Das Martyrium der unverstandenen Genossen

Sonntag, 28. Juni 2009

Jemanden, der sich in sektiererisches Verhalten verpuppt hat, innerhalb seines eigenen kleinen Kosmos lebt, dort auch noch hofiert und gefeiert wird, auf diverse Dummheiten seiner Aussagen hinzuweisen, ist wahrscheinlich ein hoffnungsloses Unterfangen. Auch jemand, der gerade dem inneren Druck der rechten Szene oder dem Umfeld von Scientology entflohen ist, wird trotz aller Fluchtgedanken nicht sofort dazu bereit sein, alle Lehren dieser sektengleichen Gruppen abzulehnen – womöglich bedarf es tiefgründiger Gespräche mit psychologisch geschulten Menschen; womöglich bleibt aber, um beim Beispiel zu verharren, ein NPD-Flüchtling dennoch immer Antisemit.

Wie also Müntefering auf den Stuß hinweisen, den er, gefangen in seiner kleinen Welt, in die Lande hinausposaunt? Eine Welt, die nicht SPD heißt, denn an der sozialdemokratischen Basis grassieren zuweilen ganz andere Sichtweisen, als dort oben, in großtuerischen Führungsgremien und blankpolierten Parteibüros. Es ist die Welt der ruinierten Führungsfiguren, die antraten, ihren Verein zu höheren Weihen zu geleiten, dabei aber bitterlich am eigenen Irrsinn und fehlender Standhaftigkeit scheiterten, letztlich zu Karikaturen ihrer selbst wurden, zu Witzfiguren der geheiligten Parteigeschichte. Es ist die Welt abgehalfterter Granden, die sich die politische Landschaft so zurechtbiegen und –drehen, wie es der verletzten Seele gerade genehm ist. Irgendwo erinnern Müntefering, Steinmeier und Steinbrück - andere Namen, die hier nicht genannt werden, sind noch unwichtiger als eben jene – an den ollen Honecker, wie er Staatsjubiläum feiert, an sich vorbeiparadieren läßt, während ihm der Staat unter den Füßen weggezogen wird. Konservative Westdeutsche haben der gesamten DDR ja immer wieder vorgehalten, sie wirke wie eine überdimensionale Marxisten-Sekte: aber das eigentliche Sektenverhalten war im obersten Parteibüro zuhause, innerhalb der Gespräche dieser Riege; zwischen den Zeilen der Verlautbarungen ans Volk konnte man das Sektiererische herauslesen.

So auch heute, so auch bei denen, die sich heute via Medien ans Volk richten und in ihrem Wortschwall der Sekte alle Ehre machen. Da tritt der Parteivorsitzende jener Partei an den Notizblock eines Journalisten heran, geißelt die fehlende Wahlmotivation der Menschen, verbindet geschickt, aber nicht ohne Tendenz zum vernebelten Weltbild, dass seine Partei auch daher so schlecht abgeschnitten habe bei der letzten Europawahl, und bringt es irgendwie sogar noch fertig, den Nichtwählern alle Schuld für seine moribunde Partei in die Schuhe zu schieben. Man weiß nicht genau, ob Gerhard Schröder, Wegbereiter des Niedergangs – er sieht sich freilich ganz anders, sein Lehrbub Müntefering übrigens auch -, an jenem europaweitem Sonntag gewählt hat oder nicht. Denn insofern wäre die Kritik am Nichtwähler teilweise korrekt, wenn Schröder nicht gewählt hätte – denn am Niedergang hat er, hat seine pervertierte Form von Sozialstaatsverständnis, seine Reformfrechheiten, sein Mundtotmachen interner Opposition, schuld. Aber das wäre natürlich zu einfach, denn diejenigen, die danach kamen, um den brüchigen Laden weiterzuführen, griffen munter das auf, was der Freund lupenreiner Demokratie zurückließ.

Der Sophisterei aber nicht genug. Allen Ernstes lümmelt Müntefering da in seinem Sessel, gibt dem Journalisten zu Protokoll, dass der Nichtwähler sich irre, wenn er meine, dass „derjenige, der nicht handelt, mit dem, was passiert, nichts zu tun“ habe. Als ob die Menschen, die resigniert fernbleiben von den Urnen die die Diät bedeuten, wirklich die chaotische Ansicht verträten, dass sie damit aus dem Schneider wären. Sie leiden ja trotz Abstinenz dennoch unter den Machenschaften dieser Typen, unter den Machenschaften seiner Parteikollegen, die sich schamlos auf ein Wettrennen, mit dem Titel „Wer ist konservativer und rückwärtsgewandter?“, mit den Christdemokraten und Marktliberalen einlassen, dabei auch noch so schnell rennen, um auf die oberste Stufe des Siegertreppchens zu gelangen. Wettbewerb, so lehrt uns unter anderem ja auch die SPD schon seit Jahren, ist eben alles – und dieser Wettlauf muß gewonnen werden, wenn man ganz oben stehen will. Dass ganz oben, in der Mitte des Treppchens, flankiert von christlich, liberalen und grünen Marktpredigern, eben das Lüftchen von mauen Prozentzahlen weht, das hat der Sozialdemokratie wahrscheinlich vorher niemand erzählt. Wer da ganz oben steht, der muß nun mal mit 19 bis 25 Prozentpunkte leben - manchmal sogar weniger -, der muß erdulden, dass Stammwähler auf der heimischen Couch bleiben.

Selbst wenn die SPD bei Reaktivierung der Nichtwähler keine absolute Mehrheit hätte, auch wenn das Münteferings Plausch irgendwie so darzustellen versucht. Die anderen leiden ja auch unter Schwund, jede Partei schwindet, weil sie in solche Rennen zieht, sich den Veranstaltern des Wettlaufs an den Hals hängen, den Milliardären und Konzernen dieser Welt. Aber im Gegensatz zur Union und zur FDP leidet die SPD an einem Glaubwürdigkeitsproblem. Denn von ersteren weiß man doch, dass sie für eine ganz bestimmte Klasse Mensch steht, während die SPD immer noch so tut, als sei sie die Partei der Verdammten dieser Erde, wobei sie natürlich die Verdammten eher verdammt als unterstützt. Deswegen bleiben Wähler aus, sozialdemokratische Wähler verstärkt. Auch die Nichtwahl ist eine Wahl, die in einer Demokratie respektiert werden muß – sie mag irrational aus politischer Sicht sein, sie mag auch wenig Wirkung haben, aber sie ist trotzdem legitim. Und seien wir doch ehrlich: Die alle vier Jahre stattfindende Wahl von Volksvertretern, die ihrem Gewissen verhaftet sind, macht Demokratie nicht aus. Wenn man wählen kann, sollte man auch abwählen können dürfen. Solange die Abwahl „meines Abgeordneten“ nicht machbar ist, findet auch keine Demokratie statt. Der Vertreter kann seine Vertreterschaft verlieren, sollte er zumindest verlieren können. Und das nicht erst nach vier Jahren egozentrischen Machtstrebens.

Die SPD-Spitze hat, so läßt sich als einzige Quintessenz von Münteferings Palaver ziehen, immer noch nicht verstanden, warum ihr die Wähler davonlaufen. "Immer noch nicht verstanden" ist indes eine optimistische Formulierung, denn daraus läßt sich lesen, dass es vielleicht eines Tages doch noch zum Aha-Erlebnis kommen könnte. Jedoch nicht mit diesen Gurus an der Spitze, die ihren sektiererischen Wahnsinn in den Wahlkampf werfen, Siegermentalitäten beschwören, die es gar nicht mehr gibt, ein wenig Einigkeit mimen, um danach die Dogmen des Großen Vorsitzenden Gerhard herunterzupsalmodieren. Innerhalb diverser Sekten ist es Usus, die Schuld für das Unverständnis, welches Außenstehende dem suspekten Verein entgegenbringen, eben solchen Außenstehenden zuzuschieben. Die Weisheit, die Tiefe der Botschaft, das karitative Moment der Lehre wurde nur noch nicht erkannt, weil der Außenstehende an irgendeinem geistigen Mangel leidet, weil er schlicht zu dumm und zu borniert ist, sich den Lehren des Meisters anzuschließen. So handhabt es auch die Sektiererische Partei Deutschlands, dieser Verbund von Postenjägern, der sich vor einiger Zeit von der SPD abgespalten hat, um enthoben in geistigen Sphären ihrem Schöngeist zu frönen. Schuld hat der Nichtwähler, der Drückeberger, der Verantwortungslose – warum, um Gerhards Willen, verstehen uns die Leute nicht? Wir jedenfalls sind schuldlos, wir werden schuldlos bei jedem Wahlgang abgestraft, wir, oh Herr, sind Märtyrer der Wahrheit, dafür sterben wir den politischen Tod!

Mit solchen esoterischen Weihen ist keine Wahl zu gewinnen, nicht, wenn man sich SPD nennt. Der FDP ist das esoterische Anzünden von Ohrkerzen und Abfackeln von Geruchsstäbchen als Hommage an den entfesselten Markt und die Unterordnung des Menschen unter selbigen, immanent. Man weiß, was man wählt, wenn man Marktapostel wählt. Vermeintliche SPD-Wähler leiden aber immer noch unter der Fehlkonditionierung, unter dem Namen SPD eine biedere und manchmal zu brave Form von Umverteilung und Teilhabe wählen zu wollen. Mit einer solchen Wählerschaft gewinnt man keine Wahl. Dass die Wählerschaft und die Nicht-Wählerschaft das Handicap einer stärkeren Sozialdemokratie ist, hat Müntefering ja verstanden - aber wenn eine Fußballmannschaft nicht mehr erfolgreich ist, wechselt man nicht die Vielen, die Spieler. Man wechselt den Einen, den Trainer - vielleicht sollte sich Müntefering daran ein Beispiel nehmen und die Wenigen, er eingeschlossen, abtreten. Sarrazin steht sicher schon parat, vielleicht wagt ja er den Anschluss an die Union. Vielleicht gibt es ja dann wieder Sekt für die Sekte...

16 Kommentare:

persiana 28. Juni 2009 um 14:46  

Die Aufgabe der SPD wäre es eigentlich, die durch das Zinssystem und die ausgezahlten Aktienrenditen stattgefundene Umverteilung (man könnte es, wenn man ganz boshaft ist auch Diebstahl nennen) wieder rückgängig zu machen.

Manche wenden ja ein, dass jemand der sein Geld in Aktien investiert, schließlich durch "Bereitstellung seines Geldes" dazu beiträgt, dass Produktion stattfinden kann. Schön gedacht, ist aber nicht der Fall. Es geht auf dem Aktienmarkt lediglich dazu mehr Geld zu machen, ob das Geld nun an die Realwirtschaft angekoppelt ist oder nicht, und so werden Aktien hin und her gehandelt und Dividenden ausgezahlt, ohne den Blick auf das, was die Produktion tatsächlich hergeben kann. Es wäre nun eigentlich die Aufgabe von Parteien wie der SPD oder auch der CDU (sie schimpft sich ja schließlich bürgerlich) solches Treiben mit entsprechenden Steuern in Grenzen zu halten. Das Gegenteil war der Fall. Die SPD hat dem ungezügelten Kapitalismus Tür und Tor geöffnet. Und da hat Müntefering den Nerv, nun auch noch seine betrogenen Wähler, die ihn einfach nicht mehr gut finden, zu beschimpfen.

Das ganze System in dem wir leben ist im Grunde eine einzige Beleidigung für die Bürger...

potemkin 28. Juni 2009 um 16:06  

Der Vergleich der SPD mit der siechenden SED liegt auf der Hand. Auch damals wählten die Berechtigten lieber das Original, d.h. den funktionierenden Kapitalismus, in dem man nicht 15 Jahre auf ein Auto warten mußte. Auch damals ließen sich die Funktionäre mit ihnen genehmen Daten füttern, war das Volk der undankbare Lümmel. Wer heute noch wählen geht (die mit der Anstecknadel 'Leistungsträger' tun es ohnehin), wählt - nun ja - wieder das Original, die Merkel-Partei. Da weiß man, was man bekommt. Die SPD kommt von ihrem nun schon fast 100 Jahre alten Image 'Mogelpackung' nicht mehr los. Das hat schon 1930 Kurt Tucholski in schönstem berlinerisch festgehalten:
Denn wak bei die Sozis. Na, also ick bin ja eijentlich, bei Licht besehen, ein alter, jelebter Sosjaldemokrat. Sehn Se mah, mein Vater war aktiva Untroffzier… da liecht die Disseplin in de Familie. Ja. Ick rin in de Vasammlung. Lauta klassenbewußte Arbeita wahn da: Fräser un Maschinenschlosser un denn noch der alte Schweißer, der Rudi Breidscheid. Der is so lang, der kann aus de Dachrinne saufn. Det hat er aba nich jetan – er hat eine Rede jehalten. Währenddem dass die Leute schliefen, sahr ick zu dem Pachteigenossen, ick sahre: „Jenosse“, sahre ick, „woso wählst du eijentlich SPD-?“ Ick dachte, der Mann kippt mir vom Stuhl! „Donnerwetter“, sacht er, „nu wähl ick schon ssweiunsswanssich Jahre diese Pachtei“, sacht er, „aber warum det ick det dhue, der hak ma noch nie iebalecht! – Sieh mal“, sachte der, „ick bin in mein Bessirck ssweita Schriftfiehra, un uff unse Ssahlahmde is det imma so jemietlich; wir kenn nu schon die Kneipe, und det Bier is auch jut, un am erschten Mai, da machen wir denn `n Ausfluch mit Kind un Kejel und den janzen Vaein… und denn abms is Fackelssuch… es is alles so scheen einjeschaukelt“, sacht er. „Wat braucht du Jrundsätze“, sacht er, „wenn dun Apparat hast!“ Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln –es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzijon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbstständjen Jemieseladen!

klaus baum 28. Juni 2009 um 16:56  

>>aber wenn eine Fußballmannschaft nicht mehr erfolgreich ist, wechselt man nicht die Vielen, die Spieler. Man wechselt den Einen, den Trainer<<

Nach der Logik des Realitätsverlustes der SPD würde man nicht den Trainer wechseln, auch nicht die Spieler, sondern die Zuschauer. Also die Wähler. Aber die wählen lieber das Original, also CDU-CSU und FDP.

Anonym 28. Juni 2009 um 17:10  

Lieber potemkin, ein Vergleich zwischen dieser asozialen, kapitalhörigen verlogenen "SPD" und der einstigen "siechenden" SED der DDR ist absolut falsch, verdreht völlig die historische Wahrheit, verkennt völlig Auftrag und Leistungen beider Parteien!
Was immer die SED zusammen mit ihren "Bruderparteien" in den anderen soz. Ländern in mancher Hinsicht für Murx gemacht hat, eines kann man ihr auch heute noch niemals vorwerfen:
Trotz großer Wirtschaftsprobleme, Zwang zur Devisenbeschaffung hat diese SED niemals die sozialen Interessen der großen Masse der DDR-Bürger verraten und verkauft so wie diese widerwärtige asoziale "SPD"!
Bis zu ihrer Entmachtung wurden alle sozialen Errungenschaften beibehalten, wurde niemand in ihrem Staat vorsätzlich in Armut getrieben so wie heute in diesem asozialen Konzern-Staat BRD.
Die SED hat viel Murx gemacht, das ist wahr, die asoziale kapitalhörige "SPD" ist dagegen einfach nur noch sozialfaschistisch-widerwärtig, gehörte endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte - aber diesmal ohne Wiederkehr.

Gruß, Hansi

klaus baum 28. Juni 2009 um 17:25  

Lieber Roberto,

zunächst möchte ich meine Freude über diese sehr treffende Analyse zum Ausdruck bringen. Das Phänomen des Realitätsverlustes, das ja wohl regelmäßig die jeweils wechselnden Herrschenden befällt, ist mir bisher noch unerklärbar. Vielleicht liegt es daran, dass es mir in meinem Leben nie gelungen ist, mich dauerhaft in den >oberen Regionen< zu etablieren. Ich musste in wechselnden Arbeitsverhältnisse gleichsam immer wieder von vorn anfangen, was mir immer wieder aufs Neue Erfahrungen ermöglicht hat, die offenbar den länger Etablierten abgeht, vor allem dann, wenn sie sich in ihrer Machtstellung absichern und diese durch Abschottung zu erhalten versuchen. Ich kann das zwar so beschreiben, aber wie Realitätsverlust sich anfühlt, weiß ich nicht.

Anonym 28. Juni 2009 um 17:41  

@persiana

"[...]Das ganze System in dem wir leben ist im Grunde eine einzige Beleidigung für die Bürger...[...]"

Stimmt genau, aber beim Begriff "Bürger", der mehr ausgrenzt als eingrenzt - die besserverdienenden, klassenkämpferischen (von oben) FDPler & Konsorten nennen sich "Bürger" - bin ich skeptisch, der gehört m. E. genau so geächtet wie der Begriff "Volk".

Ansonsten völlige Übereinstimmung, und nenne die Diebe ruhig Diebe - man könnte die auch statt Gangster "Bankster" nennen ;-)

Mfg
Bildleser- und Neoliberalenhasser

Anonym 28. Juni 2009 um 17:44  

Ich setze sogar noch einen drauf und behaupte frei und frech, dass wir von Kriminellen aus Wirtschaft, Politik und Medien regiert werden und einzig die Machtverhältnisse verhindern, dass Merkel, Westerwelle, Steinmeier, Steinbrück und Co. hinter den berühmten "Schwedischen Gardinen" als Kriminelle eingebuchtet werden.

Gibt es nicht eine Parallele zu 1932? Haben da nicht auch Kriminelle dafür gesorgt, dass 1933 ein gewisser Österreicher.....

Der Film "Let's make money" bringt es auf den Punkt - ein Sozi, ich weiß, ich bin selbst kritisch gegenüber Sozis sprach Rosa Luxemburgs berühmten Satz - noch vor der neuen Weltwirtschaftskrise - aus, im Bundestag in Berlin.

Wir stehen wieder vor der Alternative:

"Sozialismus oder Barbarei."

Da der Sozialismus/Kommunismus tot ist bleibt heute nur noch die Barbarei, wie auch die Imperialkriege des Merkelregierung gegen die eigene Bevölkerung und fremde Völker zeigen.

Mfg
Bildleser- und Neoliberalenhasser

Lesefuchs 28. Juni 2009 um 20:44  

Ich habe mich in der DDR oft, ob des winkenden und Phrasen dreschenden Erich gefragt, ob er wohl wisse was "unten" los ist? Ich habe mich gefragt, was denn die Stasi ihm flüstert. Oder hat man sich, wie heute in Firmen üblich, nicht getraut dem Vorstand die Wahrheit zu melden!? So muss es gewesen sein. Sonst hätte man reagieren können.
Genau das Gleiche frage ich mich heute. Die Trennung von Führung und Volk ist offenbar so krass, dass die nicht mehr wissen was Phase ist. Und die, die es wissen, trauen sich wohl "karrierebewußt" nicht die Wahheit zu melden, bzw. drehen diese entsprechend zurecht.
Schlimm nur, dass das Volk diese Trennungs-Tatsache nicht bei der Wahl radikal "honoriert"!

landbewohner 28. Juni 2009 um 21:36  

an den realitätsverlust der müntebande glaube ich eher nicht. schon von jeher war die spd eine für das kapital notwendige opposition, um den unmut der eher benachteilgteren bürger zu kanalisieren und so unkontrollierbaren widerstand in der bevölkerung zu verhindern. und die geschichte zeigt ja auch, immer dann wenn die "eliten" ernsthaften widerstand erwarteten, dann ließ man die spd ran, um die proteste klein zu halten. so wars in weimar und in berlin. denn soziale grausamkeiten durch die spd zu verkaufen heißt ja auch die gewerkschaften mit in die pflicht zu nehmen, die gefolgschaft ruhigzustellen. welch aufruhr wäre bei verdi oder igm entstanden, wenn die cdu die schröderschen schweinereien hätte verkaufen müssen!!! da ist es doch viel leichter man kauft sich die korrupte spitze einer "volkspartei" und vermeidet so ernsthaften widerstand.
und nun wissen diese herrschaften vom zartrosa getönten flügel des parteienspektrums, pöstchen für sie gibt es nur noch als junior einer bürgerlichen regierung oder beim kapital direkt. und so geht ein clement oder schröder gleich in die wirtschaft (gilt für die fischers und grünen genauso) und die 2. garnitur a la stein...undsoweiter oder münte hofft noch auf bürgerliche almosen damit evtl. niedrigere chargen im beamtenapparat ihre jobs behalten können. diese rosarote bagage die sich da im spd-grünen-gewerkschafts und ngo bereich gut dotierte lebensstellungen verschafft hatte, war nie oppositionell, die wolten an die fleischtöpfe .... und das gilt auch für grosse teile der "linken" - leider.

potemkin 28. Juni 2009 um 22:24  

Lieber Hansi,
der Beitrag von 'Lesefuchs' enthebt mich der Notwendigkeit einer ausführlichen Klarstellung. Natürlich war die SED nicht von Lobbyisten ferngesteuert, natürlich wurden hier, schon um das Etikett aufrecht zu erhalten, nicht die Menschen, sondern die Maschinen verschlissen. Aber ansonsten hat man auf allen Ebenen das West-System nachgeäfft, anstatt eine attraktive Alternative zu praktizieren. Spätestens mit den Straußschen Krediten war diese Art von 'Sozialismus' irreversibel am Ende. Womit wir wieder bei der SPD wären...

wilko0070 29. Juni 2009 um 10:07  

"Unsere Republik gehört heute zu den zehn leistungsfähigsten Industrienationen der Weit, zu den knapp zwei Dutzend Ländern mit dem höchsten Lebensstandard.
...
In 40 Jahren entwickelte sich bei uns eine Wirtschaft von moderner Struktur und großer Leistungskraft. Dynamik und wachsende Effektivität sind für sie kennzeichnend.
...
Die modernen Technologien stärken unser wirtschaftliches Potential und bieten zugleich für viele Werktätige ein interessantes Feld schöpferischer Arbeit und persönlicher Entfaltung. Das gilt insbesondere für die junge Generation. Gehört es nicht überhaupt zu den größten Errungenschaften unserer Republik, daß ausnahmslos alle jungen Leute eine Zukunft haben, daß sie nicht auf der Straße stehen müssen, ohne Ausbildung bleiben, an der Drogennadel hängen oder gar ohne Dach über dem Kopf dahinvegetieren müssen? "Der Jugend Vertrauen und Verantwortung«, das ist unsere, die bessere Weit. Wer nach Sinnerfüllung im Leben strebt, der wird den faulen Zauber, der da drüben glänzt, schnell als das erkennen, was er ist.
...
Die Verbindung von Wissenschaft, Produktion und Absatz in diesen starken ökonomischen Einheiten hat sich bewährt. Auf den Weltmärkten konkurrieren viele Kombinate erfolgreich mit, eine Position, die freilich von Tag zu Tag neu behauptet werden muß.
...
Durch die Arbeit des Volkes und für das Volk wurde Großes vollbracht. Auch künftig werden nicht geringe Anstrengungen notwendig sein. Neue Anforderungen verlangen neue Lösungen, und wir werden auf jede Frage eine Antwort finden. Wir werden sie gemeinsam mit dem Volk finden für unser Voranschreiten auf dem Weg des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik. (Lang anhaltender starker Beifall) [ ... ]"

Aus der Festansprache von Erich Honecker zum 40. Jahrestag der DDR am 7.10.1989
http://www.glasnost.de/db/DokZeit/89honecker.html

(Ähnlichkeiten mit Münteferings Ausführungen zum Zustand und der Zukunft der SPD wären rein zufällig.)

romano 29. Juni 2009 um 12:43  

Ein Problem der SPD ist das Verhältnis Führung-Basis, d.h. es gibt ein demokratisches Problem. Zwar wird wohl abgestimmt, aber scheinbar haben sich Mechanismen durchgesetzt, die eine Wissensverteilung zur Folge hatten. Die Basis bringt kaum ein Argument klar zum Ausdruck, die erste Schelte des Führertrios erzeugt geducktes Schweigen. Das Trio indessen verwechselt Überzeugtsein und Sachverstand (übrigens ein Grundproblem der heutigen Zeit. Es kommt aus der ökonomisch-biologischen Meaphysik, wonach das faktische Überleben aus einer besseren Anpassung her rührt, welche beim Menschen wissensförmig ist.) Das Überzeugtsein erzeugt über die Zeit hin Borniertheit und schließlich Ressentiments. Dann wird das Gemüt spröde und eingleisig, investiert seine Energien in den Schutz der Überzeugung, z.B. Erhöhung der Durchsetzungsfähigkeit, Engführung von Zielspektren usw.
Die Unverstandenen Genossen sind wohl schon beim Ressentiment. Da hat die Zeit ihnen einen Streich gespielt. Sähen sie sich im Spiegel ihrer eigenen Vergangenheit, würden sie wohl vor sich davon laufen (das Paradebeispiel in BRD ist hier immer noch Fischer Joseph). Man sieht daran, wie dünn in der SPD mit der Zeit Sachdiskussionen wurden und wie man selbst die Ideologie inhalierte, wonach man sich Sachdiskussionen sparen kann, wenn man nur Führungsstarke Leithammel herausfiltert und in das öffentliche Rampenlicht stellt, in der Hoffnung, dass es dort nur mehr auf unzusammenhängende Durchsetzungschlachten ankommt, die zu evaluieren letztlich in den Parteizentralen zu erledigen ist.

Ein tolles politisches Experiment wäre es, zwei neue Parteien mit einem seriösen Programm und seriösen Personen zu gründen, die die sich genau zwischen SPD/Grüne und der Linken positionieren: NSD (Neue Sozialdemokratie) und NGP (Neue Grüne Partei). Dann könnte den unverstandenen Genossen ihr Spiegel vorgehalten werden.

Anonym 29. Juni 2009 um 16:29  

Hallo potemkin und Lesefuchs, natürlich sind die Paralellen in puncto Abgehobenheit gegenüber der gesellschaftlichen Wirklichkeit zwischen den einstigen SED-Oberen und den heutigen Politikastern von CDU/CSU/SPD/FDP/"Grünen" frappierend, ohne Frage!
Aber teilen nicht alle Macht ausübenden "höheren Kreise" einer j e d e n Gesellschaft diese Abgehobenheit?
Leben nicht a l l e Klassen, Schichten zunächst mal in i h r e r kleinen "Welt", betrachten den "Rest" der Gesellschaft aus dieser ihrer "Welt" heraus?
Was nun die Abgehobenheit der "gehobenen Stände " angeht, wer erinnert sich da nicht an die ach so einfältige Marie-Antoinette, welche einst am Vorabend der Großen Französischen Revolutin den hungernden Parisern Kucchen als E R S A T Z für fehlendes Brot empfahl?
Ich denke, man könnte ganze Bände mit derartigen Anekdoten über die Abgehobenheit höherer, herrschender Klassen, bessergestellter Kreise füllen.
Wie abgehoben dieser Honecker und sein Politbüro auch sicherlich waren, sie handelten im guten Glauben, das Beste für das "Volk" zu tun, weshalb sie auch alle Versuche bis Herbst 1989 abblockten, den immer größer werdenden ökonomischen Problemen der DDR mit drastischen Rückführungen sozialer Errungenschaften zu Leibe zu rücken.
Auf den Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft herumzutrampeln, diese gar öffentlich zu diffamieren, das war ganz im Gegensatz zu diesem "SPD"- Gesindel(Schröder, Clement & Co.) n i c h t das Geschäft der SED!
Daher muss man auch die gesellschaftliche Abgehobenheit eines Honeckers und eines Münterferings äußerst differenziert betrachten.
Ein rückwärts gewandter Hass auf die einstige DDR ist da ohnehin ein schlechter Ratgeber, hilft letztlich nur den h e u t e herrschenden Polit-Schurken und ihren kapitalschweren Auftraggebern!

Gruß an alle, Hansi

Anonym 29. Juni 2009 um 16:57  

Hallole Romano, man kann sich im Grunde sämtliche langatmigen (pseudo)akademischen, gar "tiefenpsychologische" Traktate über diese "SPD" ersparen wenn man nur e i n m a l im Leben dazu b e r e i t wäre, die "Lesitungen" dieser Partei seit 1914 kritisch zu beleuchten!
Die Geschichte dieser Partei ist seit 1914 so eng mit der Geschichte des gesamten deutschen Imperialismus und aller seiner "Großtaten" verwoben, dass man diese Partei durchaus zu den heimlichen Stützen dieses deutschen Imperialismus zählen m u s s !
Und wieso: Weil "Sozialdemokraten" in ihrer großen Masse schon immer seit Kaisers Zeiten danach trachteten, sich im Kapitalismus g e m ü t l i c h einzurichten, ganz besonders natürlich Kleinbürger, "Arbeiteraristokraten" und vor allem die Partei- u. Gewerkschaftsfunktionäre.
ROSA LUXEMBURG bemerkte äußerst scharfsinnig diese starken Tendenzen schon lange v o r "August 1914"!
Und s o ging und geht es bis zum heutigen Tage bei dieser "SPD" zu - natürlich mal immer wieder etwas verschleiert durch zahnloses Maulheldentum zu "friedlicheren" Zeiten..., abstrakter "sozialer" Phrasen ohne Sinn und Bedeutung....
Einzelheiten hierzu möge sich jeder selbst beschaffen.
Ach ja, "Willy"....., und? Ein sorgsam aufgebauter und gepflegter M Y T H O S !

Gruß, Hansi

Andreas 29. Juni 2009 um 17:55  

Ich denke, es ist schon fast müßig, den Niedergang der SPD zu kommentieren. Auch wenn das, wie hier, ziemlich treffend geschieht. Soll sie doch einsam, still und heimlich von uns gehen. Vielleicht noch ein Nachruf (durchaus wohlwollend, denn über Tote soll man bekanntermaßen nicht schlecht reden), dann reicht es aber auch.

Anonym 1. Juli 2009 um 14:18  

Hallole Andreas, deinem "Nachruf" kann ich mich nur anschließen!
Ist NEKROPHILIE nicht sogar strafbar? ;-)

Gruß Hansi

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