Facie prima

Samstag, 28. März 2009

Ein kurzes Geleitwort: Von Menschen, die in der Öffentlichkeit behandelt werden, kann man nicht nur lesen, man kann sie auch sehen. Die Visualisierung der Person, vielmehr des Images, das einer Person anhaftet oder angeheftet wird, ist ein wesentlicher Bestandteil der Berichterstattung der Massenmedien. Daher sagt ein Bild mehr als tausend Worte, es erläutert bereits mit einem flüchtigen Blick, wess' Geistes Kind derjenige sein soll, über den gerade aktuell berichtet wird. Facie prima (lat. auf den ersten Blick) soll als neue unregelmäßige Kategorie bei ad sinistram eingeführt werden. Diese soll sich mit solchen konditionierenden Visualisierungen von Personen auseinandersetzen, in ein Paar Worten erklären, welche Image-Maske man dem jeweiligen Akteur aufgesetzt hat. An dieser Stelle sei auch an das kleine Latinum erinnert, welches fortan in der Kopfzeile nachschlagbar ist. Darin soll kurz und bündig erklärt werden, was sich hinter den latinisierten Kategorien ad sinistrams verbirgt.

Heute: Der Macher, Peer Steinbrück

Grüblerisch schaut er drein, geistesabwesend wirkt er, in tiefer Reflexion versunken. Egal welche größere Tageszeitung man auch aufschlägt oder im Internet anklickt, der philosophische Steinbrück, die personifizierte Denkerstirn, begegnet dem Leser regelmäßig in diesen Tagen der Krise. Eine Krise, wie man uns versichert, die in den Händen unserer politischen Eliten, in den Händen Steinbrücks, sicher verwaltet würde. Und wer möchte dem widersprechen beim Anblick des denkenden Peer? Denn genau darum geht es, der ansonsten stets dümmlich dreinblickende Steinbrück ist der Sieger der Krise, vielleicht nicht materiell, darüber läßt sich derzeit nicht berichten, aber doch ideel. Seitdem dieses Land einen fachlich einwandfreien Finanzminister braucht, ist er zu einem drapiert worden. Weil Krise ist, schweift der Blick Steinbrücks in die Ferne, läßt man ihn bildlich den Visionär mimen, der sein Geschau gen Horizont richtet, den er mittels diffiziler und profunder Denkarbeit zu erreichen gedenkt.

Doch nun hat er ausgedacht, fertigüberlegt, Erkenntnisse erzielt. Jetzt schwingt er mahnend und oberlehrerhaft den Zeigefinger, deutet uns, so scheint es fast, den Weg seiner Reflexionen, wirkt wie der erklärende Geistesriese, der uns Zwergen seine Weisheit darlegt. Dabei hat er das Kinn nach vorne geschoben, was wohl als energisches Unterstreichen seiner Erleuchtung anzusehen ist. Man zeigt uns Steinbrück als Denker in Hemdsärmeln, der sich nicht still in seinen Elfenbeinturm zurückzieht, sondern mahnt, erklärt, anpackt. Er wird als der platonische Typus des Herrschers präsentiert, als Philosophenkönig, als Denker und Verbesserer in einer Person, entgegen der oftmaligen Trennung dieser beiden Pole. Der Betrachter soll ins Unterbewußtsein geimpft bekommen, dass er hier auf einen Zeitgenossen stößt, der vita contemplativa mit vita activa zu vereinen weiß. Ein geistiger Handwerker, der erst tiefgründig in Geisteswelten entschwindet, um dann sein Umfeld zu belehren.

Final dann packt Steinbrück richtig zu, aus dem Denker und Lehrer wird ein regelrechter Kämpfer und Arbeiter. Beide Fäuste symbolisieren Kampfeshaltung, der aufgerissene Mund zeigt Engagement, ist Schrei- und Drohgebärde. Wer soll einem Minister, der so engagiert wirkt, nicht sein ganzes Vertrauen schenken wollen? Einem solchen Mann, der verschiedenste Qualitäten in sich vereint, Mann des Wortes ebenso ist, wie Mann der Tat. Muß man einem solchen nicht einfach blindlings folgen? Kompetenz strahlt zwar der visualisierte Steinbrück nie aus, weil sie nur schwer bildlich zu erfassen ist. Aber das muß er auch nicht. Es reicht, wenn er den starken Mann darstellt, hinter dem man sich schutzsuchend stellen mag, auf den man vertraut und baut. So wie man uns den Finanzminister seit Wochen in die Stuben schickt, glaubt man sich bei aller Angst um die Zukunft, doch wenigstens ein Stückchen beschützt. Er soll jenen Typus Politiker abgeben, auf den ein angstvolles Volk bauen kann, getreu dem Motto: Peer befiehl uns und wir folgen dir.

Der visualisierte Steinbrück ist ein Macher. Aus der dümmlichen Grinsekatze, die immer irgendwie fehl am Platze wirkte, ist ein Tatmensch geworden, ein Anpacker und Kämpfer, nebenbei ein tiefgründiger Philosoph, mit dem Blick eines Visionärs. Die Wirtschaftskrise kann also für einige auch als Gewinnsituation bewertet werden. Was dem einen jetzt und in den nächsten Monaten im Geldbeutel fehlt, wird dem anderen jetzt und in den nächsten Monaten an Führungsqualität und Charisma gutgeschrieben.

7 Kommentare:

potemkin 29. März 2009 um 10:22  

Nicht zu vergessen die orginellen Einlagen zum angeblichen Kampf gegen Steueroasen. Der wildwest-erprobte Wähler goutiert dankbar die Kavallerieattacken gegen alpine Indianer und sieht den humorvollen Hanseaten als ideale Ergänzung zur burschikosen Kanzlermutti. Daß viele Bundesbürger den Finanzminister der Partei der Kanzlerin zuordnen, ist in Zeiten wie diesen belanglos. Das bewährte Gespann wird vermutlich schon im November Maßnahmen und Gesetze verkünden, die für den Erhalt des Wirtschaftstandort Deutschland leider notwendig und natürlich auch 'alternativlos' sein werden. Drum genießet den Wahlkampf, der Friede wird schrecklich sein!

ben 29. März 2009 um 11:04  

http://www.stern.de/politik/deutschland/:US-Finanzkrise-Steinbr%FCck-USA-Versagen/640201.html

Das weltweite Finanzsystem steht laut Einschätzung von Finanzminister Peer Steinbrück vor drastischen Umwälzungen. "Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor der Krise", sagte Steinbrück in einer Regierungserklärung. Verantwortlich für die Krise sei das zügellose Renditestreben in den USA.
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Hier ist ein gutes Beispiel für Deine These. Ein dümmliches Statement, gleichzeitig aber als aktiver Krisenmanager auf dem Bild dargestellt, obwohl es ein paar Wochen vorher für ihn ja nur ein Problem der Amerikaner gegeben hat.
Das dieser Kerl mitverantwortlich ist für die Krise, weil auch hier der De-Regulierungswahn der (Finanz-)Märkte stattgefunden hat, wird in keiner Weise beleuchtet.

Vielleicht heißt es ja auch nicht umsonst "BILD dir deine Meinung". Traurig aber wahr, wie viel sogenannte Prominenten sich für deren letzte Werbung hergegeben haben. Auch dort setzt man auf Bilder, um den Menschen etwas vertrautes vorzuspielen.

Der Spruch "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" kommt ja nicht von ungefähr. Dabei wird oft vergessen, dass ein Bild nur ein Millisekunden-Ausschnitt einer Handlung ist und die Möglichkeiten der digitalen Bild-Überarbeitung auch nicht unterschätzt werden sollten.
Da gab es doch mal so eine schöne Geschichte über die weg-retuschierte Rolex von Ex-Siemens Chef Kleinfeld....

Martin Fuchs 29. März 2009 um 13:52  

Zitat: „Der visualisierte Steinbrück ist ein Macher. Aus der dümmlichen Grinsekatze, die immer irgendwie fehl am Platze wirkte, ist ein Tatmensch geworden, ein Anpacker und Kämpfer, nebenbei ein tiefgründiger Philosoph, mit dem Blick eines Visionärs. Die Wirtschaftskrise kann also für einige auch als Gewinnsituation bewertet werden. Was dem einen jetzt und in den nächsten Monaten im Geldbeutel fehlt, wird dem anderen jetzt und in den nächsten Monaten an Führungsqualität und Charisma gutgeschrieben.“

Den Schweizern werden andere Bilder geliefert, die leider den „Sauschwaben“, die in der Schweiz leben, das Leben in der Diaspora erheblich verleidet.

http://is.blick.ch/img/gen/T/7/HBT7cDnk_Pxgen_r_484x700.jpg

Als Bremer Hanseat war man wohl schon immer schweiz-kompatibler als ein Hamburger Pfeffersack.

Zum Blog: Das Beste, was man als verantwortlicher Zeitgenosse lesen kann! Merci vielmals.

klaus baum 29. März 2009 um 14:30  

Der Link zum Schweiz-Blick
auf Steinbrück
ist sehr gut.
Das Foto dort zeigt, wie durch Auswahl von Bildern in den deutschen Medien, durch Selektion, ein Charakter kreiert wird, der manipulativ als Herkules erscheint, als einer, der den Augias-Stall ausmistet, während er doch - für den Betrachter unsichtbar - selber in diesen Stall scheißt.

Anonym 29. März 2009 um 17:52  

Schöne Kommentare hier! Ich für meinen Teil befürchte nach den Wahlen den "worst case":
Schwarz-Gelb an der Macht.
Dann heißt es: Wollt ihr die totale Freiheit? Damit meine ich die Freiheit Zähne im Mund zu haben oder auch nicht usw., alles dann nur noch eine Frage des Geldbeutels, wer nicht mithalten ist selber schuld. Das wird ja jetzt schon ständig in die Köpfe suggeriert. Bloß weg hier...

epikur 29. März 2009 um 23:21  

Schöne Rubrik! Und endlich ein paar mehr Bilder. Die motzen Deinen Blog nochmal so richtig auf ;)

Über öffentlich produzierte Images von Personen zur Aufrechterhaltung bestimmter Mythen, gibt es sicherlich viel interessantes zu schreiben. Man denke z.B. an Dieter Bohlen den ehrlichen-frechen, an Müntefering den Parteisoldaten oder an Koch, den ach so kompetenten Wirtschaftspolitiker *hust*.

Franktireur 30. März 2009 um 15:23  

Mensch beachte auch die Vita dieser Nulpe. Kein tag Arbeit in der freien Wirtschaft, goldig.
Und wenn er zur Wahl stand, hat er regelmäßig verloren. Ich finde, der paßt sehr gut in diesen Haufen, der sich da Regierung nennt.

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