Wahrer Fortschritt
Donnerstag, 19. März 2009
Die Menschheit hat es weit gebracht, jedenfalls jener Teil der Aufrechtkriechenden, der in dieser, unserer Weltregion sein Dasein fristet. Was hat der Mensch dem Menschen doch quer durch die Jahrhunderte alles angetan! Aber er hat daraus gelernt und hat die Gegenwart zu einer Insel der Glückseligkeit gemacht, zu einem zivilisierten Fleckchen Zeit. Wie haben die Zeiten sich doch gewandelt!
Es gab Zeiten, da konnte man über Märkte bummeln, die bestes Menschenfleisch anboten. Von Leben erfülltes Menschenfleisch, lebende Leiber. Kräftige Burschen, flinke Mädchen, die das Geschäft potenter Herrschaften besorgen sollten. Die Krämerseelen, die die inkarnierte Ware feilboten, putzten freilich die körperlichen Vorzüge ihres wandelnden Lebensunterhaltes fein heraus, präsentierten kraftstrotzende, arbeitsame, nimmermüde Menschlein, die jeder akkordigen Herausforderung gewachsen zu sein schienen. Diese romantischen Erinnerungen sind passé, auf Sklavenmärkten treten keine in Ketten gelegte Sklaven mehr auf. Der Fleischbeschau ist aus der Öffentlichkeit verbannt, wird in stillen Hinterzimmern, in Personalbüros umgesetzt.
Heute ist man ja zivilisiert. Solche schwarzen Episoden aus der menschlichen Geschichte wurden aus unser aller Leben getilgt. Lincoln sei Dank muß sich kein Versklavter mehr zur Schau stellen lassen – wenigstens nicht vor den Augen aller Welt. In unseren Tagen treten die Sklaventreiber selbst auf, besteigen einen Verkaufsstand und preisen sich selbst an. Sie seien der Rettungsanker, durch ihre Form der Sklaverei (sie nennen es anders) bekämen Menschen wieder eine Chance. Man zahlt diesen Glücksrittern, die eine Chance suchen, zwar nur gerade soviel, dass sie ihre Arbeitskraft einigermaßen erhalten können, aber eine Chance, eine „gute Option“ bliebe es dennoch, auch wenn man daran nicht reich würde. Sie sind die personifizierte Dienstleistung, lassen ihren gutaussehenden Körper bestaunen, ihre eloquenten Worte bewundern, ihr selbstsicheres Auftreten beklatschen. Als kräftige Burschen lassen sie sich feiern, denn sie sind jene Kraftpakete, die diese Gesellschaft atmen lassen. Ihre Leistungträgerschaft läßt sie zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft werden, zu Bewahrern der Gesellschaftform von heute.
Das muß man Fortschritt heißen! Einst mußte man Ketten benutzen, mußte man Zwang anwenden und zu repressiven Mitteln greifen. Aber seitdem die Sklaventreiber selbst die masochistische Bühne betreten haben, seitdem sie ihren anstatt den Körper ihrer Ware anpreisen, sind Ketten im Strudel der Historie versunken. Ihre Auftritte vor Publikum brachte ein erhöhtes Maß an Akzeptanz. Maßanzüge und wohlfeile Worte verkaufen sich besser als rostige Ketten. Das ist wahrer Fortschritt, das sind Anzeichen unserer zivilisierten Zeit. Wir nennen Sklavenmärkte Zeitarbeitsmessen, lassen die Auspeitscher nicht die Ausgepeitschten vorsprechen, bezahlen Hungerlöhne statt Naturalien und danken dabei dem Schicksal, dass wir in „besseren Zeiten“ leben dürfen.
Unverfälschter Fortschritt ist daran meßbar, dass sich der Ausbeuter nun wenigstens rechtfertigen muß für sein Tun, sich anbiedern, seine wirtschaftlich wichtige Rolle immer wieder unterstreichen muß – die Menschheit in diesem Teil der Erde hat es weit gebracht, denn auf anderen Erdteilen steht immer noch der Ausgebeutete auf den Brettern, die das Geld (für den Ausbeuter) bedeuten. Dort muß dieser arme Kerl noch den musternden Blicken standhalten – bei uns haben die Ausbeuter diese Rolle übernommen; man will die seiner Ware ja ein Mindestmaß an Respekt entgegenbringen.
Es gab Zeiten, da konnte man über Märkte bummeln, die bestes Menschenfleisch anboten. Von Leben erfülltes Menschenfleisch, lebende Leiber. Kräftige Burschen, flinke Mädchen, die das Geschäft potenter Herrschaften besorgen sollten. Die Krämerseelen, die die inkarnierte Ware feilboten, putzten freilich die körperlichen Vorzüge ihres wandelnden Lebensunterhaltes fein heraus, präsentierten kraftstrotzende, arbeitsame, nimmermüde Menschlein, die jeder akkordigen Herausforderung gewachsen zu sein schienen. Diese romantischen Erinnerungen sind passé, auf Sklavenmärkten treten keine in Ketten gelegte Sklaven mehr auf. Der Fleischbeschau ist aus der Öffentlichkeit verbannt, wird in stillen Hinterzimmern, in Personalbüros umgesetzt.
Heute ist man ja zivilisiert. Solche schwarzen Episoden aus der menschlichen Geschichte wurden aus unser aller Leben getilgt. Lincoln sei Dank muß sich kein Versklavter mehr zur Schau stellen lassen – wenigstens nicht vor den Augen aller Welt. In unseren Tagen treten die Sklaventreiber selbst auf, besteigen einen Verkaufsstand und preisen sich selbst an. Sie seien der Rettungsanker, durch ihre Form der Sklaverei (sie nennen es anders) bekämen Menschen wieder eine Chance. Man zahlt diesen Glücksrittern, die eine Chance suchen, zwar nur gerade soviel, dass sie ihre Arbeitskraft einigermaßen erhalten können, aber eine Chance, eine „gute Option“ bliebe es dennoch, auch wenn man daran nicht reich würde. Sie sind die personifizierte Dienstleistung, lassen ihren gutaussehenden Körper bestaunen, ihre eloquenten Worte bewundern, ihr selbstsicheres Auftreten beklatschen. Als kräftige Burschen lassen sie sich feiern, denn sie sind jene Kraftpakete, die diese Gesellschaft atmen lassen. Ihre Leistungträgerschaft läßt sie zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft werden, zu Bewahrern der Gesellschaftform von heute.
Das muß man Fortschritt heißen! Einst mußte man Ketten benutzen, mußte man Zwang anwenden und zu repressiven Mitteln greifen. Aber seitdem die Sklaventreiber selbst die masochistische Bühne betreten haben, seitdem sie ihren anstatt den Körper ihrer Ware anpreisen, sind Ketten im Strudel der Historie versunken. Ihre Auftritte vor Publikum brachte ein erhöhtes Maß an Akzeptanz. Maßanzüge und wohlfeile Worte verkaufen sich besser als rostige Ketten. Das ist wahrer Fortschritt, das sind Anzeichen unserer zivilisierten Zeit. Wir nennen Sklavenmärkte Zeitarbeitsmessen, lassen die Auspeitscher nicht die Ausgepeitschten vorsprechen, bezahlen Hungerlöhne statt Naturalien und danken dabei dem Schicksal, dass wir in „besseren Zeiten“ leben dürfen.
Unverfälschter Fortschritt ist daran meßbar, dass sich der Ausbeuter nun wenigstens rechtfertigen muß für sein Tun, sich anbiedern, seine wirtschaftlich wichtige Rolle immer wieder unterstreichen muß – die Menschheit in diesem Teil der Erde hat es weit gebracht, denn auf anderen Erdteilen steht immer noch der Ausgebeutete auf den Brettern, die das Geld (für den Ausbeuter) bedeuten. Dort muß dieser arme Kerl noch den musternden Blicken standhalten – bei uns haben die Ausbeuter diese Rolle übernommen; man will die seiner Ware ja ein Mindestmaß an Respekt entgegenbringen.
9 Kommentare:
Dazu kurz ein Zitat: "In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft; die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern, umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt."
Bis kann man das zitierte sozusagen als pragmatisch bestätigt betrachten. Wie das Zitat fortzusetzen wäre und ob die weiterführenden Aussagen ebenso durch die Realität verifiziert werden können, müsst ihr schon selber rausfinden :P
Gregor Gysi hat vor langer Zeit in einer Talkrunde mal gesagt:
Die Sklaverei wurde nicht aus menschenrechtlichen Gründen abgeschafft, sondern weil sie irgendwann nicht mehr so profitabel war.
Die Zeitarbeit ist für die Herrschenden in vielerlei Hinsicht profitabler, als echte Sklaverei.
Aus Kostengründen kann es jederzeit fort- wie auch rückschrittlich werden. In den USA wird der Kosten wegen die Todesstrafe zurückgedrängt, über die Abschaffung des Copyrights nachgedacht und ebenso über die Legalisierung von Dope: Die anderen Krisenfolgen.
ketten die man nicht so deutlich wahrnimmt, sind ja bekanntlich die effektivsten ...
Eine neue Version von "Wenn das Volk kein Mehl hat zum Kuchen backen, dann soll es halt Brot backen!" ist heute bei Kontraste - http://www.kontraste.de zu sehen gewesen.
Man gönnt den HartzIV-EmpfängerInnen nicht einmal mehr den Besuch "Der Tafeln e.V".
Gute Nacht
Deutschland und Morgen
Frankreich
Tja, seit der sozialistische Ostblock vor die Wand gefahren ist (wurde), gibt es halt keinen Grund mehr, das menschliche Arbeitsvieh in kapitalistischen Ländern nicht zu versklaven.
Wieviel Sklaverei es noch gibt, kann man ganz gut am finanziellen Volumen des Prostitutionssektors sehen. Man(n) bilde sich nicht ein, diese Frauen würden gerne freiwillig dort arbeiten, die lassen sich nur vergewaltigen, weil sie Geld dafür kriegen, mehr nicht. Entkriminalisierung der Prostitutierten hat ja funktioniert, aber die vorher versprochene Kriminalisierung der Freier wurde unterlassen.
Medien und Politiker gaukeln dem Volk jeden Mist vor, hauptsache es hält still.
Das erinnert mich daran, wie die ersten Demokratien funktionierten: Rom und Athen.
Demokratische Republiken.
Aber keineswegs ein gleiches, freies und allgemeines Wahlrecht, sondern eine Art Oligarchie/Monetarie: nur MÄNNER, die REICH genug waren, um nicht arbeiten zu müssen (also Großgrundbesitzer), durften wählen und an Debatten teilnehmen und sich zur Wahl stellen.
Irgendwo hat das Sinn gemacht, denn Reiche haben ZEIT, sich mit Politik zu befassen. Natürlich war das unfair und hat zur Ausbeutung des Volkes geführt.
Man kann das ganz gut an den Getreidespenden sehen: eine kostenlose Getreidebrei-Mahlzeit für Arme pro Tag im antiken Rom. Waren diese Sozialhilfe-Mahlzeiten erst nur in Hungerjahren notwendig, wurden sie später ein Fixum und auch der Kreis der Verköstigten wurde immer größer.
Ich schätze, wir bewegen uns wieder darauf zu.
Auf Telepolis gab es einen Artikel zu Obama, der nix gegen die Ursachen der Finanzkrise tut.
Wenn es in der Finanzkrise um Vertrauen in Finanzmärkte und Regulierungsinstanzen geht, dann ist es verblendet, zu erwarten, irgendwer würde mehr Vertrauen gewinnen, wenn die bestehenden Zocker-Regeln nicht geändert werden.
Ähnliches gilt für den Staat und das Vertrauen in soziale Sicherungssysteme.
...um das Zitat von @Ein Leser wenigstens zu vervollständigen:
"Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen. Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt darin eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten. So wenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann, man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewusstsein beurteilen, sondern muss vielmehr dies Bewusstsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. … In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden.“ (Vgl. Marx” kurze Formulierung in seinem Brief an Engels vom 7. Juli 1866: „Unsre Theorie von der Bestimmung der Arbeitsorganisation durch das Produktionsmittel.“) "
Sorry, das habe ich hier von einer anderen Seite geholt, ich denke aber weder Marx noch die schweizer Kommunisten, bei denen ich mich bedient habe, sind mir deshalb wirklich böse - ich habe aber nun mal MEW Bd.13 (Dietz Verlag) nicht zur Hand ;-)
Ein Leser 19. März 2009 10:20
...leider nur Gedankenfragmente...ich wage trotzdem, sie hier einzuwerfen...
Die Industrialisierung hat unser heutiges Bürgertum hervorgebracht, die brauchten keine Leibeigenen, die nur einem Herrn gehörten, mehr, sondern Lohn-Arbeiter, die "frei" waren. Diese brauchten (weiterhin) "Herren" (wie auch immer) damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten/können. Zusätzlich erweiterte sich die Vorstellung von "Lebensunterhalt" dieser nun "freien" Lohnarbeiter um weitere, nicht mehr nur minimal-existenzielle Bedürfnisse.
Die Menschheit kann sich mittlerweile ernähren, es wäre jedenfalls genug vom Überschuß an Nahrung für alle da... trotz Arbeitsloser, Kranker, Alter und von Geburt Sohn- oder Tochternichtstuer, zwar von der Ausprägung in einzelnen Teilen unserer Erde unterschiedlich, aber übers Ganze gesehen, würde es fürs Essen schon mal reichen...
Wir haben aber noch ein paar Bedürfnisse mehr....
Eins davon (vielleicht das Wirkliche, das Wichtigste)ist "Selbstverwirklichung" - ich mag das Wort irgendwie nicht, wohl wegen seiner Worthülse...
Wenn also DIE Menschen in einer Industrialisierungstufe, die mit immer weniger "Personal" auskommt, merken, daß Ihnen nur noch ein künstliches Gebilde die Teilhabe, also meinetwegen die Selbstverwirklichung verweigert, ...
...Ansatz von der anderen Seite ...
Wenn ich soviel Zeit habe (weil nicht mehr genug alte Arbeit für alle da ist, die auch niemand mehr wirklich braucht, weil Industrie fast personalfrei funktioniert), dass ich mir überlegen kann, was ich mit dieser mache, mich einzig die ökönomischen Verhältnisse daran hindern... ja dann... :P
Soweit sind wir allerdings (leider)noch nicht.
Ein 'was nettes hat diese Vorstellung, wir gehen dann sowas von gern arbeiten, nennen das nichtmal so und brauchen das eigentlich nur noch für uns und geben damit allen - menno, klingt das utopisch schön...
Nachtrag:
Wer nach den Sendungen suchen will:
http://www.dctp.de/tv-woche.php (RTL/SAT1)
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/8/0,1872,1501000,00.html
http://www.ard-digital.de/programmvorschau/suche.php (der große Rest)
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