werden, die ganze Malaise dieser Partei. Zwar würde man annehmen, dass die derzeitige Situation, das was man Krise nennt (obwohl natürlich das ganze System eine einzige Krise ist), die LINKE zur wählbaren Alternative macht, doch man krebst weiter einstellig durch die Wahlabende dieser Republik. Man grenzt sich nicht genug ab, zeigt immer weniger Profil, je näher die Bundestagswahl rückt, haut nicht auf den Tisch, entblößt den Irrsinn der anderen Parteien nicht, sondern gleicht sich deren Logik an, greift deren krude Begrifflichkeiten und Scheindebatten auf, kurz, nistet sich im vorgegebenen Rahmen derer ein, die mit ihrer scheinpolitischen Beschäftigungstherapie, die man dieser Gesellschaft aufbürdet, das Geschäft jener flankiert, die sich auf Kosten der Menschen, auf Kosten des atomisierten Sozialstaates Milliardengewinne einstreichen.

Die LINKE muß davon wegkommen, sie muß konkret werden, muß den Einkommensmillionären ganz klar deutlich machen, dass ein "mehr Geld für alle" nur mit einem "weniger Geld für manche" machbar wird - man kann sich sicher sein, dass mancher Wähler dies dankbar zur Kenntnis nimmt, auch solche Menschen, die mit der LINKEN bis dato nicht beschäftigt waren. Ja, benutzen wir doch einen Kampfbegriff des neoliberalen Mainstreams: Man muß die Neiddebatte zum Wahlkampfthema machen! Doch solange man sich den Diskurs der anderen Parteien aufzwingen läßt, solange man aus Ehrfurcht vor der eigenen schändlichen Vergangenheit "brav bleibt", sich nicht traut, Roß und Reiter zu benennen, weil dann Union und SPD wieder etwas von SED-Mentalität durch die Lande plärren, solange man mit dieser Zurückhaltung suggeriert, die etablierten Parteien hätten mit ihren Vorwürfen zur SED-Vergangenheit auch im Bezug auf die heutige LINKE recht, man quasi das schlechte Gewissen zum Hemmnis im Wahlkampf werden läßt, solange wird die LINKE dort herumkriechen, wo sie es heute tut. Die Frage die sich stellt, man blicke in den Berliner Senat: Traut sich die LINKE nicht oder tut sie das, was sie immer tun wollte? Oder anders: Ist die LINKE Alternative innerhalb des Kapitalismus (denn nur dort ist diese LINKE in dieser Form denkbar, sie ist ja eine kapitalistische Partei) oder ist sie bereits auf dem Weg der Anpassung?

18 Kommentare:

Anonym 12. Juni 2009 um 11:51  

Da haben Sie recht - die Linke ist viel zu zaghaft, anpasserisch und neigt - wie andere auch - zu Untertanengeist. Insbesondere die Frauen in dieser Partei wirken verschüchtert, gar nicht emanzipiert. Wovor fürchten die sich? Vor einer Verhaftung?? Tatsächlich könnte diese Partei punkten, würde sie dem Gegner die Begriffe rauben - Freiheit, Reform, Neid - alles dies könnte man sich zu eigen machen, aber leider lässt man sich von der inzwischen betonierten neoliberalen Befgriffswelt völlig vereinnnahmen. Klar, dass man innerhalb derer keine Chance hat.

antiferengi 12. Juni 2009 um 11:53  

Das Gespenst der Realpolitik ist bereits allen so ins Blut übergegangen, dass mittlerweile keiner mehr den Mut aufbringt irgendetwas, aber auch nicht dass geringste, ausserhalb dessen wahrzunehmen. Wir machen es ja auch nicht besser. Statt die Idee der Menschlichkeit aufzugreifen, suchen wir nach neuen Ideen. Statt Bewegung ins Spiel zu bringen, weil sie einfach nötig ist,- wird Bewegung als reaktionär bezeichnet.
Entscheidungen müssen überlegt werden, - solange bis keine mehr möglich ist. Lähmung ist angesagt. Lähmung auch bei der Linken. Diskussion um jeden Preis. Wir sind mitten drin in der Vision und sehen sie nicht. Stattdessen Realpolitik.

Anonym 12. Juni 2009 um 12:18  

hallo roberto,

du triffst mit deiner darstellung durchaus den kern einer sicht, die mir häufig begegnet.

als mitglied der partei die linke stecke ich mitunter in einem dilemma. ich teile etliches der kritik, die an meiner partei geübt wird. ich "durchlebe" dies in mehrerlei varianten:
a) in einem normalen, politischen gespräch mit freunden oder bekannten. meist "hilft" es hier , wenn ich dies meinem gegenüber im gespräch offen darlege und dann nicht zu fürchten brauche, mit noch mehr häme (als sie meiner partei bis dahin galt) übergossen zu werden. dann kann ein verweis auf die inhaltliche inkontinenz der politischen mitbewerber hilfreich sein. es bleibt aber das gefühl zurück, von der eigentlichen ursache (mangelnder politischer mut und nachlassende politische phantasie der partei) mit verweis auf andere abgelenkt zu haben...
b) gespräche und diskussionen innerhalb der partei. hier erlebe ich oft genug, dass die etablierten und formal- rechtlichen politischen aushandlungswege und institutionen inzwischen anerkannt sind (mein landesverband wirkt in einer der größeren deutschen städte). gleichwohl es hier genügend parteiunabhängige bürger- und anderweitige initiativen gibt, scheint keine notwendigkeit zu bestehen, sich mit ihnen - und sei es auch nur für konkrete projekte/ anliegen etc. - soweit gemein zu machen, um damit neben den parlamenten lebende und wirksame politische kultur zu unterstützen, die nötige anerkennung zu geben. skepsis, voreingenommenheit, eitelkeit, und womöglich auch schlechte erfahrungen spielen hierbei eine rolle. aber auch: mitglieder der linken, die seit der wende in dieser partei und für sie in parlamenten wirken, können nach zwei jahrzehnten des politischen "kampfes" im sich mehr und mehr demaskierenden kapitalismus "unterwegs" ihren elan, ihr "feuer" von ehedem eingebüßt haben. wut und verbitterung über den politischen unfug, der trotz des eigenen wirkens geschieht, tut ein übriges dazu. und nicht zu vergessen die jeweilige persönliche bzw. private entwicklung, die jede(r) macht.

so viel zu dem, was ich aus direktem eigenen erleben zu robertos sicht beitragen kann.

nicht zu unterschätzen ist aber (und das spielt in die von mir geschilderten situationen mit hinein) ist der radikale kulturelle wandel, in dessen folge deutschland aus meiner sicht inzwischen in einem rechts- liberalen klima steckt.
das trötet und sabbert aus vielen kanälen, die oft genug für linke(re) sichtweisen nicht offen stehen. selbst wenn die linke offensiver und provokativer aufträte, z.b. wie roberto es angeregt hat, wäre zum einen nicht garantiert, dass es die konzernmedien brächten (wobei dann noch das manipulative maß der berichterstattung von belang wäre); zum anderen wäre es nötig, dass es dann zu einem wirklichen austausch käme zwischen dem "anlass" der berichterstattung (provokante thesen der linken) und denjenigen, die es vernehmen (bevölkerung).

was also tun? einen förderverein gründen, der sich um den austausch zwischen der linken und der bevölkerung müht?
oder einen neuen ansatz in der "vermittlung": es gibt ja noch einige linke medien, hier im internet wächst und gedeiht ja auch etliches. aber dazu, dass dies alles auf die verrottende politische kultur heilsam einwirken könnte, ist es (noch) alles zu zerfasert. brückenschläge wagen zwischen internet und printmedien mit hilfe von förderkreisen/ genossenschaften?
oder, es passt so gut ins jubiläumsjahr: einen neuen runden tisch initiieren?

soweit,

b.

klaus baum 12. Juni 2009 um 13:05  

Nahles rät SPD stärker zu sozialen Themen.
Wo?
Hier:
http://de.news.yahoo.com/2/20090612/tpl-nahles-raet-spd-staerker-zu-sozialen-ee974b3.html

Anonym 12. Juni 2009 um 14:04  

@klaus Baum

Ja, die gute Nahles, wenn die "links" ist, dann ist auch Angela Merkel ein zweiter Che.

Im Ernst, die SPD versucht uns nicht von ungefähr vorzuschreiben was wir heute für "links" oder "gerecht" halten sollen....

Solche Leute sind nicht zu unterschätzen, da die die Sache der Neoliberalen - nur eben andersherum - erledigen....

Auf solche "Linke" wie Nahles oder Drohsel kann ich getrost verzichten....

Gegen die ist sogar die FDP noch ein linkslastiger Verein.....

Anonym 12. Juni 2009 um 14:06  

"[...]Insbesondere die Frauen in dieser Partei wirken verschüchtert, gar nicht emanzipiert.[...]"

Wundert mich auch, z.B. bei Sahra Wagenknecht, die Bücher schreibt wie eine zweite Rosa Luxemburg, aber in Diskussionen bei Talkrunden regelmäßig schweigt.....

Wieso wird die nicht auch im echten Leben konkret? Oder ist Frau Wagenknecht auch nur eine Salonlöwin, die gut Bücher schreiben kann, aber ansonsten...?

Anonym 12. Juni 2009 um 16:59  

Ja, so richtig das alles ist, so muss man sich aber dann doch schon fragen, ob denn die Linkspartei auf absehbare Zeit eine Alleinregierung stellen wird. Dies ist voraussichtlich nicht der Fall. Auch wenn die Linkspartei inhaltlich über große Strecken Recht hat und die etablierten Parteien dogmatisch erstarrt sind, so muss man sich doch fragen, mit wem die Linkspartei denn ihre richtigen Politikansätze umsetzen will, wenn sie vorher die anderen Parteien, und insbesondere die Politiker der anderen Parteien, immer nur als Teufelswerk verdammt, so recht sie auch damit haben mag?

Auch die Linkspartei braucht doch Brücken zu anderen politisch relevanten Gruppierungen im Parteienspektrum. Wenn sich im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 keine Regierung mit Beteiligung der Linkspartei ergeben wird, weil diese alle anderen nur beschimpft, dann gibt's den Politikwechsel nur zum, Preis einer Revolution oder eines "Faschismus der 21. Jahrhunderts". Seid ihr bereit, den zu bezahlen?

Viele Grüße
Zweckoptimist

Watawah 12. Juni 2009 um 17:58  

Den Politikwechsel, nicht nur die Änderung der Blümchen-Tapete am Haus, (nicht einmal diesen Tapetenwechsel wird es geben) gibt es nur zu diesem Preis.

Den Preis müssen wir bezahlen, auch wenn wir das nicht wollten - da fragt auch niemand wirklich - wir zahlen sowieso immer den Preis. Egal ob es jetzt weiter in die gleiche Richtung geht oder ein anderer Weg eingeschlagen werden wollte.

Da nützt im Endeffekt auch kein Zweckoptimismus.

Anonym 12. Juni 2009 um 19:27  

@Zweckoptimist

Es gibt doch eine Partei die - entgegen der Äußerungen Müntes/Steinis - mit der Linkspartei konform geht - siehe hierzu auch der hochaktuelle Vorgang hier:

"[...]»Es wird bewußt ein Klima der Angst verbreitet«
SPD berät Sonntag ihr Wahlprogramm. An der Basis brodelt es – es formiert sich eine Opposition. Ein Gespräch mit Wolfgang Denia
Interview: Peter Wolter[...]"

Quelle und kompletter Text:

http://www.jungewelt.de/2009/06-13/049.php

Übrigens, wenn es denn mal wieder eine alternative GRÜNE gibt, dann ist die auch als Koalitionspartner für die Linkspartei möglich, d.h. Lafontaine und Gysi haben nie die Tür zugeschlagen, es war anders herum....

Lafo hat ja gemeint mit einer sozialdemokratischen SPD, anstatt einer neoliberalen SPD, hat er kein Problem....

Scherzhaft:

Man müßte halt nur, wie im 1. Asterix-Film, der in der nicht-Zeichentrickfilmwelt spielte rufen: "SPD beim Belenus werde wieder zur SPD!!!!"

Na ja, dank Schweden gibt es vielleicht ja bald eine "Piratenpartei".....Siehe den Blog SPIEGELFECHTER dazu....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

romano 12. Juni 2009 um 19:57  

Dem kann ich nichts hinzufügen. Mir ist ein Gedanke von Robert Pfaller eingefallen: der Philosoph wundert sich, dass heute nicht alle schreien: her mit dem Reichtum! Es gibt ihn ja massenhaft. Maschinengestützte Produktion urgiert heute Unmengen an Zeug auf dem ganzen Globus. Stattdessen geiseln sich die Menschen selbst: wir jubeln den Führern zu, die am besten sparen können. Wir verdrehen das Utilitarismusprinzip und unterstützen denjenigen, der am meisten für die kleinste Zahl organisiert. Das Gewissen scheint den den Menschen in die Aufmerksamkeit zu blitzen, dass ja nichts vergeudet werden und alles treffsicher ankommen soll, wo es anzukommen hat. Im Zweifelsfall für das Sparen. Alle haben im Grunde zu viel.
Bei der Linken wundere ich mich schon sehr, zumal Leute dort aktiv sind, die im Stande sind, kapitalismuskritische Texte zu produzieren. Aber davon landet im politischen Diskurs nichts mehr und ihre Exponenten scheinen mehr auf die ruhige und brummende Stimme der Vernunft zu hoffen. Die Dynamiken des tagespolitischen Geschäftes scheinen zudem einen Sog in die politische Mitte zu erzeugen, den man durch die Aktivität nicht wahrnehmen kann oder ihm zumindest nicht ausweichen kann. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man sich dieser und anderer Elemente einer politischen Strategie nicht bewußt ist.
Andererseits scheint mir, dass es eine große Schwäche gibt: man hat kein Programm, man hat keine Stoßrichtung der eigenen Politik. Da kommt nur das Elend der Linken in ganz Europa zum Vorschein. Vielmehr als eine Softvariante des Kapitalismus ist nicht drin und die treibenden Kräfte des Kapitalismus sind zur Zeit extrem handlungsfähig und zwar international und in sich kohärent sowie nach außen hegemonial. Sie sind das Original, die eine volle Flatrate aus der Spielkiste der Wirklichkeitserzeugung saugen. Dagegen sind die Linken noch ein Generica. Ihre Exponenten lahme Enten. Ihnen gelingt nicht der Durchbruch in die Klarheit des Sinnes. (Es ist natürlich beschämend, wie lächlerlich die Linke international vernetzt ist. Vormals noch die Internationale im Fernrohr der Zeit im Blick, haben sich wohl die Kapitalisten dieses Stück abgeschnitten und internalisiert.)
Aber klar, deswegen müßte man nicht so defensiv brav sein. Man könnte was riskieren. Mit 7 % verändert man auch nicht mehr als mit 4%. Sollte das riskante Experiment schief gehen, dann bliebe im Grunde alles gleich. Wenns klappt, könnte alles besser werden. Wobei ich mir bei manchen Gestalten der Linken die Frage stelle, ob wirklich was besser werden könnte oder ob am Ende der Kapitalismus soft nicht bloß die propagandistische Maske dieser Subjekte ist, die schon lange nur mehr die Aushöhlung des bestehenden politischen Feldes vollziehen. Die Senseme unserer Zeit scheinen die politischen Strukturen der vergangenen 100 Jahre ohne großes Aufsehen zu inhalieren und zu operationalisieren. Dagegen schläft die Entfaltung zur Meliorisation noch tief im sandigen Boden. Wie Freud sagte, die Stimme der Vernunft ist sanft und nicht gleich hörbar, obzwar sie sich früher oder später schon Gehör verschafft. Man muss noch warten.

landbewohner 12. Juni 2009 um 20:00  

wie kann die linke glaubhafte konzepte für eine andere gesellschaft entwickeln und den wählern vorstellen, wenn sich immer wieder mitglieder der partei von allem und allen "linken" abgrenzen (niedersachsen,hessen,berlin), sich schon vor Wahlen bei der spd ohne wenn und aber anbiedert oder wie in berlin und mc pomm alles andere als linke politik macht.schon jetzt muss bei näherer betrachtung dieser linken - mir fällt da z.b. die debatte um 7,50€ mindestlohn ein - ernsthafte zweifel daran haben, ob die linke mit diesem personal überhaupt in der lage ist, geschlossen für eine fortschrittliche politik einzutreten. und, eine partei mit "linken" ideeen a la münte oder nahles und einer komm. plattform als feigenblatt braucht die brd nicht.

Frank F. 12. Juni 2009 um 21:56  

"Wir sind viel mehr als Geld"

Dieses lesenswerte Interview mit Eduardo Galeano stammt aus dem Sommer 1997 und hat m.E. sogar an Aktualität gewonnen.

Galeano gehört zu meinen Lieblingsauthoren, gerade wegen seiner Weitsicht, aber auch wegen seiner Fähigkeit Lösungswege zumindest ansatzweise zu benennen.

Anonym 12. Juni 2009 um 22:26  

In meiner Familie kursiert eine wahre Geschichte: Als die Urgroßmutter ca.1900 zum ersten Mal das Wort "Sozialdemokraten" hörte, veränderte sie in "Spezialdemokraten": Sie kannte den Begriff "sozial" nicht.
Die Schröder/Müntes sind echte "Spezialdemokraten".

Peinhard 12. Juni 2009 um 23:55  

@Zweckoptimist und Watawah

Wenn nun aber ein 'Politikwechsel' überhaupt nicht das wäre, was wir wirklich bräuchten?

Antiökonomie und Antipolitik

Denn 'Politik' in dem Sinne, wie wir ihn kennen, gibt es eigentlich nur solange es auch Markt und Staat gibt... Und solange es die beiden gibt, was können wir da schon erwarten - mit Glück 'ein bisschen mehr Geld' vielleicht. Sicher sind uns dagegen weitere Zurichtung und weitere Entfremdung. Denn der Markt wird sich unweigerlich immer weiter ausdehnen müssen, und wenn er das im 'Äußeren' nicht mehr kann, dann eben zwangsläufig im 'Inneren'. Und sind wir bereit, diesen Preis zu zahlen...?

PS Siehe dazu auch: Nicht Neues im Alten?

Frank F. 13. Juni 2009 um 07:35  

Seltsamerweise ist oben genannter Link zum Galeano-Interview plötzlich nicht mehr erreichbar.

Dann versuche ich es eben mit diesem alternativen Link (Text leider etwas klein geraten):

http://www.azzellini.net/texpaises/Lateinamerika/1998/artlatin01.htm

Watawah 13. Juni 2009 um 09:44  

@ Peinhard

Mit meiner Umschreibung 'Blümchen-Tapete' denke ich, habe ich schon angerissen, was ich hier unter Politik-Wechsel verstehe.

Neue Maskerade für das alte 'Spiel'.

Wenn wir etwas wirklich anderes wollen, werden wir einen hohen Preis dafür bezahlen müssen(!)

Wer nun aber glaubt, der Preis wäre gering, wenn wir uns damit 'begnügen' so weiter zu machen wie bisher, vielleicht nur 'Kosmetik' auszuführen würde reichen, der wird bald lernen müssen, daß uns auch dies 'teuer zu stehen kommen' wird - und hätte dabei nicht einmal Aussicht 'auf ein besseres Ende'.

Diesen Preis muß ich nun leider auch bezahlen, weil ich das nicht alleine ändern kann, dazu müßten das mehr begreifen und auch umsetzen wollen.
Dazu Menschen zu zwingen, ist nun aber leider auch nicht die Lösung.

PS Daß 'wir zwei Beide' auf gleicher Wellenlänge funken, scheint mir sehr wahrscheinlich ;-)

Anonym 13. Juni 2009 um 17:23  

Ein absolut sachlicher, konstruktiv-kritischer Artikel zur Partei DIE LINKE!
Ich persönlich möchte sehr hoffen, dass man dort derartige GUTGEMEINTE Kritiken endlich ernst nimmt.
Wenn sie s o wie bisher weitermachen, werden sie wohl kaum aus ihrem ca. 10% Getto herauskommen, werden sie zu weiterer gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit verurteilt bleiben - was sehr schade wäre.
Ich habe sie seit 1998 immer wieder gewählt, möchte es eigentlich auch weiter tun....

Gruß Hansi

Anonym 13. Juni 2009 um 18:59  

Also hier hatte die Linke zur Europa-Wahl unter anderem den Slogan "Millionäre zur Kasse" plakatiert. Und auch Lafontaine fordert bei jedem öffentlichen Auftritt eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer mindestens auf dem Niveau des OECD-Durchschnitts, was zusammen schon jährlich mehr als 100 Milliarden in die öffentlichen Kassen spülen würde. Lafontaine hat auch ein paar klare Grenzen markiert, die eine Linke in Regierungsbeteiligung nie überschreiten darf. (Z.B. die zur Privatisierung öffentlichen Eigentums.)

Die Linke ist also keineswegs so duckmäuserisch und defensiv wie hier behauptet wird.

Allein: Das Medienkartell lässt diese klaren Positionen nicht durchdringen. Noch am Abend der Europa-Wahl konnte man sehen, wie ein angeblich neutraler Moderator (ich glaube es war Ulrich Deppendorf) Gregor Gysis Vorschläge als "unbezahlbar" hinzustellen versuchte, der sich noch praktisch das Mikrofon erkämpfen musste, um die Finanzierbarkeit seiner Vorschläge zu erläutern.

Lustigerweise stellt das Medienkartell ausgerechnet die FDP, die Steuersenkungen für alle (am Meisten natürlich für die Topverdienender) bei gleichzeitiger Reduzierung der Staatschulden *und* Erhöhung der Ausgaben für Bildung fordert, nie als die Partei der weltfremden Spinner hin, als die sie sich mit solchen Forderungen qualifiziert.

Denen aus der Linken, die sich bei den Herrschenden medienwirksam anbiedern, wird in den Medien hingegen überproportional viel Gehör verschafft. Und auch eine Sarah Wagenknecht kann natürlich in Talkrunden mit ansonsten ausschließlich marktradikalen Teilnehmern Alternativkonzepte nicht in der Breite erläutern, in der sie erläutert werden müssten.

Deshalb verwundert es auch nicht, wenn die Linke auch bei wohlmeinenden Zeitgenossen als zu zaghaft und defensiv ankommt.

Gegen die veröffentlichte herrschende Meinung der Herrschenden anzukämpfen ist für die Linke leider schwierig bis aussichtslos.

Eine probate Gegenstrategie dazu ist praktisch nicht möglich, denn das Totschweigen von Alternativkonzepten in den etablierten Medien setzt sich im Alltag als Schweigespirale fort.

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