De dicto

Donnerstag, 4. April 2013

"Mensch Merkel
[...]
... jedes Jahr traf sie dort Oberkellner Cristoforo Iacono (59). Dieses Jahr aber war er nicht mehr da.
[...]
... die Kanzlerin hat ein ganz bestimmtes Ziel: das Haus des früheren Hotelmitarbeiters."
- Bildzeitung vom 3. April 2013 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Es menschelt um die Kanzlerin. Sie ist im Urlaub, ist ungeschminkt und ohne BH unter der Bluse. Mensch Merkel eröffnet die Bildzeitung. Hinter der fotomontierten SS-Uniform steckt halt doch ein Mensch. Gerade richtig zur Verhitlerung Merkels an der Peripherie Europas kehrt man die Aktion Mensch hervor, hat man es zum redaktionellen Leitmotiv gemacht, den sterilen Hosenanzug in legere Wäsche zu stecken. Die Urlaubskanzlerin soll die Fotomontagen vergessen machen. Und besonders menschlich scheint die Geschichte von der treuen Urlauberin, die ihren cameriere nachtrauerte.

Der wurde entlassen und Merkel, so will es die Legende der Gebrüder Bild, habe seinen Wohnort ausfindig gemacht und ihn besucht. Spontan und einfach so. Die harte Hand der Kanzlerin, so steht zu lesen, scheint vergessen. Wer denkt dabei nicht an Jack Nicholson, wie er in Besser geht's nicht nach seiner Kellnerin Helen Hunt bestellt, die nicht am Arbeitsplatz erschienen war? Prompt suchte der unter Zwangsneurosen leidende Nicholson sie zuhause auf. Immerhin brauchte der Typ, den Nicholson oscarprämiert darstellte, klare Strukturen, mitgebrachtes Plastikbesteck im Lokal und bei jedem Händewaschen ein neues Stück Kernseife. Hunts Filmsohn war schwer erkrankt und Nicholson tat das, was man nun der Kanzlerin im Hause "ihres" Kellners nachsagt: Er kümmerte sich rührend um die Genesung.

Lassen wir aus Schabernack die Story mal wahr sein. Denken wir uns das PR-gespülte Motiv weg und ordnen den Besuch der alten Dame mal in psychoanalytische Charakterstrukturen ein, machen Merkel zu einem Nicholson, zu einem Zwangscharakter. Darüber liest man Dinge wie: strenge Reinlichkeitserziehung, daraus resultierenden sadistischen Bedürfnisse, die aber relativ kontrollierbar werden können durch Ordnungsmechanismen und Kontrollzwänge. Schimmert also bei dieser Kanzlerin, die selbst im Urlaub noch auf PR-Tour ist, der ihr unterstellte Charakter nicht trotzdem latent hervor?

Diese Deutung ist fürwahr in etwa so lächerlich, wie die verzärtelte Vermenschlichung einer Kanzlerin, die in ganz Europa zunehmend in die Kritik gerät. Der Direktor ihres Hotels auf Ischia meint doch angeblich, sie sei "total normal und ganz einfach". Einer seiner Vorgänger dürfte dasselbe über Mussolini behauptet haben. Was haben solche Erkenntnisse also zu bieten? Noch eine küchenpsychologische Wertung dieser Berichterei gefällig? Mit Zeitzeugenberichten, die Hitler als "total normal und ganz einfach" bezeichneten, hat die Bildzeitung immer gerne Leser angesprochen. Der Mensch hinter dem Verbrecher faszinierte stets. Indem sie nun Merkel vermenscheln, haben sie die in Europa stattfindende Verhitlerung Merkels entgegengesetzt aufgegriffen. Auf ihre Weise reichern sie diese Patrona Finanzmarktae, diese Fidei Defensora um das Faszinosum ihrer stinknormalen Intimsphäre an. Die mit Hakenkreuz fotomontierte Bankenrettungstyrannin wird um die Facette ihrer Privatheit reicher und die diametral entgegenlaufende Verbiesterung forciert. Fazit: Die Verhitlerer haben Eindruck hinterlassen und selbst die Bildzeitung "überzeugt".



5 Kommentare:

Anonym 4. April 2013 um 09:09  

....das ist nu mal ein Tittenblatt...und da müssen auch mal
Kanzler-Ti.....rein

Anonym 4. April 2013 um 09:32  

ANMERKER MEINT:

Ja, so ist es wohl, Frau Merkel benötigt eine Aufpolierung ihres Images. Wer wäre da besser geeignet als der "Volkswagen unter den Zeitungen": Seht her, so ist sie unser aller Mutti, nicht allein das, sondern auch noch ne gute Omi! Und die wird ständig verhitlert. Das ist doch nur Böswilligkeit. Eigentlich will sie doch immer nur das Beste für alle. Diese Grundmelodie bereitet der ZeitungsVW schon mal vor, denn wenn der Urlaub zu Ende ist, ist Schluss mit lustig, da muss Mutti/Omi wieder ganz schön streng sein mit ihren Lieben! Aber eigentlich ...

MEINT ANMERKER

Hartmut B. 4. April 2013 um 09:52  

rund fünf Jahre sind vergangen, dass Ackermanns Mädchen Milliarden Steuergelder den Banken in den Rachen geworfen hat.... selbst nach so langer Zeit merke(l)n Millionen Bundesbürger nicht, was das mit Rechts- und vor allen Dingen Sozialstaatlichkeit zu tun hat.... worauf sie bei Amtsantritt den Eid abgelegt hat....

Der Deutsche Michel.... eben ein Volk von Untertanen... und.. obrigkeitshörig !

Anonym 4. April 2013 um 10:08  

Nix Neues unter der Sonne - Über Ostern habe ich das letzte Band der "Kriminalgeschichte des Christentums" des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner gelesen, der sich im letzten Kapitel des Buches mit einem Thema befaßt, dass nur indirekt mit Kirchenkritik zu tun hab, aber um so mehr mit feudalistischen Zuständen - Überschrift "Armut als Massenphänomen im absolutistischen Zeitalter" - von der Verachtung der damaligen selbsternannten "Eliten" bzw. Fürsten bis zur damaligen PR für Fürsten, und sonstige Adelige ist das Kapitel sehr aufschlußreich zu lesen.

Es hat sich - dank Schröder/Fischer bzw. Merkel/Westerwelle - rein gar nichts geändert - wir sind auf den besten Weg zurück in die Zustände die Deschner als unmenschlich, und menschenverachtend - am Beispiel diverser Fürsten, und des großen Preußenkönigs dem "Alten Fritz" zeigt.

Apropo "Alter Fritz" der wird mit Voltaire immer - damalige PR eben, die bis heute bei manchen wirkt - menschelnd, und der Aufklärung verbunden, gezeigt, das wahre Gesicht zeigt Deschner hier aber zum ersten Mal unwidersprochen auf - man könnte den "Alten Fritz" als Jekyll & Hyde bezeichnen....eben wie Merkel, die menschelt auch einmal, und zeigt ihr Monster....wie der große feudalistische Herrscher eben.....

Gruß
Bernie

baum 4. April 2013 um 12:54  

ich wäre doch fast auf diese menschelei hereingefallen

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