Das Unerträgliche

Freitag, 20. März 2009

Vor einigen Monaten mußte man sich ärgern, weil der nörgelnde Buchkritiker - jener der das deutsche Fernsehen geißelte -, bei seinem Tête-á-tête mit einem langbeinigen Fernsehmoderator, nicht den Mut oder die Eloquenz aufbrachte, die einzelnen Miseren mit Namen zu benennen. Konkret wurde er nicht, stattdessen lavierte er, deutelte mit dem Finger, lobte Shakespeare und Brecht und widmete sich nicht den Punkten, die einer Kritik bedurft hätten. Er könne es nicht ertragen: dieser Satz war die immer wieder repetierte Krone seiner Kritik. Unerträglichkeit. Aber warum, wie genau, wielange schon, all das blieb auf der Strecke, blieb beim bündlerischen Männerabend zwischen den Sitzpolstern hängen. Eine Scheindebatte wurde inszeniert, ein wenig Oppositionspielen, so tun, als sei das deutsche Fernsehen manns genug, sich einer Kritik auch offen zu stellen. Bevorzugt dann, wenn die Kritik keine Kritik, sondern ein subjektives, vages Gefühl ist, das man nur mit Unerträglichkeit zu umschreiben trachtet, nicht aber mit Fakten und Motiven unterlegen will.

Ich ertrage es nicht! Man hat an dieser Stelle Reich-Ranicki einen Vorwurf daraus gemacht, man hat ihn gescholten, weil er so schwammig blieb, die Kritik als poröses Etwas gestaltete, als etwas eigentlich nicht Faß- und Beschreibbares. Endlich trat dortmals jemand auf, mediengerecht arrangiert zwar, um die verdummendste aller Branchen zu schelten, bekommt flugs eine Plattform und läßt sie unausgefüllt vorüberziehen. Seinerzeit schien die Kritik ob dieser kritiklosen Kritik berechtigt, nun drängt sich aber der Gedanke auf, dass man damals falsch lag mit dieser Kritik an substanzloser Kritik, die ja letztendlich als nur gespielte und gemimte Schein-Opposition dem herrschenden Medienzustand eher in die Hände spielte, ihn als demokratische Institution aufwertete, als Negation des Ist-Zustandes zu sein.

Wenn man als Mensch der Opposition, als Mensch, der dem Mainstream nicht mehr folgt, weil er ihm als grundsätzlich falsch und der Wahrheit fremd begriffen hat, wenn man sich als solcher Mensch anschaut, was da tagtäglich geboten wird, dann fragt man sich stetig, wo man mit der Kritik an den Zuständen überhaupt beginnen soll. Es wird offensichtlich desinformiert, verdummt, manipuliert, aufgebauscht, runtergespielt, kleingehalten, scheindebattiert – all das zur besten Medienzeit; einige Schmuckstücke der Information, kleine Fernsehsendungen mit intellektuellem Anspruch, werden spät abends ausgestrahlt, werden mit aller Gewalt dem Massenpublikum vorenthalten. Stattdessen sitzen zur Primetime wichtigtuerische und großkotzige Politiker und Wirtschaftsgranden bei mittelmäßigen Journalisten herum, jammern und polemisieren, kaschieren ihre Weltabgewandtheit und Abgehobenheit hinter einer Maske von vermeintlicher Vernunftmenschelei und beanstanden das falsche Bewußtsein ihrer Wählerschaft, die immer noch nicht verstehen will, wie die Gesellschaft der Zukunft zu ticken habe.

Politische Berichterstattung findet entweder in dieser scheindiskutierende Form statt oder sie wird banalisiert und privatisiert. Merkels Hosenanzug, Münteferings Witwerdasein, Westerwelles Homosexualität und Trittins abrasierter Schnurbart – all das steht für politische Kultur in der heutigen Bundesrepublik. Zwischen dieser Trivialität werden offensichtlich Falschinformationen gestreut, anderes wird einfach verschwiegen. Damit die Gewährleistung gegeben ist, dass auch wirklich immer mehr Menschen sich in die Gleichgültigkeit hinüberflüchten, stattet man das Unterhaltungsmonopol dahingehend aus, wirklich bloße, plumpe, voyeuristische, an niedere Instinkte appellierende Unterhaltung zu ermöglichen. Es wird entweder bis zum Erbrechen gekocht oder gemodelt, geträllert und diverse Parksünder verfolgt. Immer die gleichen Phrasen, ständig dasselbe Repertoire an Floskeln, die da ausgestreut werden. Schubeck erzählt die immergleichen Geschichten zu Gewürzmischungen; Klum bedient sich eines Wortschatzes, der scheinbar aus sechzig bis siebzig Worten besteht; Bohlen quetscht sich ach so originelle Beleidigungen aus der Blase; allerlei Beamte stammeln ihr stetes „Sie-dürfen-da-nicht-parken“-Gemecker in die Kamera – was für ein Arsenal an Abgestumpftheit und Hirnverbrennung!

Was will man als oppositioneller Mensch da noch anderes sagen, als dass es genug ist? Man erträgt es einfach nicht mehr. So hat es Reich-Ranicki gesagt, so hat er sich gar nicht erst der Argumentation gewidmet, weil es scheinbar eine solche bedrückende Macht von aufgestauter Ohnmacht gegen das offensichtlich Dumme gibt, dass man sich gar nicht mehr mit dem ganzen Mist auseinandersetzen will. Da sitzt man dann vor dem Fernseher, darin fabuliert Heil oder Pofalla, man hört ihnen zu, nicht lange, dann reicht es schon. Und was will man ihnen zurufen? Hört auf, ich ertrage das nicht mehr! Warum? Ach kommt, hört auf, darüber will man nicht mehr reden, hört nur auf, man erträgt euch Gecken nicht mehr! Oder man betrachtet das überhebliche Gekeife des Westerwelle, wie er im Bundestag so tut, als sei er der Anwalt der Bürger, gerade jetzt in der Krise, von der er und seine Spießgesellen auch noch profitieren. Wie er arrogant auf Staatsmann macht, als wäre ein Kabinett Westerwelle die Rettung der Republik vor dem Sozialismus. Man erträgt dieses Sprücheklopferei einfach nicht mehr! Und dann die Dumpfbackiade, die alltäglich unsere Wohnzimmer erreicht, die Bohlens, Klums und Jauchens, die ihre Hohlheit und – wie im Falle Jauchs – ihren reaktionären Konservatismus medial verbreiten. Das erträgt man nicht, selbst wenn man wollte! Und wenn dann die Diekmann-Junta ihre Zeitungen in die Republik aussenden, wenn darin wieder Hetze gegen Randgruppen, gegen Ausländer, gegen Arbeitslose zu lesen ist; wenn sie Werbung für Rassisten und politische Extremisten macht und diese Leute zu vernünftigen Mitgliedern unserer Gesellschaft verklärt, dann möchte man nur noch rufen, sie mögen sofort dieses Fiasko an Intelligenz beenden, man ertrage dieses Höchstmaß an Idiotie einfach nicht mehr! Wie oft am Tage könnte man nur noch ausrufen, dass man es nicht mehr ertrage? Zehnmal? Fünfzigmal? Täglich fünfzigmal oder stündlich? Und wie oft mangelt es einem am Willen, klar darzulegen, warum man das nicht mehr erträgt? Diese Menge an Unerträglichkeit lähmt jede Argumentationslust, man will nur noch ein Ende des Unerträglichen.

Gut möglich, dass es die fundamentalste aller Kritik ist, sich der Flut des Unerträglichen gar nicht mehr argumentativ annähern zu wollen; gut möglich, dass man mit dieser Form der Kritik, mit dem bloßen Formulieren der Unerträglichkeit, der wahrhafte Kritiker ist, der sich mittlerweile zu schade wurde, um über die konkreten Mißstände zu debattieren. Der Schreiber dieser Zeilen jedenfalls, so gerne, so oft er auch argumentiert oder das tut, was er für argumentieren hält, kann heute Reich-Ranicki mehr denn ja verstehen. Er kann jetzt nachvollziehen, dass man das Unerträgliche einfach aussprechen muß, ohne eine Pflicht auf Begründung zu haben. Genug ist einfach genug. So blickt er - der Schreiber - dieser Tage um sich, sieht einen überschwappenden Pool von unerträglichen Zuständen und weiß nicht, wo er anfangen soll dagegenanzuschreiben. Aber eines kann er tun, resignativ freilich, aber auch fundamental: Er findet diese Gesellschaft mehr und mehr unerträglich, so sehr, dass ihm Schweigen goldwert wird; er ertappt sich immer öfter dabei, wie er nur noch sagt, dass ihm dies oder jenes unerträglich ist, aber warum und wieso, dazu fehlt ihm immer öfter der gute Wille. Genug ist ihm genug und mit dem Unerträglichen debattiert man nicht.

Mit kurzen Worten kann man das Unerträgliche kaum noch umschreiben; die Last dieser kaum mehr zu beschreibenden Unerträglichen läßt verstummen, zurückziehen, resignieren. Es ist ein täglicher Kampf, sich dem Unerträglichen doch noch zu stellen, ihm gezielt entgegenzutreten, die Stirn zu bieten, um letztendlich doch wieder Schläge auf dieselbige zu erhalten. Und es ist vorallem ein ständiges Bangen vor dem erdrückenden Gefühl, welches dann und wann den an Unerträglichkeit Leidenden auferlegt, diese Form der Ohnmacht, der man sich ausgeliefert fühlt.

20 Kommentare:

Anonym 20. März 2009 um 18:14  

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, sich weder von der Macht der Anderen,
noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen.
(Adorno)

Akut 20. März 2009 um 18:54  

Danke.

Wie können Sie so in Seelen gucken ;-)

Aber wenn ich dieser oft gefühlten Ohnmacht wirklich nachgebe, bin ich da, wo ich sein soll - und das verhindere ich, solange es irgend geht.

Hier wird mir da sehr geholfen...

Anonym 20. März 2009 um 19:35  

Wichtig ist, was hinten rauskommt. Das gilt auch für die 'Perle' der ARD, die Tagesschau.
Das erbrachte Ergebnis, selbst nicht diskussionsfähig der gar -willig, riecht - streng.
Man wendet sich ab.
blog.tagesschau.de/?p=1380

Anonym 20. März 2009 um 20:21  

Im lapidaren "Es ist halt so!" steckt die beschriebene Verweigerungshaltung vieler, die es leid sind sich mit Bedingungen oder Sachverhalten auseinanderzusetzen. Damit wird der Akzeptant zum Systembüttel.

Anonym 20. März 2009 um 20:30  

Lieber Roberto,

danke für diesen Aufsatz.

Ich erinnere mich noch gut an diese Veranstaltung und ich bin davon überzeugt, dass wir da einen sehr wütenden Marcel Reich-Ranitzki gesehen haben. Es könnte auch sein, dass er für einen Augenblick vergaß, wo er war, als ihn der "heilige Zorn" überkam.

Aber ich glaube auch, dass er die Gelegenheit beim Schopf packte, um der Öffentlichkeit mal seine Meinung zu sagen, wohl wissend, dass er damit viel Unverständnis erfahren wird.

Einen Menschen hat er auf jeden Fall damit erreicht, nämlich mich und ich finde dafür war es den Eklat wert.

Übrigens habe ich auch dadurch gelernt, dass es wichtig ist das zu sagen, was ich meine sagen zu müssen. Ganz egal was Andere darüber denken oder sagen. Wer sich auf den Schlips getreten oder angegriffen fühlt kann mir das ja kund tun. Es gibt immer einen Weg eine Lösung zu finden, wie diese auch immer aussehen mag.

Eines allerdings ist nach meiner Erfahrung sehr wichtig, zumindest EINEN Menschen zu haben der bedingungslos zu einem hält, dem mensch nicht alles erklären muss.

Ich habe das große Glück solche Menschen um mich zu haben und es gelingt mir ab und an den Kreis zu vergrößern, da einer allein nicht alles auffangen kann. Wenn dem nicht so wäre, wäre ich wahrscheinlich schon verzweifelt und in der Irrenanstalt gelandet.

"Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen" sagt der Volksmund und das ist sehr schwer zu ertragen.

Vor Jahren habe ich mir das Buch "Über die Dummheit" gekauft, es ist jetzt, so glaube ich die richtige Zeit es zu Ende zu lesen.

Mit dem Wunsch, dass jeder Mensch einen Menschen hat bei dem er sein darf wie er ist, verabschiede ich mich für Heute.

Liebe Grüße
Margitta Lamers

Anonym 20. März 2009 um 21:50  

Oh ja...ich kann Deine Ohnmacht gegenüber dem Fernsehen echt verstehen. Ich schaue mittlerweile echt sehr wenig TV. Die ewig gleiche Verblödungsmaschinerie kotzt mich nur noch an.

Wir von ZG haben uns vor einiger Zeit mal TV-Sendungen gewidmet, die grottenschlecht sind. Ganz im Sinne eines Peter Lustig vom "Löwenzahn", der wohl einmalig in der Geschichte des Fernsehens, seine (meist jugendlichen) Zuschauer zum abschalten nach seiner Sendung geraten hatte, haben wir die Rubrik Nicht vergessen...abschalten! getauft.

Da es jedoch zunehmend unerträglich wird, die schlechten Sendungen auch nur fürs verbal zerreißen anzuschauen, wird unsere Rubrik wohl vorerst nicht weiter gefüllt werden ;)

Anonym 20. März 2009 um 22:25  

bester roberto,

es ist mal wieder sehr interessant zu lesen welche gedankengänge sie in bits und bytes giessen, und im grossen ganzen sprechen sie mir aus der seele ...

nur mut,
lassen sie sich nicht unterkriegen vom gedanken an z.b. die menge von misständen über die sie immer wieder schreiben, denn das was sie tun macht sinn ...

... vermutlich retten sie damit nicht die welt, aber ich bin mir ziemlich sicher das sie einen sehr wichtigen beitrag leisten.

- zum einen für sie selber ( zu schreiben kann der seele gut tun )
- zum anderen profitieren viele andere menschen davon ihre zeilen lesen zu können, und sich mit ihren gedanken auseinanderzusetzen ( zu können ).
damit machen sie schon mehr als viele andere.
und ich habe das gefühl das es ihnen viel bedeutet sich mit einer für sie ( und vielleicht auch für andere ) wichtigen thematik auseinanderzusetzen.
da sie kommentare zulassen, können sie sehen wie ihre leser über ihre worte denken, wodurch zwar kein wirklicher dialog stattfindet, aber immerhin eine annäherung ...



zurück zum thema;
alles hat zwei seiten, nur ist es wichtig durch argumente oder bestenfalls beweise, eine von beiden angesprochenen möglichkeiten als die "richtige", und die andere als die "falsche" herangehensweise/sichtweise/etc. zu entlarven.

diesmal üben sie kritik an den kritikern, die den kritiker mit kritik überschütten, eben wegen seinen kaum vorhandenen argumenten.

auch diesmal bedienen sie sich dabei der technik, beide seiten aufzuzeigen.
doch sie spielen sie nicht gegeneinander aus, sondern lassen sie ineinander übergehen, sprich: sie erweitern die müdigkeit des kritikers mit argumenten ...

das finde ich übrigens sehr lobenswert, ja man soll jemandem in einer geschwächten situation beistehen, und diese war scheinbar vorhanden ...
viele gründe für verdruss, welche sie auch aufzählen, kann ich übrigens sehr wohl nachvollziehen, doch welchen gewinn hatten die zuschauer bei diesem speziellem ereigniss ?

war es am ende nicht lediglich die gleiche ungewürzte kost, so als würde man über die beste vorbereitungsart von zwiebeln für einem menü schwafeln, damit einem nicht die tränen kommen ?



denn wenn ich mir das programm vom öffentlich rechtlichen zu gemüte führe, so kommen mir schon lange keine tränen mehr, ich kotze ...
das antennenkabel habe ich schon vor 20 jahren weggeworfen, und lediglich hier und da ein paar schnipsel ab, die ich gar nicht sehen will, da es erbärmlich erscheint ...

... leider geht das nicht so einfach, sich zb. einen kleinen paradiesplaneten im otto katalog herauszusuchen, und dem rest der menschheit sich selbst zu überlassen, auch wenn ich das manchmal gerne täte ...



daher finde ich ihre persönliche leistung auch so wichtig und lobenswert, und es erscheint mir so;
wir sind ihnen nicht egal ...

danke.

lg,
e

Anonym 20. März 2009 um 22:47  

Eine Treppe: Sprechen-Schreiben-Schweigen. Kurt Tucholsky

Anonym 21. März 2009 um 00:04  

Was uns permanent von den Medien vorgesetzt wird, ist wirklich unerträglich. Könnten nur mehr prominente Kritiker die öffentlichen Plattformen besetzen und ihren Zorn, diese Unerträglichkeiten einem dösenden Publikum in die Ohren schreien. Ein frommer Wunsch von mir - mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit.

Man weiß garnicht, wo man anfangen soll. Die Wut und der Zorn über diese Gehirnwäsche der Menschen lähmt einen und läßt einen fast resignieren. Selbst die Freiheit, sich über ein bestimmtes Thema aufregen zu dürfen, wird einem genommen; weil man gezwungen wird, sich über alles "offizielle" aufzuregen. Der gesunde Verstand läßt keine andere Wahl.

Man weiß, daß man im Recht ist, daß man garnicht anders denken kann und dadurch verschlimmert sich die persönliche Situation und die Klarheit der eigenen Gedanken wird einem selbst unerträglich.

Ich sehne den Moment herbei, in dem die Wahrheit die Last der Unerträglichkeit von meinen, von unseren Schultern nimmt. Wie dieser Moment aussieht, ist fast schon Nebensache - hauptsache, er kommt! Denn ohne ihn, ist das Leben wirklich fast nicht mehr zu ertragen.

Anonym 21. März 2009 um 05:55  

Sehr gelungener Artikel!
Ein paar Anmerkungen dazu:

Es bestehen natürlich immer Wechselwirkungen zwischen Medienmachern und -konsumenten.
Beispielsweise hat die Sendezeit Auswirkungen auf die Quote und diese wiederum möglicherweise auf den Sendeplatz.
Das Entscheidendere scheinen mir aber doch die Inhalte zu sein:
Wenn man am Kiosk eine Zeitung kauft, hat das nichts mit der Uhrzeit zu tun, und schließlich wird die BILD zehnmal so oft verkauft wie die Süddeutsche.
Ich bin immer wieder überrascht über die weit verbreitete Medieninkompetenz.
So beklagte neulich eine Anruferin bei WDR 5 die späte Sendezeit von ttt.
Es gibt seit über 25 Jahren Videorecorder und die sind heute wirklich nicht mehr so teuer wie seinerzeit, zumal gebraucht bei ebay.
Von mediatheken ganz zu schweigen.

Die Volksverdummung ist sicher durch die Einführung des Kommerzfernsehens gigantisch gefördert worden, einst von Kohl gedacht als Gegengewicht zum "roten öffentlich-rechtlichen."
Aber ich schweife ab.
Scheinbar kommen die meisten über RTL, SAT1, Pro7, ARD und ZDF nicht hinaus, der zeitliche Rahmen liegt so zwischen acht und halb elf.
Alles was aus diesen Grenzen rausfällt, existiert für die Mehrheit nicht.
Als gesellschaftliches Phänomen sehr betrüblich, für meine eigenen Sehgewohnheiten ohne Belang.
Roberto hat es ja schon angedeutet, man findet zu später Stunde oder in dritten oder sogenannten Spartensendern durchaus einige gute Sendungen.
Nachstehend ein paar, die ich empfehlen möchte:

ZAPP NDR
nachtstudio ZDF
Das philosophische Quartett ZDF
Denkzeit BR-alpha
Geist und Gehirn BR-alpha
News & Stories SAT1
10 vor 11 RTL
Tele-Akademie SWR/3Sat
Paris - Berlin arte
Sternstunde Philosophie 3Sat
scobel 3Sat
Neues aus der Anstalt ZDF
extra 3 NDR

Grüße
Hans Wurst

ad sinistram 21. März 2009 um 10:13  

Vielen Dank für die Aneinanderreihung von Sendungen. An einige davon dachte ich, als ich es andeutete. Scobel und Zapp sind darin meine Favoriten. Außerdem möchte ich generell Arte als Sender nennen, der sich die Mühe macht, täglich Dokumentationen auszustrahlen, aber auch kleine, vom Mainstream vernachlässigte Filme. Und die sonntägliche Kurzsendung Karambolage halte ich für ein kleines Meisterwerk an Unterhaltung und Information.

Anonym 21. März 2009 um 11:36  

Ein grossartiger Beitrag Roberto.

Ich würde ungern NUR auf die Medien einprügeln.

Ich könnte mir gut vorstellen das auch sehr viel gesendet wird, dass die Leute sehen wollen.

Wenn dem so ist, dass Einschaltzeit und Quote den Sendeplatz bestimmen, dann haben offenbar eine menge Leute spass an

-dilettantischen Gerichtssendungen
-ausgüssen schauspielerischen unvermögens
-der Hetze und Erniedrigung ganzer Bevölkerungsgruppen
-Menschen die ihre Intimssphäre des Geldes wegen preisgeben
-Menschen die absonderliche und zum Teil gefährliche und ekelerregende Dinge tun um Aufmerksamkeit zu erhaschen

und dergleichen mehr.

Immer öfter richtet sich das Fernsehen an die niederen Instinkte oder die weniger schmeichelhaften Charakterzügen der Zuschauer.

Da dominieren dann Voyerismus und Schadenfreude ebenso wie Gehässigkeit.

Ich stimme Margitta zu, dass sich der Eklat eines Marcel Reich-Ranitzki gelohnt hat, wenn er nur ein paar Menschen damit erreichen konnte.

Wenn man sich das Fernsehprogramm insgesammt betrachtet, ist es mehr als verständlich das, ob der Ohnmacht und der Unerträglichkeit die eine befällt,
dass Argumentieren, Diskutieren und Anprangern irgendwann zum Kampf gegen Windmühlen wird.

Der tumben "Es ist halt so" haltung kann man denke ich nur entgehen, wenn man sich diesen medialen Exkrementen verweigert und abschaltet.

Daher danke ich epikur für den interessanten Link und wünsche euch noch einen schönen Tag.

Anonym 21. März 2009 um 12:05  

Ich hab ja nun mittlerweile seit beinahe 20 Jahren kein TV mehr und habe es seitdem so gut wie nie vermißt. Natürlich bekomme ich via Internet trotzdem einiges mit, so auch der "Eklat" um RR. Ich fand den Auftritt von ihm allerdings eher schwach. Als dann Elke Heidenreich nachlegte, ließ ausgerechnet er die Frau einfach im Regen stehen. Ich kenne RR aber noch von früher - als Literaturkritiker ist er mir mit seinen Papst-artigen Ansprüchen tierisch auf den Senkel gegangen. Ich kann dieser Type nichts positives abgewinnen. Und im Anschluß an den "Eklat" dann mit dieser unerträglichen Gottschalk-Type auch noch ne extra Diskussionssendung zu veranstalten (wofür dann 'Aspekte' den Platz räumen mußte, wie witzig!) sagt doch bereits alles aus, was es dazu zu sagen gäbe.
Der Beitrag von Dir, Roberto ist ja durchaus richtig und wichtig. RR als Aufhänger zu nehmen finde ich allerdings grundlegend falsch.

Anonym 21. März 2009 um 12:28  

"Und wie oft mangelt es einem am Willen, klar darzulegen, warum man das nicht mehr erträgt?"
Wozu? Es gibt nur drei Möglichkeiten: Es wurde verstanden - dann brauche ich nichts mehr hinzuzufügen - es wird so getan als ob es nicht verstanden wurde, oder es wurde wirklich nicht verstanden. Und wer es nicht verstanden hat, wer nicht Vergleichbares fühlt, wer mich dazu bringen will die dinge auszusprechen die er selbst kennt aber aus Gehorsam, Angst, Feigheit lieber nicht benennt, und scheinheilig tut als ob er nicht verstanden hätte, dem würde mein Erklärungswille wenig weiterhelfen: Auf eine Erklärung eines solchen Standpunktes kommt es im Grunde gar nicht an.

Es wurde dieser Tage nach Frankreich geschiehlt und es wurden indirekt Parallelen gezogen, wonach suggeriert wurde, der Deutsche Michel sei der EU-Trottel der sich alles bieten läßt und zahlt. Dann kam mir ein furchtbarer Gedanke: Was, wenn dieses Bild tatsächlich richtig ist? Was, wenn morgen ein charismatischerer Heißluftproduzent als die derzeitigen Protagonisten aus dem Nichts auftaucht? Wie lange würde es dauern bis es ein solcher schafft, eine Nation dazu zu bringen ihm in die Hölle zu folgen, eine Nation die nicht mehr in der Lage ist selbst zu denken, die sich mit Blick auf der Vergangenheit gesunden Menschenverstand kaum noch leisten darf, ein Volk das mit System und viel Investition in die spirituelle und materielle Armut getrieben wird?
Denn die Wut ist da, mindestens im selben Umfang wie bei den Franzosen; Die Gefühle sind da, mindestens genauso intensiv wie in Frankreich. Es gibt allerdings einen Unterschied, der verheerende Auswirkungen haben könnte: Die Franzosen würden in einem vergleichbarem Szenario die Wut nicht aufgestaut haben, würden das Denken nicht ausgeschaltet haben, würden die Gründe ihres Handelns nicht auf das blinde "Ich kann es nicht mehr ertragen!" reduzieren, würden also nicht explodieren. Denn sie würden bereits einen Teil des Druckes herausgelassen haben.

ad sinistram 21. März 2009 um 13:48  

Frank, ich schriebe ja vieles in der Möglichkeitsform, ich schrieb vom Vielleicht. Wenn ich ehrlich bin, halte ich Reich-Ranickis Kritik nicht für eine wahre Kritik. Er fand es unerträglich, warum auch immer - aber konkret konnte er nicht werden. Vielleicht, so meinte ich, habe er derart resigniert, dass er nicht nur resigniert HAT, sondern resigniert IST - es ihm ins Sein übergegangen ist, so dass jegliche Form des Konkretwerdens überflüssig geworden ist. Das war der Aufhänger, den man nicht allzu ernst nehmen sollte. Jedenfalls kann ich es bei mir so feststellen - ich sage oft nur noch, dass ich es nicht mehr ertrage und bin es müde geworden, auch noch Konkretheiten hinterherzuschieben. Es dennoch zu tun, den Antrieb gelegentlich doch noch zu finden, das halte ich für eine Kulturleistung - und ich bin froh, dass ich manchmal dieses Mindestmaß an Kultur noch aufbringen kann.

Anonym 21. März 2009 um 19:45  

Nicht nur das abgrundtiefe Niveau der Medien ist gefährlich, sondern die Tatsache, dass die Beherrschung der Medien (Print, TV, Radio, Internet) zur Beherrschung der Themen des öffentlichen Diskurses führt.
Wieviel schwerer ist es, Arbeitenden zu erklären, dass Hartzis keine schmarotzenden, faulen, kulturlosen, ungewaschene Parasiten sind, wenn genau diese Hartzis zuvor in diversen Sendungen von Sozialamtsmitarbeitern regelrecht als Leistungserschleicher gejagt wurden?

Was die Ekel-Sendungen angeht:
Ich erinnere da mal ans alte Rom:
Brot und Spiele und das Volk war glücklich.
Wir sind wieder auf diesem Niveau.

Ich erinnere auch mal daran, dass z.B. fast alle Shakespeare-Stücke zur Aufführung vor dem gemeinen Volk gedacht waren, während man diese heutzutage generell als "zu schwer", zu intellektuell und zu kulturhoch ansieht, als dass sie der leichten Unterhaltung statt des Krimis dienen könnten.

Man sollte Geschichte eben nicht als Fort- oder Höherentwicklung begreifen, ganz im Gegenteil, die Rückschritte sind vielfältig und angesichts der zur Verfügung stehenden Mittel und Kapazitäten geradezu pervers.

Anonym 22. März 2009 um 03:32  

Hallo,
nehmt euch mal die ZEIT und surft bei der online-Ausgabe der ZEIT vorbei:

http://www.die-zeit.net/

Es lohnt sich!

Anonym 22. März 2009 um 12:10  

Was wir, die wir hier miteinander reden, wohl alle festgestellt haben, ist: Das Fernsehen besteht größtenteils aus niveaulosem Schrott. Halten wir das fest.

Nun stellen sich die Fragen:

Können wir das positiv verändern? Ich sage: Kaum. Denn was Inhalt ist, bestimmt in erster Linie nicht Qualität, sondern Quote.

Müssen wir es positiv verändern? Ich sage: Nein. Denn wir haben mit dem Internet eine sehr gute Alternative. Deshalb sollten wir unsere Energie nicht darauf verschwenden, das Fernsehen zu verbessern. Das ist ein Fass ohne Boden. Stattdessen ist es sinnvoller, sich auf das Internet zu konzentrieren und die Menschen, von denen wir der Ansicht sind, dass sie mit dem Fernsehen geistig unterversorgt sind, auf die hiesigen Alternativen aufmerksam zu machen und das Fernsehen dahingehend abzustrafen, dass es nicht mehr beachtet wird.

Wir müssen mehrgleisig fahren: Kritisieren und unsere Präsenz im Internet verstärken sowie verbessern. Ohne eine gute Alternative, die die Menschen fesselt, werden wir nichts, aber auch rein gar nichts erreichen. Dann können wir noch so viel über Anne Will, Tagesschau oder sonstwas herziehen.

Dass es immer Menschen gab, gibt und geben wird, die sich lieber von Fußball, Wer wird Millionär, Musikantenstadl und dergleichen berieseln lassen, soll nicht unser Problem sein. Daran können wir nichts ändern. Klingt arrogant, ist aber so.

Kurzum: Der Weg, das Fernsehen zu unmittelbar positiv zu beeinflussen, ist die Mühe nicht wert. Demnach ist es effektiver, unsere Strukturen im Netz auszubauen, zu verbessern, die Menschen darauf aufmerksam zu machen und das Fernsehen links liegen zu lassen.

Nutzen wir diese einmalige Chance.

Anonym 22. März 2009 um 17:25  

Zum Fernsehen nur folgendes:

Die KritikerInnen hier haben Recht, aber ich will ja weiter unten, wo Roberto J. de Lapuente seine Erfahrungen mit "dem Lesen" schilderte, noch einmal darauf hinweise, dass auch Buchlektüre nicht unbedingt bildet sondern zur allgemeinen "Volksverdummung" beiträgt.

Wer wissen will was ich meine, dem sei folgende Seite im Netz:

http://www.bestsellerfressen.de

...empfohlen.

Ist wohl auch beim Lesen ein zweischneidiges Schwert - Bücher zum Beispiel von Dieter Bohlen (liest so ein Schrott wirklich jemand?) bilden nicht sondern bestehen aus Verdummung, Elitendünkel und Sozialrassismus....

Nur ein Beispiel von vielen....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 23. März 2009 um 13:25  

Ein passender Songtext:
Anarchist Academy - Ruhe vor dem Sturm

Innere Emigration, mundtot, monoton
treibt das stumme Fischvolk mit dem Strom um Thron
ohne Konfrontation, ständig auf der Flucht, die Sucht
und nach dem Egotripkick ist verflucht meterdick
und ich klicke durch's Programm, schau mir all die Fressen an
sehe jedermann auf Esoterik-Mythos abfahr'n
arm dran, denk ich mir, ich rede hier wofür?
dafür, dass du in deinen vier Wänden hockst mit zu'r Tür?
und ich frag mich dann, hey Mann, wann ist das vorbei
Loveparade und Arabella, Einheitsbrei-Sklaverei
Einsamkeit macht sich breit, fühl' mich wie nie gebor'n
und wenn ich mal gewinne habe ich doch verlor'n

Refrain:
Die Ruhe vor dem Sturm ist das Zeichen zum Aufbruch
mit Solidarität befreist du dich zum Durchbruch

Das Ende der Geduld ist zeitgleich das Ende der Unschuld
ich drück den Reset-Knopf und der Zähler wird genullt
storniert, Gelaber, das mich einlullt, penetriert
Kult um X-Files mutiert, doch frustriert und verschmiert
nur den Blick, nimmt die Sicht, für die Dinge von Gewicht
und ich denke mir, oh Shit, nein, langsam muss doch Schicht sein
die Scheiße endlich dicht sein, Schluss mit dem ganzem Mist sein
Realität enthält doch auch Grausamkeit und Brutalität
ich weiß, dass nur der, der hinsieht auch versteht
vorgekaut wird für die Sucker ohne Stimme und Gebiss
gut gekühlt, weich gespült, halt die Fresse und dann friss
das Öl auf den Rädern des Verdrängungsmechanismus
ist immer noch der Spießer-Mikrokosmos-Katechismus
doch ich muss expandier'n, darf mich nicht im Ich verlier'n
will nicht am eigenen Kot ersticken und vor Hitze fast erfrier'n

Refrain

Ich ziehe meinen Kopf aus dem Sand, viel zu lang war er versteckt
ich kämpfe um Verstand, zu lange steckte ich im Dreck
ich muss weg, ich muss raus, ich halt mich selber nicht mehr aus
hab mich in Desinformation verkrochen, wurde zur grauen Maus
fühlte mich wie ein Junkie -nur schlimmer
denn irgendwann hat er von seinem Tun nicht mehr den blassesten Schimmer
den Alk als Dimmer, der mein Selbstmitleid dämmt
und nur der Suff hielt mich noch down, so dass das B noch nicht am Baum hängt
doch jetzt ist Schluss, mein Stift hat lange nicht geschrieeben
mein Geist war zu verschwiegen, ich sah mich nur am Boden liegen
ich krieche aus dem Dunkeln hin zu dem Licht aus einem Spalt
ich werd' mich selbst befreien, werd' mich fangen, finde Halt
was ich mach und machen werde, kommt aus freien Stücken
deshalb werd' ich meinen Arsch auch wieder auf 'ne Schulbank drücken
all die Lücken werd' ich füllen und endlich wieder leben
statt mich denen zu ergeben, die nach Macht und Reichtum streben

Refrain

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