Nomen non est omen

Mittwoch, 11. März 2009

Heute: "Unterschicht"
"Es gibt in Deutschland keine Unterschicht, sondern nur Menschen die es schwerer haben."
- Franz Müntefering im Oktober 2006 -

"Der Begriff "Unterschichten" ist völlig ungeeignet. Er ist ein Mittel zur Stigmatisierung und Ausdruck von Ressentiments von Bessergestellten."
- Claudia Roth, RP-Online vom 16. Oktober 2006 -

Als Unterschicht wird eine Gruppe von Menschen bezeichnet, welche nach Bildung, Einkommen, politischen Partizipationsmöglichkeiten und Sozialprestige, soziologisch definiert, den Sockel einer Gesellschaft bilden. Da diese Definition auf eine Kasten-, Stände oder Klassengesellschaft im Sinne eines modernen Feudalismus aufbaut, wehren sich politische Akteure gegen diesen Begriff und sprechen lieber von "sozial schwachen Menschen" oder vom sogenannten Prekariat.

Schließlich sei ja in der sozialen Marktwirtschaft der berufliche und finanzielle Aufstieg generell möglich. Insofern gäbe es keine festgefahrene strukturell bedingte Unterschicht, sondern nur Menschen die aus selbstverschuldeten Gründen – wie z.B. Faulheit, zuwenig Fleiß und Disziplin – den Aufstieg nicht schaffen würden und dann ausgegrenzt werden, so die gängige Argumentation. Die Realität widerspricht jedoch, wie so oft, diesem marktwirtschaftlichem Ideal.

Was die soziale Auslese betrifft, ist Deutschland Spitzenreiter: das fängt schon im dreigliedrigen Schulsystem an und geht ein Leben lang weiter. Auch haben alle PISA-Studien aufgezeigt, dass in Deutschland die soziale Herkunft den Bildungsverlauf weitgehend bestimmt und eben nicht die eigene Leistung. Die 1. World Vision Kinderstudie bestätigte zudem, dass sich in Deutschland ein feudalartiges Bildungssystem etabliert habe. Festgefahrene Schichten-Strukturen in den Bereichen der Bildung, des Arbeitsmarktes und der Gesundheit (Stichwort: Zweiklassen-Medizin) zeugen von einem modernen Feudalismus in Deutschland. Das diskursive Spiel, das Problem der Unterschichten in Deutschland wegzureden, ist der gezielte Versuch eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit zu verhindern.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

3 Kommentare:

Anonym 11. März 2009 um 09:24  

Ausnahmsweise möchte ich einen Link als Kommentar hinterlassen:

http://www.aebby.de/wordpress/2009/03/10/historische-betrachtungen/

Anonym 11. März 2009 um 14:40  

Ich schließe mich an:

http://www.hjkrysmanski.de/

Von diesem Autor habe ich bisher nachfolgenden Artikel gelesen und für sehr erhellend befunden:

http://www.linksnet.de/artikel.php?id=3361

Grüße
Hans Wurst

Anonym 11. März 2009 um 20:13  

Das impliziert, der Gebrauch des Wortes "Unterschicht" als Stigmatisierung, wie Frau Roth es anmerkt, sei nicht gegeben. Halte deshalb insbesondere den zweiten Absatz für etwas eindimensional - obwohl es selbstverständlich diese darin geschilderten Absichten gibt. Denn natürlich ändert das nichts daran, dass mit einer solchen Umetikettierung nicht auch gleichzeitig die Unterschichtsproblematik an sich "weggeredet" werden kann, wie der Autor schreibt.

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