Nomen non est omen

Mittwoch, 17. Juni 2009

Heute: "Bedarfsgemeinschaft"

"Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen."
- SGB II vom 24. Dezember 2003, § 2 "Grundsatz des Forderns", Seite 3 -

"Hausbesuch bei der Bedarfsgemeinschaft – Mit Hartz-IV-Kontrolleuren unterwegs"
- Schlagzeile im Handelsblatt vom 7. Juni 2005 -
Mit der Neuregelung des ALG II zum 1. Januar 2005 (auch Hartz IV genannt), wurde der Begriff "Bedarfsgemeinschaft" neu geprägt. Im technisch-funktionalen Bürokratendeutsch verschwindet der Mensch aus der Formulierung. Freunde, Ehepaare, Liebende, Geschwister – sie alle werden als eine "Gemeinschaft" klassifiziert, die sich nicht durch Individualität, Charakter oder Werte auszeichnet, sondern die schlichtweg einen finanziellen "Bedarf" hat. Der Mensch und sein soziales Umfeld als Kosten-Nutzen-Rechnung.

Der Begriff ist im SGB II ganze 55 mal enthalten. Im Kapitel 2 (Anspruchsvorraussetzungen) definiert das SGB II unter § 7 berechtigte folgende Personen zugehörig zu einer "Bedarfsgemeinschaft":

1.) Erwerbsfähige Hilfebedürftige

2.) Im Haushalt lebende Eltern

3.) Ehegatte oder Lebenspartner

4.) Kinder

5.) Freunde oder Bekannte im gemeinsamen Haushalt

Ob Eltern mit Kindern, Alleinerziehende, Ledige oder Jugendliche – das Arbeitsamt ("Jobcenter" ist ein Euphemismus!) interessiert sich nicht für die jeweiligen individuellen Bedürfnisse und sozialen Bindungen. Was interessiert, ist das materielle Vermögen der Verwandtschaft, von Freunden, Eheleuten usw., das eingezogen und angerechnet wird. Der technisch-funktionale Verwurstungs – und Repressionsapparat, den alle Empfänger zu spüren bekommen sowie die Aufrechterhaltung des sog. "Ernährer-Modells" werden damit vorangetrieben.

Insofern verfolgt der Begriff eine mehrgleisige Strategie. Zum einen verschwindet der Mensch aus der Sprache, so werden die gezielt gewollten Sanktions- und Repressionsmechanismen versteckt. Zum anderen, findet eine immense Verschleierungstaktik statt. Denn was eine Gemeinschaft wirklich braucht oder bedarf, interessiert das Arbeitsamt nicht. Der ALG II-Empfänger hat sich vielmehr den Anordnungen ("Bedürfnissen") des Arbeitsamtes, also des Gesetzgebers zu unterwerfen. Diese sind Beihilfe zur Fälschung der Arbeitslosenstatistiken, indem man an sogenannte "Maßnahmen" teilnimmt, die Offenlegung sämtlicher finanzieller Verhältnisse sowie die Aneignung des Habitus, man sei selbstverschuldet und eigenverantwortlich arbeitslos.

Dies ist ein Gastbeitrag von
Markus Vollack aka Epikur.

20 Kommentare:

Kassandra 17. Juni 2009 um 08:31  

Arno Gruen:
"Der Wahnsinn der Normalität" wie auch seine anderen Bücher beschreiben Ursachen, Hintergründe, Wechselwirkungen, usw.. Hervorragend!

Arbo Moosberg 17. Juni 2009 um 09:04  

Der Begriff "Bedarfsgemeinschaft" ist im Grunde ein Mysterium, von dem selbst Anwälte nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen (OT eines Anwalts). Darüber hinaus ist es nicht der einzige Begriff. Abgewandelt davon existieren noch sogenannte "Haushaltsgemeinschaften", d.h. die ARGE prüft, ob sich eine Bedarfsgemeinschaft (eine Person) in einer solchen "Haushaltsgemeinschaft" befindet. Das kann recht üble Effekte für die einzelne Person haben!

Hinter beiden Begriffen steckt jedenfalls die sogenannte "Pool-Idee", dass alle Personen im Haushalt ihr Einkommen in einen Topf werfen und daraus jede Person versorgt wird. Der Mensch als Haushaltsdurchschnitt. In manchen Fällen nicht mehr als Haushaltsaufschnitt ...

Arbo

Alexander Tetzlaf 17. Juni 2009 um 09:05  

Und diese Herangehensweise bringt den Tatumstand „Sippenhaftung“ auf den Plan.

Denn was geschieht im Falle der Sanktion, sei sie nun gerechtfertigt oder, wie in der Regel ungerechtfertigt?

Mitbewohner, verwandt, verschwägert oder auch nur befreundet erleiden finanzielle Schwierigkeiten, unter Umständen sogar arge Not, geraten durchaus in Mietschuld und werden ihrerseits in ihrer Existenz gefährdet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Sippenhaftung
http://en.wikipedia.org/wiki/Sippenhaft
http://dasdenken.blog.de/2008/01/21/faschismus~3611274/

Hartz IV ist Faschismus.

Und wer immer dieses Unrecht begeistert umsetzt, weiß dann wohl, wo genau er steht.

Viktor 17. Juni 2009 um 10:58  

Hatte kürzlich Besuch von einem "Außendienstler", der sich davon überzeugen wollte, ob der Viktor denn tatsächlich alleine lebe. Ist schon eine ziemliche Entwürdigung und geradezu eine Ungerechtigkeit, daß man verpflichtet ist, diese Leute (so nett dieser hier auch auftrat) hereinzulassen. Selbst die Polizei kann man (theoretisch) erst einmal wieder wegschicken und auf einem richterlichen Durchsuchungsbeschluß bestehen.

Wie idiotisch das ganze System ist, zeigt sich an meinem Fall auch deutlich: Meine Freundin hat sich mehr oder weniger bei mir eingenistet, ist aber noch bei ihren Eltern gemeldet. Gehört also offiziell nicht zu meiner Bedarfsgemeinschaft. Wüßte die ARGE von ihr, würde sie mir einen Strick draus drehen. Würde meine Freundin aber offiziell bei mir einziehen und Teil meiner Bedarfsgemeinschaft werden, so hätte diese dann vergrößerte Bedarfsgemeinschaft auch einen höheren Bedarf, und da des Viktors Freundin noch in Ausbildung ist, stiegen damit auch die von der ARGE aufzuwendenden Leistungen. Letztendlich bescheißen hier also zwei Bedüftige die "Leistungsträger" und müssen damit rechnen, daß eine Aufdeckung dieses Umstandes Sanktionen nach sich zieht.

Dieses ganze System ist so krank...

ad sinistram 17. Juni 2009 um 11:35  

Viktor, Du bist nicht verpfliichtet dazu. Siehe dazu Folgendes.

Die Behörde darf (dürfte) nur bei konkreten Verdachtsmomenten eine Wohnungsdurchsuchung anstreben. Hierzu bedarf es aber eines richterlichen Beschlusses. Läßt man den Typen nicht rein, kann es gut sein, dass er mit Sanktionen droht. Da aber Wohnungsbesichtigung nicht unter Mitwirkungspflichten fällt, ist diese nichtig, sollte nach kurzem Widerspruch eigentlich aus der Welt geschafft sein.

Hierzu auch Art. 13 GG:

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

Anonym 17. Juni 2009 um 13:11  

Es ist doch völlig klar, dass der Begriff der "Bedarfsgemeinschaft" und die mit ihm verbundenen rechtlichen Konsequenzen nur zwei Gründe hat:

1. Geld sparen. Wer ALG2 bezieht und der Partner / die Partnerin ist noch berufstätig, hat oft gar keinen Anspruch auf ALG2, selbst dann nicht, wenn der Partner / die Partnerin selbst in eine finanzielle Notlage gerät, weil er den jeweils anderen unterstützen muß.

2. Erpressung. Die "Bedarfsgemeinschaft" ist letztlich, wegen Punkt 1, als Hebel einsetzbar. Wer keinen Billigjob zu übelsten Konditionen annehmen will, der belastet automatisch seinen Mitbewohner.

Punkt 2 habe ich am eigenen Leib erfahren. Ich erhalte zwar ALG1, aber als ich meiner "Arbeitsberaterin" mitteilte, keinesfalls und unter keinen Umständen Leiharbeit zu machen, erkundigte sie sich sogleich nach einer möglicherweise vorhandenen Partnerin. Sehr wahrscheinlich mit Blick auf Hartz4.

Anonym 17. Juni 2009 um 18:03  

Hi Roberto!

«Da aber Wohnungsbesichtigung nicht unter Mitwirkungspflichten fällt, ist diese nichtig, sollte nach kurzem Widerspruch eigentlich aus der Welt geschafft sein.»

Schön wäre es... wenn sich die ARGEn auch an geltendes Recht hielten. Tun sie aber nicht. Und das IMO ganz bewusst.

Sie gehen wie Internet-Betrüger davon aus, dass die einen den Ärger an der Tür (vor den Augen der Nachbarn?) scheuen, die anderen den Widerspruch gegen (auch falsche) Bescheide und vom Rest noch ein paar einen Rechtsstreit scheuen resp. verlieren.

Also wird erst einmal ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten aufgefahren. Et voilà! Schon hat wieder einer der ARGE (zumindest vorübergehend) was gespart (und wird von seinem Chef (männl./weibl.), wenn schon nicht (öffentlich) gelobt, so wenigstens nicht vor den Kollegen als "pflichtvergessender Menschenfreund" runtergemacht).

Das grundlegende Problem ist, dass immer wieder widersprechen zu müssen, einen psychischen Druck ausübt und zermürbt! Zermürbung ist das Ziel. (Ich weiß nicht ob jeder Mitarbeiter in den ARGEn das sieht. Die Chefs IMO sehr wohl, soweit sie es nicht verdrängt haben.)

Gruß
Omnibus56

Anonym 17. Juni 2009 um 18:09  

Hartz war aber auch eine Methode der Nachbesserung. Nur zu glauben, daß Hartz Ungerechtigkeiten geschaffen hätte, trifft nicht immer den Kern der Tatsachen. Es gab auch einige Schieflagen, die eben korrigiert werden mussten.
Es ist eben die Frage, ob sich einige an dem System gesund stoßen durften. Denn es stimmt schon fraglich, wieso eine Bedürftigkeit entstehen soll, wenn eine Partnerschaft da ist, die eben eine gemeinsame Grundversorgung sicher stellt.

Ein gesunder Singel kann auch von Hartz einigermaßen leben. Was ich nur hart finde, ist die Situation für Familien und das es keine öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos für Arbeitslose oder zumindest vergünstigt gibt. Damit könnte der Gesetzgeber nicht nur Teilhabe am Leben und damit eine gewisse Würde den Empfängern zurückgeben, sondern auch Bewerbungsverfahren erleichtern, wenn nicht der Arbeitslose stets auf den ersten warten muß, um Geld vorschießbar für die Fahrtkosten zu haben. Weiterhin wären die Kosten für Bewerbungen und der Topf und vor allem die Bearbeitungszeit! In den Jobcentern damit reduziert.

Ob es nun jeder mit seinem Gewissen vereinbaren kann, das Arbeitslose aus verschiedenen Gründen kostenlos oder kostengünstig durch die Gegend tingeln könnten, steht auf einem anderen Blatt.

Weiterhin wären die Zuschüsse für Strombedarfe den realen Bedingungen anzupassen. Der Lebensunterhalt ist dermaßen gering, das die Stromkosten IM DERZEITIGEN MITTEL FÜR EINE PERSON nicht mehr gewährleistet sind.
Hier müsste um Mißbrauch und leichtsinnigen Stromverbrauch weiterhin spürbar zu machen, ein zumindest geringer Zuschuss erfolgen in der Höhe von ca. 10 - 15 Euro pro Monat.
Damit wärne bis zu 40 Euro Stromkosten im Regelsatz enthalten, was ca. auch den 1400-2000 KWH Jahreskosten entspräche, die für einen durchschnittlichen Single-Haushalt anfallen.
Ich wäre weiterhin dafür, diese Gebühr komplett zu übernehmen, bis zu 50 Euro mtl. Dieser Betrag würde dann aber direkt an den Stromanbieter überführt bzw wie im Falle der Mietzahlung nur in Bedarfshöhe bezahlt, so dass keine Zweckentfremdung sondern der Haushaltsstrom als eine Unterkunftskostenzuschuss betrachtet würde.
Damit wäre für einige Hartz Empfänger einiges an Druck raus und damit käme der einzelne schon viel weiter. Die (geringen) Entlastungen könnten auch als Nachfrage der Binnenwirtschaft zugute kommen, die es dringend nötig hat.

Als nächster Kritikansatz, lägen mir Familien am Herzen. Kinder sollten auf Grund verschiedener Gründe keine reduzierten sondern erhöhten Regelsatz erhalten. Leider wird dies mit der allgemeinen Politik der Förderung von Kindern besser gestellter kollidieren. Hier sollten aber zumindest ebenfalls Zweckgebundene! Leistungen wie Kostenübernahme für Essen in der Schule (dafür könnte dann der entsprechenden Anteil für das anfallende Essen anteilig aus dem Regelsatz herausrechnen, um keine Ungerechtigkeiten durch überbezahlung entstehen zu lassen. Das heißt: 2,69 Euro / 4 - 1Teil pro Essen ausserhalb der Familie in Schule oder Kita. (So wie es bei Essen im Krankenhaus bereits üblich ist für betroffene Hartz Empfänger.)

Wer Fleiß belohnen will, sollte auch den Selbstbehalt von arbeitenden Hartz4 Empfängern erhöhen und insgesamt vom Zuverdienst etwas abhängiger machen. Ich kenne mitlerweile einige Beispiele, die nur noch genau ca. 150 Euro verdienen, weil dieser Betrag in etwa maximaler Selbstbehalt für durch Arbeit entstehende Mehrbedarfe ist.

Die Politik sollte die indirekte Niedriglohnförderung etwas geschickter Platzieren und hier eine Staffelung einführen, die dann zu einem schrittweisen Ausschluß aus Hartz4 führt.

Allerdings bin ich nur ein Betroffener und wir haben leider nicht viel zu melden. Selbst wenn wir uns in Hartz einfügen und erst Recht werden unsere Vorschläge nicht gehört, weil wir eh nichts zu sagen haben und uns nur weitere Vorteile erschleichen wollen.

:-D

In diesem Sinne Vorteile für alle!

Schönen Tag euch.

Andreas 17. Juni 2009 um 20:38  

Hartz4 ist keine Methode der Nachbesserung, sondern ein Instrumentarium zu Schikane, Erniedrigung und Repression. Das ganze System ist darauf ausgelegt.
Und nein, mit den Hartz4-Regelsätzen kann man sich nicht vernünftig ernähren. Jedenfalls dann nicht, wenn man lediglich die im Regelsatz dafür vorgesehene Pauschale aufwendet. Ich war, zum Glück nur 3 Monate, ALG2-Empfänger und musste am Monatsende hungern. Dies zum einen, weil dieses brutale Absenken des bereits vorher durch ALG1-Bezug niedrigen Lebensstandards ungewohnt war. Zum anderen aber auch, weil ich mit 1,90 Körpergröße und 86 Kilo gewicht keineswegs mit den aus dem Regelsatz bezahlbaren Miniportiönchen klar käme.

Zur Bedarfsgemeinschaft: das Problem, das hier auftaucht ist vor allem dann eines, wenn der noch arbeitende Partner so gerade durchschnittlich viel verdient. Das ist aber in den allermeisten Fällen so und bedeutet letztlich, das der erwerbslose Partner keine Ansprüche auf ALG2 hat. Da nun der noch arbeitende Partner allein für den Unterhalt sowie die Nebenkosten aufkommen muß, reißt das nicht selten beide in die Armut. Und schließlich ist auch nicht einzusehen, warum aus dem bloßen Zusammenleben (Ehe mal ausgeschlossen) dermaßen weitreichende (Armut durch Sippenhaftung!) Konsequenzen zu ziehen sind.

Wie man daraus letztlich den Begriff des "gesund stoßens" konstruieren kann, wie es mein Vorposter macht, bleibt mir schleierhaft, sagt aber einiges über seine Gesinnung gegenüber Erwerbslosen aus.

Robert Reich 17. Juni 2009 um 21:06  

Ein wohl wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung und Einführung von Hartz4 war die Schaffung eines breiten Niedriglohnsektors für angeblich Geringqualifizierte. Das mittlerweile viele "Höhergebildete" zu den Beziehern von Leistungen nach SGB II gehören ist auch Tatsache. Aber der wichtigste Effekt: der Arbeiter ist erpressbar geworden, bloß nicht mit Hartz4 in Verbindung gebracht werden, lieber jede! zumutbare Arbeit annehmen, aber was ist zumutbar. Nun habeb ja schon Sozialgerichte mitgekriegt, dass Zumutbarkeit bei sittenwidrigen Löhnen aufhören sollte.
Aber nochmal die Erpressbarkeit, man hört selbst im Verwandten-, Bekannten- oder Kollegenkreis, wie irgendwie Angst vor Hartz4 besteht, oder Hartz4 schon etwas wie Aussetzigkeit bedeutet. Und die Wirkung der Massenmedien unter besonderer Mitwirkung von Clement, Rita Knobel-Ulrich u.u. ist auch erkennbar. Da werden Wortexkremente wie Hartz4-Familie, Hartz4-Kinder, Sozialschmarotzer aus politischem und journalistischem Gedärm gepresst, ist bei solcherart Journalismus der Tatbestand der Volksverhetzung nicht schon erfüllt???

Viele Grüße von Robert Reich

Geheimrätin 17. Juni 2009 um 21:31  

@ Anonym von 18.09
Entschuldigung, aber auch ein gesunder singel kann eben nicht gut von Hartz IV leben...er kann sich gerade so über Wasser halten...Posten sie hier im Auftrag der SPD? wenn ich sowas höre..

Ich hab zwar auch schon für die von Sozialverbänden georderten Grundsicherung von 500 € für Kinder statt Harz IV geworben, meinte damit aber definitiv nicht dass dadurch die kinderlosen Hartzis einfach allein gelassen und vergessen werden dürfen oder sollten. Oft kommt man sogar wirklich besser über die Runden als Familie,was das reine Überleben betrifft, weil man einfach in einer Gemeinschaft besser haushalten kann. Auch sind die Mieten je kleiner die Whg im Verhältnis teuerer als größere und was ein Hartz IV Betroffener tatsächlich alles von seinen Unterhaltsgeld löhnen muss, da bleibt fürs Essen kaum was übrig...sollte sich eigentlich jeder vorstellen können, wenn er an die eigenen Rechnungen denkt!

Und wessen Miete die Angemessenheit übersteigt, hat eben Pech gehabt, auch wenn es keine günstigere Whg gibt. Und was muss ein Hartzi auch telefonieren, mit wem auch, die leistungstragenden Freunde möchten schließlich nicht jeden Tag daran erinnert werden, was ihnen möglicherweise auch bald bevorsteht...

Neben mir wohnt eine alleinstehende ca. 60 Jahre alte Hartz IV -Betroffene, die nagt wirklich oft am Hungertuch, gerade am Monatsende, oft habe ich das Gefühl, die einzige zu sein, die ab u. an ein Schwätzchen mit ihr hält...und das Sozio-kulturelle Leben hier hat für Arme nunmal nix übrig.

Aber es gibt ja Suppenküchen und so Teffpunkte, wie der, gleich hier in der Nachbarschaft, für psychisch labile Menschen. Da könnte sie ja hin gehen, nicht wahr? Bisschen quatschen u. Kaffetrinken...Ganz fein ist das...

Geheimrätin 17. Juni 2009 um 21:43  

..noch einen Nachtrag: Die genannte Nachbarin ist von Natur aus eine sehr unternehmungslustige, gesellige Person und würde liebend gerne arbeiten! Einen finanziellen Anreiz bräuchte die da gar nicht, ein einfacher Arbeitsplatz würde ihr persönlich schon genügen!

Michel 18. Juni 2009 um 16:06  

"Hartz war aber auch eine Methode der Nachbesserung. Nur zu glauben, daß Hartz Ungerechtigkeiten geschaffen hätte, trifft nicht immer den Kern der Tatsachen. Es gab auch einige Schieflagen, die eben korrigiert werden mussten.
Es ist eben die Frage, ob sich einige an dem System gesund stoßen durften. Denn es stimmt schon fraglich, wieso eine Bedürftigkeit entstehen soll, wenn eine Partnerschaft da ist, die eben eine gemeinsame Grundversorgung sicher stellt."


Wenn eine Partnerschaft eine gemeinsame Grundversorgung sicherstellt, dann muss dieses Pärchen konsequenterweise auch zusammen nur Arbeits- und Sozialsversicherungsbeiträge für 1 PERSON bezahlen, d.h. die Hälfte dessen, was sie bezahlen, wenn beide arbeiten.
Wenn ein Partner mit das Risiko für die Arbeitslosigkeit seines Gatten übernehmen soll, muss er auch an den Einsparungen, die dies für das Sozialsystem bedeutet, beteiligt werden.

An solchen logischen Wendungen sieht man dann schon, dass das ganze Quatsch ist, denn dann werden sich - zumindest offiziell (Heirat) - keine Pärchen in der Unterschicht mehr bilden, da die dann wissen, dass sie im Ernstfall für den anderen mithaften und mit in die Armut gerissen werden usw.

Vollständige Gleichheit und Fairness erreicht man nie, daher sollte man sich an kleineren Details nicht derartig anstoßen.

Immerhin ist es vermutlich effizienter und auch psychologisch komfortabler, wenn sich ein arbeitsloses Pärchen gegenseitig ermutigt und stützt und das ist dann letzten Endes auch besser für alle.

Was gerne übersehen wird, ist, WARUM unsere Sozialsysteme so in die Miesen gekommen sind:

Es gibt zuviele Steuerflüchtlinge, zuviele, die ganz legal Steuern sparen (Veräußerungsgewinne sind steuerfrei, da jubelt der Hedgefonds/ die Heuschrecke), und zuviele Gutverdiener, die gemessen am Finanzierungsbedarf in diesem Land schlicht zu wenig Steuern zahlen.
Es ist doch so:
Wenn der Staat Geld braucht, kann er entweder die Steuern erhöhen, irgendwo Steuern einsparen oder sich Geld leihen.
Steuererhöhungen sind momentan bei der Unterschicht und bei Verbrauchs- und Mehrwertsteuern nicht drin und die Mittel- und Oberschicht hat zuviel Einfluss.
Steuern einsparen klappt nicht, denn es wird einerseits zuviel Vetternwirtschaft betrieben (siehe Kölner Klüngel auf youtube) und andererseits ist da schlicht nicht mehr soviel Einsparungsspielraum.

Sich Geld zu leihen, ist eine bequeme Methode, dann hinterher doch wieder das Geld bei der Unterschicht einzutreiben, die ja beim gegenwärtigen Steuermodell für einen Großteil der Steuereinnahmen aufkommt und von diesem Geld dann die Bundesanleihen bezahlt werden müssen.

Desparada-News 18. Juni 2009 um 16:29  

Ich wehre mich regelmässig gegen den Begriff "Bedarfsgemeinschaft", auch wenn ich - ebenfalls jedesmal - Schwierigkeiten habe mit den Sachbearbeitern des Jobcenters.

Sie kümmern sich nicht mehr um mich, warten ab, bis ich die Rente vollends erreicht habe. Also,
Folgeanträge stellen, zweimal im Jahr. Das muss mein Mann erledigen, der arbeitet, und Aufstocker ist. Ich habe gar nichts damit zu tun, sagen sie.

Aber, da mein Mann mit den Anträgen auf Kriegsfuss steht, muss ich diese ausfüllen - und zwar so, als ob ich kaum existent wäre, als ureigene Persönlichkeit und Mensch.

Ich fülle jedesmal zwei Anträge aus - und schreibe dazu, dass ich nicht in der Lage bin, mich lediglich als Appendix (Blinddarm) meines Mannes zu sehen.

Jedesmal haben die Leute vom Jobcenter ein Problem damit, und es gibt ein wenig Hickhack. Zur Strafe mussten wir auch schon länger auf das Geld warten. Was dann dazu führt, dass ich eine Beschwerde einreiche.

Es bringt nichts, ich weiss - aber ich bin noch nicht tot. Und so lange wie dies eine Tatsache ist, werde ich mich bemerkbar machen.

Anonym 18. Juni 2009 um 18:03  

"Andreas 17. Juni 2009 20:38
Wie man daraus letztlich den Begriff des "gesund stoßens" konstruieren kann, wie es mein Vorposter macht, bleibt mir schleierhaft, sagt aber einiges über seine Gesinnung gegenüber Erwerbslosen aus."


Verzeihung, ich bin selbst betroffener Hartz4 Empfänger und wegen verschiedener Gründe länger arbeitslos und derzeit habe ich einige Orientierungs Schwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt. Da können Sie sich diese Stichelei gegenüber mir durchaus sparen, denn ich halte von mir selbst dann doch mehr, als sie mir unterstellen.

Es ist schlicht so, daß nicht wenige mit Arbeitslosengeld und Partnereinkommen lange genug gut gelebt hatten. Natürlich ist das legitim, wenn die Gesetzeslage es früher für richtig befunden hat.
Hartz4 ist ein harter Einschnitt gewesen und ich würde mir sehnlichst eine fairere Behandlung der oft hilflosen Empfänger wünschen.

Aber anzunehmen das nur die Kritiker gute Argumente hätten, verkennt die Lage. Auch die Befürworter haben einige gute Argumente, die es erstmal zu entkräften gilt.
Hartz4 könnte ruhig abgeschafft werden, wenn sie mich fragen. Die Kosten für eine 250 Euro Spritze für Hartz4 Empfänger (ca. 20 Milliarden Euro jährlich wobei diese Summe zum Großteil wieder im laufe des Jahres im Steuersäckel läge) machen im Schatten der Finanzpakete kaum noch etwas aus. Woran es fehlt ist der politische Wille dazu.
Diesen wird aber niemand mit einer verhärteten pauschalen Kampfansage "Weg mit Hartz4!" erreichen, sondern nur mit kleinen logischen Schritten und guten zeitgeistkonformen Argumenten.
Hartz4 ist nun einmal da und ewig von der fetten Milch der einstigen Fürsorge zu träumen, führt zu gar nichts.
Hartz4 ist eine Schande für unser immer noch gut dastehendes Land, ja, aber sie ist da und kann nur durch gute Überzeugungsarbeit schrittweise umgekehrt werden.

Andreas 19. Juni 2009 um 21:09  

Die "guten Argumente" für Hartz4 sind zumeist Scheinargumente. Strohpuppen, um dem Wahlvolk gegenüber den erniedrigenden Repressionsapparat, der hinter Hartz4 steckt, mit Halbwahrheiten und Lügen zu legitimieren.

So, Erwerbslose mit Partner haben also "lange genug" gut mit Arbeitslosenhilfe gelebt. Also damit muß nun ein für alle mal Schluß sein, oder was? Ihr reaktionäres Gelaber entlarvt sie schon wieder. Ich habe meine Zweifel, ob sie wirklich Betroffener sind. Ansonsten würden sie auch nicht von Arbeitslosen schreiben, die "kostenlos durch die Gegend tingeln". Da schwingt mir eine Spur zu viel Verachtung mit. Ihre Gesinnung ist die eines Neiders, der anderen nur das Nötigste gönnt, weil es ja an's eigene Portemonaie geht.

Hartz4 also abschaffen? Gut, einverstanden. Und dann? Und was genau meinen sie mit einer "250 Euro Spritze für Hartz4 Empfänger"?

Anonym 20. Juni 2009 um 14:13  

Also wirklich Andreas, beim besten Willen Ihre Verdächtigungen gegen mich, nur weil ich das Thema etwas differenzierter und von einem anderen Standpunkt sehe, sind albern. (Wenn sie auch bedauerliches Produkt unserer derzeitigen gespannten Geslleschaftslage sind, die Vertrauen zu einem Spiel mit dem Feuer macht... :-/ )

Es war richtig im Sinne der Einsparungen und im Sinne der Gerechtigkeit für alle Leistungsbezieher, die einzelnen überversorgten Gruppen durch Sozialleistungen und hohes Partnereinkommen, zurückzustufen.

Das die Hartz Gesetze mMn. dabei über dieses Ziel hinausschossen, ist auch meinen Kommentaren zu entnehmen, wenn mit etwas mehr Sachlichkeit und ohne Vorurteile gelesen würde.

Die Aussage "kostenlos durch die Gegend tingeln" war ein irnonischer Vorgriff auf die üblichen Vorhaltungen gegenüber Hartz4 Empfängern, denen Leistungen zuteil kommen, die nicht aus Wasser und Brot bestehen. Nicht meine konkrete Meinung!

Was man unter einer Geldspritze versteht, sollte doch offensichtlich sein, oder? Sind Sie so dermaßen borniert, das Ihnen überhaupt kein lockerer Austausch von Positionen bei dem Thema mehr möglich ist?

Ich verstehe Ihre Haltung sogar, sehe ich ja dieselben Dinge wie Sie hier und zählt Robertos Blog für mich zu den Schnittstellen, die mir erleichternd immer wieder vor Augen führen, das ich nicht bescheuert bin, sondern es noch andere gibt, die die Dinge ähnlich wahr nehmen wie ich.

Das mir gelegentlich zu einem Thema mehr einfällt als eine Betonkopf-Haltung, lasse ich mir aber nicht vorwerfen.

Hartz4 wird so wenig abgeschafft werden, wie der allgemeine Lauf der Dinge in dieser Gesellschaft sich ändern wird.
Geschichte schreibt sich auch gegen Widerstände mit dem Blut der in diesem Widerstand zerriebenen Opfer.

Das was jeder erreichen könnte, sind einzelne Schritte der Menschlichkeit. Einzelne Positionen besetzen und verteidigen. Einflußsphären ausbauen im privaten und beruflichen Umfeld.
Hilfsbereitsschaft im Alltag leben.

Radikale Wunschvorstellungen aber, werden nichts ändern. Genauso wenig wie die Uhren rückwärts laufen.

Anonym 20. Juni 2009 um 17:46  

Seltsam , dass es so gut wie keine wissenschaftlichen Erhebungen zu den sozialen Auswirkungen von Hartz IV gibt.
Wird doch etwas bekannt, ist man doch erstaunt. So wird berichtet, dass 28% der ALG2-Empfänger teile der Unterkunftskosten aus dem Regelsatz bestreiten. Nirgendwo werden ehrliche Statistiken veröffentlich.
Einzig im Vordergund steht die Arbeitslosenstatistik.

Michel 22. Juni 2009 um 15:56  

Wusstet ihr, dass Parteien und Unternehmen mittlerweile Studenten dafür bezahlen, Blog- und Foreneinträge in ihrem Sinne zu erstellen?

Es ist ja keineswegs so, dass jeder hier ein überzeugter Linker sein muss, nur wenn dann so verallgemeinerte und pauschalisierende Äußerungen kommen wie "sich am Sozialsystem gesund stoßen", dann kommt einem schon der Verdacht, dass da ein Wolf im Schafspelz unterwegs ist.

Andreas 22. Juni 2009 um 19:24  

Dann geht es also nicht nur mir so. Die Art und Weise, wie sich "Anonym" hier zum Thema Hartz4 äussert, ist sehr verdächtig. Sowohl inhaltlich (Hartz4 als alternativlos ansehen, Widerstand als Zwecklos bezeichnen, statt dessen ein Apell an die Menschlichkeit, vermutlich im Sinne von "helft euch selbst, aber lasst den Staat und die Steuerzahle in Ruhe" etc.) als auch der gesamte Duktus der Schreibe sind, wie ich schon schrieb, sehr entlarvend. Ich bleibe dabei: hier schreibt kein Betroffener. Hier versucht jemand lediglich, mit ein wenig geheuchelter Betroffenheit, die Hartz4 Gesetze als notwendig und richtig darzustellen.

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