Wer arbeiten läßt, ist ein Idiot
Dienstag, 17. März 2009
Nachdem vermehrt gemeldet wird, dass es Unternehmen viel zu leicht gemacht wird, sich Kurzarbeit zu erschleichen, wird sich Wirtschaftsminister Guttenberg in leicht angetrunkener Pose zu Anne Will setzen und seine Zahlen präsentieren. Gesichert seien sie und abbringen lasse er sich auch nicht davon: 20 bis 25 Prozent der Unternehmen würden die Möglichkeit kurzarbeiten zu lassen mißbrauchen, sich mit falschen Angaben diese Leistung erschleichen. Nachfragen wird Will nicht, sie wird diese Zahlen erstmal so stehenlassen, Guttenberg wird aber auch nicht offenlegen, wie er sich diese vergleichsweise hohen Prozentzahlen errechnet hat. Studien gäbe es jedenfalls keine dazu, räumt er gegen Ende der Sendung entnervt ein.
Noch am nächsten Tag wird der Wirtschaftsminister eine Broschüre drucken lassen. Darin wird er sich gegen die untragbaren Zustände wenden, wird neben den obligatorischen Hymnen auf das Kurzarbeitergeld drastische Worte finden. Schmarotzer und Parasiten seien solche, die sich die Kurzarbeit erschleichen, Kriminelle der schlimmsten Sorte, Selbstbediener am Sozialstaat. Daher sei das Sanktionspotenzial auch so weitreichend angelegt worden... naja, wird es bald angelegt werden, man arbeite noch daran.
Nun wird die BILD-Zeitung aktiv, fragt in dicken Lettern: "Wird es den Unternehmern zu leicht gemacht?", nur um dann nach einem reißerischen Text zur Antwort zu kommen: Ja, es wird ihnen viel zu leicht gemacht! Man befragt treue BILD-Seelen, Menschen von der Straße, die sich täglich ihre Erbauungsartikelchen zu Gemüte führen, und freilich sind allesamt der Ansicht, man müsse härtere Sanktionen einführen, um das gierige Pack zu bändigen. Bereits am Folgetag läßt Diekmann eine dezente Frage im Raume stehen, natürlich als Aufmacher: "Darf man die Kurzarbeit-Schmarotzer Parasiten nennen?" Allerlei Kommentare, von Wagner bis Müller-Vogg, geben sich politisch korrekt, nehmen aber den braven Guttenberg in Schutz, er sei halt um die Gerechtigkeit bemüht, da schösse man auch mal über das Ziel hinaus. Am Sonntag drauf wird ein gewisser Hahne noch einen drauflegen, seinen moralischen Zeigefinger erheben und einige unlesbare Zeilen formulieren, im guten Gewissen, das Parasitentum zwar ausdrücklich verurteilt, aber doch wenigstens hoffähig gemacht zu haben - die wahre Kunst des Sophisten.
Nochmals einige Tage später wird die Bundesagentur Guttenbergs Zahlen aus dessen peinlichen Fernsehauftritt dementieren, wird eigene Zahlen nennen, die dann durch mehrere weitere Studien stützend flankiert werden. Der Wirtschaftsminister wird sich allerdings nicht entschuldigen, sondern weiterhin seiner Behauptung harren, ja, vielmehr habe er nun Blut geleckt, die fiesen Kurzarbeit-Abzocker niet- und nagelfest zu machen. Dafür wird Guttenberg von der Axel Springer AG geadelt, wird als unbequemer aber doch ehrlicher Politiker gefeiert und in vielerlei Artikeln lobend erwähnt. Und um seine weitere harte Gangart gegen die Schmarotzer zu unterstützen, wird BILD auch weiterhin täglich knallharten Faktenjournalismus bieten, wird beispielsweise die "Tricks der Kurzarbeit-Abzocker" entlarven. Die obligatorische BILD-Serie wird den Lesern dann klarmachen, wie untragbar die parasitäre Lebensweise der Kurzarbeit-Schnorrer geworden ist. Titel des Meisterstücks: "Wer arbeiten läßt, ist ein Idiot!"
Nachdem man nun also weiß, dass Kurzarbeit leicht erschwindelt werden kann, wird es in naher Zukunft so kommen, wie es schon einmal kam. Oder etwa nicht?
Noch am nächsten Tag wird der Wirtschaftsminister eine Broschüre drucken lassen. Darin wird er sich gegen die untragbaren Zustände wenden, wird neben den obligatorischen Hymnen auf das Kurzarbeitergeld drastische Worte finden. Schmarotzer und Parasiten seien solche, die sich die Kurzarbeit erschleichen, Kriminelle der schlimmsten Sorte, Selbstbediener am Sozialstaat. Daher sei das Sanktionspotenzial auch so weitreichend angelegt worden... naja, wird es bald angelegt werden, man arbeite noch daran.
Nun wird die BILD-Zeitung aktiv, fragt in dicken Lettern: "Wird es den Unternehmern zu leicht gemacht?", nur um dann nach einem reißerischen Text zur Antwort zu kommen: Ja, es wird ihnen viel zu leicht gemacht! Man befragt treue BILD-Seelen, Menschen von der Straße, die sich täglich ihre Erbauungsartikelchen zu Gemüte führen, und freilich sind allesamt der Ansicht, man müsse härtere Sanktionen einführen, um das gierige Pack zu bändigen. Bereits am Folgetag läßt Diekmann eine dezente Frage im Raume stehen, natürlich als Aufmacher: "Darf man die Kurzarbeit-Schmarotzer Parasiten nennen?" Allerlei Kommentare, von Wagner bis Müller-Vogg, geben sich politisch korrekt, nehmen aber den braven Guttenberg in Schutz, er sei halt um die Gerechtigkeit bemüht, da schösse man auch mal über das Ziel hinaus. Am Sonntag drauf wird ein gewisser Hahne noch einen drauflegen, seinen moralischen Zeigefinger erheben und einige unlesbare Zeilen formulieren, im guten Gewissen, das Parasitentum zwar ausdrücklich verurteilt, aber doch wenigstens hoffähig gemacht zu haben - die wahre Kunst des Sophisten.
Nochmals einige Tage später wird die Bundesagentur Guttenbergs Zahlen aus dessen peinlichen Fernsehauftritt dementieren, wird eigene Zahlen nennen, die dann durch mehrere weitere Studien stützend flankiert werden. Der Wirtschaftsminister wird sich allerdings nicht entschuldigen, sondern weiterhin seiner Behauptung harren, ja, vielmehr habe er nun Blut geleckt, die fiesen Kurzarbeit-Abzocker niet- und nagelfest zu machen. Dafür wird Guttenberg von der Axel Springer AG geadelt, wird als unbequemer aber doch ehrlicher Politiker gefeiert und in vielerlei Artikeln lobend erwähnt. Und um seine weitere harte Gangart gegen die Schmarotzer zu unterstützen, wird BILD auch weiterhin täglich knallharten Faktenjournalismus bieten, wird beispielsweise die "Tricks der Kurzarbeit-Abzocker" entlarven. Die obligatorische BILD-Serie wird den Lesern dann klarmachen, wie untragbar die parasitäre Lebensweise der Kurzarbeit-Schnorrer geworden ist. Titel des Meisterstücks: "Wer arbeiten läßt, ist ein Idiot!"
Nachdem man nun also weiß, dass Kurzarbeit leicht erschwindelt werden kann, wird es in naher Zukunft so kommen, wie es schon einmal kam. Oder etwa nicht?
7 Kommentare:
zum ausgleich können ja dann die kurzarbeiter ordentlich an die kandare genommen werden, siehe hier:
http://www.elo-forum.org/news-diskussionen-tagespresse/36983-kurzarbeiter-nebenjob-ba-pflicht.html
gruß,
kp
Sind denn nicht unsere Politiker schon lange auf Kurzarbeit?
Und warum stoppt niemand diese Volksschmarotzer?
*Zynismus off*
Wenn ich mir anschaue, was Frau Merkel oder Herr Steinmeier den lieben langen Tag machen, kommt einem echt der Verdacht auf, daß die schon seit Jahren kurzarbeiten - wenn überhaupt!
MfG
Die Regierung sollte sich freuen: Kurzarbeit manipuliert (d.h. schönt) die Arbeitslosenstatistik. Ich kenne persönlich einen Fall eines LKW-Bau-Zulieferers, der zahlreiche Beschäftigte einfach mal auf 100 % Kurzarbeit gesetzt hat. Die Leute sitzen also zuhause und sind mehrere Monate lang komplett arbeitslos im üblichen Sinne. Sie beziehen eben Kurzarbeiter- statt Arbeitslosengeld, was aber von der Höhe der Transferleistung keinen Unterschied macht. Immerhin wahrt man während der Kurzarbeiterzeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, sodass sich die "Alimentationszeit" verlängern könnte.
Trotzdem sollte man den Statistiken nicht trauen: Ende 2008 wurde zudem bekannt, dass die ALG-Bezieher, die sich von einer privaten Vermittlungsfirma betreuen lassen, aus der Statistik rausfallen.
"[...]Trotzdem sollte man den Statistiken nicht trauen: Ende 2008 wurde zudem bekannt, dass die ALG-Bezieher, die sich von einer privaten Vermittlungsfirma betreuen lassen, aus der Statistik rausfallen.[...]"
Ich trau denen schon lange nicht mehr, ebenso wenig wie dem "Sozialwashing" (von mir erfundener Begriff, ähnlich dem "Greenwashing" im Umweltschutzbereich) aller neoliberaler Parteien von CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNEN/DIE LINKE in der Berliner Landesregierung (=Vielleicht sogar die ersten die "Sozialwashing" in Reinform praktizierten?) im SUPERWAHLJAHR 2009.
Dies ist übrigens durchaus Steigerungsfähig - siehe auch Von Zu Guttenberg, dessen einzige Qualifikation ist, dass er adelig ist, schon immer in der CSU war und aus Franken stammt (Zitat aus der Satire-Sendung "Neues-Aus-Der-Anstalt"), und der nun als "Wirtschaftsminister" kurz in die USA gejettet ist - auf Steuerzahlerkosten - um "Opel zu retten".
Nach der Wahl werden wir wohl dann erfahren wieviel Geld "Herr Von und zu Guttenberg" für diese Aktion verdient hat - so unter der Hand.....
Neoliberale Politiker? Vergiß es, alle "Büttel des Kapitals", da hilft auch noch so eine Statistikmanipulation nix....
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
PS: Im Wirtschaftsministerium hat ja nur die "Spitze" komplett gewechselt, die Lobbyisten, die dort Gesetze schreiben lassen, sind die alten.....! Von Guttenberg ist ergo nur eine Sprechblase im Anzug von Sinn, INSM & Co....:-(
Großzügig Kurzarbeit bis zu den Wahlen, danach knallhart 'Freisetzungen' (Entlasungen) ist wohl die Devise solcher Gestalten aus Politik und Wirtschaft.
Nach unten treten, nach oben dackeln.
Vorwärts, Stürmer!
Hetze!
"wird es in naher Zukunft so kommen, wie es schon einmal kam."
es scheint eigenartig ruhig zu sein bezüglich der Kurzarbeit. Nicht nur in Deutschland. Noch scheint die verordnete Hoffnung auf Aufhebung der Kurzarbeit durch Normalarbeit nach der Krise die Scheuklappen zu stützen.
Vermutlich wird die Kurzarbeit nur teilweise wieder zurück gefahren werden können. Das war doch nach jeder Flaute so: niemals wurde das alte Beschäftigungsniveau wieder erreicht. Produktion und Verwaltungen wurden in den letzten Jahren vollständig auf mikroelektronische Maschinen umgestellt. Vermutlich sind ein Teil des gestrichenen Arbeitsvolumens noch überschüssige Reste dieser Rationalisierung. Ein anderer Teil verdankt sich der Krise.
Was dann wohl kommen mag? Vermutlich wird die Stoßrichtung der Politik der letzten Jahre immer klarer hervortreten. Und sie wird wohl immer empfindlicher werden. Sie ist auf Präzision und Effizienz ausgerichtet. Um so präziser und effizienter dieser Betrieb wird, um so straffer er wird, um so spröder wird er. Die Eigenarten des Menschseins werden diesen Betrieb irgendwann von vornherein nur mehr stören können. Die Gefahr für den Betrieb liegt freilich im Unscheinbaren: die Zuweisung von Sinn. Davon weiß der Betrieb nichts, davon lebt er aber. Darüber denken nicht einmal die Menschen viel nach und machen können sie ihn nicht, aber leben müssen sie ihn. Wenn dieser Betrieb einmal seine sinnintegrative Funktion sich selbst wegrationalisiert hat, ist er in seine Wahrheit gekommen und ist geworden, was er ist. Solange man aber meint, die moderne Pluralität ist etwas, die man zu Hause hinter dem Ofen und Sonntags beim Ausflug pflegt, solange bleibt die sinnintegrative Funktion des heutigen Betriebes bestehen. Aber vielleicht brechen diese Sinnbande sukzessive. So könnte notwendiger Raum für neues entstehen.
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