De auditu

Dienstag, 30. April 2013

Eine sprachliche Unart unserer Tage, so meint jedenfalls der Kabarettist Helmut Schleich, sei die Erwiderung einer Aussage mit einem undefinierbaren Okay. Dabei ist dieses Okay als Frage intoniert und langgezogen, also vielmehr ein Okaaay? Schleich nennt das ein "Sprachneophyt und linguales Springkraut". Vor einigen Jahren, so erklärt er, habe das noch niemand gesagt. Aber heute ist Okaaay? eine eigentlich stets passende Antwort auf allerlei Erschlagenheiten des täglichen Lebens. Denn dieses irgendwie ironisch unterlegte Okaaay?, auch das hat Schleich ganz richtig erläutert, sei Ausdruck für Überforderung.

Okaaay? ist zugleich der wenig beredte Beleg für die schwindende Kommunikationskompetenz im Alltag. Es ist eine Fragestellung, die quasi ohne Worte auskommt. Ein Was willst du von mir? ohne Satzbau. Okaaay? ist aber mehr. Es tritt als Floskel in Erscheinung, wenn der Gegenüber etwas sagt, was nicht im Rahmen der standardisierten Kommunikation vorgesehen ist. Wenn man kommunikativ aus der Reihe tanzt, beispielsweise sagt, man verabscheue den Sommer - wo doch alle Welt weiß, dass jeder Mensch die Wärme liebt. Das dann folgende Okaaay? klingt dann nicht selten provokativ und herausfordernd. Natürlich auch irgendwie überfordert. Zuweilen gibt sich Überforderung provokant, um nicht sofort ertappt zu werden.

Okaaay? ist ein im Alltag verwendeter Zusatz wie sic! und damit Markierung für unverständliche Stellen in der Matrix standardisierter Kommunikationsrituale. Schleich nennt beispielsweise das Ritual nach einem Einkauf, dem Kunden und Neubesitzer noch viel Spaß zu wünschen, als eine weitere Infantilisierung der Sprache. Antwortet man da nicht pflichtgemäß mit Danke!, sondern pampig, weil man sich auf Kleinkindalter reduziert wähnt, so erntet man mit Wahrscheinlichkeit ein Okaaay? Dieses moderne sic! der alltäglichen Sprache kennzeichnet den Verstoß gegen den Sprachkodex. Es gebietet indirekt den Gebrauch der üblichen Sprachliturgie und mahnt das Abkommen vom Weg der konsumoptimierten Kommunikation an. Insofern ist Okaaay? ein Imperativ mit Fragezeichen, ein durch das Hintertürchen der naiven Frage daherkommender Befehlston, doch bitte wieder so zu kommunizieren, dass alles wieder in geregelten Bahnen läuft.


7 Kommentare:

Anonym 30. April 2013 um 08:17  

...ja, genau...und nachts ist es kälter als draussen...

Hartmut B. 30. April 2013 um 09:39  

unübertroffen ist dieses okaaay aber nur mit Kaugummi... daher, ein okay nicht ohne dummi wiederkäuen. ;-)

ninjaturkey 30. April 2013 um 10:00  

Ah, danke! Dieses Okääääii? geht mir auch mächtig auf den Geist. Es steht nicht nur für den Rückruf in die Reihen des unkritisch korrekten Plaudertons, sondern umgibt auch den Anwender mit einem fadenscheinigen Nimbus der Reflexion und Analyse (Okäääiii = Ja, hab´ ich irgendwie verstanden, sehe ich aber irgendwie anders, red´aber mal weiter, vielleicht kommt ja noch was) um die eigene knirschende Einfalt zu ummänteln.

Weitere Worte deren Verbannung den zunehmend trüben Sprachbrei deutlich lichten würden: irgendwie und so (ohne wie). Auch ich denke, ich meine, meiner Meinung nach, ich glaube, die seit Jahren wirklich jedes Argument schon im Ansatz im subjektiven Eindruck auflösen, ließen sich ohne Schaden entfernen.

Frederico 30. April 2013 um 11:49  

Das "Okay" des Erstaunens hat schon einige Facetten, das "Okay" der Zustimmung ebenfalls. So weit sich diese Facetten allein lautlich mitteilen, ist das keine neue Erscheinung, sondern war bei den Einwortsätzen immer eine Ausdruckmöglichkeit. Mit "ja"/"ach ja" lässt sich auch allerhand anstellen. Das langgezogene Okay des Erstaunens haben die Deutschen den amerikanischen Serien und Filmen abgelauscht, es ist weniger infantil als einer dieser vielen Amerikanismen, die teilweise auch sehr unscheinbar in die deutsche Sprache einfließen und zum Bodensatz der teilautomatisierten Alltagsdialoge gehören. Man sollte auch fragen, warum dieses speziell klingende Okay so en vogue ist. Das Attraktive scheint das Ausweichen vor der Konfrontation zu sein. Es beinhaltet einen Nebensinn von Gelassenheit und Toleranz bei gleichzeitiger Distanzierung, zudem eröffnet es eine Pause ("Erstaunlich, ich muss mir das erst einmal überlegen"). Das ist eine hübsche Sache, die dem Deutschen gefehlt hat. Man meint "ich glaube das nicht", bejaht aber, dass der andere meinen darf, was er meint, will oder tut. Verbales Hipstertum, könnte man es nennen. "Wenn du meinst" hat man früher in solchen Fällen gesagt - was deutlich konfrontativer ist. Ich denke, man muss neumodische "Okaaayy" nicht bewerten. Jede Zeit erträgt ihren Murks an gedankenfreiem sprachlichen Alltag.

ninjaturkey 30. April 2013 um 16:29  

@Frederico: Ich nutze statt des "Okääiii?" viel lieber das Loriotsche "Ach!" ;-)

der Herr Karl 1. Mai 2013 um 06:11  

Es ist noch nicht lange her, dass ich dieses fragende Okaaaay? das erste Mal hörte; einige Monate vielleicht. Es blieb mir gleich quer im Gehörgang stecken.
Seither fällt es mir dauernd auf, sogar bei Radiomoderatoren.
Wie Frederice schon sagte: Es ist eine sprachliche Modeerscheinung von vielen. Die kommen und gehen. Und wer "in" sein will, der wendet diese Dinger bei jeder sich bietenden Gelegenheit an...

mokoko 2. Mai 2013 um 12:16  

Mal wieder perfekt auf den Punkt gebracht. Überforderung und Skepsis, dass das Gegenüber wohl nicht "normal" tickt, weil die Antwort vom Erwarteten Bla bla abweicht.
Und daher logischerweise den standardisierte Dialoge gewohnten Michel überfordert.

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